Autor Thema: Erzählonkel aller Länder! Wie beflügeln "Game"-Elemente euren Spaß?  (Gelesen 3049 mal)

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Offline Skyrock

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As a player, you try to do things that allow your character to succeed, so as to "win the game". The strategy element is essential, for it is what so often creates the thrill and excitement of a dramatic moment.
- aus dem Abschnitt "The Player" in Vampire: Dark Ages (S. 23)

Wie schon spätestens seit dem ARS-Manifest bekannt ist, gehören erzählerische Elemente zum ARS dazu, und sind zumindest in meiner Spielweise etwas was die spielerischen (im englischen "Game"-Sinne in Abgrenzung zu "Play") Teile _verstärkt_ und _beflügelt_.

Was mich in ARS vs Erzählonkel - so ein totes Pferd! so ein Quatsch! verwundert hat, ist die Behauptung von Leuten, die ich eher dem Erzählonkellager zurechnen würde (soweit man das eben fernschriftlich einschätzen kann), dass sie grundsätzlich "Game"-Elemente in ihrem Spiel haben und brauchen.
(Lediglich Crimson King schert da aus.)

Vor diesem Phänomen stehe ich nun ratlos wie einst Fredi vor dem Phänomen des Abenteuerrollenspiels (und dessen fortgesetzten Überleben im Zeitalter der Computerdisketten). Ich kann sehr wohl nachvollziehen "Game"-Aspekte für sich Spaß machen, und (in reduziertem Maße) verstehe ich auch wie die "Play"-Aspekte als Selbstzweck Spaß machen können.
Ebenso verstehe ich wie wahrscheinlich kein zweiter (außer vielleicht Settembrini), wie "Play"-Elemente den Spaß am "Game" verstärken und ihn zu mehr als der Summe seiner Bestandteile machen.
Woran ich aber völlig scheitere, ist zu erkennen, wie "Game"-Elemente den Spaß an den "Play"-Elementen _verstärken_ und _beflügeln_ können. Wie "Game"-Elemente als Selbstzweck Spaß machen können weiß ich selbstverfreilich (und es gibt dazu schon bessere Abhandlungen von Huizinga, Costikyan und anderen)., Es geht mir hier wirklich nur um _Beflügelung_, analog zu der Art und Weise wie im ARS "Play"-Elemente den Spaß an den "Game"-Elementen _intensivieren_.

Wie ist es bei euch Erzählonkeln, Erzählmeistern, G'schichtlev'rzellern und allen anderen, die "so wie DSA und Vampire" spielen? Wie unterstützen euch "Game"-Elemente beim Erreichen eurer hauptsächlichen Spaßquelle?
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Offline Village Idiot

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Offline Lord Verminaard

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Na ja der Punkt ist nicht so sehr ein beflügeln im Sinne von verzahnt ineinander greifen (sowas passiert eher selten, zufällig, wie umgekehrt aus einem taktischen Dungeoncrawl auch zufällig ein moralisches Dilemma erwachsen kann). Der Regelfall ist eher, dass sich die Elemente ergänzen zu einem kompletteren und nachhaltigeren Spielerlebnis, als wenn man die ganze Zeit nur ein und dieselbe Sache machen würde. Und für mich als Erzähl-Heini ist z.B. eine taktische Kampfsituation für sich genommen nicht so spannend, wie eine, bei der ich mich mit den handelnden Figuren identifiziere, weil sie eine Geschichte haben, die sie da hin geführt hat, und ich an dieser Geschichte mitgewirkt habe. Dadurch nehme ich die Herausforderung ernster, die Sache wird mir wichtiger. Wobei die Situationen, in denen ich richtig aufdrehe, ja eher Verhandlungs-/Täuschungs-/Einschüchterungsaktionen sind. Fällt das für dich auch unter "Taktik" und "win"?
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Offline Skyrock

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Wobei die Situationen, in denen ich richtig aufdrehe, ja eher Verhandlungs-/Täuschungs-/Einschüchterungsaktionen sind. Fällt das für dich auch unter "Taktik" und "win"?
In meinen Augen ja, sofern es tatsächlich um Spielerleistung und Problemlösung geht. Das typische intelligent bespielte "Keep on the Borderlands" und "Shadowrun 101" fielen mir da als gute Beispiele ein, wo ich "Game"-Elemente als gegeben ansehe, trotz dem Fehlen von Bodenplänen und rhythmischem Würfelklappern.
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alexandro

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Wie es der Zufall will habe ich gerade ein paar Gedanken darüber verfasst, wie die Game-Elemente von "Menschlichkeit" in der Ur-Version von Vampire das Rollenspiel von bedeutsamen, moralischen Konflikten gefördert haben (und wodurch das bei der Revised Edition leider verwässert wurde).

Zu finden hier (vorsicht, lang).

Offline arma

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Woran ich aber völlig scheitere, ist zu erkennen, wie "Game"-Elemente den Spaß an den "Play"-Elementen _verstärken_ und _beflügeln_ können. Wie "Game"-Elemente als Selbstzweck Spaß machen können weiß ich selbstverfreilich (und es gibt dazu schon bessere Abhandlungen von Huizinga, Costikyan und anderen)., Es geht mir hier wirklich nur um _Beflügelung_, analog zu der Art und Weise wie im ARS "Play"-Elemente den Spaß an den "Game"-Elementen _intensivieren_.

Die "game Elemente" schränken Deine Erzählfreiheit ein und verhindern, dass Du einfach machst, was Du willst. Du findest noch in den Spielen der extrem narrativen Ecke irgendwelche Würfelwürfe oder Ressourcen Mechaniken, die die Erzählrechte einschränken.

Vergleich:

"Du brauchst hier nicht auf Wildnis-Überleben würfeln, das hier ist der Wochenmarkt" oder "Dein Hülle Dich in Schatten Zauber funzt hier nicht, es ist hellichter Tag".

vs.

"Du kannst nicht sagen, dass man Dich als Sieger feiert, Du hast den conflict resolution roll auf Kriegsführung verpatzt und verloren" oder "Ich hab den Wurf geschafft, deswegen bestimme ich, wie es weitergeht, nicht der SL".


(oder ging Dein Problem tiefer?)
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Offline Crimson King

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Auch wenn ich ausschere ;), schreibe ich was dazu:

ich verwende Herausforderungen neben anderen Dingen, um das Ingame-Erlebnis zu fördern. Sie dienen also als Mittel zum Zweck. Ursprung der Herausforderung/des Problems/des Konfliktes ist dabei auch der Spielercharakter, nicht der Spieler selbst. Ich stelle also den Charakter vor Herausforderungen, um den Spieler in die Welt hinein zu ziehen und dessen Spielerlebnis zu fördern.

Der Unterschied ist, dass in Gegensatz zu Spielen, in denen die Herausforderung auf Spielerebene angenommen wird, hier auch eine Niederlage des Spielers respektive des Spielercharakters als Gewinn gewertet werden kann.

Ich würde im Übrigen behaupten, dass auch immersionsorientiertes Spiel ohne Herausforderungen schnell fade wird, da die Spannung flöten geht. Die Badehausszene auszuspielen macht mal einen Abend Spaß, aber nicht jeden Abend. Die Game-Elemente beflügeln also den Spaß, indem sie den Charakter (nicht den Spieler) unter Druck setzen, etwas erreichen zu müssen.

Ein Schlüsselpunkt, den ich erreichen will, ist dass den Herausforderungen von den Spielern quasi mit den Augen des Charakters begegnet wird, was sich nicht auf Kampfoptionen und Charakterwissen, sondern vor allem auch auf Charakterwesen bezieht. Will heißen: keine langen Planungen auf Metaebene, keine perfekt durchoptimierten Charaktere.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Offline Naga

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Woran ich aber völlig scheitere, ist zu erkennen, wie "Game"-Elemente den Spaß an den "Play"-Elementen _verstärken_ und _beflügeln_ können.

Die "Game"-Elemente geben dem Schauspiel einen Rahmen. Sie verhindern, dass die Spielwelt zur reinen Kulisse für die Charaktere kommt, dass sich die Mechanismen der Welt sich beliebig an den gerade aktuellen Wünschen der Spieler orientieren. Im Gegenteil: Die Spielwelt bekommt Zähne, sie macht mache Dinge unmöglich, andere hingegen notwendig. Sie erzeugen eine "objektive" Realität, mit der sich die Charaktere auseinanderzusetzen haben.

Oder anders ausgedrückt: die "Game"-Elemente bereichern die "Play"-Elemente um Konflikte und Motivationen - vor allem um solche, die von aussen auf die Charaktere wirken (Es ist nicht immer soviel Geld vorhanden wie die Charaktere gerade brauchen. Die Gegner sind nicht immer so stark, dass die Helden sie gerade so besiegen. Etc.) Ich sehe das als Bereicherung zu den Konflikten und Motivationen, die aus dem Charakterspiel zwischen den Charakteren entstehen (der Seifenopern-Faktor ;)).

Gerade wenn die Charaktere viele Möglichkeiten haben (etwa bei offen angelegten Kampagnen) verhindert sowas auch in gewissem Maß Ziellosigkeit, und beugt Beliebigkeit vor. Denn die Probleme sind da (etwa die Existenz eines Gegners; die Knappheit der eigenen Resourcen; der Zwang und die Anspannung, die dadurch entstehen, dass Kompromisse eingegangen werden müssen) - und die können einerseits von den Spielern angegangen werden (positive Motivation), wirken sich aber bei manchem Verhalten auch negativ aus. Oder mit anderen Worten: Das Schauspiel hat auf einmal Konsequenzen, und ist in dieser Hinsicht auch nichtmehr abhängig von "willkürlichen" Faktoren wie zwischenmenschlichen Sympathien, der Tages-Milde der SL, dem Hundeblick mancher Spieler oder ähnlichem.

Eben dadurch, dass die Spieler nicht immer kriegen, was sie gerade wollen, kommt es zu ungeplanten Rückschlägen, spannenden Situationen, der Notwendigkeit von Kompromissen oder dem Handeln im Angesicht von folgenschweren Konsequenzen. Davon profitiert letztlich auch das Schauspiel, weil die Handlung an Tiefe gewinnt - eben auch, weil die Charaktere in Situationen geraten, in die sie Spieler sie womöglich nie freiwillig bringen würden.

Offline Zornhau

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Und für mich als Erzähl-Heini ist z.B. eine taktische Kampfsituation für sich genommen nicht so spannend, wie eine, bei der ich mich mit den handelnden Figuren identifiziere, weil sie eine Geschichte haben, die sie da hin geführt hat, und ich an dieser Geschichte mitgewirkt habe. Dadurch nehme ich die Herausforderung ernster, die Sache wird mir wichtiger.
Na, sowas! Das ist ja voll und ganz MEINE Sicht der Dinge. - Bin ich jetzt plötzlich zum "Erzähl-Onkel" mutiert?

Glaube ich nicht. Es ist doch vielmehr so, daß das oben Zitierte NORMALES ROLLENSPIEL beschreibt.

Keine Extremform, keine "Trennkost", keine radikale Ausblendung von den VIELEN Bestandteilen, die erst im Zusammenwirken das bilden, was man so als Rollenspiel auch ohne verkopftes Herumanalysieren identifizieren kann. - Normales Rollenspiel ist doch schon immer "mit allem" gewesen.

Offline Dr.Boomslang

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Das Zitat aus dem Vampire Regelwerk sagt doch alles! Taktik und Strategie liefern eine eingebaute Dramatik. Das ist der Grund warum man sich Spiele zur Unterhaltung anschaut ohne dass man selbst an der erbrachten Leistung beteiligt sein muss.

Dramatik und Spiele haben eine wesentliche Gemeinsamkeit, den Konflikt, das Dilemma, das Problem. Der Weg der zur (Auf-)Lösung führt ergibt den Spannungsbogen.

Das ist auch der Grund warum alle Arten von Rollenspielen ein Kampfsystem haben. Kampf ist so universell zu gebrauchen dass es fast bei keiner Spielart stört. Jeder kann da raus ziehen was er braucht.

Offline Skyrock

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Klar, dass Regeln strukturieren und die Gefahr der Beliebigkeit verringern ist bekannt und sicher ein wichtiger Faktor. (Es gibt dazu auch sehr interessante Postings von Zornhau bei der B!ösen Konkurrenz unter Bezugnahme auf Gloranthas und Deadlands' verschiedene Regelinkarnationen, sowie auf das Engel-Arkana-System in Abgrenzung zu "normalen" Rollenspielen, auch wenn es mir gerade zu mühsam ist sie zusammenzusuchen...)

Das ist aber nicht der Punkt, der Punkt sind "Game"-Elemente im Sinne von auf auf "durch Spielerleistung auf Sieg spielen" - wozu auch gewisse Regeleinsätze gehören, aber eben nicht alle Regeln. So sind etwa Wesen und Verhalten in der oWoD, Hintergründe und Hybreis in 7th Sea und Pfade in TSoY alles Regeln, aber diese stützen mehr den "Play"-Teil als den "Game"-Teil (so weit man scharf trennen kann bei einem Mechanismus, der auch die Effektivität im "Game"-Teil mitreguliert).
Umgekehrt gibt es gerade bei Problemlösung in klassischen Rollenspielen viele Teile die sich klar "Game" zurechnen lassen, bei denen Regelanwendung aber nur untergeordnete Rolle spielt, während die wirklich über Sieg und Niederlage entscheidenden Entscheidungen auf einer anderen Ebene getroffen werden - siehe dazu oben Shadowrun 101, wo auch auf Regeln für Verkleidungen, Zauber und falsche IDs zurückgegriffen wird, die wirklich entscheidenden Schritte aber von außerhalb der Regeln kommen (wie die Entscheidung, trotz der Unregelmäßigkeit mit dem Zahlenschloß nicht auf den mißtrauischen Wachmann zu schießen, und die Idee diesen mit dem Trollzwischenfall abzulenken).

Lord Verminaard hat da schon besser verstanden was ich meine, aber
Und für mich als Erzähl-Heini ist z.B. eine taktische Kampfsituation für sich genommen nicht so spannend, wie eine, bei der ich mich mit den handelnden Figuren identifiziere, weil sie eine Geschichte haben, die sie da hin geführt hat, und ich an dieser Geschichte mitgewirkt habe. Dadurch nehme ich die Herausforderung ernster, die Sache wird mir wichtiger.
ist eher der Transfer "Play-Elemente werten die Game-Elemente auf", und damit das Kernstück der ARS-Theorie und das Hauptargument, warum man 4h ARS betreibt, anstatt die beiden Bestandteile unabhängig und in höherer Konzentration zu sich zu nehmen, indem man erst 2h Schach spielt und dann 2h einen Roman liest.
Was ich suche ist der umgekehrte Transfer. Es kann ja wohl nicht sein dass "Game"-Elemente neben der Hauptspaßquelle im klassischen Erzählspiel stehen, anstatt darin hineinzugreifen und aufzuwerten, denn dann wäre man wieder bei der schon lange bis zur Annullierung aufgeweichten Forge-These der Inkohärenz.
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Die Game-Elemente in Erzählonkelspielen (z.B. Western City mit taktisches Erzählen) sorgen für ein Ringen um das Erzählrecht und um den Fortgang der Geschichte.
Wenn ich hier nachgebe, ziehe dem Spieler die Erzählressourcen aus der Tasche. Hauptsache, ich kann nachher meinen Haudegen in die arme der Frau des Bürgermeisters erzählen und er hat keine Möglichkeit da einzugreifen...
Das ist ein Ringen und ein gegeneinanderspielen auf einer sehr unterhaltsamen Ebene, da die Spielwelt selbst zur Figur wird.


Ich habe jetzt Erzählonkelspiel nicht als Einmannshow des SL verstanden, sondern als GEschichtenund Charakterzentriertes erzählen im gegensatz zum herausforderungsorientiertem Spiel.
In klassischeren Systemen kommt eigentlich nur Kämpfe als wichtige Gmae-elemente hinzu.
Diese sind aber, wie Vermi nur dann für den klischeeerzählonkel spanend, wenn sie einen Einfluss auf die Geschichte haben, oder für die Entwicklung des Chars (gefühlt) wichtig sind.
Also wenn das einfache Torwachen sind, dann ist der Kampf nur einen Wurf wert. Geht es um die Wiederherstellung der Ehre ineinem Duell, dann kann das ruhig länger dauern, es gibt ja eine tiefe und wichtige Verankerung in der Geschichte.

Aber, wenn ich ehrlich bin sehe ich die Trennung auch nicht so wirklich...

oliof

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Für mich sind es 2 Dinge:

  • Creative Constraint: Die Regeln geben mir einen Rahmen vor, innerhalb dessen die Geschicte "funktionieren" muß.

  • Creative Input: Die Regeln geben mir eine Idee, wie die Geschichte weitergehen kann.

    Wenn das 2. davon dem 1. widerspricht, sind die Regeln für das Genre ungeeignet.

Offline Lord Verminaard

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Hier, vielleicht mal ein Beispiel aus der Reign-Freeport-Runde bei Jörg. Wir waren ursprünglich in Diensten des Hauses Atremi gestanden, dessen Anführer Gilpetto sich aber mehr und mehr als gefährlicher Pychopath entpuppte, sodass wir ihn verrieten und schließlich mit einem Haufen Abstrünnigen und Verbündeten einen direkten Angriff gegen ihn wagten. Es kam zum Kampf, und ich sah mich Gilpetto gegenüber, der mir kämpferisch überlegen war. Also entschied Jörg, dass Gilpetto einen "disfiguring strike" versucht, um mein hübsches Gesicht zu zerschnippeln, was ihm gelang.

Das war halt erspielt, erwürfelt, es kam nicht von mir selbst, ich hatte mich dagegen gewehrt, des war eine Wendung, mit der ich nicht gerechnet hatte. Und ich fand es echt cool. Als Erzähl-Heini darf man kein schlechter Verlierer sein.

Dieses Capes-mäßige "Regel-Taktieren führt zu Geschichte" hingegen funktioniert für mich nicht so besonders, das ist mir zu verkopft und beliebig. Und meistens ist die "Taktik" auch ziemlich platt.
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Offline Dr.Boomslang

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Guter Verlierer ist ein gutes Stichwort, das meine ich. Der Verlierer aber auch der Gewinner in einem Spiel bzw. einem taktischen Kräftemessen zu sein (z.B. Kampf) ist nahezu immer auch eine interessante dramaturgische Situation, die dabei hilft eine interessante Geschichte zu erzählen. Das funktioniert zwar nicht nur dann wenn das Spiel echt war, d.h. wenn wirklich versucht wurde zu gewinnen, aber dann funktioniert es auf eine besondere Weise.

Jetzt kann man natürlich sagen, wer die Dramaturgie eines Konfliktes für sein Spiel nutzt bei dem befeuert nicht das Spiel das Drama, sondern das Drama das Spiel. Das ist aber das gleiche. Es gehört einfach zusammen. Die Wahrnehmung des Spiel-Aspektes ändert sich mit den Einsätzen (genauso wie das finale einer Fussball-Weltmeisterschaft eine andere Dramaturgie hat als die exakt gleiche Situation als Freundschaftsspiel), aber die Bedeutung von Sieg und Niederlage ändern sich auch dadurch wie das Spiel gespielt wird, und ob beide Seiten wirklich versuchen zu gewinnen.
Letztlich ist beides verbunden und geht eine Einheit ein, bei der man natürlich seine Absicht oder Aufmerksamkeit auf verschiedene Aspekte konzentrieren kann (wenn man z.B. einfach nur gewinnen will bzw. es rein um Taktik geht, dann ist es egal ob es Weltmeisterschaft oder Freundschaftsspiel ist).

Es gibt doch auch die berühmt berüchtigten Taschenlampenfallenlasser oder tragischen Helden deren Spieler eigentlich "verlieren" wollen (bzw. nicht taktieren wollen), weil sie es für die interessante Geschichte halten wenn sie gleich in eine bestimmte Situation geraten. Aber das ist eine andere Art von Erlebnis, obwohl die Geschichte eventuell identisch ist.
Derjenige der den Fokus auf Geschichte legt wechselt womöglich zwischen echtem Spiel und nur so tun als ob hin und her, so wie es gerade nötig erscheint. Genauso wie der Taktiker vielleicht zwischen nur Taktik und Taktik mit interessanten Einsätzen wechselt, wie es im gerade möglich ist.

Offline sindar

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Ich rechne mich ja auch eher der Erzaehlonkel-Richtung zu, aber ich brauche zwischendurch ganz schlicht Abwechslung. Will heissen: Ein ganzes Abenteuer (AB) lang NUR Erzaehlspiel wird mir schlicht langweilig. Wobei ich mit "nur Erzaehlspiel" (wahrscheinlich) besser leben kann als mit "nur ARS".

Ich habe uebrigens keine Ahnung, ob ich jemals WIRKLICH eine Mischform aus Erzaehlerei und ARS gespielt habe. Ich weiss, in frueheren Posts habe ich sowas mal behauptet, aber im Nachhinein glaube ich eher, dass wir zwischen beiden Formen hin- und herschalten. Gilt fuer jede Gruppe, an die ich mich erinnere.
Bewunderer von Athavar Friedenslied

alexandro

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Meisstens sieht es so aus, dass Regeln aus der Erzählerperspektive wirklich nicht so wichtig sind: man kann sich eigentlich mit (fast) jedem Spielsystem arrangieren und wenn eine Regel mal falsch verwendet wird, weil man so vom Abenteuer gefesselt ist, so ist das auch kein Beinbruch. So lange niemand durch willkürliche Regelung übervorteilt wird fragt da keiner nach.

Trotzdem spielen wir "by the book" - der Satz "Regeln sind nicht so wichtig" lässt sich nämlich auch umkehren:

Wenn Regeln wirklich nicht so wichtig sind, warum sich dann die Mühe machen und eigene Regeln erschaffen (der Begriff "Regeln" schließt in diesem Fall ad-hoc-Entscheidungen des SLs mit ein), wenn man doch ganz einfach nach den Regeln spielen kann die alle gelesen haben und die eine gemeinsame Basis für die gemeinsame Geschichte bilden?

Keiner (außer völligen Arschkrampen) wird sich darüber aufregen wenn das nicht 100%ig durchgehalten wird und ab und zu entschieden wird "OK, das was die Würfel hier sagen ist mir unangenehm/ist langweilig/deht die Glaubwürdigkeit zu sehr, was könnten denn passieren lassen?", aber eine Serie von ad-hoc-Entscheidungen wenn man sich vorher auf ein Regelwerk geeinigt hat zu produzieren ist auch nicht das Gelbe vom Ei.