Autor Thema: Roanoke Rezension  (Gelesen 5899 mal)

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Roanoke Rezension
« am: 16.11.2007 | 15:45 »
(Eigentlich für mein Forum und die "Indie Ecke" die ich dort ins Leben gerufen hab geschrieben hab ich mir gedacht das interessiert vielleicht auch hier Leute.)


[img width= height=]http://www.story-games.at/pictures/roanoke-bild.jpg[/img]
Roanoke: A roleplaying game of dark mystery and wicked action.

Roanoke ist in vielerlei Hinsicht ein ungewöhnliches Rollenspiel. Es hat ein ungewöhnliches Setting, es hat ein ungewöhnliches Regelwerk und es wird ungewöhnlich vertrieben. Es ist auch, gewißermaßen, ein typisches Indie-Rollenspiel und ein sehr Gutes noch dazu.

Worum geht es bei Roanoke? Das Spiel dreht sich um die (mysteriösen) Geschehnisse auf der englischen Kolonie auf Roanoke Island, einer Insel vor der Küste des heutigen North Carolina, die zwischen 1585 und 1587 besiedelt wurde und die drei Jahre später verlassen vorgefunden wurde. Bis heute ist ungeklärt was tatsächlich mit den 116 Kolonisten passiert, und genau dieses Mysterium verwendet Author Clint Krause für sein Spiel und läßt uns in die Rolle eben dieser Kolonisten schlüpfen um selbst zu erleben was denn in den letzten drei Jahren der Kolonie passiert.

Doch wo manch einer vielleicht historischen Realismus erwarten würde findet man in Roanoke düsteres Action-Horror Rollenspiel der feinsten Art, denn der Author ist eindeutig ein Fan von Filmen wie "Brotherhood of the Wolves" oder "Sleepy Hollow", voll mit groteskem Horror und cooler Action. Und weil nicht jedes Regelsystem für so ein Spiel passend wäre nahm Mr. Krause ein Regelsystem der besonderen Art her und adaptierte es für sein Spiel: Wushu.

(Für diejenigen die noch nicht das Glück hatten von mir zu einer Wushu-Runde genötigt worden zu sein: Wushu ist ein extrem freies und erzählerisches Rollenspiel das oft und gerne für cinematische Action eingesetzt wird, im Allgemeinen aber so ziemlich jedes Genre gut rüberbringt. Ich werd Wushu aber selber nochmal rezensieren, darum gehe ich jetzt einfach mal mehr auf Roanoke ein.)

Die Regeln:

Die Wushu-Version die in Roanoke verwendet wird behält praktisch alles bei was Wushu Wushu macht: Es verwendet w6, die man sich durch Erzählung verdient und mit denen man dann versucht unter den Eigenschaften seines Charakters zu würfeln. Dabei bestimmen die Würfel nicht ob man das schafft was man Versucht, sondern lediglich ob die Aktionen einen näher ans Ende der Szene/des Konflikts bringen. (Denn Roanoke wie Wushu benutzt das "Prinziple of Narrative Truth", also das Prinzip der erzählerischen Wahrheit, welches besagt das die Erzählungen der Spieler so passieren wie sie beschrieben werden, wenn sie beschrieben werden, also noch bevor irgendwas gewürfelt wird.)

Allerdings fügt Author Clint Krause noch ein paar coole Regeln zu dem ohnehin interessanten Wushusystem hinzu bzw. verändert es hie und da. So haben Roanoke Charaktere statt einer "Schwäche" wie in Wushu eine "Furcht", etwas vor dem sie furchtbare Angst haben und das dafür sorgt das nur noch Würfel die einen Einser zeigen als Erfolge zählen. Ein paar Beispiele für Ängste sind gegeben, so zum Beispiel "Eingeborene", "Bestien" oder auch "Schußwaffen". (Diese Ängste sind ein großartiger Hinweis für den SL die ihm verraten womit er die Charaktere am besten konfrontieren muß um ihnen das Leben schwer und damit spannend zu machen.)

Eine weitere coole Regel und vermutlich die genialste Änderung im System sind die Doom Regeln. Ihr erinnert euch wie ich beschrieben hab das die Roanoke Kolonie 1590 verlassen vorgefunden wurde? In Roanoke ist das Schicksal der Kolonie in die Regeln eingebettet, denn die Kolonie ist unwiederruflich zum Untergang verdammt. Aber WIE sie untergeht und was zum Ende führt, das hängt von den Spielern und den Doom Regeln ab. Denn während des Spiels haben die Spieler bei jedem Würfelwurf die Möglichkeit anzusagen, daß sie Doom verwenden möchten, woraufhin all ihre Würfel zu Erfolgen werden. Allerdings wird auch ein Doom-punkt beiseite gelegt und je mehr Punkte sich am Ende des Spiels angesammelt haben, desto furchtbarer und schrecklicher ist das Schicksal der Roanoke Kolonie und ihrer Bewohner. (Inklusive der Charaktere.)

Das führt, vor allem in Kombination mit den Ängsten, zu einer interessanten Entscheidung für die Spieler: Möchte ich jetzt Erfolg haben (Und zB. die finstere Bestie mit den leuchtended Augen davon abhalten meine Schwester zu fressen.) oder möchte ich das die Kolonie an sich überlebt. (Und damit riskieren das hier und jetzt etwas furchtbares geschieht.) Erfolg jetzt gegen Versagen später. Besonders interessant wird es wenn du in einem Konflikt mit dem Objekt deiner Furcht bist, damit nur Einser als Erfolge zählen, und du deswegen ziemlich Gefahr läuft schlimm abzuloosen.

Ah, das ist der Stoff aus dem Horror gemacht ist. ^_^

Das Buch:

Roanoke fasst nur 40 Seiten und ist im Comic-Format, also ca. A5, gedruckt. (Es gibt es allerdings auch als PDF zu kaufen.) In dieses kleine Format packt es aber einen ganzen Haufen wirklich cooles Zeug. Neben den vollständigen Wushuregeln (Die zugegebener Maßen nur ein paar Seiten ausmachen.) inkludiert es auch eine Beschreibung der Geschichte und Umgebung der Roanoke Kolonie, ein bißchen was über die Kleidung und Waffen des 16. Jahrhunderts, viel Rat für den Spieleleiter/die Spieler wie man mit Roanoke eine gute Zeit hat und einen ganzen Haufen Ideen und Beispiel-Szenarien für Abenteuer, komplett mit interessanten Antagonisten und deren Helfershelfern. (Die von menschlichen Verschwörern bis hin zu untoten Piraten reichen...)

Das Buch ist, IMO, sehr angenehm und flüssig zu lesen, ich hätte also kein Problem das Buch auch einem Spieler in die Hand zu drückern der vielleicht nicht so gut Englisch kann. Überhaupt ist die Printausgabe etwas das man ohne Probleme zwanzig Minuten vor dem Spiel den Spielern zu lesen geben kann, damit sie sich die Regeln durchlesen können. Fünf Minuten lesen und sie haben intus worum es geht, fünf Minuten Charaktererschaffung und schon kann man anfangen. (Die Regeln kann man im Spiel erklären. Oder vorher, dauert auch nur ein paar Minuten.) Roanoke ist also defenitiv geeignet für schnelle und spontane Spiele, wie auch für Spieler die sich keine Regeln merken können oder wollen.

Zu kaufen gibt es das Spiel in Print über Indie Press Revolution, eine Zusammenarbeit von verschiedenen Indie Authoren, und als PDF auf RPGNow, wobei die Printversion  10$ und die digitale Version 5$ kostet.

Fazit:

Roanoke ist in vielerlei Hinsicht ein großartiges Spiel. Auf nur vierzig Seiten liefert es Material für stundenlangen Spielspaß und ein System mit dem man nicht nur Horror genial rüberbringen kann. Ich kann es also jedem der ein paar Euro und eine Kreditkarte hat und sich für leichte Regelsysteme, Horror oder Wushu interessiert nur an's Herz legen: Ein besseres Geschäft werdet ihr so schnell nicht finden.
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Offline 1of3

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Re: Roanoke Rezension
« Antwort #1 am: 16.11.2007 | 15:54 »
Die Regeln erfüllen das für mich essentiellste Kriterium mir ein Spiel anzuschaffen schon mal nicht: Ich hätte sie selbst schreiben können.

Offline Monkey McPants

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Re: Roanoke Rezension
« Antwort #2 am: 16.11.2007 | 16:05 »
Die Regeln erfüllen das für mich essentiellste Kriterium mir ein Spiel anzuschaffen schon mal nicht: Ich hätte sie selbst schreiben können.
::)

Das man es selber schreiben könnte gilt für praktisch alle Regelsysteme da draußen. Aber trotzdem danke für dein konstruktives Kommentar.
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Offline 1of3

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Re: Roanoke Rezension
« Antwort #3 am: 16.11.2007 | 16:11 »
Nein, keinesfalls. Ich kann dir ein Dutzend Spiele anschauen, vor denen ich in Ehrfurcht erschauere, weil ich das nicht hätte tun können.

WuShu war auch toll, als es neu war.

Offline Monkey McPants

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Re: Roanoke Rezension
« Antwort #4 am: 16.11.2007 | 16:37 »
Meine Logik ist die: Mit genügend Zeit, Mühe und Trial&Error könnte praktisch jeder praktisch alles schreiben. Es dauert vielleicht Jahre aber es ist möglich, vor allem im Rollenspielbereich. Wofür ich aber gerne bezahle ist das es jemand anderer tut.

Wenn ich mir also Roanoke ansehe denke ich mir: Ja, könnte ich theoretisch auch schreiben. Aber wie lange würde es dauern bis ich mich in die Roanoke Geschichte eingelesen hab, die Regeländerungen teste, mir einen Drucker gesucht hab, das Cover gemalt hab, ...?

Dagegen gemessen ist mir Roanoke defenitiv die paar Euro wert. Es ist cool, es ist angenehm geschrieben, es hat die Wushuregeln komplett in print und ich kann es einfach einem Spieler in die Hand drücken. (Oder selber am Klo lesen, wads auch immer.)

Da jetzt zu sagen "Na das hätt' ich aber auch schreiben können" ist zwar dein gutes Recht, kommt aber für mich etwas ignorant rüber, vor allem als einziges Kommentar.
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Re: Roanoke Rezension
« Antwort #5 am: 15.12.2007 | 23:59 »
Die Regeln erfüllen das für mich essentiellste Kriterium mir ein Spiel anzuschaffen schon mal nicht: Ich hätte sie selbst schreiben können.

 ::)
Deine Meinung in allen Ehren, aber dieser Kommentar strotzt vor Überheblichkeit.

"Vor Ehrfurcht erschauern?" Das mache ich vor Persönlichkeiten, die der Menschheit Gutes gebracht haben, aber nicht vor einem Regelwerk. Ein Spiel ist ein Spiel ist ein Spiel.

P.S.
Nachtrag.
Ich finde solche Kommentare wie den deinen ("hätte ich auch selbst schreiben können") enorm witzig, vor allem, wenn sie von jemandem geschrieben wurden, der selbst eben noch kein einziges Spiel veröffentlicht hat...
« Letzte Änderung: 16.12.2007 | 00:02 von Norbert Matausch »

Offline Tele-Chinese

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Re: Roanoke Rezension
« Antwort #6 am: 16.12.2007 | 00:23 »
edit: Um mich an den Wunsch von Monkey zu halten habe ich meinen Kommentar gelöscht.
« Letzte Änderung: 16.12.2007 | 00:45 von Toastbrot »
Toastbrot (von englisch toast, „rösten“ aus lateinisch tostus, „getrocknet“) oder Röstbrot ist ein spezielles, feinporiges Kastenweißbrot mit dünner Kruste, das vor dem Verzehr scheibenweise geröstet wird, heute üblicherweise mit einem Toaster.

Brot kann schimmeln, was kannst du?

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Re: Roanoke Rezension
« Antwort #7 am: 16.12.2007 | 00:30 »
Wäre es nicht viel toller wenn ihr 1of3s Kommentar mal ignoriert und vielleicht eher das Topic ansprecht? Also zB. Roanoke als Spiel, oder ob meine Rezi halbwegs lesbar ist, oder was auch immer.

Lasst uns über was positives reden, etwas das uns gefällt, anstatt auch nur zu sagen was uns nicht taugt...
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Mann ohne Zähne

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Re: Roanoke Rezension
« Antwort #8 am: 16.12.2007 | 00:51 »
Wäre es nicht viel toller wenn ihr 1of3s Kommentar mal ignoriert und vielleicht eher das Topic ansprecht?

Du hast natürlich recht. Ich mache sowas üblicherweise auch nicht (entspricht ebenfalls nicht meiner Einstellung, die guten Seiten zu sehen und die schlechten zu missachten), aber 1of3 macht solcherlei ganz gerne... und ich habe eben auch nicht immer gleich gute Laune. Ein Ausrutscher, aber der hat mir gut getan.

Zitat
Also zB. Roanoke als Spiel, oder ob meine Rezi halbwegs lesbar ist, oder was auch immer.

Deine Rezi gefällt mir gut; wenngleich mir Roanoke selbst nicht so sehr zusagt, aber darüber haben wir schon mal geschrieben. Für mich zählt körperlich spürbare Spannung und Überraschung zum Thema Horror, deshalb finde ich z.B. Dread so geil.

Schön finde ich die praktische Herangehensweise deiner Rezension: aus SL-Sicht geschrieben ("kann ich meinen Spielern in die Hand drücken, auch wenn sie nicht so gut Englisch können"), das hilft einem gut weiter.

Sehr schön am Spiel selbst finde ich auch die Doom-Regelung, die bringt nochmal einen Tacken Dramatik ins Spiel. Ansonsten begrüße ich jedes Spiel, das die Wushu-Engine benutzt.

Offline D. Athair

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Re: Roanoke Rezension
« Antwort #9 am: 19.06.2009 | 04:27 »
... schöne Rezi.



Gibt's schon Spielerfahrungen mit Roanoke?
Gerne auch in einem neuen Thread.
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Offline Steffen

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Re: Roanoke Rezension
« Antwort #10 am: 20.06.2009 | 10:58 »

Offline D. Athair

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Re: Roanoke Rezension
« Antwort #11 am: 20.06.2009 | 11:20 »
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