Autor Thema: [The Shadow of Yesterday] Dancian wird zum Mann  (Gelesen 3156 mal)

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Offline Lord Verminaard

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Dancian war ein verwöhnter adliger Playboy, herrschsüchtig und feige, interessiert an Sinnesfreuden und Genüssen, doch nicht an Krieg und Politik. Als es seinem Vater zu bunt mit ihm wurde, schickte er Dancian auf eine gefährliche Mission: Das sagenumwobene Mondsilber aus der Tiefe der Wälder von Khale zu holen. Bald schon hatte er sich mit Anmaßung und Eitelkeit den Hass der Soldaten und Sklaven seiner Expedition zugezogen. Er ließ sich in einer Sänfte tragen, von seinem Leibkoch bekochen, und von der schönen Sklavin Kiana verwöhnen.

Als die Barbaren von Khale angriffen, lief Dancian davon wie ein Feigling, kroch im Staub und machte sich vor allen zum Gespött. Die Sklaven wurden während des Kampfes befreit, doch Kiana blieb. Es kam zum Streit zwischen Dancian und dem Befehlshaber der Garde, weil Dancian sich lieber singend in seiner Sänfte von den Soldaten tragen ließ, statt ihnen ein Anführer zu sein. Schließlich gelang es Kiana, Dancian dazu zu bringen, die Sänfte eigenhändig zu Kleinholz zu zerhacken.

Inzwischen hatten der Befehlshaber der Garde, der elfische Zauberer und der Koch und Leibwächter Dancians, der heimlich in das Sklavenmädchen verliebt war, sich bereits darauf geeinigt, Dancian loszuwerden. Doch da erreichten sie schon den unirdischen Mondsilberhain. Als der Befehlshaber der Garde das Sklavenmädchen beleidigte, zog Dancian seinen Degen und griff ihn an. Es kam zum Kampf, bei dem Dancian den Befehlshaber und den Koch niederstach. Auch Kiana wurde verletzt, und Dancian legte sie über sein Pferd, nahm sich ein Stück Mondsilber als Beweis für seinen Vater, dass er den Hain erreicht hatte, und zog allein zurück nach Hause. Der Elf übernahm das Kommando über den Rest der Expedition und riss sich das Mondsilber unter den Nagel.


All das hat sich in ungefähr 6 Stunden Spiel auf der NordCon zugetragen. Da soll noch mal einer sagen, Charakterentwicklung braucht eine Kampagne! Ich habe schon diverse Kampagnen mit weniger Charakterentwicklung erlebt. Und: Das System hat gut mitgeholfen.

Ich hatte das Szenario mit den Charakteren (Elf, Sklavenmädchen, Koch, verwöhnter Adliger) vorbereitet in der Hoffnung, dass die zwischen den Charakteren angelegten Konflikte das Spiel füttern würden. (Es gab auch noch einen Konflikt zwischen dem Elf und dem Sklavenmädchen, das in Wirklichkeit eine Geheimagentin des Zaru-Untergrundes war. Dabei ging es um die Silben der Macht.)

Ich war doch ziemlich gespannt, ob das Szenario funktioniert. Die erste Erleichterung trat ein, als ich die Charaktere beschrieb und ein Spieler meinte: „Die sind alle cool, ich kann mich nicht entscheiden.“ Die zweite Erleichterung war, dass die Spieler pro-aktiv spielten und nicht darauf warteten, dass ich „das Abenteuer“ zu ihnen brachte. Dancians Spieler war der aktivste, aber auch die anderen haben von sich aus Sachen gestartet. Der Elf als Charakter war hier ein bisschen benachteiligt durch Mangel an Möglichkeiten, ein Fehler in meinem Szenario, den ich beim nächsten Mal beheben werde.

Was mir an der Runde besonders gut gefallen hat, war, dass alle vier Spieler die vollen sechs Stunden „dabei“ waren. Auch wenn ihre Charakter gerade nicht am Spiel beteiligt war, haben sie zugehört, ihre Kommentare abgegeben, mitgefiebert, und sich oft genug durch die Gift Dice auch eingemischt. In von der letzten NordCon (PtA) bewährter Manier hatte ich Bonbons als Tokens für die Gift Dice, was ein zusätzlicher Anreiz war, diese auszugeben: Um sie essen zu können!

Das „gegeneinander“ der Charaktere haben die Spieler total sportlich genommen, keiner war ein schlechter Verlierer, auch wenn sie sich regelmäßig gegenseitig einen reingewürgt und gerne auch mal mir, dem SL, Gift Dice gegeben haben.

Dancians Geschichte wurde ganz wesentlich davon bestimmt, dass der Spieler Keys und Pool Refreshment bis zum Anschlag ausgereizt hat. Dancian behandelt (immer wieder) seine Soldaten und Sklaven wie Dreck und gibt sinnlose Anweisungen: Key of the Overlord. Dancian vögelt das Sklavenmädchen: Refresh Instinct. Dancian läuft vor den Barbaren davon: Key of the Coward. Dancian singt fröhliche Lieder: Refresh Instinct. Dancian hackt die Sänfte klein: Refresh Vigor. Dancian greift den Befehlshaber der Wache an: Buy-off Key of the Coward, davon Dueling auf Master gesteigert.

Alles in Allem: Gut gelaunte Spieler, die voll bei der Sache waren. Tolle In-Character-Dialoge. Action. Spannung. Konflikte. Charakterentwicklung. Interessante Orte. Konspiration. Kämpfe. Magie. Und ein Plot, der mich als SL genauso überrascht und begeistert hat wie die Spieler. Rock’n’Roll!
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Offline Fredi der Elch

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Re: [The Shadow of Yesterday] Dancian wird zum Mann
« Antwort #1 am: 7.06.2006 | 12:11 »
Hey Vermi,

coole Sache!

Ich hatte das Szenario mit den Charakteren (Elf, Sklavenmädchen, Koch, verwöhnter Adliger) vorbereitet in der Hoffnung, dass die zwischen den Charakteren angelegten Konflikte das Spiel füttern würden.
Das hört sich sehr gut an. Und klingt ganz ehrlich ein wenig nach der patentierten R-Map-Methode. Neeee, nur ein wenig, denn du hast ja die R-Map alleine gebastelt. Aber es bestärkt mich in der Auffassung, dass ein Konflikt zwischen den Protagonisten für gutes dramatisches Spiel zwingend notwendig ist und das Spiel auch alleine tragen kann. Man braucht bei interessanten Konflikten der Protagonisten eigentlich fast keinen Plot mehr. Dieselbe Erfahrung mache ich auch gerade verstärkt bei PtA (hier und hier): die proaktiven Spielerkonflikte treiben den gesamten Spielfluß.

Was mich da jetzt interessieren würde, ist folgendes: hast du eine Vermutung, warum es den Spielern so leicht gefallen ist, die Charaktere zu akzeptieren und sich mit ihnen zu identifizieren? Bei uns und PtA hatte ich gedacht, dass es primär daran liege, dass wir die R-Map zusammen gemacht haben und jeder einen Input in jeden Charakter hatte. Jetzt sehe ich, dass es bei dir ganz ohne gemeinsame Erschaffung geklappt hat. Irgendwelche Ideen, wie dieses emotionale Investment zustande kam? Und warum die Spieler so proaktiv waren?

Dancians Geschichte wurde ganz wesentlich davon bestimmt, dass der Spieler Keys und Pool Refreshment bis zum Anschlag ausgereizt hat.
Ich denke, dass du da den Tony-LB-Effekt hattest. Die Keys und die Refreshments sind scheinbar hervorragende Mechanismen, um Charakterdarstellung zu pointieren und unterstützen auch das Pacing. Der Buy-Off-Mechanismus kommt mir außerordentlich genial vor: er führt scheinbar dazu, dass die Spieler in schwierigen Situationen (wo sie ja die Punkte brauchen) einen Buy-Off machen, um Punkte freizusetzen. Folge: die Charaktere machen Entwicklungssprünge in Krisensituationen! Rock, indeed!

Wie schnell haben die Spieler denn dieses „optimierende Regelverhalten“ (das ja von Unwissenden auch als „Powergaming“ missverstanden werden könnte) angenommen. Der Dancian-Spieler hat es ja wohl gut eingesetzt – wie schnell hat er sich da eingefunden? Wie sah das bei den anderen Spielern aus (mit der Eingewöhnungszeit und der Menge des Einsatzes danach)? Gab es interessantes „Key-Pinpong“, wo Charaktere sich gegenseitig die Keys durch „Vorlagen geben“ aktiviert haben? Passten die Keys denn dazu überhaupt zusammen? Und wie viele XP gingen so in etwa insgesamt pro Spieler raus (und gab es da Unterschiede zwischen den Spielern)?

Und ganz was anderes: wofür gingen denn die Gift-Dice raus? Und wann?

Fragen über Fragen. ;D Ich bin halt neugierig. Und habe jetzt noch mehr Lust also sowieso schon, TSoY mal auszuprobieren. Vielleicht ja auf dem Großen Treffen… :)
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Zitat von: 1of3
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Offline Lord Verminaard

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Re: [The Shadow of Yesterday] Dancian wird zum Mann
« Antwort #2 am: 7.06.2006 | 23:57 »
Zitat
hast du eine Vermutung, warum es den Spielern so leicht gefallen ist, die Charaktere zu akzeptieren und sich mit ihnen zu identifizieren? Bei uns und PtA hatte ich gedacht, dass es primär daran liege, dass wir die R-Map zusammen gemacht haben und jeder einen Input in jeden Charakter hatte. Jetzt sehe ich, dass es bei dir ganz ohne gemeinsame Erschaffung geklappt hat. Irgendwelche Ideen, wie dieses emotionale Investment zustande kam?


Wahrscheinlich, weil ich ein Genie bin und einfach uber-coole Charaktere gemacht habe. :8) Im Ernst. Die Charaktere waren schon ganz cool, und es war auf jeden Fall gut, sie sofort mit all ihren Geheimnissen vor allen Spielern zu enthüllen.

Zitat
Und warum die Spieler so proaktiv waren?

Nun, ein Grund könnte gewesen sein, dass ich sie vor dem Spiel dazu aufgefordert habe.

Zitat
Ich denke, dass du da den Tony-LB-Effekt hattest.


Wat is datten?

Zitat
Wie schnell haben die Spieler denn dieses „optimierende Regelverhalten“ (das ja von Unwissenden auch als „Powergaming“ missverstanden werden könnte) angenommen. Der Dancian-Spieler hat es ja wohl gut eingesetzt – wie schnell hat er sich da eingefunden?


Der Dancian-Spieler fing schon an zu schalten, als ich die Regeln erklärt habe. In der ersten Aufbruch-Szene hat er bereits seinen Key of the Overlord eingesetzt. Dann hat er einen Konflikt gegen den Anführer der Garde gewonnen und sich mit seinem Wunsch nach einer Sänfte durchgesetzt, und meinte: "Das gibt wieder XP, oder?"

Die anderen Spieler haben da nicht so gepusht, aber sie haben es schon auch versucht. Die Spielerin des Elfen hätte glaube ich gerne mehr gemacht, aber da war mein Szenario ein bisschen schwach, sie hatte nicht so viele Möglichkeiten.

Zitat
Gab es interessantes „Key-Pinpong“, wo Charaktere sich gegenseitig die Keys durch „Vorlagen geben“ aktiviert haben?


Ein paar mal schon, aber eher zufällig.

Zitat
Passten die Keys denn dazu überhaupt zusammen?


Na klar, ich hatte sie ja extra so ausgesucht.

Zitat
Und wie viele XP gingen so in etwa insgesamt pro Spieler raus (und gab es da Unterschiede zwischen den Spielern)?

Da gab's deutliche Unterschiede. Nagel mich nicht fest. Dancians Spieler dürfte 20+ abgesahnt haben, ohne Key Scenes. Die anderen eher so um die 10 rum.

Zitat
Und ganz was anderes: wofür gingen denn die Gift-Dice raus? Und wann?

In der Regel dann, wenn die Spieler sich den Erfolg oder Misserfolg eines Wurfes besonders gewünscht haben. Der Spieler des Kochs hat ein Impotenz-Gift für Dancian gemischt, dafür bekam er von allen Beteiligten außer Dancians Spieler Gift Dice. Sieben insgesamt. ;D
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Online 1of3

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Re: [The Shadow of Yesterday] Dancian wird zum Mann
« Antwort #3 am: 9.06.2006 | 01:03 »
Wat is datten?

Offenbar Capes-type Currency.  ;)

Offline Fredi der Elch

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Re: [The Shadow of Yesterday] Dancian wird zum Mann
« Antwort #4 am: 26.06.2006 | 18:06 »
Ah, hat bei mir etwas gedauert. Danke für die Antwort! :)

Wat is datten?
Key-basierte Charakterinteraktion mit viel Drama und Entwicklung. z.B. Hier. ;)
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Offline Purzel

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Re: [The Shadow of Yesterday] Dancian wird zum Mann
« Antwort #5 am: 31.07.2006 | 22:24 »
Danke für dieses Diary!

Ich werde am Mittwoch ein TSoY Testspiel leiten, dieses Abenteuer gibt mir einen guten Anhalt, wie ich die vorgefertigten Protagonisten anlegen muss und wie ich den Plot plane. Hab' gleich einen Einfall bekommen.

Leider kann ich diese Idee nicht direkt übernehmen, denn Dom hat dieses Diary schon gelesen  :P