Autor Thema: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein  (Gelesen 4386 mal)

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Offline Bitpicker

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Jetzt ist es passiert, durch Vermis Design-Experiment zu V:TM zermartere ich mir das Gehirn: ich mochte die theoretischen Begleittexte und HowTos in den WoD-Büchern (besonders den Storyteller-Büchern) schon immer mehr als das Storyteller-System, also warum kann ich mich mit Vermis Ansatz für mein eigenes Spiel nicht anfreunden, obwohl er definitiv viel mehr dem Anspruch dieser Texte entspricht?

Weil ich besser denken kann, wenn ich dabei verbal formuliere, schreibe ich die Hirnmarter hier mal nieder; vielleicht interessiert es ja jemanden. Für alle anderen: ich denke nur laut (kann ich hier im Büro ja nicht wirklich machen...)

Ich glaube, mein zentrales Problem liegt ungefähr hier:

Zitat
Was ist ein Kampf? Ein Kampf ist ein Konflikt. Die Beteiligten verfolgen dabei Ziele. Viel interessanter als der genaue Ablauf des Kampfes, Schlag für Schlag, Schuss für Ausweichen, sind im Hinblick auf die Story doch die Ziele, die dahinter stehen. Ob die Charaktere diesen Zielen näher kommen, und was es sie ggf. kostet. Sagen wir mal, der Ghul eines missgünstigen Vampirs ist in Veronicas Haus eingedrungen, und sie will ihn vertreiben. Der Ghul will einen bestimmten Gegenstand entwenden. Es kommt zum Kampf, und auf dem Spiel steht: Vertreibt sie ihn, oder bekommt er seinen Gegenstand?

Eins ist für mich offensichtlich: im Hinblick auf eine Story, wie wir sie in Buch oder Film erwarten würden, ist das, und was im weiteren Verlauf des Designexperiments dazu vorgeschlagen wird, wirklich viel besser als der klassische Auswürfelansatz.

Was mich dabei aber stört, ist Folgendes: als Veronicas Spieler wüsste ich die ganze Zeit, dass es keinesfalls zur ultimativen Katastrophe kommen könnte. Veronica wird auf jeden Fall überleben. Weil es nicht zur Story passen würde, kann es nicht sein, dass der Ghul über irgend etwas verfügt, was mich schnell vernichten kann. Das führt mich zu der Frage, wieso der Ghul glaubt, damit durchkommen zu können, denn als Vampir bin ich ihm eigentlich ziemlich problemlos überlegen. Aus Sicht des Ghuls ist sein Plan zum Scheitern verurteilt, er kann nicht gewinnen.

So sieht das in meinen Spielen aus: Veronica müsste sich fragen, wie der Ghul dazu kommt, sich derart in Gefahr zu bringen (natürlich kann es sein, dass er unter Zwang steht usw.), und der Ghul, darauf könnte ich mich als Spieler verlassen, hat entweder etwas Tolles gegen mich in der Hand oder ist suizidal (ob freiwillig oder nicht).

Meine Motivation ist also nicht die, die film- oder buchtauglichste Story für den Konflikt zu finden, sondern ein realistisches Erlebnis zu bauen, bei dem auch ggfs. eine Kleinigkeit zu einer unvorhergesehenen Katastrophe werden kann. Meine (N)SC gehen nicht den storytauglichsten Weg, sondern den für sie sichersten - nicht etwa auf Basis der Charakterwerte ('weil ich Skill XY habe, versuche ich Z), sondern auf Basis einer in-game 'Was-Wäre-Wenn'-Überlegung. Im Rollenspiel will ich eben nicht die gleichen Stories wie in Buch und Film, sondern ich will die gleiche relative Unwägbarkeit und das gleiche Chaos wie im wahren Leben.

Warum interessieren mich die Storyteller-Texte aber dann? Ich denke, dass ich zwar nicht daran interessiert bin, im RPG eine perfekte Story zu entwickeln, aber trotzdem literarische Techniken gebrauchen kann, um die verbale Kommunikation zwischen den anderen Spielern und mir möglichst effektvoll zu gestalten. Ich kann Cliffhanger, Themen, Motive, Symbole usw. auch dann einsetzen, wenn meine Hauptmotivation nicht insgesamt erzählerisch ist.

Wäre das vielleicht auch mal ein interessanter Gegenstand theoretischer Betrachtung?

Robin
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Offline Tantalos

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Re: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein
« Antwort #1 am: 5.01.2006 | 15:32 »
Unabhängig von der Strpyteller Ebene, würde aber auch in Vermis Version, der World of Vermi, der Ghul viel schwächer sein, alös der Vampir. Und wenn veronica in weggemoscht hat (oder eben auch nicht) wird sich sowohl der Spieler Veronicas, als auch Der Charakter Veronica selber fragen, warum der Guhl so leichtsinnig nach diesem Gegenstand her ist.

Ich kenn mich bei WoD nicht so gut aus, aber grundsätzlich sehe ich da von Ansatz her keine Unterschiede. Immerhin ist es immernoch ein Würfelspiel, und wenn man schlecht würfelt kann ein Charakter dramatisch verwundet werden, oder gar sterben. Das ist aber auch eine Frage des Spielstils. Ich versuche zum Beispiel keine Spieler-Charaktere sterben zu lassen, es sei denn der Spieler will das ausdrücklich so... eventuell wäre das zwar realitisch, aber es fördert nurt Frust und hindert das Spielvergnügen.

Die Storyteller Ebene ist natürlich interessant, aber da muss man unterscheiden und schlussendlich das wählen, was ich haben will. Einen simulierten (oder emulierten) Kampf mit viel taktischem Würfeln, oder eher ein "Kniffeln" mit "der Gewinner entscheidet".
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Offline Bitpicker

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Re: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein
« Antwort #2 am: 5.01.2006 | 15:45 »
Unabhängig von der Strpyteller Ebene, würde aber auch in Vermis Version, der World of Vermi, der Ghul viel schwächer sein, alös der Vampir. Und wenn veronica in weggemoscht hat (oder eben auch nicht) wird sich sowohl der Spieler Veronicas, als auch Der Charakter Veronica selber fragen, warum der Guhl so leichtsinnig nach diesem Gegenstand her ist.

Ja, nachher. Aber es ist vorher nicht statistisch greifbar, ob sie das auch tut, denn sonst bräuchte der Konflikt ja nicht ausgewürfelt zu werden. Ich weiß also bei Vermis System auf einer Metaebene, dass ich bei einem gelungenen Wurf den Diebstahl verhindere, bei einem misslungenen Wurf eben nicht, weiß aber auch, dass ich das wahrscheinlich nachbessern kann, indem ich weitere Blutpunkte ausgebe, usw. Außerdem weiß ich, dass der Ghul mich keineswegs plätten kann, weil das die Story gefährdet, und ich weiß auch, dass er, wenn ich ihn plätte, nicht der wichtigste Gegner gewesen sein kann und die Pläne meines eigentlichen Feindes nicht durchkreuzt sind, weil die Story sonst ebenfalls zu Ende wäre. Ich habe also die ganze Zeit jede Menge Meta-Informationen, die ich -im Gegensatz zu meiner Spielfigur, wäre dies eine reale Situation- genau so nutzen kann wie ein Powergamer, der aufgrund seiner Werte- und Regelkenntnis z.B. weiß, dass er mit einem Schwert bewaffnet in fünf Runden 20 Orks plätten kann, ohne dabei selber in Gefahr zu geraten, weil das System eben so ist. Und das ist es, was mir missfällt.

Zitat
Ich kenn mich bei WoD nicht so gut aus, aber grundsätzlich sehe ich da von Ansatz her keine Unterschiede. Immerhin ist es immernoch ein Würfelspiel, und wenn man schlecht würfelt kann ein Charakter dramatisch verwundet werden, oder gar sterben.

Eben nicht. Wenn es nicht zur Story passt, kann genau das in Vermis System nicht passieren. Was sicher viele freuen würde, die ansonsten Regeln missachten, Würfelwürfe umbiegen usw., damit ein unerwünschtes Ergebnis dann doch nicht passiert. Da ist Vermis System ehrlicher, aber beides liegt mir nicht.

Zitat
Das ist aber auch eine Frage des Spielstils. Ich versuche zum Beispiel keine Spieler-Charaktere sterben zu lassen, es sei denn der Spieler will das ausdrücklich so... eventuell wäre das zwar realitisch, aber es fördert nurt Frust und hindert das Spielvergnügen.

Bei mir nicht, aber wir sind uns sicher einig, dass da unterschiedliche Vorlieben existieren.

Robin
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Offline Lord Verminaard

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Re: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein
« Antwort #3 am: 5.01.2006 | 15:49 »
Hey Robin,

die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Du setzt diese literarischen Techniken unterstützend ein, um das Spielerlebnis packender zu gestalten. Aber wenn es hart auf hart kommst, ordnest du sie deinem höheren Ziel unter. Du hast eine ganz klare Präferenz, die sich eben nicht auf Themen, Leitmotive und Spannungsbögen fokussiert, sondern auf Authentizität.

Die WoD-Texte interessieren dich deshalb, weil authentisches Erlebnis eben nicht gleich authentisches Erlebnis ist. Du willst ja mit deinen Spielern etwas außergewöhnliches erleben, etwas fesselndes, etwas interessantes. Euer Spielgeschehen soll nicht banal und langweilig sein. Und da ist es doch ganz logisch, dass man bei den Tipps für "Storyteller" Nützliches dazu findet.
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Offline Bitpicker

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Re: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein
« Antwort #4 am: 5.01.2006 | 15:58 »
Meine letzte Frage solte dahin gehen, ob es sinnvoll ist, das einmal näher für Nicht-Narrativisten (da, jetzt habe ich es gesagt!) zu beleuchten. Nicht dass wir N-NARren (wenn's außer mir hier noch welche gibt) das Kind mit dem Bade ausschütten, indem wir einen großen Bogen um alles machen, was nach literarischer Technik riecht, damit man uns nicht mit NARren verwechselt.

Als sich Fred mein GeneSys vor langer Zeit einmal angesehen hat, hat er auf der einen Seite registriert, dass ich sowas gesagt habe wie 'ich will ein erzählerisches Rollenspiel mit Regeln, die sich der Erzählung nicht in den Weg stellen' usw., hat dann aber auf der anderen Seite -von seiner Warte aus zu Recht- kritisiert, dass es eigentlich ein klassisches System ist, das in keinster Weise die Erzählung regelt und sich stattdessen um Task Resolution dreht. Er hat eben 'Erzählung' gelesen und NAR gedacht, und damit musste er zwangsläufig enttäuscht werden. Die Frage ist, ob es nicht lohnend wäre, hier einmal über literarische Techniken nachzudenken, ohne dabei auf NAR abzuzielen.

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Offline 8t88

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Re: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein
« Antwort #5 am: 5.01.2006 | 16:01 »
Ähm... Ich weis ja nciht, aber so wie ich da sverstanden habe ist das genau so, wie ich Liquid spiele... Oder?
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Offline Fredi der Elch

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Re: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein
« Antwort #6 am: 5.01.2006 | 16:01 »
Kleine Anmerkung:

Außerdem weiß ich, dass der Ghul mich keineswegs plätten kann, weil das die Story gefährdet
Ok, bei Vermis Proto-System (denn fertig ist es ja noch nicht) bin ich mir nicht sicher wie es gehandhabt würde, aber auch in Geschichten sterben Charaktere. Und nicht erst am Ende (des Spielabends ;) ) Z.B. bei Dogs in the Vineyard können SC durchaus sterben. Allerdings nicht durch einen blöden Zufall, sondern der Spieler weiß immer ganz genau, wann er sich in die Gefahr begibt zu sterben. Und dann kann er sich immer überlegen, ob das Ziel es wirklich wert ist, sein Leben zu riskieren. Aber wenn er es riskiert, kann er auch sterben. Knallhart.

Zitat
und ich weiß auch, dass er, wenn ich ihn plätte, nicht der wichtigste Gegner gewesen sein kann und die Pläne meines eigentlichen Feindes nicht durchkreuzt sind, weil die Story sonst ebenfalls zu Ende wäre.
Wer sagt denn sowas? Es gibt bei dieser Art von Spielen keinen vorbereitete Plot, der durch den Tod eines NSC irgendwie beendet werden kann. Deswegen gibt es auch keine Plot-Immunität für irgendwelche NSC.

Robin, deine Beiträge enthalten große Vorurteile und zeigen, dass du eben noch keines dieser Art von Spielen gespielt hast und nicht viel über sie weißt (außer dass du sie nicht magst).

Wollte ich nur mal anmerken, damit niemand denkt, das müsse so sein (also gäbe Plot-Immunität für SC oder NSC).
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Offline Roland

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Re: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein
« Antwort #7 am: 5.01.2006 | 16:20 »
Ich bin mir nicht ganz sicher, worauf Du hinaus willst, Robin.

Erzähltechniken werden in den SL Tipps hier im Forum beschrieben.  Mit NAR haben diese Techniken zunächst wenig zu tun, ich benutze manche z.B. sehr gern in eher zu SIM tendierenden Runden.
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Offline Bitpicker

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Re: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein
« Antwort #8 am: 5.01.2006 | 16:28 »
@ 8t88: Tja, wer weiß, hab dich noch nicht spielen sehen...

@ Fred: Nein, die Tatsache, dass es keinen vorbereiteten Plot gibt, verändert nur die Dimension des Meta-Bewusstseins. Ich weiß, du verzichtest am liebsten auf den SL und damit logischerweise auf einen vorbereiteten Plot. Wenn ich aber davon ausgehe, dass es in einem Spiel keinen Plot gibt, weiß ich automatisch, dass nichts von dem, was ich tue, jemals die Story (die es ja noch gar nicht gibt), gefährden kann, denn die Story endet erst, wenn sich alle darüber einig sind.

Es geht mir nicht um das konkrete Beispiel und sowas wie Plot-Immunität. Es geht mir darum, dass in einem solchen Umfeld Meta-Überlegungen zuhauf existieren, die dazu dienen, die Unwägbarkeit der Realität auszuhebeln. Es ist so, als würde man einen Roman lesen, der, während man ihn liest, erst geschrieben wird (auch von einem selbst). Das mag nett sein, aber es ist nicht das, was ich vom RPG will.

Komm mir doch bitte nicht immer wieder mit dem Vorwurf des Vorurteils und ich könne nicht entscheiden, ob mir etwas gefällt, wenn ich es nicht probiert habe, denn das ist schlichtweg Quatsch. Es gibt eine Menge Leute, die in ihrem Leben noch nie einen harten Horrorfilm gesehen haben, und sie können trotzdem mit Fug und Recht behaupten, dass sie einen Film nicht sehen wollen und er ihnen nicht gefallen wird, wenn sie erfahren, dass darin Gedärme fliegen. Ich kenne niemanden, der trotz solcher Abneigung jemals überrascht wurde, wenn er einen solchen Film gesehen hat, und zum Horrorfan mutiert ist. Gleichermaßen weiß ich auch ohne praktisches Ausprobieren, dass Player Empowerment meinen Interessen diametral entgegengesetzt ist, dass es meinen Voraben an RPGs widerspricht, wenn ich als Spieler in einer brenzligen Situation unerwünschte Ergebnisse ausklammern kann usw.

Vielleicht kann ich es auf die Formel bringen: ich WILL auch frustriert werden können. Wenn ihr von euren Stakes sprecht, dann ist eines immer klar: wenn ein Konflikt überhaupt erwürfelt wird, das Ergebnis ist immer eins, mit dem ihr leben könnt, mit dem ihr die Story fortführen könnt. Selbst wenn es tragisch ist, ihr könnt euch so weit von dem Charakter zurückziehen, dass das tragische Erlebnis selbst befriedigend wird. Ihr seid Autoren, die erfundene Charaktere auch tragisch scheitern lassen können, weil es immer der Story dient (und nur dann). Ich hingegen will der scheiternde oder Erfolg habende Charakter sein, und ich kann daher auch Frustration ertragen.

Kannst du da wirklich keinen fundamentalen Unterschied erkennen? Kannst du dir nicht vorstellen, dass jemand einen Teil dessen, was du am klassischen Spiel hasst, für unverzichtbar hält und haben will?

@Roland: ja, mag sein, dass die angefragte Diskussion eher da hin gehört. Aber andererseits frage ich mich, ob Erzähltechniken im Rollenspiel wirklich weniger Theorie sind als Erzählung als Rollenspiel. Konkret: wenn ich mir überlege, was die Erzähltechnik des unzuverlässigen Erzählers für 'unmoderne' Spiele bringen kann, warum ist das dann ein allgemeiner SL-Tipp und keine rollenspieltheoretische Überlegung?

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Offline 8t88

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Re: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein
« Antwort #9 am: 5.01.2006 | 16:37 »
Dein absatz an Roland macht mich hellhörig...

Ich habe mit... klassischem Spiel angefangen.
Durh liquid und SL Tipps bin ich bei "Klassisches System (liquid) mit cinematischer erzählweise angekommen.

Irgendwann schrieb ich (bevor ich Theory kannte) das cinematic Systemunabhängig sien kann.
Der SL muss nur auch den unbeholfenen Magier ohne Erschwernis Kronleuchter schwingen lassen, und eben Boni für Tolle, spannende Aktionen geben.

Das Gipfelte dann in der Überlegung, 2 Arten von "lebenspunkten" bei wichtigen gegnern einzuführen...
Coolpoints, die durch Style abgebaut werden müssen, und Lebenspunkten, die wie üblich niedergewürfelt werden.
Lebenspunkte werden erst angegriffen wenn die Coolpoints weg sind.

Das hab ich nie aufgeschrieben... denn dann kam Wushu, und das nimmt einfach alles gleich.

Deine Frage:
Zitat
Aber andererseits frage ich mich, ob Erzähltechniken im Rollenspiel wirklich weniger Theorie sind als Erzählung als Rollenspiel. Konkret: wenn ich mir überlege, was die Erzähltechnik des unzuverlässigen Erzählers für 'unmoderne' Spiele bringen kann, warum ist das dann ein allgemeiner SL-Tipp und keine rollenspieltheoretische Überlegung?

Ist schwer zu beantworten (für mich der nicht viele begriffe kennt).


Ich denke es gehört zu IIEE, und den "Emphemerra"...
Und ist deswegen schon theoretisch durchdenkbar...


(Kurzer Theorie Exkurs:
IIEE sagt: "Intention, Initiation, Executon, Effect.
Intention: Ich denke mir, dass ich dem Ork dem Kopf abschlagen möchte.
Initiation: Ich teile der Gruppe mit, dass ich dem Ork den Kopf abschlagen will.
Execution: Ich schlage nach dem Kopf des Orks
Effect: Der Kopf des Orks rollt oder nicht.)

(Emphemerra sond der kleinste bestandtei eines "Teils einer Rollenspielrunde"... zB setzt sich ein angriff (Action) aus
mehreren Emphemerra zusammen: | Angriff würfeln | Vergleich mit der Vert. des gegners | Schaden errechnen |  wären 3 emphemerra)
« Letzte Änderung: 5.01.2006 | 16:39 von 8t88 »
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Offline Fredi der Elch

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Re: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein
« Antwort #10 am: 5.01.2006 | 16:57 »
Es geht mir darum, dass in einem solchen Umfeld Meta-Überlegungen zuhauf existieren, die dazu dienen, die Unwägbarkeit der Realität auszuhebeln. Es ist so, als würde man einen Roman lesen, der, während man ihn liest, erst geschrieben wird (auch von einem selbst). Das mag nett sein, aber es ist nicht das, was ich vom RPG will.
Ok. Das ist zwar genau das (und zwar brillant auf den Punkt gebracht), was ich von einem RPG will, aber ich denke, dass ich nachvollziehen kann, dass es nicht jedem so geht.

Zitat
Vielleicht kann ich es auf die Formel bringen: ich WILL auch frustriert werden können.
Da kann ich echt nur sagen: ooookaayy. Das kann ich nämlich nicht im Geringsten nachvollziehen. Nope. Nada. Also bleibt mir nichts anderes übrig als dir zu glauben, dass du das wirklich willst. :)

Insgesamt wollte ich eben nur darauf hinweisen, dass du nicht viel über Forge-Systeme weißt und deswegen viele deiner Aussagen „bei den Systemen ist etwas so und so“ nicht stimmen. Und eigentlich wollte ich das nur sagen, damit nicht jemand anderes, der das liest, denkt es sei tatsächlich so. Ist es nicht. Robin ist nicht die Quelle, die man zum Funktionieren von Forge-Spielen befragen sollte… ;)
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Re: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein
« Antwort #11 am: 5.01.2006 | 17:24 »
@Roland: ja, mag sein, dass die angefragte Diskussion eher da hin gehört.

Darum gings mit nicht in erster Linie, sondern um den - sich mir nicht ganz erschliessenden - Zusammenhang zwischen Erzähltechniken und NAR. Erzähltechniken können wir hier gern diskutieren.
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Offline Dr.Boomslang

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Re: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein
« Antwort #12 am: 5.01.2006 | 18:22 »
Die Frage ist, ob es nicht lohnend wäre, hier einmal über literarische Techniken nachzudenken, ohne dabei auf NAR abzuzielen.
Das wäre eine sehr interessante Sache. Die Grundfrage die ich mir immer gestellt habe hat damit zu tun.
Wie kann man Sim spielen, aber trotzdem ein interessantes Spiel (z.B. unter dramaturgischen Gesichtspunkten) garantieren? Das ist eine ähnliche Überlegung wie deine nur noch etwas abstrakter.
Ich hatte schon immer ein Herz für Sim :) Deswegen wäre es mein Wunsch auch Sim zu einer "modernen" CA auszubauen. Ich bin nämlich der Überzeugung dass "klassisches Spiel ungleich Sim" ist. Klassiches Spiel mit Sim gleichzusetzen oder es Sim-nah zuzuordnen tut meiner Ansicht nach Sim nicht wirklich gut.
Allerdings lässt sich dieser Punkt natürlich erst angehen, wenn klar ist was eine CA überhaupt ist und natürlich im speziellen was Sim überhaupt ist. Da diese fundamentalen Punkte in der Forge Theorie nie richtig behandelt wurden, versuche ich das grade nachzuholen und ich bin zuversichtlich dass das recht schnell geht, weil der thoretische Hintergrund schon sehr dicht ist, es fehlt eben nur die Grundlage.

Wenn dieser Prozess also abgeschlossen ist, würde ich gerne mit dir (oder anderen "gefühlten" oder bekennenden Simmies ;) ) die Aufgabe angehen, Sim als Agenda auch systematisch auszuarbeiten und auf einen modernen stand zu bringen, falls du Interesse daran hast. Es sieht für mich nämlich so aus dass wir ein ähnliches Grundverständnis von Sim haben.

Offline Azzu

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Re: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein
« Antwort #13 am: 5.01.2006 | 18:54 »
Ihr seid Autoren, die erfundene Charaktere auch tragisch scheitern lassen können, weil es immer der Story dient (und nur dann). Ich hingegen will der scheiternde oder Erfolg habende Charakter sein, und ich kann daher auch Frustration ertragen.

Schön auf den Punkt gebracht - geht mir sehr ähnlich.

Ich werde trotzdem nicht gerne frustriert. Aber: Die Möglichkeit des Scheiterns ist für mich Grundvoraussetzung dafür, dass ich mich über "meinen" Erfolg freuen kann. Deswegen möchte ich an ihr festhalten.

Offline Maarzan

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Re: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein
« Antwort #14 am: 5.01.2006 | 19:52 »

Wie kann man Sim spielen, aber trotzdem ein interessantes Spiel (z.B. unter dramaturgischen Gesichtspunkten) garantieren? Das ist eine ähnliche Überlegung wie deine nur noch etwas abstrakter.
Ich denke, es beginnt damit, dass dramatische Gesichtspunkte gar nicht als Ziel gewollt sind - als Nebeneffekt aber gerne mal genommen werden. Eine Garantie läßt sich meines Erachtens aber nur gegen den eigentlichen Spielziel erreichen- genauso wie ein verschobenes Fußballspiel oder ein getürktes Klonexperiment zwar nominell ein gerne gesehenes Ergebnis haben, sich durch ihr Zustandekommen jedoch disqualifiziert haben.

Was man machen kann, ist den Ereignisraum der Art zu gestalten, daß interessante Vorgänge wahrscheinlicher werden, bzw. Unterstützungen bei der Herausarbeitung der einzelnen Simfacetten anzubieten, um dort Inkompatibilitäten und so Spielkrisen erkennen und vermieden zu helfen.

Ein weiteres Feld wäre die Erweiterung der Simgebiete und Hilfen bei der Ausstattung des Explorationsvehikels. Sachen wie die Relationshipmap (entsprechend angepaßt) würden auch vielen Simspielen gut zu Gesicht stehen.
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Offline Dr.Boomslang

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Re: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein
« Antwort #15 am: 5.01.2006 | 19:55 »
@ Maarzan
Das sehe ich erstaunlich ähnlich wie du, ich weiß aber nicht ob dieser Thread der richtige ist um das zu diskutieren.
Aber bei der Mission "Rettet Sim" bist du gerne willkommen :D

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Re: [Offen] Erzähltechnik ja, Erzählungen spielen nein
« Antwort #16 am: 7.01.2006 | 00:44 »
@ Fredi:

Zitat
Insgesamt wollte ich eben nur darauf hinweisen, dass du nicht viel über Forge-Systeme weißt und deswegen viele deiner Aussagen „bei den Systemen ist etwas so und so“ nicht stimmen.

Da hast du im Grunde Recht, aber wenn du meinen Eingangsbeitrag noch mal liest, stellst du fest, dass ich von Forge-Spielen und Theorien weder allgemein noch konkret gesprochen habe. Ich habe mich konkret auf Vermis Beispiel bezogen und auf die daraus (auch von ihm selbst) abzuleitende Erwartungshaltung. Eigentlich wollte ich gar nicht auf die GNS-Schiene; ich kann ja nichts dafür, dass diese Modell dummerweise etwas beschreibt, was mit der Fragestellung, die ich im Sinn habe, zu tun hat. Es ist eben einfacher, einfach mal NAR zu sagen, als um diesen Begriff herum zu reden, um ihn nur ja nicht zu nennen.

Zu der Frustration: nicht, dass der Eindruck entsteht, ein Spiel wie das von Mann ohne Zähne beschriebene DSA-Spiel würde ich nicht frustrieren; es gibt verschiedene Dinge, die Frust bringen können, und unflexible Spielleitung oder irgendwie beschränkte Charaktererschaffung gehören dazu. Aber ich brauche eben die Möglichkeit zu versagen, damit der Sieg nicht schal bleibt. Oder umgekehrt, da ich ja eher der SL bin: wenn die Spieler nicht versagen könnten, würde ich mich bei der Niederlage meiner NSC fürchterlich langweilen. Was nicht heißen soll, dass wir gegeneinander spielen.

@ Roland:
Zitat
Darum gings mit nicht in erster Linie, sondern um den - sich mir nicht ganz erschliessenden - Zusammenhang zwischen Erzähltechniken und NAR.

Nun, wenn man auf der einen Seite von Erzählspielen hört und auf der anderen von Erzähltechniken, dann kann man schon einen Zusammenhang vermuten. Da liegt der Schluss nahe, dass man sagt 'ich will kein Erzählspiel spielen, also nutzen mir auch Erzähltechniken nichts'. Das ist aber falsch: weder sind Erzähltechniken auf die Verwendung in Erzählspielen beschränkt, noch macht eine Spielmechanik, die Erzählung fordert und fördert, einen Spieler automatisch zu einem guten Erzähler. Wenn das natürlich jedem schon vorher klar war, ist meine Frage nicht mehr wichtig...

@ Dr. Boomslang:
Zitat
Wie kann man Sim spielen, aber trotzdem ein interessantes Spiel (z.B. unter dramaturgischen Gesichtspunkten) garantieren?

Das würde ich lieber vermeiden - keine GNS-Begrifflichkeit. Ich denke, dass es weder G noch N noch S in irgendeiner Weise schadet, wenn sich der jeweilige Spieler mit Erzähltechniken beschäftigt. In allen drei Bereichen sprechen die Spieler letzten Endes miteinander und erzählen sich was.

Robin
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