So, dann steige ich mal wieder in den Fleischwolf

Zed, du verstehst es sehr gut, einem mit interessanten Fragestellungen aus der Reserve zu locken

Disclaimer:
Schlechtes Spielleiten in diesem Post wünsche ich, wie folgt zu verstehen:Schlechtes Spielleiten macht nicht automatisch die Person dahinter zu einem schlechten Spielleiter und auch nicht die Spielsitzung automatisch zu einer kompletten Vollkatastrophe.
Alles was hier als schlechtes Spielleiten bezeichnet wird, habe ich auch schonmal so gemacht - auch wenn ich es mittlerweile anders angehen mag.
Das was ich hier als schlechtes Spielleiten bezeichne, kollidiert schlicht mit dem, was meiner begrenzten Erfahrung und meinen persönlichen Präferenzen nach "Best practice" ist.
Schlechtes Spielleiten will ich mit folgenden Kontext definieren:
- Gut: Auf lange Sicht Spannend
- Schlecht: Auf lange Sicht Langweilig
Ich erhebe dafür keine Allgemeingültigkeit, alles ist zwar direkt aus der Praxis, hat aber dennoch nur anekdotische Evidenz.
Weiter hoffe ich, dass ich auch nachvollziehbar erklären kann, warum ich es für "schlecht" halte.
Wenn andere mit diesem schlechten Spielleiten gute Ergebnisse erzielen: Super, ist durchaus möglich, dann ist es für denjenigen kein schlechts Spielleiten. Whatever floats your boat!
Damit habe ich hoffentlich die meisten Minen umschifft und es geht los:
Eine Spielleitung leitet ein Kaufabenteuer. Alle würfeln offen.
1. Die Spielleitung ändert allgemein im Laufe der Vorbereitung Monster des Kaufabenteuers ab.
2. Die Spielleitung passt die Herausforderungen des Abenteuers speziell an die Möglichkeiten der Gruppe an.
Kein Problem, im Gegenteil.
3. Es gab schon seit vielen Sessions keinen Kampf mehr. Das will die Spielleitung heute ändern, denn Kampf wenigstens ab und zu mögen alle.
Wenn alle es mögen, kein Problem.
Wenn ein Kampf kommt, der die Handlung nicht weiterbringt, sondern lediglich Lückenfüller ist, ist es für mich, gemessen an meinen persönlichen Geschmack, langweilig (Was Lückenfüller ist, kann je nachdem, welchen Spielstil man gerade bedient, unterschiedlich sein): Lieber kein Kampf, als einer bei dem es keine Stakes gibt und der reiner Selbstzweck ist.
Ist aber hier noch kein schlechtes Spielleiten, da ja Konsens herrscht, dass ein Kampf schön wäre.
4. Die Spielleitung ist sich unsicher, ob der eine Oger, den die Gruppe gleich besuchen wird, ein zu leichter Gegner ist. Sie hält einen zweiten "Quantenoger"* Schrödingers Oger im hinteren, noch unerforschten Nachbarraum in Reserve.
Schlechtes Spielleiten, das würde ich nicht machen - ich würde überlegen was plausibel ist anhand der etablierten Spielwelt und dann den oder die Oger platzieren und im Anschluss Sorge dafür tragen, dass Spieler die nötigen Infos bekommen, dass sie erahnen können was auf sie zukommt. Combat as War.
Wenn ich mir so unsicher mit dem System bin, oder das System sehr swingy ist, dass ich die Gefahr nicht einschätzen kann, im Zweifel nur einen Oger machen und gut is. Kampfgelüsten sollte damit genüge getan sein, wenn es ein harmloser, dafür kurzer Kampf ist, passt das auch.
5. Inmitten der Begegnung entscheidet sich die Spielleitung, den zweiten Oger einzusetzen. Die Begegnung ist nun so herausfordernd, wie die Spielleitung es sich vorgestellt hat. Der erste Oger fällt.
Schlechtes Spielleiten (aber nur in Kombination mit 6): Mir ist es wichtiger, dass das, was passiert, "echt" ist, als dass ich einer Spannungskurve künstlich auf die Sprünge helfe - denn das ist nur kurzfristig Spannend - dazu später mehr. Umso besser ist es dann, wenn die Spannungskurve "echt" ist, weil es sich organisch so ergibt.
Bei diesem Punkt dachte ich sofort: "Das würde ich nicht machen" - genau weil ich Angst habe, dass Punkt 6 geschieht.
Wenn ich aufgrund von Systemmastery ausschließen kann, dass Punkt 6 passiert und es plausibel ist, dass Oger 2 kommt, warum nicht.
6. Doch dann setzt eine Reihe von Pechwürfen bei der Gruppe ein und von Glückswürfen auf SL-Seite. Das sollte doch kein Bosskampf werden! Die Spielleitung befürchtet viele Tote, vielleicht einen TPK. Weil die Gruppe die genauen Lebenspunkte des Ogers nicht kennt, erzählt die Spielleitung nach einem doch noch gelungenen Treffer gegen den Oger, dass dies ein tödlicher Treffer war. Der zweite Oger kippt um, der TPK ist abgewendet.
Nachtrag: Die Gruppe weiß nicht, dass der zweite Oger spontan hinzugefügt wurde und spontan weniger LP hatte, als er hatte. Sie ist zufrieden, dass mal wieder gekämpft wurde, und fand den Kampf spannend.
Vielleicht gute Spielleittechnik, aber
schlechtes Spielleiten und Schummeln. Der Fehler wurde für mich bereits ab 4. gemacht. Auch wenn die Spieler es gut fanden, wäre ich der SL gewesen, hätte ich es nicht gut gefunden.
Wenn es
wirklich wirklich nicht an mir, sondern nur an Würfelglück und -pech liegt: Dann würde ich es laufen lassen wie es kommt. Ich mache keine Einteilung zwischen Bosskämpfen und nicht Bosskämpfen.
Ist dies nicht der Fall, würde ich auf jeden Fall auch den TPK verhindern: Er entsteht ja dann durch meine Inkompetenz Gegner so zu gestalten, dass es für einen eh unnötigen Lückenkampf angemessen ist.
Mein Ideales Ich würde es über offen kommuniziertes Panzertape-Schummeln machen, obwohl der heimliche LP Betrug in dieser Situation natürlich sehr verlockend ist. Aber mein innerer Kompass würde mir sagen, dass ich meine Spieler belogen und das Spiel betrogen habe.
Spielleitungstechnisch würde es, da die Illusion souverän geglückt ist, wohl ein Erfolg sein.
Aber man ist ein großes Risiko eingegangen, und da liegt für mich die Krux:
Aus der Praxis kenne ich es leider eher in offensichtlicher Form und es bleibt den Spielern nicht verborgen
* (dann gilt auch: Schlechte Spielleitertechnik). Wenn das der Fall ist, hat man den Supergau: Dann leidet durch das Abwenden des TPKs dauerhaft die Konsistenz der Spielwelt. Statt Kausalität hat man dann Beliebigkeit. Dieses Vertrauen in die Spielwelt wieder herzustellen, ist schwer.
Da ich es als SL für schwer abschätzbar halte, ob man mit der Illusion so durchkommt, gerade wenn man einigermaßen erfahrene Spieler hat, halte ich es für schlechtes Spielleiten. Den ganzen Aufbau macht man mMn nur, wenn man sich der Konsequenzen bzgl. der Spielwelt nicht bewusst ist.
*Das sah so aus:
Zuerst wurde ein unnötiger, bedeutungsloser Kampf vom Zaun gebrochen, dieser dann gewollt spannend gemacht, und zum Ende hin, wenn der Spielleiter merkte, dass, wenn er so weitermacht, alle sterben, weil er sich verhoben hatte, trafen die Gegner auf einmal nicht mehr bzw. machten minimalen Schaden - hinter dem Schirm gewürfelt und beteuert, dass die Würfel gefallen sind wie sie gefallen sind. Natürlich... es ist aber in genau dieser Form schon öfters passiert.
Da wartet man dann nur noch bis der Kampf endlich vorbei ist.
Ist natürlich ein weitaus größerer Eingriff als der unter Punkt 6.