Autor Thema: Die rollenspieligsten Band-Tips vom Melt!  (Gelesen 1566 mal)

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wjassula

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Die rollenspieligsten Band-Tips vom Melt!
« am: 20.07.2004 | 14:32 »
Dieses Wochenende ging's auf's Melt! in block-rockin' Gräfenheinichen, da wo sisch Füchs und Hoase "Güde Nocht" soochen. Unter den fünf Riesenbaggern der Ferrpopolis gaben sich Pop und Electronica die Hand, und heraus kam so einiges. Da es ja hier eher weniger elctro-Freaks gibt, verrate ich euch jetzt nicht, dass DJ Koze of ex-Fischmob und jetzt International Pony-fame eines der coolsten Sets aller Zeiten hingelegt hat (die geile Sau!) dass Richie Hawtin morgens um 5 auflegte und enttäuscht haben soll (den einen war's zu funkig, den anderen zu schranzig, was ja so ungefähr gar nichts heisst), dass  Laurent Garnier straighten house machte, der bei dem ansonsten abgefahreneren Zeug fast schon langweilig war, und dass Ricardo Villalobos gut wie immer war. Auch interessiert euch sicher nicht, dass Egoexpress mich gelangweilt haben. Gut, dann also mal zum rockigeren Teil der Veranstaltung.

2RaumWohnung muss man ja jetzt nicht mehr vorstellen. Inga Humpe und Band (Drums, Gitarre, Laptop) lieferten eine absolut professionelle Show voller shmoover Pop-Plucker-Hits und kühler sexyness. 25 Jahre Erfahrung merkte man sofort, allerdings sieht Frau Humpe keineswegs so aus, als wäre sie schon seit NDW-Zeiten unterwegs. Meine einzige Kritik vielleicht, dass es ein bisschen sehr glatt war. Die beats sind so nett und Humpes Stimme so lieblich, ihr Habitus so "Und jetzt alle mitsingen"-mässig, dass ich mir manchmal schon wie bei Wersternhagens vorkam. Aber schön wars gewesen. Rolenspielfaktor: 0 , geht nicht als Hintergrund und lehrt uns nix übers Verkörpern von Rollen, na gut 1 Punkt für die Demonstration archetypisch coolen Popstartums, nagut, 2 weil das Degenesis-Team der Band gedankt hat.

Beige GT haben mal einen Bandwettbewerb von Spex und noch irgend was gewonnen, geben sich aber schon längst eigenständig und gar nicht Nachwuchsband-mässig. Sicher die "normalste" Rockband des Festivals, eine 808 und ein alter Moog waren das einzige Zugeständnis an die kalte Technik. Technisch sehr versiert bot die Band 90s-Rock mit funk-Elementen, der gut nach vorne ging und vor allem mal aus den gängigen Songstrukturen ausbrach. Können sich alle Rockfans da draussen hinter die Ohren schreiben. Rollenspielfaktor: 1, weil der Keyboarder ein Nerd ist. Die anderen Jungs waren zu gut angezogen und frisiert, um jemals was anderes gemacht zu haben, als die Rollenspieler in der Mittelstufe auf dem Schulhof zu verprügeln.

Avril aus Frankreich sind mein Geheimtip der Saison. Angekündigt als eine Mischung aus Radiohead und Air, stellte sich dann heraus, dass sie eher nach Pink Floyd in einem Wald aus riesigen Kristallen klingen, durch den ab und zu eine Elefantenherde stapft. Sexy Sänger, ungewöhnliche Sounds (2 Theremine auf der Bühne), catchy Melodien und auch noch funkelnde Texte (die, wie ich dem Infoblättchen entnehme, teilweise von einem recht bekannten französischen Dichter der Gegenwart stammen). Einmal singt der Sänger über Einsamkeit nach Schluss-gemacht-kriegen und da heisst es sehr schön: "Neighbors will die before you come back to me". Die werden noch ganz gross. Rollenspielfaktor: 3, weil der Sänger ein riesiges Drehdingens auf der Bühne hatte, aus dem ganz finstre Bässe kamen, die er durch Drehen fies verzerren konnte. Da dran turnte er regelrecht rum, und folterte uns alle so richtig durch, bis wir vor Wonne aufstöhnten. Das bring ich auf jeden Fall bei UA.

Tortoise waren Pilze: Weder Pflanzen noch Tiere, sondern eine eigene Gruppe, also Jazz. Zwei Schlagzeuge, zwei Vibraphone, Gitarre, Bass, Laptop. Die Gruppe spielte nur miteinander ihre seltsamen, fremdartigen Klänge und guckten nie ins Publikum. Technisch atemberaubend ging das leider gar nicht nach vorne. Wer Ohren hatte zu hören, der staunte, die nur Beine zum Tanzen hatten gingen leer aus. Rollenspielfaktor: 6, weil die Bandmitglieder alle dick und tätowiert waren, und aussahen wie Henry Rollins kleiner Bruder, der es nie so weit gebracht hat und jetzt Jazzplaten sammelt und D&D 1 spielt, während der Bruder mit den geilen straight-edge-Yoga-Miezen die lautere Musik macht und dann auch noch spoken-word performances, der Eierkopf. Klassiche Nerds also.
 
The Robocop Kraus rockten aus dem Computer. Das hatte gar nichts mit Rollenspiel zu tun.Aber doch einen Punkt beim Rollenspielfaktor wegen des Namens. Ausserdem haben die ein Lied, das geht so "Fake boys, fake girls, lalalalala". Also 2 Punkte, denn sind wir nicht alle im grofafo fake boys und fake girls?

Stella genau so. Die Hamburger hatten Probleme mit dem anscheinend völlig bekifften Mixer, dem sie noch während des Auftritts Anweisungen geben mussten. Die kühle, schöne schlaue Sängerin strafte ihn mit Verachtung dafür und sang  erst recht wie ein ganzer Wald voller Vögel, die mit geballten Krallen fordern, dass Frauen sich auch Bärte wachsen lassen dürfen sollen. Ties Mynther, der mit dem Tocotronic-Sänger zusammen Phantom/Ghost ist und Remixe für ganz berühmte Luete macht, stand hinterm Laptop.Ausserdem stand während des ganzen Konzerts ein schönes Mädchen hinter mir und tanzte leider nicht. Entschädigte mich aber für die blonde Frau, die während des Koze-Sets die ganze Zeit meiner Freundin beim Tanzen auf den Arsch geglotzt hat, und dann mit einem Freund von uns abzog. Also Daumen hoch für Stella. Kauft alle die neue Platte. Rollenspielfaktor: 8. "Buy one, get one free - an extralife is all I need". Gingen Kapitalismuskritik und Rollenspiel je so schön zusammen?

Mouse on Mars gehen so: Stellt euch zwei Typen vor, die auf einer einsamen Insel wohnen, und nie Musik gehört haben. Auf einmal wird ein Laptop angespült. Die beiden entdecken, dass darauf ein Programm zur Manipultaion von Tönen ist und erfinden etwas, dass sie "Anderes Wellenrauschen" nennen. Später kommt ein Schiff vorbei, und der Rest der Welt denkt, dass die Typen Musik machen, wie man sie noch nie gehört hat. Auf Platte sind die immer so verfrickelt und kompliziert, live gehen die fast so ab - aber nur fast- wie Koze (die geile Sau!)

Und dann Peaches. Die Kanadierin aus Berlin brachte zwei Wesen mit auf die Bühne, die Umschnalldildos um die Hüften und Bärte im Gesicht trugen, und dann gings ab. Ich weiss nur noch, dass wir alle wie wild zu diesem bösen, kratzigen Geballer pogten und uns mit den Hüften blaue Flecke machten. Ihr habt nichts gehört, wenn ihr nicht ein paar tausen Leute habt singen hören "Fuck the pain away!". Iggy Pop kam auf einer Videoleinwand zu Besuch und sang nochmal ein weiteres Lied über die Überflüssigkeit von Geschlechtergrenzen. Zwischendurch war Peaches Mchael Jackson und MIck Jagger. Rollenspielfaktor: 10. Was hier über das Darstellen von geschlechtlichen Stereotypen und Rockstarposen rüberkommt, darf sich kein Rollenspieler entgehen lassen. 

Der britische Rapper The Streets liess mich kalt und die Scissor Sisters waren aber schon seeeehr aus New York. Ihre Fredy Mercury/Steely Dan-Tunten-Show kommt in Europa eindeutig nicht ganz so rüber wie drüben, Wir hatten Stefan Raab schon.

Höhepunkte: Koze (die geile Sau!) udn Peaches, sowie die famosen Stella. Ausserdem das nette Mädchen, das mich anstarrte und das andere bestimmt auch nette Mädchen, dass sich aber leider recht unvorteilhaft in den Schoss kotzte, als ich sie erblickte. Das blonde Mädchen, das meine Freundin angebaggert hat, soll weggehen. Ausserdem war's zu heiss, aber dafür kostete das Bier nur 2,50 und kam in Plastikflaschen, so dass man endlich mal gefahrlos völlig ekstatisch Flaschen auf die Bühne schmeissen kann.

Entschuldigung an die ungefähr 150 anderen Acts, die ich nicht mitgekriegt hab.

Nächstes Jahr wieder.

Offline Jestocost

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Re: Die rollenspieligsten Band-Tips vom Melt!
« Antwort #1 am: 20.07.2004 | 14:43 »
Mehr davon. Hab mich echt totgelacht.


Wjassula soll eine Kolumne kriegen. Bin dafür. Jawoll, das muss so sein.
"When I became a man, I put away childish things, including the fear of being childish, and the desire to be very grown up."
--C.S. Lewis, 1947

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