(etwas, was mich manchmal an GPs stört, ist die Unberechenbarkeit. Da gibt man einen Punkt dieser wertvollen Ressource aus und dann bringt es nicht mal was).
Das kommt sehr auf das Regelsystem an.
In HeroQuest/HeroWars bringen die Hero-Points IMMER etwas. Kein Zufall im Spiel, sondern für einen Punkt, wird aus einem Erfolg ein Kritischer Erfolg, aus einem Fehlschlag ein Erfolg, aus einem kritischen Fehlschlag ein normaler Fehlschlag, aus einem eigenen kritischen Erfolg wird die Erfolgstufe des Gegners um eins herabgestuft. - Hero-Points sind die "Währung" von HeroQuest. Damit bezahlt man alles. Im Spielverlauf das "Hoch-Bumpen" von Würfen zur Konfliktauflösung, oder das Festigen von erspielten Kontakten, Gegenständen, Eigenschaften, oder das Verbessern von Eigenschaften oder Senken von nachteiligen Eigenschaften. - Das macht Hero-Points zu einer zwar berechenbaren Resource, aber zu einer sehr wertvollen, wenn man Interesse an der Charakterkompetenzentwicklung hat.
Zu den Gummipunkten als Entwurfsentscheidung von Regelsystementwicklern:
Man hat mit den Gummipunkten in den meisten Regelsystemen, wo diese verwendet werden, eine Art "Regler" (weniger eine Stellschraube) für das, was im aktiven Spielablauf passiert und WIE es passiert.
Zielsetzung des "Gummipunkte-Patterns" ist es, ohne eine Fülle von Regeloptionen für jeden individuellen Spielstil, ohne eine Unmenge an Regel-"Schaltern" (wie in Funky Colts) auszukommen, und dennoch den jeweiligen Spielergruppen eine NACH IHREM STIL geprägte Pufferung der Konsequenzenhärte des Regelsystems vorzunehmen.
Es ist EIN Weg unter vielen. - Ein Weg, der gerade bei vom Umfang her eher knapp gehaltenen Regelsystemen wie Cinematic Unisystem, Savage Worlds oder HeroQuest gerne genommen wird, da man sich hier offizielle Regelalternativen und Variationspunkte im System sparen kann.
Diese Variationspunkte werden aber bei den mir bekannten Regelsystemen nur bei HeroQuest komplett eingespart. Die anderen Regelsysteme bieten weitere Durchstimmmöglichkeiten für die eigene Runde.
Beispiel - naheliegend - ist Savage Worlds. - Das SOLL als generisches Regelsystem eine Fülle an Settings mit sehr unterschiedlicher Konsequenzenhärte abdecken. Die "klassische" Möglichkeit ist, einen Regelband mit Sonderregeln für JEDES Setting herauszubringen, da nur mit den Grundregeln so gut wie KEIN Setting adäquat umsetzbar wäre. Jedes Setting braucht seine individuellen Anpassungen.
Die SW-Grundregeln liefern (zumindest in der Revised und der SE-GE) dazu noch mehrere Stellschrauben mit. Es sind Stellschrauben, die man VOR Spielbereitschaft des Settings einstellt. Hier wird z.B. die Menge und Art der verfügbaren Übernatürlichkeiten festgelegt. Es wird aber auch festgelegt, ob z.B. die Schadensregelung "heroisch" konsequenzen-WEICHER wird, oder ob man mittels mehr "gritty" Schadensregeln ein harsches Setting besser abgebildet bekommt.
Diese Stellschrauben sind auch in SW eingebaut. Sie werden NICHT ZUR SPIELZEIT gestellt, sondern VORAB.
Mit Settingregeln, gesetzten Stellschrauben, beschränkten Feldern für Trappings usw. hat man ein Setting VORBEREITET. - Die Gummipunkte kommen aber erst im LAUFENDEN Spiel zum Tragen.
Und dafür sind sie gedacht.
Sie sind für die GRUPPENINDIVIDUELLE FEINJUSTIERUNG gedacht. Und zwar im Moment des Spielgeschehens genau der Gruppe, in der man gerade spielt.
Anders als die VORAB erfolgten Anpassungen, die man auch aufschreiben und an andere Gruppen weitergeben kann (siehe Conversions), sind die Gummipunkte flüchtig. Und der Strom der Gummipunkte im Spielverlauf ist eine ausgesprochen individuelle Sache.
Und das ist ABSICHT.
Man könnte natürlich die Settingregeln mittels mehr und mehr Hausregeln verfeinern. Diese nehmen mehr und mehr Raum ein, und haben einen entscheidenden Nachteil: Sie wirken erst ab FORMULIERUNG - die meist zwischen den Spielsitzungen stattfindet.
Gummipunkte wirken SOFORT. - Sie stellen eine sofortige Aktionsmöglichkeitsbereicherung für die SPIELENDEN dar (auch der Spielleiter hat ja in manchen Systemen Gummipunkte), und sie senken SOFORT die Konsequenzenhärte der AKTUELLEN SITUATION.
Man kommt OHNE Gummipunkte-Pattern aus. - Man kann z.B. exakt auf die SC-Gruppe im Voraus ausgerechnete Begegnungen konzipieren, deren Maß die "Schaffbarkeit" ist. Das ist ein Vorbereiten abseits des eigentlichen Spielgeschehens. (Ja, mit ein paar Jahren Übung schütteln gewiefte Spielleiter auch noch so komplexe Begegnungswertigkeitsberechnungen aus ihrem programmierbaren Taschenrechner oder ihrem Cyber-Brain.)
Man BRAUCHT also Gummipunkte NICHT, um Herausforderungen auf die SCs maßzuschneidern.
Man kann auch gutes Rollenspiel am Ende des Spielabends oder des Abenteuers mit XP belohnen, statt Gummipunkte als SOFORTIGE Belohnung zu geben. Das hat seine eigenen Nachteile, die andernorts schon erörtert wurden.
Gummipunkte, die direkt mit Charakterkompetenzentwicklung verknüpft sind, stellen hier nach meinem Eindruck "das Schlechteste beider Welten" dar, solange nicht ein Zufallseinfluß die Auswirkungen dieser Kopplung mildert.
Wieso, wenn man auch OHNE Gummipunkte auskäme, dann überhaupt Gummipunkte?
Ein typischer, zeitgestreßter SW-Spielleiter hat KEINE ZEIT sich zwischen den Spielsitzungen im Off seitenweise gruppenspezifische Hausregeln zu überlegen, und noch viel weniger Zeit sich mit dem Durchkalkulieren von Begegnungen zu befassen.
Das SW-Regelwerk ist konzipiert worden, daß Leute, die NUR WÄHREND DER AKTIVEN SPIELZEIT überhaupt Zeit haben, sich mit dem Spiel zu befassen, immer noch Rollenspiele spielen können - statt den Würfelbeutel an den Nagel zu hängen, wie dies u.a. auch bei mir mit der D&D 3E beinahe der Fall war. Die Zeit, die solche ohne Gummipunkte auskommenden Regelsysteme von den Spielleitern abverlangen, konnte ich einfach nicht mehr aufbringen.
Was hat das jetzt mit den Gummipunkten zu tun?
SEHR VIEL!
Der gestreßte Familienmensch und Spielleiter geht mit einem Regelsystem mit Gummipunkte-Pattern ins Spiel. Dort spielt er diese Woche das eine Setting, nächsten Monat ein anderes, nächstes Jahr ein völlig anderes Setting. Die Regeln sind die gleichen (NICHT dieselben, weil ja Settingregeln so oder so auch bei Kauf-Settings dabei sind). - Aber seine Spielergruppe hat vielleicht andere Vorlieben als die Settingautoren.
Sie spielen Sundered Skies und haben nach drei Wochen pro Person den jeweils fünften neuen Charakter, da dieses Setting SEHR gefährlich ist. - Was macht der Spielleiter?
Er könnte im OFF ins Internet gehen und rumjammern, wie man Sundered Skies weniger tödlich hinbekommen könnte.
ODER er gibt einfach mehr Bennies aus, läßt STRÖMEN, statt nur tröpfeln. Und schon PASST es. Schon wird die Konsequenzenhärte des Settings abgepuffert und alle haben ihren Spaß. - Und OHNE ZUSATZARBEIT!
Das nächste Setting ist ein überkandideltes Space-Pulp-Setting. Seine Spieler müssen hier keine Angst vor dem Charaktertod haben, da dies die Settingregeln abgefedert haben. Aber er und einer seiner spielenden Kumpels ist der Meinung, daß noch nicht genug Pulp-Feeling im Spiel rüberkommt (was sein Kumpel bei der ersten Freßpause auch gleich sagt). Damit der Spielabend mit genug Pulp für alle abläuft, gibt der Spielleiter für alle die Aktionen, die so schön in die Pulp-Klischees passen Bennies aus, und ist knauserig bei Aktionen, die vielleicht effizient und erfolgsversprechend sind, aber nicht in die Stimmung passen. Damit schiebt sich durch den STIMMUNGSGESTEUERTEN und STIMMUNGSSTEUERNDEN Gummipunkte-Fluß die Spielstimmung, daß mehr Pulp für alle herauskommt.
Das erklärte Ziel bei solchen GENERISCHEN, aber mit ausgesprochen knappem Regelumfang daherkommenden Regelwerken wie SW ist es, die ARBEITSBELASTUNG der Spielleiter zu reduzieren.
Und das geht, indem die Spielleiter an der Quelle der Gummipunkte sitzen, und so eine SEHR FEIN justierbare Steuermöglichkeit in die Finger bekommen, die das haarkleine Ausarbeiten von Hausregeln, den Encounter Calculus, das Nachfragen im Internet einfach ÜBERFLÜSSIG macht.
Ist das dann ein "Patch"?
Jein.
Die REGELN funktionieren, wie sie sollen, und dies ohne Probleme. - Und zwar auch OHNE Gummipunkte.
Aber die GRUPPENINDIVIDUELLE STEUERUNG geht ohne Gummipunkte NICHT ohne Zusatzarbeit ZWISCHEN den Spielsitzungen (oder durch BESCHEISSEN der Spieler durch den Spielleiter - aber so tief will ja NIEMAND sinken!).
Es wurde hier der Bezug zur Goldenen Regel gemacht. Nicht ganz verkehrt. - Zumindest, wenn man sich die ABSICHT (nicht etwa die übliche Anwendung = BESCHEISSEN der Spieler) anschaut.
Paßt eine Regel nicht - und zwar MITTEN IM SPIELABLAUF - dann "erlaubt" die Goldene Regel das Ignorieren, das Weglassen, das Ändern, usw. dieser Regel bzw. der nach Regelanwendung bestimmten Resultate, um FÜR DIE EIGENEN GRUPPE noch während des LAUFENDEN SPIELS ein unerwünschtes Resultat zu vermeiden.
Gummipunkte haben in manchen Regelsystemen eine ähnliche Funktion, aber mit REGELGRUNDLAGE!
In HeroQuest entscheidet der SPIELER, ob er nun scheitern möchte oder den Fehlschlag bis zum kritischen Erfolg hochstuft - zum Preis seiner Gummipunkte-Resource.
Wie sich diese Resource wieder auffüllt, das liegt in den Händen des Spielleiters (meist - bei manchen artsy-fartsy-Spielen auch bei den Spielern: Ho, ho, Ho Chi Minh!).
Somit liegt es NICHT ALLEIN in der Hand des Spielleiters - anders als die Goldene Regel.
Und man kann auch NICHT BESCHEISSEN! - Es gibt klare REGELN für den Einsatz der Gummipunkte. HARTE Regeln!
Manche bauen einen Zufallseinfluß ein - oft einen der direkt die Charaktereigenschaften, und somit den gerade betroffenen Charakter selbst in den Erfolg des Einsatzes der Gummipunkte einbindet. Andere sind nicht zufällig. Andere sind in manchen Bereichen zufällig, in anderen wiederum fix (Deadlands Classic mit den Fate-Chips).
Gummipunkte sind ein REGEL-ELEMENT und ein Regelsystem-Entwurfs-Pattern, welches einen bestimmten Einsatzbereich hat, ein bestimmtes Problemfeld addressiert, und eine Umsetzung in unterschiedlichen Regelsystemen gefunden hat, daß man tatsächlich von einem Entwurfs-MUSTER sprechen kann.
Ob ein Regelsystementwickler das Gummipunkte-Muster nun PASSEND eingesetzt hat, oder nicht, das muß man im Einzelfall entscheiden.
Generell von einem schlechten Regelsystementwurf auszugehen, wenn dieses Entwurfsmuster verwendet wird, ist einfach unsinnig.