Autor Thema: Diskussion zu: Den Charakter mit Regeln unterfüttern  (Gelesen 1514 mal)

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Offline Arkam

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Hallo zusammen,

unter http://tanelorn.net/index.php/topic,44527.0.html werden zur Zeit Regelmechanismen diskutiert die bestimmen wie ein Charakter in einer konkreten Situation zu spielen ist.
Da ChristophDolge der den Thread eröffnet hat, wie ich finde sinnvoller Weise, dort nicht diskutieren wollte ob solche Regeln Sinn machen hier Mal der Diskussionsthread zum Thema.

Also ich halte von solchen Regelungen eher nichts.
Meiner Erfahrung nach hängt das Ausspielen eines Charakters weniger von den Regeln sondern eher vom Spieler, den Regeln und dem Abenteuer ab.

Es gibt Spieler für die ist der Charakter eher ein Spielpöppel mit dem sie innerhalb der Regeln interagieren. Das heißt sie übertragen sich selbst in ihren Charakter. Wenn man diese Spieler als Mensch mag und grobe Auswüchse(1) einschränkt kann man prima damit auskommen. Regeln die den Charakter beeinflußen werden von solchen Spielern ignoriert.
Dann gibt es die Spieler die sich ein Charakterkonzept überlegt haben und diesem Konzept möglichst treu bleiben wollen. Da werden Regeln dann meisten einschränkend empfunden.
Dann gibt es die Fanatiker die egal ob die eigene Vorstellung über den Charakter, die Regeln oder der Hintergrund Vorgaben zum spielen eines Charakters machen diese fanatisch befolgen. Das kann schon Mal eine Runde sprengen oder Abenteuer unmöglich machen.(2)
Dann gibt es natürlich noch die Spieler die natürlich diese Regeln nutzen um Vorteile zu bekommen aber entweder diese dann doch wieder vergessen, es sei den der Spielleiter achtet besonders stark darauf oder so viele Nachteile zu nehmen das der Charakter nicht mehr zu spielen ist.
Natürlich gibt es wie immer wenn es um Menschen geht beliebige Mischtypen und natürlich auch mehr oder weniger starke Ausprägungen.

Regelwerke sind nie vollständig und garantiert aus Sicht der einzelnen Runde nie fehlerlos. Da erscheint es mir sehr kritisch wenn jetzt noch die Art wie ein Charakter gespielt werden soll an Regeln gebunden wird.
Vor allen da so die Regeln und damit ein klassisches Gebiet das der Spielleiter bestimmt in einen Bereich übergreift der bisher klassisch in Spielerhand liegt.
Mir ist klar das es Abweichungen vom klassischen Schema gibt und auch der Spielleiter nur ein Mitspieler ist.
Aber ich sehe hier ein unnötiges Konfliktpotential das ich vermeiden würde.

Zu guter letzt gibt es noch Abenteuer die ein konsequent gespielter Charakter extrem schwierig gestaltet.
Klassiker sind für mich Detektivabenteuer. Denn abgesehen von Systemen wie "Privat Eye" oder auch "Cthulhu" sind solche meistens dem jeweiligen System aufgesetzt. Das setzt aber auch vorraus das man entweder jeweils einen passenden Charakter für jedes Abenteuer hat oder aber eben doch Kompromisse eingeht.
Weitere klassische Bereiche sind ja Fallen und Rätsel im Rollenspiel. Die sind jetzt schon umstritten. Jetzt stelle man sich vor wenn jetzt dieses aufs Abenteuer angepaßte Verhalten durch Regeln verhindert werden soll.

Ich glaube da ist es einfacher wenn sich die jeweilige Spielrunde auf ein paar Grundlagen einigt wie Charaktere gespielt werden.

Gruß Jochen

(1) Nur weil der Spieler überzeugter Linker ist muß nicht der Charakter die Herrschaft des weisen und gerechten Fantasykönigs stürzen wollen.
(2) Klassiker sind da Spieler die den Konflikt zwischen Elfen und Zwergen so ausspielen das aus einer harmlosen Neckerei ein Kampf auf Leben und Tod wird. Aber auch der Charakter mit Raumangst den der Spieler kein klitzekleines Dungeon mehr betreten läßt fällt hierunter.
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Ein

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Re: Diskussion zu: Den Charakter mit Regeln unterfüttern
« Antwort #1 am: 27.11.2008 | 08:35 »
Zitat
Vor allen da so die Regeln und damit ein klassisches Gebiet das der Spielleiter bestimmt in einen Bereich übergreift der bisher klassisch in Spielerhand liegt.
Alles mein DSA2 hatte schon Schlechte Eigenschaften und so wirklich taufrisch ist das nicht unbedingt.

Zitat
muß nicht der Charakter die Herrschaft des weisen und gerechten Fantasykönigs stürzen wollen.
Grundsätzlich wollen Charaktere gar nix, weil sie rein fiktiv sind. Der Charakter ist Spielpenöppel, egal ob der Spieler intensiv, gar nicht Rollen spielt oder sein Rollen-Spiel durch irgendwelche Mechanismen beeinflußen lässt.

Pyromancer

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Re: Diskussion zu: Den Charakter mit Regeln unterfüttern
« Antwort #2 am: 27.11.2008 | 09:28 »
Grundsätzlich wollen Charaktere gar nix, weil sie rein fiktiv sind.

Und selbstverständlich können auch fiktive Charaktere etwas wollen.

Offline Arkam

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Re: Diskussion zu: Den Charakter mit Regeln unterfüttern
« Antwort #3 am: 27.11.2008 | 10:20 »
Hallo zusammen,

stimmt DSA 2 kannte schon schlechte Eigenschaften. Aber was passierte wenn man eine Prone bestand? Die negative Eigenschaft wurde aktiv. Genaueres bestimmten Spielleiter und Spieler zusammen.
Es gab also keine eindeutige Regel dafür was der Charakterv dann zu tun hatte. Wenn ich es nicht vollständig mißverstanden habe waren solche Regeln aber die angestrebten Regeln.
Zudem gab es ein System die negativen Eigenschaften zu senken und der Spieler bekam wenn er höhere negative Eigenschaften Eigenschaften als ausgewürfelt nahm im Verhältniss 2:1 ein positives Attribut.

Es ist schon klar das immer der Spieler etwas möchte. Es ist aber ein Unterschied in der Herangehendsweise. Ich kann mir die Werte meines Charakters ansehen und mir seinen Hintergrund vor Augen führen und daraufhin versuchen. Oder ich ignoriere Werte und Hintergrund weitgehendst und bringe nur mich ins Spiel ein.
Bevor die Diskussion ausufert  beide Herangehensweisen sind legitim aber die Zweite deckt sich schlecht mit festen Regeln wie ein Charakter zu spielen ist.

Was mißlungene Mechanismen zur Charaktersteuerung angeht steht für mich 7th Sea an der Spitze. Hier müssen Nachteile nicht etwas ausgespielt werden sondern vom Spielleiter aktiviert werden und können vom Spieler abgewehrt werden. Im offiziellen Forum müssen sich wohl einzelne Autoren so geäußert haben das der Spielleiter Nachteile natürlkich dann aktivieren sollte wenn sie den maximalen Nachteil für den Charakter bringen. Im Gegenzug soll natürlich auch der Spieler konsequent den Nachteil seines Charakters ignorieren solange der Spielleiter ihn nicht aktiviert.
Das mag dann zwar streng nach Regeln gespielt sein aber geht aus meiner Sicht dann doch am Ziel vorbei.

Gruß Jochen
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Offline Merlin Emrys

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Re: Diskussion zu: Den Charakter mit Regeln unterfüttern
« Antwort #4 am: 27.11.2008 | 10:58 »
Es wirft tatsächlich gewisse Probleme auf, wenn man Charaktere zu sehr einschränkt. Andererseits erlebe ich, daß das in den Runden, in denen ich spiele, automatisch auch von selbst geschieht: Es gibt Dinge, die werden die Charaktere nicht tun, weil es gesellschaftlich oder ethisch nicht angemessen wäre. Insofern stellt sich natürlich das Problem, daß die Charaktere schon von ihren Anlagen her eine gewisse Flexibilität mitbringen müssen; aber das ist auch aus anderen Gründen hilfreich für das Spiel, und wenn es in den Regeln drinsteht, hat das keine Nachteile.
Und dafür finde ich dann Werte eigentlich gar nicht so schlecht. Sie erlauben (Spielern und Spielleiter) eine gewisse Einschätzung, wie weit ein spezieller Charakter vielleicht gehen wird. Der Spielleiter kann sich darauf einstellen und wird nicht davon überrascht, wenn ein Spieler befindet, daß "das" seinem Charakter nun doch zu weit geht, und die Spieler können ihre Charaktere weitgehend so spielen, daß die nicht das eine Mal strikt und das andere Mal beliebig reagieren. Allerdings sollten sie sich dann auch nach ihren Möglichkeiten daran halten, wenn es nicht zwingend ist, sondern sich eben ergibt - nicht im Übermaß (!), aber als Gestaltungselement.

Boni

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Re: Diskussion zu: Den Charakter mit Regeln unterfüttern
« Antwort #5 am: 27.11.2008 | 11:25 »
Ich denke, solche Mechanismen sind durchaus sinnvoll, solange sie zum Thema bzw. Genre passen. Die negativen Eigenschaften bei DSA finde ich z.B. nicht so gelungen, da ich bei DSA einen anderen Schwerpunkt sehe. Zu bestimmten Indie-Spielen gehören solche Aspekte zwangsweise, da sie sich um den Konflikt im Inneren des Charakters drehen. Mit dieser Zielsetzung keine Regeln bereitzustellen, würde das Designziel ad absurdum führen.

Aber auch Abseits von diversen Indie- bzw. Erzählspielen sind solche Regeln sinnig, wenn das Spielgefühl des Settings oder des Genres dadurch gewährleistet wird. Ich komme nochmal auf Pendragon zurück, über das ich mich im Ursprungsthread ja schon ausgelassen habe: Das Genre ist der hochmittelalterliche Ritterroman, also grundsätzlich schonmal eins, daß den Spielern nicht allzu geläufig sein dürfte.

Was tun also die Regeln zu Traits und Virtues? Sie simulieren die Spanne zwischen höchster Euphorie und tiefster Verzweiflung, die die Vorbilder auch erleben. Welcher Spieler läßt seinen Ritter denn in Tränen ausbrechen, weil er gerade trotz der Unterstützung seiner großen Liebe das Turnier verloren hat? Wer läßt ihn in tagelangem Wahn verzweifeln, weil er seinen Herrn nicht beschützen konnte? Ja, daß System übernimmt hier die Führung und nimtm dem Spieler Entscheidungen ab. Aber es führt dadurch einen Aspekt ein, der sonst nicht in das Spiel kommen wrde und macht es dadurch zu etwas einzigartigem. Es erhöht den Spaß an Spiel und Setting. Solange das gewährleistet ist, ist doch alles in Ordnung.

Ähnlich sehe ich auch die Regeln zu Honor und Glory in L5R, Street Cred/Public Awareness bei Shadowrun (wobei diese Mechanismen durchaus auch zur Lenkung durch den SL benutz werden können). Xtreme Vengeance verlangt vom Spieler eine Anpassung an die Genrekonventionen, sonst gewinnt der Charakter keine neuen Fans. Vampire kennt die Pfade, die letztlich über die Weltsicht des Charakters die Kontrole des Tiers ermöglicht (ein sehr schönes alternatives System hierfür findet sich übrigens in der Abenteur. #1). In diesen Systemen (und sicher noch mehr, die ich nicht kenne oder die mir nicht einfallen) sind die Mechanismen angebracht und unterstützen das Spiel. Das finde ich übrigens auch im Bezug auf die Virtues und Flaws von 7th Sea, aber das ist ja Geschmackssache.

Was nun das "stören" des Spiels durch ausgespielte Charakterregeln angeht, bin ich ganz anderer Meinung. Hauptsächlich, weil ich bisher die erfahrung gemacht habe, daß solche Regeln die gröbsten Auswüchse des Charakterspiels unterbinden und nicht fördern. Da das aber immer an den Leuten liegt, mit denen man spielt, ist das für die Diskussion eher nebensächlich.

Alle von mir genannten Systeme lassen es zu, daß man gegen die Settinginternen Konventionen verstößt. Kurz: Der Spieler kann sie ignorieren, wenn es ihm sinnvoll erscheint. Ich kann mir mit dem Gunstbeweiß einer Edeldame den Schweiß von der Stirn wischen, statt sie anzuschmachten. Ich kann meinen edlen Samurai einen niederträchtigen Mord begehen lassen. Ich kann meine Menschlichkeit aufs Spiel setzen, um durch das Tier Stärke zu erlangen. Das hat aber immer einen Preis in der Spielwelt, macht sie also lebendiger. Es ist eine Bereicherung, kein Hindernis. Der Spieler des edlen Samurais weiß zum Beispiel genau, welche foglen er im Spiel und auch mechanisch bzw. gerade durch  die Mechanik zu erwarten hat. It's not a bug, it's a feature!

Tritt trotzdem eine Situation ein, in der der Spieler mit Hinblick auf die Charakterregeln ein abenteuer/Szenario/etc. verweigert, kann es dafür drei Gründe geben:
1. Der SL hat an Genrekonvention und seinen Charakteren vorbei geplant. Niemand hat geasagt, daß solche Regeln dem SL Arbeit abnehmen. Sie sind ein Hilfsmittel, aber er muß damit planen.
2. Der Spieler hat die Tragweite der Regeln nicht ganz verstanden und gewährt ihnen zu großen Einfluß. Das kann man erklärend aus der Welt schaffen.
3. Der Spieler verweigert das Spiel und verstekct sich hinter den Regeln.

Wobei alle drei Fälle imho von einer so feinen Linie getrennt sind, das ich da nicht generalisieren möchte.

Also kurzes Fazit:
Settings und Genres, die von bestimmten Aspekten des Charakterspiels leben, werden durch entsprechende Regeln besser, nicht schlechter (ordentliche Regeln vorrausgesetzt, was uns wieder zu Geschmacksfragen bringt). Spiele ohne diesen Fokus, wie z.B. das ARS skyrock'scher Definition, brauchen diese Regeln nicht, hier können sie auch stören.


ChristophDolge

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Re: Diskussion zu: Den Charakter mit Regeln unterfüttern
« Antwort #6 am: 27.11.2008 | 11:39 »
Eigentlich wollte ich das jetzt umfangreich darstellen, aber offenbar hat Boni schon alles zu meiner Meinung gesagt.

Offline Beral

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Re: Diskussion zu: Den Charakter mit Regeln unterfüttern
« Antwort #7 am: 27.11.2008 | 19:40 »
Man muss Persönlichkeits-Regeln nicht als Zwang auffassen. Sie können eine gute Hilfestellung sein, um die Darstellung des Charakters zu unterstützen. Ich als Spieler wünsche mir vom Regelwerk solche Unterstützung.
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

"Wir führen keinen Krieg...sind aber aufgerufen eine friedliche Lösung auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen." Gerhard Schröder.