Autor Thema: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?  (Gelesen 11552 mal)

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Offline Azzu

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[Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« am: 29.12.2005 | 12:03 »
Gestern habe ich (ohne Vorkenntnisse) in Vermis "Wilde Lande" Blog geschmökert - Lob und Anerkennung dafür!

Irgendwo, als Rant gekennzeichnet, steht da geschrieben, die Mehrzahl der Rollenspieler sei frustriert und habe eigentlich gar keinen Spaß an ihrem Lieblingshobby, weil sie ihr Spiel aus irgendwelchen Gründen Regeln unterwürfen, die für die persönlich gewünschte Spielweise vollständig ungeeignet sind. Der Part mit den ungeeigneten Regeln soll gar nicht Thema dieses Threads werden, dafür gibt es ja schon den Rest des Boards.

Das "eigentlich gar keinen Spaß" will ich zur Diskussion stellen.

Da sitzen vier bis sechs Personen mit völlig unterschiedlichen rollenspielerischen Vorlieben am Tisch und spielen "klassisches" Rollenspiel. Keiner ist wirklich glücklich, weil kein Charakterspiel zustande kommt, die Handlung sich nicht entwickelt, da die Gruppe sich, wie so oft, wegen übertriebenem Simulationismus oder endloser Planungen irgendwo in der Vorgeschichte verzettelt hat, und sogar die Kämpfe dank unbrauchbaren oder falsch angewendeten Spielmechanismen zäh und langweilig sind. Von "Narrativism" hat am Tisch sowieso noch niemand etwas gehört. Trotzdem kommen diese Leute immer wieder zusammen. Weil sie irgendwie eben doch Spaß haben.

Meine Behauptung: Ein für jeden einzelnen Spieler wichtiger Teil des Spiels läuft in dessen Kopf allein ab und wird überhaupt nicht kommuniziert.

Da kommt ein Spieler mit 25+ Seiten Charakterhintergrund und einem völlig neuen Charakterkonzept daher, aber seine Spielweise ändert sich überhaupt nicht, obwohl er zuletzt in einem ganz anderen Setting einen völlig anders konzipierten Charakter, auch mit 25+ Seiten Hintergrund, gespielt hat. Genau betrachtet, sagt er während des Spielabends überhaupt nicht viel. Trotzdem ist er der erste, der mich hinterher fragt, wann wir denn wieder spielen.
Ich vermute, für diesen Spieler passiert wesentlich mehr, als zwischen Spielleiter und Spielern kommuniziert wird. In seiner Vorstellung tut seine Identifikationsfigur, sein Charakter, Dinge, von denen er gar nicht spricht. Oder die beschriebenen Handlungen passieren in seinem Kopf mit wesentlich mehr Detail, als die Beschreibung vermuten ließe. Weil er sich vor den anderen Spielern schämt, oder weil seine sprachlichen Fähigkeiten nicht ausreichen. Eigentlich muss er gar nicht am Spieltisch sitzen, um mit seinem Charakter Abenteuer zu erleben. Die Vorstellung vom Charakter und seinen Erlebnissen muss nicht damit enden, dass der Spielleiter seinen Schirm zusammenfaltet und nach Hause geht.

Ist diese überschießende Detailtiefe in der Vorstellung dieses Spielers - auch seine Tagträumerei außerhalb der Spielsitzungen - nun Teil des Rollenspiels, oder nicht? Für die anderen am Tisch: Ganz klar nicht, sie können sie nicht wahrnehmen. Für diesen Spieler aber: Natürlich! Solange ihm der Spielleiter, die anderen Spieler oder die Regeln nicht in die unmittelbar Quere kommen. Und das passiert nur selten, weil sie wenig von dem mitbekommen, was im Kopf dieses Spielers abläuft, und überhaupt nicht darauf reagieren.

Wozu tut sich dieser tagträumende Spieler die frustrierenden und langweiligen Spielsitzungen dann überhaupt an? Ich vermute, weil die Regeln eines Rollenspiels eine stärkere Identifikation mit einer fiktiven Figur ermöglichen, als reine Tagträumerei oder das Mitfiebern mit einem Roman- oder Filmhelden. Der Spieler kann sich selbst und anderen demonstrieren, dass er Kontrolle über den Charakter ausübt. Solange er dabei auf keine unmittelbaren Hindernisse trifft - zum Beispiel ein "Nein-Sager SL" oder Mitspieler, die dem Charakter demonstrativ den Respekt verweigern - wird er Spaß haben, egal, was die anderen am Tisch tun und sagen.

Diesem Spieler kommt es vielleicht sogar entgegen, dass die Gruppe ein für sie eigentlich untaugliches System verwendet. Je weniger er gezwungen ist, seine Vorstellung von seiner Identifikationsfigur im tatsächlichen Spiel preiszugeben, wo er dem Spielsystem und daher der Akzeptanz der anderen unterworfen ist, desto besser. Dafür wird er nicht müde, zwischen den Spielsitzungen von seinem Charakter zu erzählen.

Würde dieser Spieler mit einem anderen System wirklich mehr Spaß haben? Und wie bringe ich ihm das bei?


(Anmerkung: Mein Beispielsspieler ist natürlich ein extremes Beispiel. Er neigt schon zu fast autistischem Spielverhalten. Aber ich erlebe immer wieder Spieler, deren Verhalten ich mir so, wie oben beschrieben, erkläre. Die mir beipflichten, wenn ich meine, dass die Spielsitzungen nicht optimal laufen, die sich aber Änderungen des Systems widersetzen bzw. diese akzeptieren und dann einfach ignorieren.)

« Letzte Änderung: 29.12.2005 | 12:05 von Azzurayelos »

Ein

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #1 am: 29.12.2005 | 12:11 »
Zitat
Würde dieser Spieler mit einem anderen System wirklich mehr Spaß haben?

Für solche Spieler hängt der Spaß eigentlich selten mit dem System zusammen. Wie bereits gesagt passiert der Spaß im Kopf. Allerdings möchte ich jetzt auch postulieren, dass dieses Verhalten durchaus häufig, also nur die wenigsten Spieler nur mit den Informationen arbeiten, die sie im Spiel bekommen. Und meines Erachtens ist auch gerade das der Spaß am Rollenspiel und genau das ist der Grund warum ich selbst mit ausführlichen Beschreibungen geize.

Zitat
Und wie bringe ich ihm das bei?
Ein SL hat nicht zu belehren.

Offline Azzu

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #2 am: 29.12.2005 | 12:41 »
Wie bereits gesagt passiert der Spaß im Kopf. Allerdings möchte ich jetzt auch postulieren, dass dieses Verhalten durchaus häufig, also nur die wenigsten Spieler nur mit den Informationen arbeiten, die sie im Spiel bekommen.

Wenn ich Vermis Blog richtig verstanden habe, geht es ja bei den Forge-Theorien nicht unwesentlich gerade darum, inwieweit sich die Vorstellungen der Spieler überschneiden, so dass ein gemeinsamer Vorstellungsraum entsteht.

Wenn diese Schnittmenge nun sehr klein ist, meinen Mitspielern das egal oder sogar gerade recht ist, ich damit aber nicht wirklich glücklich bin, stehe ich vor einem Problem.

Zitat
Ein SL hat nicht zu belehren.

Aber als unzufriedener Rollenspieler, egal, auf welcher Seite des Sichtschirms, muss ich entweder Änderungen durchsetzen, oder mir, wenn das nicht geht, neue Mitspieler suchen.


Offline Lord Verminaard

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #3 am: 29.12.2005 | 14:32 »
Cooler Thread! :d

Kurze Klarstellung: Der Rant auf meinem Blog richtete sich nicht gegen frustrierte Rollenspieler, sondern gegen Ron Edwards, der 95% der Rollenspieler für frustriert hält.

Ich kenne das Phänomen, das du beschreibst, sehr gut. Wie viele Charakterkonzepte und Vorgeschichten schmoren auf meiner Festplatte, die ich überhaupt nie im Spiel eingesetzt habe? Trotzdem hat es Spaß gemacht, sie zu schreiben. Dieser Bestandteil des Rollenspiels ist von der Forge-Theorie, soweit sie mir bekannt ist, nur wenig beleuchtet.

Nennen wir es Mal „Rollenspiel mit überschießender Innentendenz“ ;D (Juristenwitz). Die meisten Spieler haben wohl eine solche Innentendenz. Die Frage ist aber, welche Funktion das gemeinsame Spiel mit den Mitspielern für sie ausfüllt. Ist es die lang erwartete Gelegenheit, den Mitspielern einen Teil dessen, was man sich ausgedacht hat, zu vermitteln? Oder ist es nur ein notwendiges Übel? Und wenn ja, wozu notwendig?

Welche Funktion füllen die Spielregeln für den Spieler aus? Kämpft er nur mit den Regeln, um ihnen den Charakter abzuringen, von dem er ohnehin schon das fertige Bild in seinem Kopf hat? Wäre es für ihn nicht besser, wenn er einfach den Charakter spielen könnte, den er will, ohne dass die Regeln ihm dabei einen Strich durch die Rechnung machen? Oder ist es gerade ein Teil des Reizes, den Charakter nach und nach immer mehr in die Form zu bringen, die man haben möchte? Und wenn das so ist, ist dann die wichtigste Funktion des gemeinsamen Spiels, dabei die XP zu sammeln, die man braucht, um den Charakter zu perfektionieren?

Ist es wünschenswert, mehr von der „Innentendenz“ auch den Mitspielern zugänglich zu machen? Oder wäre das kontraproduktiv? Wenn die Interessen deiner Mitspieler stark von deinen abweichen, wäre es sinnlos, dein „inneres Spiel“ an sie zu kommunizieren, da sie es nicht wertschätzen würden. Doch wenn es sie interessiert, wäre es dann nicht Verschwendung, das „innere Spiel“ nicht nach außen kundzutun?

Ist das Spiel mit großer „überschießender Innentendenz“ daher nur eine findige Möglichkeit, frustrierendes Spiel in weniger frustrierendes Spiel zu verwandeln, weil die Mitspieler sich nicht für die gleichen Inhalte interessieren wie man selbst? Oder ist es eine Spielform, die selbst bei gleich gelagerten Interessen ihre Daseinsberechtigung hat und dem Rollenspiel eine zusätzliche Dimension verleiht?

Hochinteressante Fragen. :D
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Offline Boba Fett

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #4 am: 29.12.2005 | 14:44 »
Cooles Thema!
Ich habe da auch so einige Spieler erlebt, die in dieses "introvertiertes" Schema passen.
Eigentlich habe ich immer versucht, diese "Innentendenz" aufzulösen, denn dadurch erfahre ich ja letztendlich, was der Spieler mit seiner Rolle (Charakter) erleben möchte. Wenn ich das weiss, kann ich das ja auch "liefern".
Letztendlich wird der Spieler dann mehr Spaß am Rollenspiel haben und mehr Gewicht von seinem "introvertierten Tagträumen" auf das Interagieren im Spiel legen.
Nur - ist das wirklich gut so? Wenn ich das mache, liefert sich derjenige ja auch aus.
Läuft das Spiel nicht so, wie erwünscht oder erfährt derjenige dann sogar Ablehnung, dann macht sich Frustration breit.
Andererseits spielt man ja doch eigentlich zusammen, um miteinander Dinge zu erleben.

"Wenn man gemeinsam in Urlaub fährt, dann doch auch, um etwas miteinander zu unternehmen, und nicht, um zufällig im gleichen Hotel zu schlafen..."
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Jon Snow

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #5 am: 29.12.2005 | 15:20 »
Cooles Thema!
Find ich auch!  :d

Ist diese überschießende Detailtiefe in der Vorstellung dieses Spielers - auch seine Tagträumerei außerhalb der Spielsitzungen - nun Teil des Rollenspiels, oder nicht? Für die anderen am Tisch: Ganz klar nicht, sie können sie nicht wahrnehmen. Für diesen Spieler aber: Natürlich! Solange ihm der Spielleiter, die anderen Spieler oder die Regeln nicht in die unmittelbar Quere kommen. Und das passiert nur selten, weil sie wenig von dem mitbekommen, was im Kopf dieses Spielers abläuft, und überhaupt nicht darauf reagieren.
Nun ja, es hängt schon von deiner Definition von Rollenspiel. Wenn man nur das Wort nimmt (also Rollenspiel - Das Verkörpern eines Charakters/einer Rolle in der Phantasie) spielt der Spieler hundertprozentig Rollen. Wenn man allerdings für die eigene Definition von Rollenspiel den Rest der Gruppe sowie den Spielleiter nicht missen möchte (so geht es mir), so  betreibt besagter Spieler nicht in erster Linie Rollenpiel sondern ergänzende, imaginäre, der Charakter- bzw. Plottiefe diene Weiterknüpfung unter Nichteinbeziehung anderer Faktoren wie Regeln/Gruppe/Leiter etc.
Dies ist imho nichts Seltsames sondern etwas von jedem Spieler zu Erwartendes


Je weniger er gezwungen ist, seine Vorstellung von seiner Identifikationsfigur im tatsächlichen Spiel preiszugeben, wo er dem Spielsystem und daher der Akzeptanz der anderen unterworfen ist, desto besser. Dafür wird er nicht müde, zwischen den Spielsitzungen von seinem Charakter zu erzählen.
Ergo schafft er zwischen den Spielrunden Voraussetzungen und Maximen nach denen sein Charakter handelt. Wozu also während des Spiels groß davon reden? Ist doch alles schon klar...


Würde dieser Spieler mit einem anderen System wirklich mehr Spaß haben?
Denke ich nicht. Denke eher in Eins Richtung, dass das System / die Regeln beim "Spiel im Kopf" zweitrangig sind. Wenn kein anderes "da ist", gibt man sich mit jedem System zufrieden. Und warum ist das so? Logisch, weil das Spiel im Kopf, die phantastischen Vorstellungen in den meisten Fällen regelunabhängig sind. Diese machen ja auch den größten Spaß am Rollenspiel aus.


Und wie bringe ich ihm das bei?
Wozu? Wenn der Spieler es selber findet (was ich nicht glaube, da (s.o.) das System zweitrangig ist) wird er sich schon trauen, dich zu fragen...

Joe Dizzy

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #6 am: 29.12.2005 | 17:01 »
Ich bin kein Freund des "jeder spielt für sich allein"-Prinzips. Meiner Meinung nach findet Rollenspiel nur am Tisch statt und nur im Zusammenspiel mit den anderen Spielern. Ich will niemandem den Spaß absprechen, der mit dieser "Innentendenz" spielt; aber in meinen Runden kann ich das nicht leiden.

Ich habe den Eindruck, dass viele Spieler diese "Innentendenz" als Hauptreiz, wenn nicht Hauptbestandteil des Rollenspiels sehen. Systeme haben wenig Auswirkung darauf. Der Spieler müsste sich von seinen festen Vorstellungen lösen und sich auf das Spiel selbst einlassen um daran was zu ändern. Und als SL kann man das höchstens vorschlagen oder ansprechen, aber nicht "beibringen".

Offline Dr.Boomslang

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #7 am: 29.12.2005 | 17:16 »
Ich kann diese Vorstellung vom "inneren Spiel" sehr gut nachvollziehen. Deshalb bin ich wohl unter anderem so häufig SL gewesen. In der Position ist das was ich mir ausdenke am wenigsten eingeschränkt durch das System. Trotzdem interagiert meine Vorstellung mit den Spielern.

Ich halte es aber nicht für richtig allzuviele Komponenten des Spiels auf diese innere Welt zu verlagern. Es ist schließlich auch für Spieler die sehr viel Spielspaß aus dieser Richtung beziehen nötig sich mit der Gruppe und dem eigentlichen Spiel zu konfrontieren um daraus irgendetwas zu schöpfen. Warum also nicht diesen schöpferischen Aspekt des eigentlichen Spiels voll ausnutzen?
Sicher, dazu muss das Spiel auch das liefern was man möchte, man darf nicht gegen das Spiel oder gegen die Gruppe anspielen müssen.

Das "innere Spiel" die Phantasiewelt die neben dem Spiel abläuft und entsteht ist kein außschließliches Merkmal des Rollenspiels. Ich kann auch eine Geschichte lesen und mich in die dort beschriebene Welt versetzen, ich kann selbst fantasieren, oder ich kann auch sowas wie Monopoly spielen und dabei so tun als sei ich ein Immobilienhändler der das große Geld macht. Aber Rollenspiel ist doch grade das einzige Spiel bei dem ich jeden Aspekt meiner Phantasiewelt in das Spiel einfließen lassen kann, zumindest potentiell.
Ich finde das sollte man dann auch nutzen.

Jon Snow

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #8 am: 29.12.2005 | 17:24 »
@ Joe Dizzy:

Aber wie willst du das unterbinden? Und warum?
Du stellst dir doch bei der Lektüre eines Buches die Schauplätze, Personen und Geschehnisse in deinem Kopf ganz genau vor. Oft auch anders / genauer als im text beschrieben.
Auf dieser Grundlage baut das innere Spiel auf. Auf dem phantastischen Vorstellungsvermögen. Dies ist der erste Schritt zum Rollenspiel. Der zweite Schritt wäre, dass man dies auch der Gruppe mitteilt, ergo aus dem "inneren" ein "äußeres" Spiel macht. Diesen Schritt können manche aber einfach nicht gehen, ob das nun aus Schüchternheit oder sonstwas geschieht ist ja egal.
Solange sie Spaß am Rollenspiel haben ist das doch die Hauptsache. Besser zumindest, als wenn sie das nicht mehr "dürften". Das würde ihnen den Spaß am Rollenspiel rauben, und der ist ja wohl immer noch das Wichtigste.

Joe Dizzy

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #9 am: 29.12.2005 | 17:43 »
Aber wie willst du das unterbinden? Und warum?

Warum denn unterbinden? Die Leute sollen doch spielen was sie möchten. Aber wenn sie in meiner Runde spielen, dann ziehe ich es vor Rollenspiel so zu spielen, wie ich es spielen möchte. Und da steht "introvertiertes Spiel" nun mal im Weg.

Zitat
Du stellst dir doch bei der Lektüre eines Buches die Schauplätze, Personen und Geschehnisse in deinem Kopf ganz genau vor. Oft auch anders / genauer als im text beschrieben.
Auf dieser Grundlage baut das innere Spiel auf. Auf dem phantastischen Vorstellungsvermögen. Dies ist der erste Schritt zum Rollenspiel. Der zweite Schritt wäre, dass man dies auch der Gruppe mitteilt, ergo aus dem "inneren" ein "äußeres" Spiel macht. Diesen Schritt können manche aber einfach nicht gehen, ob das nun aus Schüchternheit oder sonstwas geschieht ist ja egal.

Dann sollten sie lieber mit ihren Kumpels Filme schauen, aber nicht ihre Zeit in einer Rollenspielrunde vergeuden. Rollenspiel ist nun mal kein passives Hobby. Beim Rollenspiel muss man reden; man muss kommunizieren. Ohne Kommunikation gibt es kein Rollenspiel. Wenn man das nicht will (weil man so schüchtern ist) oder nicht kann (weil einem der Kieferorthopäde das Gebiß zugenäht hat), dann sollte man sich einer anderen Freizeitbeschäftigung widmen. Videospiele oder Computerspiele bieten sich da an.

Zitat
Solange sie Spaß am Rollenspiel haben ist das doch die Hauptsache. Besser zumindest, als wenn sie das nicht mehr "dürften". Das würde ihnen den Spaß am Rollenspiel rauben, und der ist ja wohl immer noch das Wichtigste.

Solche Leute rauben mir den Spaß.
« Letzte Änderung: 29.12.2005 | 17:47 von Joe Dizzy »

Jon Snow

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #10 am: 29.12.2005 | 17:57 »
Naja, ich verstehe es nicht so, dass die Leute gar nicht reden und gar nicht am Spiel teilnehmen, sondern so, dass sie sich eher zurückhaltend mitteilen und ihren Charakter und seine Eigenarten halt eher für sich entwickeln.
Das ist natürlich nicht ideal, aber ich finde es nicht störend, denn das ist nun mal eine Frage von Intro- bzw. Extrovertiertheit... An der das RSP nach einiger Zeit vielleicht was ändern kann...

Solche Leute rauben mir den Spaß.
Das ist natürlich auch nicht gut.  :q Da müssen natürlich irgendwie Mittel und Wege gefunden werden, bzw. der SL ein Machtwort sprechen!  >;D

Joe Dizzy

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #11 am: 29.12.2005 | 23:42 »
Naja, ich verstehe es nicht so, dass die Leute gar nicht reden und gar nicht am Spiel teilnehmen, sondern so, dass sie sich eher zurückhaltend mitteilen und ihren Charakter und seine Eigenarten halt eher für sich entwickeln.

Schon klar. Aber ich finde das die Kommunikation kein Mittel zum Rollenspiel ist, sondern dessen Herzstück. Ergo, wer wenig kommuniziert, spielt wenig. Selbstverständlich plappert nicht jeder gleich viel, aber sich aus einer Gruppenaktivität zurück zu ziehen, weil mein sein eigenes Ding machen will ist schon ein wenig "ungesellig".


Offline Azzu

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #12 am: 30.12.2005 | 00:49 »
@Vermi:  ;D

@Joe Dizzy: Ich bin insoweit deiner Meinung, als dass das Kernelement einer Rollenspielsitzung die Kommunikation ist. Gibt das davon zu wenig oder Missverständnisse, führt das zu Problemen. Genau um diese zu lösen bzw. schon im Vorfeld zu vermeiden, treten die Theoretiker hier und @ The Forge ja an.

Was ich sagen wollte: Ziemlich unabhängig davon, wie ein Spielabend abläuft, gibt es noch eine Ebene des Rollenspiels, die jeder Spieler ganz allein für sich in seinem Kopf herumträgt. Für manche Spieler ist diese Ebene vielleicht sogar die Hauptquelle der Spielfreude. Da ist überhaupt nichts Schlimmes dran, wie du schon sagst, so lange die Spielsitzungen nur Spaß machen. Schwierig wird es aber dann, wenn die Spielsitzungen als unbefriedigend wahrgenommen werden. Weil viele Spieler - du offenbar, und ich auch, zumindest seit einiger  Zeit - schwerpunktmäßig oder jedenfalls auch ihren Spaß am Rollenspiel an den gemeinsamen Spielsitzungen und weniger in der Tagträumerei finden. Viele, aber eben vielleicht nicht alle.

Dem Spielertyp, wie ich ihn im Eingangspost beschrieben habe, ist vielleicht schwer vermittelbar, woran es dir und mir an einem langweiligen Rollenspielabend eigentlich fehlt. Weil er damit zufrieden ist, den Charakter zu spielen, anderen zu zeigen, dass er den Charakter kontrolliert, ggf. gelegentlich seitens des Spielleiters mit Erfolgserlebnissen verhätschelt zu werden, und den Rest im Wesentlichen der eigenen Vorstellung zu überlassen. Unzufrieden stimmt ihn nur, wenn das Spielgeschehen nicht mit dem vorgestellten Charakter zu vereinbaren ist. Das kommt meiner Erfahrung nach umso öfter vor, je häufiger dieser Spieler wirklich in die Rolle seines Charakters schlüpft, ihn darstellt und sich den Reaktionen der Mitspieler stellen muss, oder je häufiger die Handlung echte Konflikte mit der realen Möglichkeit des Scheiterns samt den vom SL kraft seines Amtes durchgesetzten negativen Konsequenzen enthält.

Offline Azzu

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #13 am: 30.12.2005 | 12:23 »
Angenommen, meine Beispielsgruppe aus dem ersten Post hält eine Krisensitzung ab und man einigt sich tatsächlich darauf, sich gegenseitig mehr von den eigenen Charakteren mitzuteilen.

EDIT: Erhoffter Sinn dahinter: Wenn das Spielgeschehen während der Spielsitzungen sich näher an den Vorstellungen der "Innentendenz"-Spieler von ihren Charakteren hält, haben diese mehr Spaß an der Sache. Und weil diese sich jetzt stärker einbringen können, profitieren auch die Spieler, denen es vor allem auf Kommunikation am Spieltisch ankommt.

Dazu zwei Gedanken:

Positiv auf das Spiel auswirken kann sich dieses Kommunizieren von Teilen der ursprünglichen "Innentendenz" nur, wenn sie auch von den anderen respektiert wird. Insbesondere in den Punkten, die der Spieler wegen schauspielerischer, sprachlicher, körperlicher oder intellektueller Defizite nicht gut darstellen kann. Sowas kann funktionieren. Ich erinnere mich an eine Mittelerde-Runde, wo alle gegenseitig die jeweils anderen Charaktere als edle Heroen akzeptiert haben, egal, wie mangelhaft die Darstellung war. Wir hatten nicht darüber gesprochen, aber bei Mittelerde ist das wohl ein Teil des Spielsystems. Wenn man andere Spiele verwendet, wäre es gar nicht übel, über dieses gegenseitige Anerkennen zu sprechen.

Das führt dann gleich zum zweiten Gedanken: Wie kommuniziere ich meine Vorstellung meiner Spielfigur?

Als Mindeststandard eingebürgert hat sich wohl, eine Hintergrundgeschichte für den Charakter zu schreiben, die sich nur mit dessen Vergangenheit beschäftigt und die erstmal aber nur der SL bekommt, und das Aussehen des Charakters zu beschreiben. Der Rest - der Ist-Zustand des Charakters über Äußerlichkeiten hinaus - wird der eigenen Charakterdarstellung überlassen. Und kommt deswegen nicht selten bei den Mitspielern nicht an.

Eine Lösung, die ich oft anwende: Ich spiele eben nur Charaktere, von denen ich glaube, dass ich sie auch darstellen kann. Das schränkt die Auswahl aber stark ein. Diese Methode schmeckt daher sich nicht jedem. Also - was tue ich, um meinen Mitspielern Aspekte meines Charakters zu vermitteln, die in meiner Charakterdarstellung am Spieltisch fehlen, die ich aber für wichtig halte, und von denen ich es gerne hätte, wenn meine Mitspieler sie berücksichtigten?

Letztlich wird man die eigene Charaktervorstellung wohl verbalisieren müssen. Und zwar nicht nur gegenüber dem Spielleiter, sondern gerade auch gegenüber den Mitspielern, bevor das Spiel eigentlich losgeht. Das ist, fürchte ich, gar nicht so einfach. Zunächst muss man diese Vorstellung für sich selber in Worte fassen. Manche Spiele bieten da Hilfestellungen. In der World of Darkness soll man etwa ein "Concept" für den Charakter benennen, in einem Wort oder maximal einem Halbsatz. Das reicht nocht nicht für das, was ich im Sinn habe, ist aber ein guter Ausgangspunkt. Beliebt sind auch die "20 Questions", die man zunächst sich selbst beantworten soll, um selbst ein Bild von dem Charakter zu bekommen. Diese Fragenkataloge beschäftigen sich zwar oft mit der Vergangenheit des Charakters, aber  enthalten auch hilfreiche Fragen zum gegenwärtigen Charakter.

Besonders wichtig, weil es die Reaktionen der anderen Figuren (ob SC oder NSC) innerhalb des Spielwelt unmittelbar beeinflussen sollte: Wie wirkt der Charakter auf andere?

Sinnvolle Ergänzung dieser Frage vielleicht: Was hat er, was ich nicht habe?  ;)
Präzisiert: Welche Aspekte der Wirkung des Charakters werde ich wohl nicht darstellen können? Bin ich ein lispelnder, pickeliger, übergewichtiger Teenager im Stimmbruch und mit chronischer Abneigung gegen Rasur und Körperpflege, der einen edlen, Jahrhunderte alten Elfen mit melodischer Stimme darstellen will? Ergeben sich da vielleicht Probleme?

Nächste, optionale Ergänzungsfrage: Muss das alles sein, oder kann ich den Charakter vielleicht etwas modifizieren, so dass er sich mit meinem Mitteln einfacher darstellen lässt? Wieviel glaube ich, kann ich der Fantasie meiner Mitspieler zumuten? Wenn ich den Charakter an meine Darstellungsmöglichkeiten anpasse, ist es dann noch der Charakter, den ich gerne spielen möchte?

Übrig bleiben dann Aspekte des Charakters, die ich wohl nicht überzeugend darstellen kann, aber die mir wichtig sind. Die müssen dann kurz und prägnant in Worte gefasst und an die Mitspieler übermittelt werden, mit der Bitte um Respektierung. Das wäre mal einen Versuch wert, finde ich.

---

Anmerkung: Ich habe die "Innentendenz" in den obigen Versuch aufgespalten in Dinge, welche die anderen Spieler eigentlich wissen müssten, weil sie der Wahrnehmung ihrer Charaktere unterliegen, und nur damit beschäftigt sich dieses Post, und sozusagen den Rest - das, was sich im Kopf des Charakters abspielt, ob nun bewusst oder unbewusst. Inwieweit es überhaupt Sinn macht, diesen Rest an die Mitspieler weiterzugeben, wie man das dann am besten macht, und ob bzw. inwieweit das im Rahmen des "klassischen" Rollenspiels überhaupt geht, lasse ich mal offen.
« Letzte Änderung: 30.12.2005 | 13:40 von Azzurayelos »

Joe Dizzy

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #14 am: 30.12.2005 | 13:37 »
Wenn man andere Spiele verwendet, wäre es gar nicht übel, über dieses gegenseitige Anerkennen zu sprechen.

Es sollte eigentlich zum normalen Umgangston gehören, dass man die Figur eines Mitspielers so akzeptiert, wie er sie sich ausgedacht hat.

Zitat
Als Mindeststandard eingebürgert hat sich wohl, eine Hintergrundgeschichte für den Charakter zu schreiben, die sich nur mit dessen Vergangenheit beschäftigt und die erstmal aber nur der SL bekommt, und das Aussehen des Charakters zu beschreiben.

Niemand interessiert sich für die Hintergrundgeschichte eines Charakters, ausser dem Spieler selbst. Das einzige was zählt, ist was im Spiel passiert. Ich zweifele nicht daran, dass das Schreiben solcher Hintergrundgeschichten sehr viel Spaß macht und die Figur dem Autor lebendig macht, aber das war's auch. Die Spielrunde selbst wird davon nur indirekt beeinflusst.

Vor allem aber ist so eine Hintergrundgeschichte ein großer Schritt in Richtung "introvertiertes Spiel". Daher sind sie für eine Runde, die "introvertiertes Spiel" zu meiden versucht sehr hinderlich.

Zitat
Besonders wichtig, weil es die Reaktionen der anderen Figuren (ob SC oder NSC) innerhalb des Spielwelt unmittelbar beeinfluss sollte: Wie wirkt der Charakter auf andere?

Dem kann ich nicht zustimmen. Die Reaktionen auf meinen Charakter werden immer von einem meiner Mitspieler entschieden. Was ich gerne hätte, ist höchstens zweitrangig.

Offline Azzu

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #15 am: 30.12.2005 | 13:59 »
Es sollte eigentlich zum normalen Umgangston gehören, dass man die Figur eines Mitspielers so akzeptiert, wie er sie sich ausgedacht hat.

Dem "sollte" schließe ich mich an. Aber normalerweise reagieren Mitspieler nur darauf, was die anderen tun und sagen. Dass darüber hinaus auf weitere Aspekte Rücksicht genommen werden soll, ist weit weniger selbstverständlich.

Zitat
Vor allem aber ist so eine Hintergrundgeschichte ein großer Schritt in Richtung "introvertiertes Spiel". Daher sind sie für eine Runde, die "introvertiertes Spiel" zu meiden versucht sehr hinderlich.

Ich stimme insofern zu, dass die Hintergrundgeschichte für das, was ich vorhabe, unmittelbar keinen Nutzen hat - ich habe ihre Anfertigung auch nicht vorgeschlagen, sondern nur als - aus meiner Sicht ungenügende - Standardprozedur vieler Runden darstellen wollen. Aber: Bevor ich meinen Mitspielern erklären kann, wie meine Vorstellung von meinem Charakter aussieht, muss ich mir selber darüber klar werden. Das ist ein hundertprozentig "introvertierter" Vorgang. Aber nicht kontraproduktiv, wenn ich am Ende das Ergebnis mitteile, und dieses Berücksichtigung findet.

Zitat
Dem kann ich nicht zustimmen. Die Reaktionen auf meinen Charakter werden immer von einem meiner Mitspieler entschieden. Was ich gerne hätte, ist höchstens zweitrangig.

Okay. Ich habe das "unmittelbar" gestrichen, weil es nicht stimmt.

Aber: Es beeinflusst die Entscheidung meiner Mitspieler, wie ihre Charaktere auf meinen Charakter reagieren. Weil sie mehr über diesen wissen und ihre Vorstellung von dem Charakter sich nun weitgehend mit der meinen deckt, weil ich sie ihnen mitgeteilt habe. Jedenfalls dann, wenn man sich in der Gruppe darauf geeinigt hat, darauf Rücksicht zu nehmen.

Offline Fredi der Elch

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #16 am: 30.12.2005 | 18:09 »
Ich kann mich Vermi nur anschließen: 1. spannende Frage und 2. von der Forge-Theorie nicht behandelt.

Dass die Forge nichts darüber sagt, liegt einfach am grundlegenden Paradigma: es geht ihr um das tatsächliche Verhalten (also verbale und nonverbale Kommunikation) der tatsächlichen Spieler. Wenn nun also ein Spieler sich viele Gedanken über seinen Charakter macht (und sie evtl. auch schriftlich festhält), dies aber keine (oder nur minimale) Auswirkungen auf sein Spielverhalten (also was er während des Spiels zum Spiel beiträgt, was er den Charakter tun lässt usw.) hat, dann geht das an dem, was für Forge "Rollenspielen" ist (nämlich gemeinsames Erschaffen eines Vorstellungsraums via Kommunikation) völlig vorbei und die Gedanken zum Charakter sind nach der Definition (der ich persönlich mich anschließen würde) gar kein Rollenspiel und haben damit auch nichts zu tun.

Will sagen: "Gemeinsamer Vorstellungsraum durch Kommunikation" ist eine Definition von Rollenspiel. Sie ist IMO sehr sinnvoll, vor Allem um "Rollenspielen" von anderen Aktivitäten wie "Geschichten schreiben", "Tagträumen", "zusammensitzen und über Gott und die Welt quatschen" usw. abzugrenzen, die alle einen mehr oder weniger kreativen und mehr oder weniger sozialen Inhalt haben. Aber es ist nur eine Definiton.

Und nach der Definition macht unser "introvertierter" Spieler gar kein Rollenspiel, wenn er sich zwischen den Sitzungen Gedanken zum Charakter macht. Er bereitet sich nicht mal auf das eigentliche Rollenspielen vor. Das ist genauso wie jemand, der gerne Fußball im Fernsehen sieht und dann zum Fußballspielen geht, dort aber nicht darüber redet und auch keine Taktiken aus dem Fernsehen verwendet usw. Das sind einfach zwei unterschiedliche Aktivitäten, die für die Person aus irgendwelchen Gründen zusammenhängen (keine Ahnung warum) aber eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Ihm macht grob gesagt "die Beschäftigung mit dem Thema 'Fußball'" mehr Spaß als das Fußballspielen selbst.

Genauso ist es mit dem "introvertierten" Rollenspieler. Ihm macht die gedankliche Beschäftigung mit dem Rollenspiel mehr Spaß als das Rollenspiel an sich. Vielleicht, weil die Vorfreude schöner ist als die tatsächliche Tätigkeit. Vielleicht... keine Ahnung.

Und jetzt weiß ich auch nicht mehr, was ich eigentlich sagen wollte... ;)
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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #17 am: 1.01.2006 | 19:49 »
Ich habe diese Innentendenz auch... ich schreibe viel über meine Charaktere und mache mir auch viele Gedanken. Trotzdem wird sich - denke ich mal - niemand beschweren, daß ich in einer Runde zuwenig sage. Es ist einfach nur so, daß ich nicht alle Ideen, die ich für meine Chars habe, ständig unterbringen kann. Manchmal spricht in der Runde etwas darauf an - manchmal nicht, dann macht´s aber auch nichts. Dann formt sich für mich trotzdem mehr und mehr ein vollständiges Bild einer Person, komplett mit Hintergrund (auch ganz unwichtigen Episoden) und Macken. Und diese Macken fließen dann wieder ins Spiel ein.  ;)

Eigentlich finde ich das auch gut so. Ich will von meinen Spielern auch nicht jedes Detail wissen, aber es ist schön, wenn der Charakter mehr Tiefe erhält, weil sich der Spieler Gedanken macht. Im direkten Spiel miteinander muß sich jeder ein bißchen zurücknehmen und kann nicht auf den Erfahrungen seines Chars rumreiten - aber die sind da, und man merkt eigentlich schon, wenn ein Char einen richtigen Hintergrund und eben Tiefe hat. Zumindest, wenn man eine Kampagne spielt und die Chars öfter auftreten.
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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #18 am: 1.01.2006 | 20:16 »
Ich habe diese Innentendenz auch... ich schreibe viel über meine Charaktere und mache mir auch viele Gedanken. Trotzdem wird sich - denke ich mal - niemand beschweren, daß ich in einer Runde zuwenig sage. Es ist einfach nur so, daß ich nicht alle Ideen, die ich für meine Chars habe, ständig unterbringen kann.
Darum geht es doch gar nicht. Es geht um die Leute, die viel vorbereiten und dann nicht mal versuchen, das ins Spiel einzubringen (so habe ich den Thread wenigstens verstanden). Dass man nie alle seine Ideen (ob die nur vor oder während des Spiels entstehen) auch ins Spiel einbringen kann ist doch klar und hat mit dem andern Phänomen nichts zu tun.
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Eulenspiegel

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #19 am: 1.01.2006 | 22:05 »
Also wenn ich den thread Ersteller richtig verstanden habe, geht es um Ideen, die man außerhalb des Spiels hat. Unabhängig davon, ob man sie nun in's Spiel einfließen lässt.

Manche Spieler kümmern sich außerhalb des Spiels um ihren Charakter und lassen das in's Spiel einfließen. Andere kümmern sich ebenfalls außerhalb des Spiels um ihren Charakter und lassen das nicht in's Spiel einfließen. Aber beide haben gemein, dass sie sich auf einer Ebene mit ihrem SC beschäftigen, der für die anderen nicht wahrnehmbar ist.

Und ich behaupte mal, diese "unsichtbare" Ebene ist bei jedem Spieler vorhanden. Bei manchen etwas stärker ausgeprägt und bei manchen schwächer.

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #20 am: 2.01.2006 | 16:38 »
Ich habe den ursprünglichen Post auch so verstanden, daß es überhaupt erst mal um die Erfassung des Phänomens "Innentendenz" geht, und nicht um eine bestimmte Art und Weise, damit umzugehen. Immerhin habe ich vorher noch nie einen Thread dazu gefunden...

Darf ich fragen, ob und wie diese Innentendenz ins Big Model passt, oder ist das in einem offenen Thread nicht passend und gehört in einen eigenen?  ::)
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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #21 am: 2.01.2006 | 16:57 »
Ich habe den ursprünglichen Post auch so verstanden, daß es überhaupt erst mal um die Erfassung des Phänomens "Innentendenz" geht, und nicht um eine bestimmte Art und Weise, damit umzugehen.
Hm, wahrscheinlich weiß nur Azzu, wie er es gemeint hat. Vielleicht meldet er sich ja nochmal mit einer Erläuterung.

Zitat
Darf ich fragen, ob und wie diese Innentendenz ins Big Model passt, oder ist das in einem offenen Thread nicht passend und gehört in einen eigenen?  ::)
Wie Vermi schon gesagt hat: Das Big Model befasst sich damit nicht wirklich. Deswegen fände ich es ja interessant, hier ein paar Ideen zu hören, was da auf theoretischer Ebene möglich ist usw.
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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #22 am: 2.01.2006 | 18:09 »
Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich Verwirrung gestiftet habe. *g* So genau weiß ich selber nämlich nicht, wie ich "es" gemeint habe. Der Gedanke an dieses Phänomen, dass Vermi "überschießende Innentendenz" getauft hat, spukt mir schon seit längerer Zeit im Kopf herum, ohne wirklich konkrete Gestalt anzunehmen. Dieser Thread soll mich von diesem Spuk befreien, indem er ihn in eine solche Gestalt bannt.  ;)

Warum ich letztlich hier gepostet habe, war mein vager Eindruck, dass die Forge-Theorien, deren oberstes Ziel "mehr Spaß am Rollenspiel" ist, möglicherweise einen wesentlichen Spaß-Faktor des Hobbys weitgehend außen vor lassen. Vermi und Fredi haben das ja mittlerweile bestätigt.

Der Thread soll sich jedenfalls in weitem Rahmen mit diesem Thema "überschießende Innentendenz" - oder, wenn ihr Juristeninsiderwitze nicht mögt, "Tagträumerei im Sinne meines Eingangsbeitrags"  befassen.

- Gibt es dieses Phänomen "überschießende Innentendenz" überhaupt (bisher allgemeine Meinung wohl: ja)?

- Lässt es sich irgendwie genauer charakterisieren?

- Auf welche Weise bringt es Spaß - während und außerhalb der Spielsitzungen?

- Ist es Teil des Rollenspiels, oder etwas völlig anderes?

- Ergeben sich aus diesem Phänomen Probleme beim Rollenspielen?

- Lassen sich diese Probleme lösen oder Erkenntnisse über dieses Phänomen beim Rollenspielen anderweitig sinnvoll nutzen?

- Und so weiter. Mehr interessante Fragen hat Vermi oben beigesteuert.

« Letzte Änderung: 2.01.2006 | 18:11 von Azzurayelos »

Offline Fredi der Elch

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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #23 am: 2.01.2006 | 18:20 »
Die Frage ist doch, was bedeutet "überschießende Innentendenz"? Ist der Spieler gemeint, der sich viel zum Charakter überlegt und dann nichts davon ins Spiel einbringt (aber allein mit dem Schreiben des Hintergrunds tierisch Spaß hat)? Oder ist einfach gemeint, dass jeder Spieler natürlich eine eigene Vorstellung von Charakteren u.a. hat (also erst einmal einen "privaten Vorstellungsraum") und die dann versucht ins Spiel einzubringen (also in den gemeinsamen Vorstellungsraum zu integrieren)? Das war doch die Quelle der Verwirrung, da das zwei sehr unterschiedliche Dinge sind.

Also, welches soll es nun sein? ;)
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Zitat von: 1of3
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Re: [Offen] Spaß am Rollenspiel ohne Interaktion?
« Antwort #24 am: 2.01.2006 | 18:36 »
Ihm macht grob gesagt "die Beschäftigung mit dem Thema 'Fußball'" mehr Spaß als das Fußballspielen selbst.

Genauso ist es mit dem "introvertierten" Rollenspieler. Ihm macht die gedankliche Beschäftigung mit dem Rollenspiel mehr Spaß als das Rollenspiel an sich. Vielleicht, weil die Vorfreude schöner ist als die tatsächliche Tätigkeit. Vielleicht... keine Ahnung.

Ich bin selber "Passiv-Fußballer". Die gedankliche Beschäftigung mit dem Thema Fußball macht mir Spaß. Dazu muss ich nicht auf's Spielfeld.

Der "introvertierte" Spieler, wie ich ihn kennen gelernt habe (auch, indem ich von mir auf andere geschlossen habe), will aber unbedingt an den Spielsitzungen teilnehmen. Warum, müssen wir noch klären. Braucht er neuen Input für seine Tagträume? Will er eine stärkere Bindung zu seinem Charakter? Wie auch immer - ich behaupte, dass diese "überschießende Innentendenz" mehr ist, als reine "gedankliche Beschäftigung mit dem Thema Rollenspiel" und enger damit zusammen hängt.

Trotzdem nochmal zurück zum Vergleich: Als "passiver" Fußball-Fan schaue ich gerne anderen Leuten beim Fußballspielen zu, die das viel, viel besser können, als ich. Ist dass mit passiven, "introvertierten" Spielern am Spieltisch ähnlich - haben sie Spaß vor allem daran, den anderen beim Spielen zuzusehen (und gleich vor Ort, off play, mit ihnen darüber zu fachsimpeln)? Rollenspiel-Voyeure ohne große Ambitionen, selbst etwas beizutragen? Was glaubt ihr?

EDIT #1:

Zitat
Also, welches soll es nun sein?

Ersteres.

Nach dieser Terminologie um einen Spieler, der sich einen sehr detailreichen privaten Vorstellungsraum schafft, und dann vergleichweise wenig Bedürfnis verspürt, diesen zu teilen, obwohl er theoretisch könnte. (EDIT #3: Und unabhängig davon, ob der private Vorstellungsraum überhaupt mitgeteilt wird, ob das Erschaffen des privaten Vorstellungsraumes für sich alleine schon Spaß bringt, wie eng das noch zum "Rollenspielen" dazu gehört, und ob sich daraus nützliche Erkenntnisse ziehen lassen.)

Was zu den nächsten Fragen führt: Was hindert ihn? Unter welchen Umständen wäre es positiv (EDIT #2: für ihn oder für seine Mitspieler), wenn er mehr von seinem Vorstellungsraum mit den anderen teilte? Wie sollte er dabei am besten vorgehen?
« Letzte Änderung: 2.01.2006 | 18:49 von Azzurayelos »