Autor Thema: Die fetten Jahre sind vorbei  (Gelesen 794 mal)

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wjassula

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Die fetten Jahre sind vorbei
« am: 13.12.2004 | 08:51 »
Eine Gruppe von  jungen Erwachsenen, die alle auf die eine oder andere Weise am Kapitalismus verzweifeln, findet die ewigen Anti-Globalisierungsdemos zu lasch, und beginnt, in die Villen der Reichen einzubrechen, um dort Chaos anzurichten - Möbel verrücken, Fotos in den Kühlschrank, Sofa in den Pool (super Unknown Armies - Plot übrigens). Es kommt wie es kommen muss, eines Tages kehrt ein Besitzer früher als gedacht nach Hause zurück, und die völlig überforderte Gruppe schliddert in eine Entführung. Der Entführte entpuppt sich als 68er, der bereits einen sehr langen Marsch durch die Institutionen hinter sich hat, und bald die Widersprüche in der Gruppe aufdeckt, allerdings auch selbst durch ihren Idealismus aufgerüttelt wird. Und nebenbei noch eine schöne, utopische Liebesgeschichte zwischen drei attraktiven Menschen.

Sehr, sehr guter Film. Überragende schauspielerische Leistungen von allen Beteiligten (u.A. Daniel Brühl, bekannt aus "Das weisse Rauschen"), handwerklich ganz dicht dran und spontan wirkend, ohne dilletantisch auszusehen. Mir hat vor allem gut gefallen, dass bewiesen wird, dass ein politischer deutscher Film möglich ist, der ohne erhobenen Zeigefinger und allzu einfache Parolen auskommt. Der Film betrachtet die Wut und den Idealismus der Gruppe mit viel Sympathie, steht auf ihrer Seite,  zeigt aber auch ihre Fehler, die Selbstgerechtigkeit und den Egoismus. Der Entführte auf der anderen Seite schwankt ebenfalls zwischen Altersweisheit und unerträglicher Sattheit. Und das ganze kommt auch noch spannend und witzig rüber.

Nicht zuletzt fängt der Film auch noch das Lebensgefühl der heute Anfang 20 - jährigen perfekt ein. Bei uns hat das ganze Kino kollektive an den selben Stellen aufgestöhnt oder gelacht, da entstand Wir-Gefühl. So sehen unsere Wohnungen aus, so reden wir, so ziehen wir uns an, bloss sehen wir leider nicht so gut aus. Und die Fragen stellen wir uns alle: Die Verhältnisse sind scheisse, aber die Revolution hilft doch nur mit, sie aufrecht zu erhalten, oder? Mitmachen, sich wehren, oder was? Hier gehen Pop und Politik echt mal gut zusammen, was den Film für mich auch über den reinen Unterhaltungswert hinaus wichtig macht.

Bin mir ziemlich sicher, dass in 20 Jahren der Film als Anschauungsmaterial für die frühen Nuller herhalten wird. Solltet ihr nicht verpassen.
 

NiceGuyEddie

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Re: Die fetten Jahre sind vorbei
« Antwort #1 am: 13.12.2004 | 17:22 »
Ich habe den Film vor zwei Tagen gesehen und war auch total begeistert. Es ist zwar noch nicht ganz meine Generation, aber trotzdem fand ich den Film so gut, dass ich ihn mir gleich nocheinmal ansehen werde.  :d