Autor Thema: Sofa cineasmus  (Gelesen 1917 mal)

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Raven

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Sofa cineasmus
« am: 27.06.2004 | 17:37 »
So! Nach unserer ersten Liquid runde, auf die noch weitere folgen sollen, muss ich wieder leiten(7up hat es aufgegeben)
Ich habe eben nur das kleine Problem das es maximal einen "Sofa cineasmus" gibt, d.h. das beste was mal passieren kann ist, das jemand ein Filmzitat ablässt... Ich weiß zwar nicht wie 7up die Kampagne fortführen wollte, ich werde allerdings etwas dunkles Vampie(tM), Cthulu mäßiges darausmachen. Wie bringt ihr eure Spieler also zum Cineastischen Rollenspiel? Ich weiß das ist eine böde frage(genauso könnte man fragen: Wie Bringe ich meine Spieler dazu den Mund aufzumachen wenn sie mal etwas aufsich gestellt machen müssen) aber ich dachte mir, das mir eventuell die Erfahrung andere Spielleiter weiterhelfen könnte.

Gast

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Re: Sofa cineasmus
« Antwort #1 am: 27.06.2004 | 17:51 »
Was vielleicht helfen kann ist es zuerst cinematisch zu werden und damit meine ich jetzt nicht besonders tolle dynamische, actiongeladene oder was weiß ich Beschreibungen, sondern bediene dich ganz frech bei Filmen, schildere Szenarien so, dass die Spieler sie wiedererkennen, aber pass auf es nicht zu deutlich zu machen, sonst wird das Spiel immerwieder mit "Das ist doch aus Alien, oder?" und ähnlichen Sprüchen unterbrochen.
Es bleibt die leise Hoffnung, dass die Spieler ähnlich reagieren wie die Helden in der Vorlage ... oder wie sie sich wünschen wie die Helden reagiert hätten.
Das könnte ein Mittel sein ob es genau funktioniert weiß ich nicht, da meine Spieler mit mir ohnehin auf einer Wellenlänge liegen :-)
Die Gruppe, die das nicht tat habe ich verlassen...

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Re: Sofa cineasmus
« Antwort #2 am: 28.06.2004 | 23:35 »
Ich kenne das. Meine Liquid-Spieler haben vorher alle nur Midgard gespielt, das färbt ab, und si brauchten ein paar Spiele um sich an den neuen Stil zu gewöhnen (jetzt haben wir komplett auf Liquid umgestellt).

Bei cinematischen Systemen muß man den "Anfängern" Zeit lassen.Sie kommen bald, darauf, dass sie mehr Spaß haben, wenn sie sich etwas (sonst) ungewöhnliches trauen.

Du kannst das auch untzerstützen, in dem Du eine stimmungsvolle Schilderung oder Stunts bewußt einforderst. Es funktioniert wirklich. Wenn die Spieler merken, das der SL cinematic unterstürtzt und nicht bestraft, machen sie das auch.
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Tybalt

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Re: Sofa cineasmus
« Antwort #3 am: 29.06.2004 | 10:49 »
Tach!

Mein simpelster Ratschlag für mehr cineastisches Rollenspiel wäre: "Spielt Feng Shui!" Da ihr aber Liquid spielt und wohl das System nicht wechseln wollt, hier ein paar Tips, die bei mir funktioniert haben. Das meiste davon ergibt sich direkt aus Feng Shui...

- Du brauchst kompetente SCs, nicht irgendwelche Looser, die bei jeder zweiten Probe scheitern. Denn wenn die Charaktere richtig gut sind, lassen sich die Spieler eher darauf ein, Dinge nicht effektiv und direkt, sondern mit Stil zu tun.

- Das Kampfsystem darf nicht tödlich sein. Wenn ein SC sich aus 2m Entfernung einen Autofeuerstoß aus einem Sturmgewehr fängt und nicht davon ausgehen kann, daß er das locker überlebt und ohne Malus durch Verwundeungen weiterkämpfen wird, ist das System IMHO ungeeignet.

- Wenn etwas einfach geht, darf der SC nicht mit Mali dafür bestraft werden, wenn er es umständlich macht. Beispiel aus meinen Spielrunden: Die SCs kämpfen gegen einen Dämonen, hinter dem Dämon steht der Beschwörer. Der Dämon ist heftig angeschlagen. Ein SC geht an dem Dämon vorbei auf den Beschwörer zu, fixiert ihn, schwenkt die Waffe nach hinten, bläst dem Dämon ohne hinzugucken den Kopf weg und hält die Waffe dem Beschwörer an die Stirn. Alle in einer flüssigen Bewegung. Auf die Aktion gab es keinen Malus, weder für Bewegung, noch für blindes Feuern. Denn wenn ich diese Mali gegeben hätte, hätte sich die Spielerin das Ganze sicher überlegt und effektiver, aber langweiliger gespielt.

Aber auch sonst sollten die Spieler die Worte "Das ist aber schwer, da gibt es einen heftigen Malus!" nicht oft hören. Bei der festlegung der Schiwerrigkeit sollte man sich als SL nicht nur die Frage "Wie schwer ist das eigendlich?" sondern auch Fragen wie "Sieht das gut aus?", "Ist das interessant oder eher effektiv, aber langweilig?", "Bringt das die Story voran?" oder auch "Paßt das zum bisherigen Stil?" stellen.

Meine Erfahrung ist, daß die Spieler sehr schnell merken, mit was sie durchkommen, und dann anfangen aufzudrehen. Ich habe Feng Shui schon mit ziemlich vielen Leuten gespielt, und die allermeisten ließen sich schnell darauf ein und fingen an coole Stunts zu beschreiben.

- Direkte, wörtliche Zitate vermeiden. Das wirkt meist zu platt, zumindestes wenn es vom SL ausgeht. Bei Spielern funktioniert es seltsamerweise. Was allerdings gut funktioniert, ist die Stimmung von bestimmten Szenen aus bekannten Filmen aufzunehmen. Beispiel: Die SCs arbeiten für einen Gangsterboß. Sie betreten eine Bar, schummeriges Licht, hinter der Bar steht ein einsamer Barkeeper, zwei Leibwächter sind irgendwo im Hintergrund.. An einem Tisch sitzt ihr Boß, ein großer Schwarzer mit Glatze in einem schwarzen Anzug. Sie werden begrüßt mit "Ah, meine Nigger! Ihr seid doch meine Nigger, oder? Kommt, setzt euch."

- Die Spieler bremsen, wenn sie sich auf Filmklischees verlassen wollen oder meinen, sie müßten sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten.. "Gut, wir sind also in einem Zombiefilm. Dann sollten wir uns jetzt trennen." oder "Da wir in einem Actionfilm sind, wird die Polizei so und so handeln." Die Spieler müssen sich vergegenwärtgen, daß die SCs nicht wissen, daß sie sich in einem Action-Film befinden.

- Nicht ins lächerliche abgleiten lassen. Es kann zwar schon mal witzig werden, aber wenn die Stimmung kippt und die Spieler nichts mehr ernst nehmen, dann war es das. Dann kann man genausogut aufhören. Als SL muß man versuchen gegenzusteueren, z.B. indem etwas besonders Gemeines, Grausames oder Schreckliches passiert. Wenn die Spieler auch dann noch Witze machen, wenn die SCs vor der übel zugerichteten Kinderleiche stehen, ist es ein guter Zeitpunkt, die Session zu beenden.

Als Erinnerung, daß das hier kein Hei-Tei-Tei-Spiel ist, kann man Fehlschüsse nehmen. Wenn ein Kampf in einer Szenrie mit vielen Unbeteiligten spielt, kann ein Schuß, den die Bösen verfehlt, auch mal einen Unbeteilgten treffen. Das kann man als SL dann durchaus erwähnen. "Der Schuß geht daneben und trifft einen Typ, etwa Mitte 20, mitten in die Brust. Er wird nach hinten geschleudert und geht zusammen mit einem Zeitschriftenregal zu Boden." Die Beschreibung kann natürlich beliebig brutal werden...

- Das ist einfach zu wichtig, ich wiederhole das noch mal explizit: Alle Mitspieler müssen das Spiel ernst nehmen.

- Das Manchmal-muß-es-einfach-klappen-Prinzip anwenden. Einige Aktionen der Spieler sind einfach zu gut, um sie scheitern zu lassen. Dann benutzt man die Probe als Gradmesser dafür, wie glatt die Aktion gelaufen ist. Beispiel: (System: Arcane Codex) Die Spieler kämpfen in einer Kneipe gegen eine Ork-Gang. Ein SC ist auf einen Tisch gesprungen und kämpft von oben. Plötzlich bemerkt er, daß ein wichtiger NSC von drei Orks angegriffen wird.

Spielerin: "Wir sind doch in einer großen Kneipe. Hier ist doch bestimmt ein Kronleuchter?"
SL: "Klar. Wo möchtest du ihn haben?"
Spielerin: "Der Kronleuchter ist zufällig zwischen mir und dem NSC. Mein SC springt vom Tisch an den Kronleuchter, schwingt sich zum NSC, tritt dabei noch einen Ork aus dem Weg, und landet neben dem NSC."

Die Probe ergab: ganz gut, aber nicht so gut, daß so ein Stunt klappen kann. Die Aktion klappte trotzdem, den Ork hat der SC allerdings nicht aus dem Weg treten können, aber der SC landete dort, wo er hinwollte.

- Der letzte Punkt enthielt eine weitere, wichtige Sache: Die Spieler sollten mitbestimmen, was wo ist (zumindestens wenn es paßt.) Denn ein cooler Stunt sollte nicht daran scheitern, daß ein wichtiger Gegenstand gerade nicht in Reichweite ist.

- Keine peinlichen Patzer. Auch wenn die Versuchung für den SL groß ist: wenn ein Patzer auftritt, sollte den SC nichts extrapeinliches passieren. Scheitern ist in Ordnung, den SC zum Gespött machen nicht. Das ist kontraproduktiv, weil sowas die Spieler bei späteren Aktionen bremst.Und für gute, cineastische Aktionen hilft es, wenn der Spieler das Gefühl hat, alles jederzeit unter Kontrolle zu haben.

- Die sorgfältige Dosierung von Klischees. Manche Dinge müssen einfach genau so passieren, aber man darf es nicht übertreiben. Stichwort Goldener Mittelweg.


Tja, mehr fällt mir nicht ein.


Tybalt

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Re: Sofa cineasmus
« Antwort #4 am: 29.06.2004 | 11:08 »
@ Tybalt: Mehr nicht? :o ;)

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber ich erwähne es trotzdem mal: Du musst den Spielern natürlich vor Spiebeginn erklären, dass du jetzt cinematisch spielen möchtest und was cinematisches Rollenspiel ist. Du musst sie auffordern, Stunts zu versuchen, und ihnen zusichern, dass sie dafür nicht bestraft werden.
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Re: Sofa cineasmus
« Antwort #5 am: 29.06.2004 | 18:56 »
Hi Tybald,

das geht natürlich auch mit Liquid und anderen cinematischen Systemen. Eigentlich gelten Deine Anmerkungen für alle cinematischen Systeme überhaupt. Dan Bayn schreibt dazu so schön "fun with failures", d.h. die SC müssen Aktionen nicht unbedingt schaffen, im Gegenteil manchmal entsteht aus einem Fumble gerade eine schöne Situation: mein Liebelingsbeispiel der SC soll an  einer rasenden Kutsche entlangklettern und sie anhalten. Er scheitert und fällt herunter, wird durch den Schlamm gezogen und kann dann doch wieder hinaufklettern - das macht er zweimal durch. die Szene wäre nicht so toll gewesen, wenn er es auf Anhieb gaschaft hätte. Aber es ist wichtig, dass die SC dabei nur wenig Schaden davon tragen (siehe Tybald).
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Re: Sofa cineasmus
« Antwort #6 am: 1.07.2004 | 17:00 »
Was ich mal gemacht habe, war, das Spiel auch so zu beschreiben, wie man es im Kino sehen würde...
Totale, Beschreibung der Umgebung, Schwenk auf die Helden, beschreibung der Charaktere (durch die Spieler), Zoom auf zwei Charaktere, Dialog.
Das kam ganz gut an.

Ansonsten schreibt Tybalt eigentlich alles worauf man achten sollte.

Hilfreich könnte auch noch ein Spannungbogen sein, mit einem Cliffhangar oder dem Showdown die Sitzung beenden,
ggf. ein Schwenk, wo die Spieler die Antagonisten beschrieben bekommen, so wie der Filmgucker auch immer mal wieder die Bösen im Film sieht, um deren Pläne zu erfahren.
Ansonsten würde ich mich an James Bond Klischees halten, Aufklärung, Gefangennahme, Pläne werden geschildert, Befreiung, Vereitlung...
Irgendwo habe ich mal über die "Art zu spielleitern" meinen Timing Plan für Abenteuer (hauptsächlich für Cons) geschrieben. Ich muss den Link mal suchen. Das passt auch gut ins cinematische...
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Offline 8t88

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Re: Sofa cineasmus
« Antwort #7 am: 7.07.2004 | 11:04 »
Klingt alles shconmal sehr gut, und Tybalds ausführungen lassen sich auch alle mit Liquid machen.
(Kenne Feng Shui nicht, aber klingt interessant!)
Aber um dem Cineasmus vor allem anderen den Vorzug zu geben, braucht es IMHO
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