Autor Thema: [Forge] Kiesow in der Analyse  (Gelesen 4268 mal)

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Offline Lord Verminaard

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[Forge] Kiesow in der Analyse
« am: 6.12.2006 | 23:49 »
Hallo Rasumichin und willkommen im GroFaFo!

Ich antworte mal hier auf diesen Beitrag, um den Allgemeinen Bereich nicht mit Theorie vollzumüllen:

Gibt es denn Vorschläge für einen passenderen (von mir aus auch Forge-kompatiblen) Begriff für den Spielstil, den einem DSA offiziell nahelegt/aufdrängt?
Wo findet sich deser Stil im Forge-Modell?
Ist Betonung des Plots und des Dramas nicht NAR?
Hab ich denn gar nichts verstanden?
Hilfe!

Ich würde das in Zukunft im Sinne der Verständlichkeit gerne so katalogisieren, dass es hier auch richtig aufgefasst wird
(Und nein, Trockensalami meint nicht das, was ich meine.).

Ich bin ja noch lernfähig und gelobe, mich nochmal durch diverse Forge-Traktate zu ackern, wenn ich Zeit fnde. :rtfm:

Für den Einstieg in die Forge-Lehre empfehle ich:

Vermi erklärt die Forge in einer Nussschale

Du beschreibst den typischen DSA-Spielstil, wie er von bekannten Publikationen wie Phileasson-Fahrt, den Sieben Gezeichneten und dem Jahr des Feuers vorgegeben wird, eher kritisch so:

Zitat
dass der SL entweder offen Railroading betreibt oder selbiges heimlich macht.
Zum Beispiel,
-indem er verdeckte Würfel manipuliert, um bestimmte Aktionen der Spieler automatisch gelingen oder scheitern zu lassen
-oder so tut, als würde er auf einer Tabelle für Zufallsereignisse das Ergebniss einer Handlung ermitteln, das in Wahrheit schon feststeht,
-scheinbare Wahlmöglichkeiten vorgaukelt (egal durch welche Tür die Spieler gehen, es ist -je nachdem was gefordert ist- auf jeden Fall die Richtige bzw. die Falsche),
-gezielt maßgeschneiderte Hindernisse einbringt, um für den Plot problematische Handlungsoptionen (typisches Beispiel : Hexe macht Erkundungsflug und zerstört dadurch irgendwie die Dramaturgie) zu verhindern usw..

Also in aller Stille die Handlungsoptionen seiner Spieler elliminiert, um den Plot durchzudrücken.

Da bleibt den Spielern eben nicht mehr viel Anderes übrig, als sich auf ihr Charakterspiel zu konzentrieren, denn Abweichen vom Plot geht nicht (würde das Abenteuer "zerstören" oder gar den Metaplot verändern und wird daher verhindert) und vor dem Versagen muss auch niemand wirklich Angst haben, wenn was nicht klappt, biegt der SL es schon wieder hin.

Erste wichtige Anmerkung: Die Kategorien Gam, Nar und Sim sind nicht umfassend. Sie finden dann Anwendung, wenn eine Gruppe über eine gemeinsame Creative Agenda verfügt, was nur dann der Fall ist, wenn sie so spielen, weil es ihnen so gefällt. Dies vorausgesetzt (also dass es ihnen gefällt), lässt sich folgendes erkennen:

Das Spiel wird zusammengehalten von Aventurien als detailreicher, in sich stimmiger, lebendiger Spielwelt. Die Spieler schöpfen viel Spaß aus ihrem Wissen über Aventurien (Was? Answin schon wieder?!), das sie in Relation zu den Erlebnissen ihrer Charaktere setzen.

Für den Meister liegt überdies großer Spielspaß darin, die ganzen Hintergrundinformationen aus dem Abenteuer zu kennen und voll Vorfreude auf das zu sein, was noch kommt. Für die Spieler liegt der Spielspaß eher darin, von dem was kommt überrascht und begeistert zu werden, auch wenn sie selbst wenig Einfluss darauf haben. Der Meister als Entertainer präsentiert ihnen den Plot als Unterhaltungsprogramm.

Die Spieler finden ihre eigene Möglichkeit, sich in den gemeinsamen Vorstellungsraum einzubringen, im Darstellen ihrer Charaktere, ihrer belanglosen und doch prägenden kleinen Gespräche, typischer "Freizeit"-Szenen, ihrer Reaktion auf bestimmte Metaplot-Ereignisse und Meisterpersonen, und ihrer Herangehensweise an bestimmte Probleme (selbst wenn klar ist, dass diese am Ende sowieso gelöst oder auch nicht gelöst werden, wie immer der Plot es auch erfordert).

All diese Spaßfaktoren wurzeln sehr deutlich im gemeinsamen Vorstellungsraum. Sie haben mit der Wertschätzung für das Quellenmaterial zu tun, mit der inneren Konsistenz und Fortentwicklung der Fiktion, und mit der ihr innewohnenden Dramatik.

All dies deutet sehr eindeutig auf eine simulationistische Creative Agenda hin (Erlebnisrollenspiel habe ich es in meinem oben verlinkten Artikel genannt). Für diese spezielle Form des simulationistischen Spiels, wo der SL der Diktator und Entertainer ist und Spieler das erkennen und fröhlich dabei mitmachen, gibt es sogar einen eigenen Begriff in der Forge-Lehre: "Participationism".

Macht das für dich Sinn? :)
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Offline Rasumichin

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Re: [Forge] Kiesow in der Analyse
« Antwort #1 am: 7.12.2006 | 00:37 »
Allerdings!
Das trifft es ziemlich gut.
participationism...
Vielen Dank für die Erklärung. :d

Offline Lord Verminaard

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Re: [Forge] Kiesow in der Analyse
« Antwort #2 am: 18.12.2006 | 11:40 »
Vielleicht noch eine kleine Ergänzung dazu: Wie sieht es aus, wenn keine "Shared Creative Agenda" vorhanden ist? Das kann sehr unterschiedliche Formen annehmen:

Fall 1: Offener Konflikt. Ich baue mir einen auf maximale Kampfkraft optimierten SC und maule rum, wann wir endlich Endurium-Schwerter kriegen, und mache jeden "Meister-Plot" kaputt, weil ich Railroading nicht ausstehen kann. (<-- Fälschlicherweise wird dieser Fall 1 oftmals mit Inkohärenz als Ganzem verwechselt.)

Fall 2: In der "Exploration" stecken geblieben. Wir können keine echte Einigkeit darüber erzielen, wie genau wir eigentlich unseren Spielinhalt festlegen und entwickeln. Unsere Charaktere machen halt irgendwie irgendwas, aber wir kriegen keine Linie rein und bleiben immer wieder hängen, weil unterschiedliche Vorstellungen darüber, was überhaupt gerade passiert, oder passieren sollte, auseinander sortiert werden müssen. (<-- "Hartwurst" im engeren Sinne, in der nervigen Variante, die niemandem Spaß macht, ist in der Regel dieser Fall 2. Diese Spielsituation wird oft mit Simulationistischem Spiel verwechelt, weil augenscheinlich der Fokus auf der "Exploration" liegt. Dieser Fokus kommt aber nicht dadurch zustande, dass es einen stabilen "Reward Cycle" in bezug auf "Exploration" gibt, sondern dadurch, dass die Gruppe versucht, die "Exploration" überhaupt erst auf die Reihe zu kriegen. Von einer "Shared Creative Agenda" kann keine Rede sein.)

Fall 3: Aneinander vorbei gespielt. Hier hat die Gruppe zwar die "Exploration" auf der Reihe, der Spielablauf ist also störungsfrei. Es gibt auch keinen offenen Konflikt. Aber es gibt eben auch keinen stabilen "Reward Cycle". Die Spieler schaffen es nicht, positiv aufeinander einzugehen, ihre Beiträge gegenseitig aufzunehmen, daran anzuknüpfen oder sie angemessen zu würdigen. Jeder dreht an seinem Regler, aber er kriegt die Frequenz der anderen einfach nicht rein, jedenfalls nicht auf Dauer. (<-- Dieser Fall 3 kann trotzdem noch Spaß machen, wenn die Spieler als Menschen gut miteinander auskommen und jedenfalls kurzzeitig mal den richtigen Sender reinkriegen. Aber in der Regel ist das Spiel für sich genommen als Spaßquelle nicht ausreichend, d.h. solche Runden werden auf Dauer nur von Leuten gespielt, die auch privat befreundet sind und das Spiel zum Anlass nehmen, sich mal wieder zu treffen.)

Ich habe zum Beispiel mal auf einem Con in einer DSA-Runde gespielt und bastelte mir einen "Krieger aus Almada". Die Augen des SL leuchteten auf, und er begann zu singen: "Almada, du bist das Land des süßen Weins / Almada, nur du / Almada, du bist das Land des Sonnenscheins..." (Melodie von "Azuro"). Ich wusste aber nichts Adäquates hierauf zu erwidern, keinen Almada-Insider-Spruch, oder auch nur ebenso leuchtende Augen. Später in dieser Runde bot ein nerviger Gastwirt meinem Krieger aus Almada Pferdewurst an, und der Meister warf mir diesen erwartungsvollen Blick zu. Erst nach Ablauf dieser Szene dämmerte mir, dass ich wohl entrüstet hätte sein sollen, wie man denn Pferde essen kann, weil in Almada (wohl) das Pferd des Mannes bester Freund ist (vermute ich). Beides sind typische Beispiele für Fall 3: Keine sofortigen Spaß-Killer, aber doch auch keine gemeinsame Wellenlänge vorhanden.
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Offline Jens

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Re: [Forge] Kiesow in der Analyse
« Antwort #3 am: 18.12.2006 | 12:06 »
Ich glaube viele DSA-Runden sind bei Teil 3 angekommen, jedenfalls ne Menge von denen die mir untergekommen sind.

Den maximalen Spaß kriegst du da wirklich nur mit solchen Aventurienfreaks die als Almadaner beim Wort "Pferdewur.." austicken und sofort mit gezielten Stichen, Todesstößen etc. anfangen um ihre Arroganz, ihren Jähzorn und ihr "Fechtwaffen 17" ordentlich darzustellen ;)

Offline Dr.Boomslang

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Re: [Forge] Kiesow in der Analyse
« Antwort #4 am: 18.12.2006 | 17:17 »
Ist Fall 3 bzw. vielleicht auch 2 dann die berüchtigte "funktionale Inkohärenz"? Würde ich zumindest so sehen und fände das auch eine sinnvolle Differenzierung zwischen Funktionalität und Kohärenz.
Funktionalität bezieht sich auf die Fall zu Fall Bewertung eines tatsächlichen Spielabschnittes (und ist fließend also gibt es mehr und weniger Funktionalität) und Kohärenz bezieht sich auf das Prinzip, auf ein verlässliches Muster.

Offline Lord Verminaard

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Re: [Forge] Kiesow in der Analyse
« Antwort #5 am: 18.12.2006 | 18:13 »
Achtung, Forge-Sprech und Spitzfindigkeiten! Lesen auf eigene Gefahr! ;)

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