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Autor Thema: GNS - Wer kennts? - Wer mags? - Wer nicht? - Warum?  (Gelesen 4875 mal)

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Offline Lord Verminaard

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Re: GNS - Wer kennts? - Wer mags? - Wer nicht? - Warum?
« Antwort #25 am: 18.09.2004 | 13:32 »
Okay, ich schreibe noch ein letztes Mal was dazu, obwohl wir uns letztlich bereits im Kreis drehen. Ich denke schon, dass ich verstanden habe, was Ron Edwards mit "Prämisse" meint. Sein Ausgangspunkt ist jedoch "Story Now", und ich bin der Meinung, dass "Story Now" und "Prämisse (GNS)" in einem Missverhältnis stehen. Das was Ron als Prämisse definiert, wobei er sich ja immerhin auf Lajos Egri beruft, also selbst den Bezug zur Literaturwissenschaft herstellt, wäre bei einem Roman oder Theaterstück ein "Thema" und keine "Prämisse". Ein Thema ist eine schöne Sache und auch im Rollenspiel durchaus brauchbar, es verleiht dem Ganzen mehr Tiefgang und womöglich mehr Intensität. Dadurch entsteht aber keine spannende Geschichte.

In "The Art of Dramatic Writing" geht es um spannende Geschichten. Ich stimme dir zu, Cay, dass jede beliebige Aneinanderreihung von Szenen bereits eine Geschichte darstellt. Was eine "gute" Geschichte sei, darüber scheiden sich ohnehin die Geister. Aber was eine "spannende" Geschichte sei, darum geht es Egri, und das betrachtet Egri über das Instrument der Prämisse. Da Ron sich auf Egri beruft, ging ich bisher davon aus, dass auch Narrativismus mit spannenden Geschichten zu tun hat, und nicht einfach mit irgendwelchen Geschichten (die ja, wie du richtig sagtest, bei jeder Art von Rollenspiel herauskommen).

Wenn das Erzählen einer spannenden Geschichte nicht Rons Ansinnen war, dann ist mein Kritikpunkt genau das: es sollte das Ansinnen sein. Spannende Geschichten sind packend und unterhaltsam. Darum sollte es bei Narrativismus gehen, das fände ich sinnvoll. Wenn es Ron, wie der Bezug zu Egri nahe legt, um spannende Geschichten ging, dann ist mein Kritikpunkt, dass er das falsche Element einer Geschichte zum Zentrum der Narrativismus-Definition macht, nämlich das Thema und nicht die Prämisse (Egri).

Nehmen wir zum Beispiel "MacBeth". Das Thema von MacBeth ist Macht. Wenn "MacBeth" eine Rollenspielsitzung gewesen wäre und kein Meilenstein der Weltliteratur, dann hätte Ron wahrscheinlich gesagt: Die Prämisse (GNS) ist "Wie weit würdest du gehen, um Macht zu erlangen?" Fast alle Szenen und Konflikte und auch die großartigen Monologe in "MacBeth" drehen sich um dieses Thema. Ich behaupte aber: Dadurch wird das Stück nicht zu einer spannenden Geschichte. Dadurch wird es vielleicht wertvoll und lehrreich, aber fesselnd und unterhaltsam wird es durch etwas anderes.

Nämlich durch die dynamische Entwicklung der Hauptfiguren. MacBeth ist ein rechtschaffener Thane, der zu einem Königsmörder wird, für seine Macht schließlich sogar seinen besten Freund erschlagen lässt, bis zum Ende unnachgiebig bleibt und am Ende im Kampf getötet wird. Seine Prämisse (Egri): "Machthunger führt zu Königswürde und dann zu Tod". Lady MacBeth ist eine zu allem entschlossene Frau, die ihr letztes gibt, um ihrem Mann zur Macht zu verhelfen, darüber wahnsinnig wird und sich schließlich von den Zinnen seiner Burg stürzt. Ihre Prämisse (Egri): "Machthunger (oder Liebe?) führt zu Wahnsinn und Tod".

Es sind diese Entwicklungen, durch den zentralen Konflikt angetrieben, die das Stück zu einer packenden, dramatischen Geschichte machen. Hinzu kommt natürlich Shakespeares meisterliche Erzähltechnik, das Foreshadowing, das erste Crescendo mit der berühmten "Dagger Scene", der "Turning Point" auf dem Höhepunkt der Story, als Fleance (Banquos Sohn) den Häschern entkommt und MacBeths Stern zu sinken beginnt, bis hin zu dem poetischen Meisterstreich, als sich die Prophezeiungen der Hexen als hohle Versprechungen herausstellen und MacBeth trotzdem nicht aufgibt, sondern den Tod im Kampf vorzieht. Das ist Dramaturgie, Baby. Natürlich haben die Szenen auch mit dem Thema ("Macht") zu tun, aber nicht weil sie mit Macht zu tun haben, sind sie so gut und fesselnd, sondern wegen der großartigen Dramaturgie.

Zwar kann man die fertige Prämisse (Egri) nicht zum Bezugspunkt für narrativistisches Spiel machen, weil eben das Ende fehlen würde. Aber die anderen Elemente (zentraler Konflikt, dynamische Entwicklung) könnte man und sollte man m.E. nehmen. Dadurch hätte man eine mir persönlich wesentlich einleuchtendere "Creative Agenda" als mit dem besagten "problematic human issue".

So, ich habe mein Pulver verschossen. Ich hoffe, irgend jemand konnte da konstruktiv etwas rausziehen. Auch wenn es nur noch so halb on topic ist. Jedenfalls danke ich für die Aufmerksamkeit. :)
« Letzte Änderung: 18.09.2004 | 13:47 von Lord Verminaard »
We are all just prisoners here, of our own device
Danger Zone Blog - Vermi bloggt über Rollenspiel und Blood Bowl