Autor Thema: Slavelords of Cydonia (d20 aber nicht nur ;))  (Gelesen 1242 mal)

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Offline Kardinal Richelingo

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Slavelords of Cydonia (d20 aber nicht nur ;))
« am: 9.05.2005 | 11:08 »
Slavelords of Cydonia. Das erste Setting für Grim Tales d20 macht auf den ersten Blick gar nicht viel her, eine Bleiwüste, wordiges (aber übersichtliches) Layout und durchwachsene und auch seltene Illustrationen wissen das verwöhnte Auge gar nicht zu begeistern. Auch vermag uns der Klappentext nicht gerade zu beruhigen, der hält sich vage. Nicht verwunderlich also, wenn dieses Buch vielleicht ein eher einsames Dasein fristen dürfte ? Nein, denn was da drin steht wird sich zweifelsfrei Rumsprechen.

Erst einmal das Allgemeine:

Das Buch bietet auf 230+ schwarz-weißen Seiten eine ganze Menge, denn hier findet der Leser kaum irgendwo Platz auch nur eine Notiz unterzubringen. Und das schüchtert erst auch einmal ein, doch einmal überwunden zahlt sich das Lesen sehr aus. Es entfaltet sich eine facettenreiche Geschichte, die auf der Erde (oder wo man sie sonst beginnen lassen will) und führt die Spieler zum mythischen Mars, wo sie in die komplexen Intrigen des Planeten versponnen werden. Mehr dazu gleich, in der Spoilersektion.

Obwohl das Buch unter Grim Tales verbucht ist, sehe ich keine Probleme es für irgendein d20 Setting zu konvertieren, das Besondere an Grim Tales etwa im Vergleich zu modern habe ich noch nicht so recht entdecken können. Das Buch enthält neben den 5 Büchern der Story und den Hintergrundinformationen  auch ein simples aber effektiv erscheinendes Massenkampfsystem (das es auch als Einzelpdf gibt), sowie die Konvertierung für „klassische“ d20 Systeme. Ich muss aber zugeben, dass ich den Unterschied kaum sehe. Na ja, Regelfuchser werden mich sicher schelten.

Näher wir uns mal ganz langsam den Inhalt. Das Buch bietet ein Kampagne die die Spieler von Stufe 1 – 20 begleiten soll, sodass man hier weniger vorgekaute Infos bekommt, als vielmehr eine Rahmenwerk, mit dem man die Abenteuer dann seinen Spielern anpassen kann. Ergo ist das hier auch rein gar nichts für Anfänger, sondern erfordert vom SL das „feintuning“. Das ist aber dermaßen geschickt gemacht, dass man die zahlreichen Abenteuerideen, zum Teil sind es 3 pro Seite, recht locker in seine Kampagne einbauen kann. Vorgekaut ist hier nur der Anfang der Geschichte, ab da werden Möglichkeiten, Vorschläge und Ideen en masse dargeboten, jedoch keinesfalls akribisch ausgearbeitet. Das ginge bei der Komplexität auch nicht ohne rigoroses railroading gar nicht und diese Kampagne ist wirklich sehr offen. Spannend auch, wie sich das Buch liest, mehr wie ein umrissenes Buch mit vielen Möglichkeiten.

So lernt der Leser am Anfang die Welt wie die Spieler mit der Story kennen, Schritt für Schritt, jedoch muss man immer wieder zum Appendix blättern, um sich die kulturellen und politischen Eigenheiten anzueignen. Die Art des Buches kenne ich bisher nur von Savage Worlds, also eine deftige Mischung aus Kampagne und Weltbeschreibung, man bekommt hier ein sehr eigenes Hybridbuch, in dem Infos und Geschichte wild gemischt sind. Man muss sich durchaus da rein arbeiten, um alles zu verstehen und den Überblick zu wahren, glücklicherweise gibt es einen guten Index der das leichter macht.

Und nun zum Inhalt, nur lesen wenn ihr euch sicher seid, dass ihr es nie spielen werdet.

***SPOILER***

Die Geschichte beginnt mit einer Ausgrabung irgendwo im Dschungel oder Afrika oder wo ihr es auch immer haben wollt. Ein Archäologe hat dort einen Teil eines Tempels mit Hilfe des Stammes der Sutu ausgegraben. Alle stehen bereits unter dem Einfluss der Lethiden, einem uralten Bösen aus vergessener Zeit.
Diese Cthulhoiden Monstren können Menschen und andere Wesen kontrollieren und beeinflussen und das tun sie auch ganz kräftig. In dem Tempel findet man ein altes Portalsystem, das nach Cydonia, also dem mythischen Mars führt. Gleichzeitig wird man auch an der an der anderen Seite auf das Portal aufmerksam, auf dem Mars leben die Reptilienartigen Sli`ess, die wirklich sehr grausam, gruselig und degeneriert erscheinen. Diese sind zu 1111 Blutlinien (sprich Häuser) organisiert und ihre Politik ist wirklich komplex. Die Spieler werden also früher oder später (am Ende des ersten Buches) auf dem Mars ankommen und dort auch gleich ganz kuschelig versklavt.
Nach und nach werden sie jedoch in die politischen Ereignisse involviert, doch zuerst werden sie sich als Gladiatoren verdingen und so Ruhm ernten. Die Lethiden, also die Bösen, nutzen die Chance der Portale um nun wieder an die Sli`ess heranzukommen, die mehr und mehr infiltriert werden und dann übernommen. Anfangs gibt es noch ein ziemliches Gerangel um das Portal, was zunehmend durch die Unruhen, die durch die Lethiden ausgelöst wurden, abgelöst wird. Das ganze kulminiert in einem ziemlich allumfassenden Krieg, bei dem die Spieler den Sli`ess zur Seite stehen werden oder sich als Revoluzzer verdingen, jedoch erst einmal den Lethiden die Stirn bieten müssen, u.a. auch auf Phobos, einem Marsmond.

*** Spoiler Ende ***

Die story ist wie bereits gesagt eher klar umrissen als ausgearbeitet und die Handlungen der Spieler bestimmen wirklich den weiteren Verlauf. Sicherlich ist es manchmal an der Glaubwürdigkeitsgrenze warum Sklaven (die PCs) so einen Einfluss auf die Mächtigen haben, doch immer wieder kriegt die Story eine Kurve. Auch gibt es „Lücken“, also Ereignisse die nicht ausreichend exploriert werden konnten, da zuviel von den Spielern abhängt. Auch ist es ein Manko, dass die Spieler ja nicht wirklich sterben dürfen, da sie ja als Erdenbewohner einzigartig sind. Das macht es dem SL schwer, aber der hat hier eh alle Hände voll zu tun.

Fazit:

Es wirklich irre wie viele Genres hier verarbeitet wurden, manchmal fühlt man sich an Flash Gordon erinnert, dann wieder an Fallout oder immer wieder an Dune. Die Kulturen sind äußerst spannend beschrieben, die Ideen im Buch sind Legion. Ich bin mir wirklich sicher, dass man hier locker bis Stufe 20 spielen kann, aber das Buch ist so voll mit fluff, das man etwa auch ein geniales Cthulhu Abenteuer daraus machen könnte. Auch andere System könnten mit dem framework bedient werden, etwa Fading Suns oder andere Sci-Fi Spiele. Warum frage ich mich, hat so was nicht schon mal jemand früher gemacht. Im übrigen werde ich die Kampagne sicher leiten, jedoch mit Savage Worlds, was ich für das optimale System für dieses Setting halte.

Als Vorzeigebuch für alle d20 Kritiker ein Geniestreich, als Lehrstück für Abenteuerdesign nahezu beispiellos und als umfangreiche Kampagne wirklich empfehlenswert. Trotz der etwas durchschnittlichen Präsentation gebe ich hier mehr als gern die volle Punktzahl. Mehr davon, eines der besten Rollenspielbücher die ich besitze !
Selbst nicht d20er sollten hier unbedingt reinschauen.
"Computer games don't affect kids; I mean if Pac-Man affected us as kids,
we'd all be running around in darkened rooms, munching magic pills and
listening to repetitive electronic music."

Kristian Wilson, Nintendo, Inc, 1989