Autor Thema: Jenseits von Perlenschnüren – Dungeons können mehr sein als Raum auf Raum …  (Gelesen 8002 mal)

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oliof

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An anderer Stelle blieb ich dem Mann ohne Zähne noch eine Antwort auf seine Frage schuldig:

Harald:
Tomb of the Bull King -- warum ist dieses Dungeon anders?

Eigentlich liegt die Antwort auf der Hand, wenn man sich folgende Dinge anschaut:

http://mazesandminotaurs.free.fr/PROTEUS.jpg – Eine Karte der Insel, die nicht zufällg an Kreta erinnert.

http://mazesandminotaurs.free.fr/TOMB.jpg – Eine Karte des Dungeon, die nicht zufällig an den Palast von Knossos erinnert.

Alleine die Anzahl der Räume und die Komplexität ihres Aufbaus  zeigt: Hier geht es nicht darum, einfach von A nach B zu kommen, um den Kopf von C zu organisieren. Dafür gibt es viel zu viele Abzweigungsmöglichkeiten.

Und dann gibt es in diesem Dungeon verschiedene Fraktionen, die alle aus unterschiedlichen und ganz eigenen Gründen im Dungeon verweilen. Aufgabe der Charaktere ist nicht allein, irgendwie in die Mitte des Dungeons und wieder hinaus zu kommen.

Was bietet sich mehr an, als die verschiedenen Gruppen kennenzulernen und möglichst viel über sie herauszufinden … um dann letztendlich mit geeigneten Verbündeten die eigenen ZIele zu verfolgen?

Dabei sei noch erwähnt, dass es keine vorgeschriebene Konstellation/Kooperation gibt. Es liegt in der Hand der Spieler, verschiedene Gruppen gegeneinander aufzuhetzen/miteinander zu versöhnen/strategische Allianzen zu schließen, etc.



Noch Fragen?

Offline Joerg.D

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Was ist an der Idee, Gebäudepläne für Dungeons zu benutzen jetzt neu? Genau wie an der Idee, das sich eventuell mehrere Gruppen und Fraktionen im Dungeon befinden?
Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
Er hat nur manchmal keine Lust mit Idioten zu diskutieren.

Offline Yerho

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Kurz: Den Dungeon nicht als Festung unter (k)einem Herrn, sondern als Biotop sehen.
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Offline Zornhau

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..., das klassische Dungeon für die ewig gleichen Systeme ist immer noch viel zu oft eine Ansammlung von Räumen, die zwar durch Korridore verbunden sind, nicht jedoch inhaltlich. Ein tosender Kampf gegen 10 Goblins stört die zwei Oger im Raum links genausowenig wie die Rattenmenschen im Raum rechts und den goldenen Drachen im Raum geradeaus. Okay, das mag überspitzt formuliert sein,
Und wie überspitzt!

Denn die KLASSISCHEN Dungeons, die ich als erste Produkte erworben hatte, waren eben NICHT solche "Ansammlungen von Räumen, mit Monstern in Abenteurererwartungsstarre". Dafür gab es andere Spiele wie den Klassiker "Death Maze", mit denen man den "Tür auf, Monster kloppen, Schätze plündern"-Spielspaß ausleben konnte. Im Rollenspiel war das GERADE bei den Klassikern anders.

Was war der Grund dafür?

Der Grund lag darin, daß man als Spielleiter mit den sehr knappen Informationen, die eines der alten Dungeon-Module enthielt, eine GROSSE Gestaltungsfreiheit all dessen, was über die rein physische Geländeausprägung der jeweiligen Dungeon-Räumlichkeiten hinaus ging, nicht nur hatte, sondern daß dieses Ausgestalten durch den Spielleiter auch ERWARTET wurde!

Wenn in den Dungeon-Beschreibungen etabliert wurde, daß 10 Goblins neben zwei Ogern und nahe von Rattenmenschen und einem goldenen Drachen vorkommen, dann ist es in der Gestaltungsfreiheit des SPIELLEITERS z.B. die zwei Oger als Bullys zu beschreiben, die sowohl von den Rattenmenschen, wie auch den Goblins regelmäßig Nahrung abpressen. Daher haben Goblins und Rattenmenschen nichts dagegen, wenn irgendwer anderes ihnen die beiden Oger vom Hals schafft. Andererseits sind die Goblins und die Rattenmenschen miteinander verfeindet, weil sie sich um dieselbe "ökologische Nische" in diesem Dungeon schlagen. Was den einen schadet, nutzt den anderen, sobald die Oger erledigt sind. Leben die Oger noch, dann nehmen die jeweils anderen zumindest die Hälfte der Erpressungsaktionen der Oger ab, so daß es besser ist, es gibt die anderen noch. Der Goldene Drache ist hier natürlich deplaziert - oder wirklich? Was bringt einen Goldenen Drachen in diese Region, in diesen Dungeon. - Eventuell macht dieser ein besonders unmenschliches (sic!) soziales Experiment um die Dynamik von Zwang und knappen Resourcen, weshalb er für die Anwesenheit der beiden Oger verantwortlich ist.

In den KNAPPEN Beschreibungen klassischer Module steht oft nur, WAS dort in einem bestimmten Dungeonbereich zu finden ist, aber das WARUM muß und SOLL sich der Spielleiter je nach seiner eigenen Kampagne überlegen. - Man spielt(e) solche Dungeon-Module ja nicht im "kampagnenfreien Raum".

Ich habe z.B. die Caves of Chaos aus dem Klassiker (und meinem Favoriten, sogar noch vor Isle of Dread) Keep on the Borderlands schon in wirklich vielen eigenen Kampagnen (= eigenen WELTEN!) im Einsatz gehabt. Sogar eine RuneQuest- und eine Savage-Worlds/Evernight-Conversion habe ich davon in den jeweilgen Kampagnen gespielt.

In JEDER Kampagne eines Spielleiters ist der Spielleiter dafür verantwortlich, daß ein Dungeon PASST. - Das bedeutet, daß er nicht einfach nur die Raumbeschreibungen langweilig "abarbeiten" läßt, sondern daß er sich den Dungeon in seine Kampagne EINBAUT. Das Thema der Kampagne, die politische Lage, die etablierten Beziehungen der diversen Völker zueinander - das alles berücksichtigt der Spielleiter beim Einbau eines Dungeon-Moduls in seine Kampagne.

Das ist der KLASSISCHE Dungeon. - Der funktioniert nämlich nicht richtig, ohne einen Spielleiter und das KLASSISCHE Kampagnen-Konzept (d.h. die Kampagne ist NICHT eine Szenarienfolge, sondern ist die Spielwelt, wie sie von genau diesem einen Spielleiter ausgelegt, gespielt, weiterentwickelt wird).

Wenn ich mit jüngeren Rollenspielern über diese komischen Klischee-Vorstellungen über "klassische" Dungeon-Abenteuer rede, dann fällt mir immer wieder auf, daß heute davon ausgegangen wird, daß der Spielleiter einen Dungeon "vom Buch abliest", und daß eine Kampagne nur die Summe aller gespielten Abenteuer ist.

Beides FALSCH.

Zumindest aus Sicht eines Alten Sacks (tm).

Die Kampagne ist immer die dem SPIELLEITER EIGENE Welt. Das ist SEIN "Charakter" - und zwar mit allem, was darin ist, AUSSER den Spielercharakteren. - Spielt man bei einem anderen Spielleiter, und selbst wenn beide dieselben Spielwelten (als Kaufprodukte z.B.) verwenden, so sind das ANDERE Kampagnen, die auch nicht austauschbar sind, weil sie eben die persönliche Interpretation des jeweiligen Spielleiters darstellen.

Ein Kauf-Modul wird von einem Spielleiter daher VOR dem Spiel IMMER  erst einmal gelesen und überlegt und geplant in seine EIGENE Kampagne eingebaut. - Und hier ist dann MEINE Keep on the Borderlands ganz woanders als die von einem anderen Spielleiter. Und in meiner Scandia-Kampagne war die Keep eher in einer nordischen Umgebung, während sie in der eher südeuropäischen Kampagne meines D&D-Spielleiter-Kumpels eher das Flair von Südfrankreich hatte. - Bei jeder individuellen Kampagne ist z.B. zu entscheiden, welchem Herrschaftsgebiet die Keep eigentlich angehört, und was denn die Grenze zu welchen anderen Regionen die Borderlands darstellen. Die Charaktere in der Keep haben KEINE NAMEN. Das ist ABSICHT! Bei mir kamen in Scandia lauter skandinavische und germanische Namen zum Einsatz. Bei meinem Kumpel, der auch in der Schule im Gegensatz zu mir Französisch hatte, waren das dann lauter blumige französische Namen.

Man hatte diese Dungeon-Module NICHT einfach stur "aus dem Buch abgelesen" gespielt, weil die klassischen Module nicht wie die späteren "alles ist vorherbestimmt, lies einfach diesen Kasten hier ab, und würfele, wenn es angekündigt ist"-Szenarios zum Spielen ohne diese notwendige Eingliederung in die eigene Kampagne gedacht waren.

Man hatte namenlose NSCs NICHT tatsächlich ohne Namen gespielt, weil man so keine Ansprache im Rollenspiel machen konnte.

Und man spielte "nicht-taube" NSCs (die Oger im Raum neben den Goblins) NICHT so, als ob sie Oropax gleich kiloweise in ihre Lauscher gestopft hätten, sondern ließ diese ihrem Charakter entsprechend (ist ja Rollenspiel!) handeln. - Im obigen Beispiel könnten die Oger den Goblins zuhilfe kommen, weil sie sonst eine Gruppe leicht einschüchterbarer Diener verlieren würden. In der oben von mir skizzierten Situation kann es aber vorkommen, daß die Rattenmenschen davon Wind bekommen, und wenn es aussieht, als würden die Oger verlieren können, HELFEN die Rattenmenschen den SCs gegen Oger und Goblins! Eben je nach ihren Charakteren, der politischen Lage, usw.

In Keep on the Borderlands, welches ja ein Modul für Spielleiter zum LERNEN der notwendigen Überlegungsschritte bei einem Dungeon darstellt, sind solche politischen Beziehungen und Kräfteverhältnisse schon skizziert. Damit LERNT ein neuer Spielleiter, daß solche Beziehungen von Dungeonbewohnern ÜBLICH sind und einen Teil der Herausforderung sowie ein wichtiges Element der GLAUBWÜRDIGKEIT eines Dungeons darstellen. (In Keep on the Borderlands lernt man auch, wie man nahtlos Stadtabenteuer (Keep), Wildnisabenteuer (Umland) und Dungeon (Caves of Chaos) miteinander integriert, da ja NIEMALS ein Dungeon "einfach so" rumsteht.)

Wenn man von KLASSISCHEN Dungeons spricht, so muß man sich die ANDERE Aufgabenzuteilung zwischen Dungeon-Modul-Autor und Spielleiter, das ANDERE Erwartungsbild eines Dungeon-Autors, was ein Spielleiter von und mit seinem Dungeon tun können möchte, vor Augen führen.

Die späteren Ideen, daß man einen Dungeon in einer bereits "von oben herab" etablierten KAUF-Spielwelt (z.B. Aventurien) ansiedelt, und daß man in einem Dungeon-Abenteuer ALLES an für das Spielen notwendiger Information unterzubringen hat, so daß der Spielleiter nur das Abenteuer "vorlesen" muß, stellen einen klaren Wechsel in Aufgabenverteilung und Erwartungshaltungen dar.

Heute, so mein Eindruck, erwarten viele die "Full-Service-Abenteuer" gewohnten Spielleiter, daß sie selbst KEINEN HANDSCHLAG an einem Kauf-Modul tun müssen.

Und hier greift das, was schon VOR der Retro-Welle und VOR der Old-School-Diskussion bereits z.B. in den ersten Savage Worlds Produkten der Fall war: Eine RÜCKBESINNUNG auf die STÄRKEN eines gestaltungsWILLIGEN Spielleiters.

Ein Spielleiter macht sich ein Dungeon-Modul ebenso zu seinem EIGENEN, wie er einen Settingband zu seiner eigenen Kampagne verarbeitet. - Das muß nicht mal viel Arbeit im eigentlichen Sinne sein, sondern es reicht, wenn er selbst ein gutes Gefühl für seine eigene Kampagne und deren Kräfte und Dynamiken hat, um recht schnell ein neues Dungeon-Modul darin zu plazieren.

Das hatte z.B. Savage Worlds, das sich ja anfangs stark an die ältere Generation von Spielleitern gewendet hatte, exakt so umgesetzt. - Die Savage Tales sind Abenteuer im "Nur das Nötigste"-Stil. Es ist dabei die ERWARTUNG des Autors, daß der Spielleiter die VERANTWORTUNG übernimmt, aus dem Abenteuer im Text ein spannendes Abenteuer für SEINE Spielgruppe in SEINER Kampagne zu machen. Und genau auf diese Art von Spielleiter, der mit solchen absichtlich "unterspezifizierten" Abenteuern umgehen kann, sind diese Savage Tales ausgelegt.

In Dem Anderen Forum wurde von einem Interessenten an Sundered Skies gefragt, ob es in Sundered Skies in der Plot-Point-Kampagne nur "kampflastig" zuginge, ob NSCs "charakterlich gut ausgearbeitet" seien, ob man dort auch "Stimmungsspiel" betreiben könnte.

Seltsame Fragen.

NATÜRLICH kann man spielen, WIE MAN WILL!

Man hat das Buch gekauft. Ab jetzt gehört es einem. Man kann es sich so sehr zueigen machen, wie man will. Mein Evernight, obschon KEINE Plot-Point-Kampagne, war alles andere als "aus dem Buch abgelesen".

Ich kokettiere mit meinem "Aufwachsen" mit dieser alten Art mit Modulen umzugehen ein wenig, indem ich immer wieder erwähne, daß ich "noch kein Modul so, wie es geschrieben steht, geleitet hätte". - Das stimmt vermutlich nicht zur Gänze. Sicher bin ich mir nicht, wirklich an ALLEN Modulen herumgeschraubt zu haben. Aber es sind deutlich die MEHRZAHL aller Fertig-Szenarien, aller Dungeon-Module und anderer Abenteuer, die ich an MEINE EIGENEN Kampagnen angepaßt habe.

Manchmal bleibt dabei sogar recht viel vom Originaltext auf der Strecke, einfach weil es nicht in meine Vorstellung dieses Szenarios in MEINER Welt paßt.

Ist man gewohnt einen Fertig-Dungeon für seine eigene Kampagne aufzubereiten, dann schafft gerade das ein Erlebnis, welches eben NICHT von einem Computerspiel abgenommen werden kann. Für das Monsterplätten in Gangsystemen gibt es seit Rogue, Hack, usw. JEDE MENGE Computerspiele, die das alles von der Regelabwicklung her flüssig bieten können (nur die graphische Aufmachung hat sich geändert, der Spielspaß kommt aber immer noch aus derselben Quelle).


Ob man nun einen Fertig-Dungeon für seine eigene Kampagne einpaßt, oder ob man einen eigenen Dungeon für seine Kampagne entwickelt, ist EGAL. Er MUSS funktionieren und MUSS zur Spielzeit (nicht unbedingt im textuellen Produkt) GLAUBHAFT in die Spielwelt passen.

Daher war ein Dungeon SCHON IMMER mehr als "Raum auf Raum".

SCHLECHTE Dungeons gibt es natürlich auch, ebenso wie gute. - Aber ein noch so guter Dungeon (wichtigstes Qualtitätskriterium ist hier die Zahl an mehr als nur binären Entscheidungen, die die Spieler treffen können) kann bei schlechter oder fehlender Anpassung durch einen Spielleiter "vom alten Schlag" eben SCHLECHT GESPIELT werden.

Ein Dungeon, wie jedes im Spielgeschehen präsentierte Element der Spielwelt, MUSS vom Spielleiter GESPIELT werden.

Kann ein Spielleiter dies besonders gut, dann hat ein Dungeon die Intensität eines eigenen CHARAKTERS, nicht nur die seiner NSC-Bewohner. - Wie so etwas wirkt, das konnte ich selbst bei solchen Spielleitern erleben. Man glaubt förmlich, daß es "Der Dungeon" ist, den man als Gegner hat, und nicht nur dessen Bewohner und "Einrichtungsgegenstände".

Ein Dungeon bietet immer größtmögliche Handlungsfreiheit für die Spieler trotz räumlicher Beschränktheit. - Ein Dungeon, der diese Handlungsfreiheit der Spieler zu einer "Perlenkette", deren einzelne "Perlen" abzuarbeiten sind, reduziert, das ist KEIN Dungeon im klassischen Sinne mehr, sondern nur eine Aneinanderreihung von Räumen - im schlimmsten Falle handelt es sich im SZENEN einer GESCHICHTE, die man durch den Raumwechsel als Bühnenbildwechsel nacheinander abfährt (auf der Railroad-Express-Linie!). Der "Five Room Dungeon" ist z.B. solch ein NICHT-Dungeon, sondern eine Geschichte in "Bühnenbildern".

Ein Dungeon ist ein Platz vieler MÖGLICHKEITEN. Die möglichen Geschichten in einem Dungeon sind unzählig. Und das ist es, was einen klassischen Dungeon von den "Mikrowellen-Alles-Schon-Vorbereitet"-NICHT-Dungeons unterscheidet.

oliof

  • Gast
Joerg.D: Daran ist nix neu. Das ist genau der Punkt.

ChristophDolge

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Warum braucht man dafür ein Dungeon? Ich habe meist nach der Devise geleitet: Wo ich kein Dungeon brauche, wird auch keins gebaut, schließlich ist das auch für den Evil Overlord viel Aufwand. Oberirdische Gebäudestrukturen oder schlicht einfache Siedlungen sind viel logischer, solange man es nicht mit ausschließlich hypogäischen Kontrahenten zu tun hat.

oliof

  • Gast
Ob man nun einen Fertig-Dungeon für seine eigene Kampagne einpaßt, oder ob man einen eigenen Dungeon für seine Kampagne entwickelt, ist EGAL. Er MUSS funktionieren und MUSS zur Spielzeit (nicht unbedingt im textuellen Produkt) GLAUBHAFT in die Spielwelt passen.

Daher war ein Dungeon SCHON IMMER mehr als "Raum auf Raum".

SCHLECHTE Dungeons gibt es natürlich auch, ebenso wie gute. - Aber ein noch so guter Dungeon (wichtigstes Qualtitätskriterium ist hier die Zahl an mehr als nur binären Entscheidungen, die die Spieler treffen können) kann bei schlechter oder fehlender Anpassung durch einen Spielleiter "vom alten Schlag" eben SCHLECHT GESPIELT werden.

Ein Dungeon, wie jedes im Spielgeschehen präsentierte Element der Spielwelt, MUSS vom Spielleiter GESPIELT werden.

Kann ein Spielleiter dies besonders gut, dann hat ein Dungeon die Intensität eines eigenen CHARAKTERS, nicht nur die seiner NSC-Bewohner. - Wie so etwas wirkt, das konnte ich selbst bei solchen Spielleitern erleben. Man glaubt förmlich, daß es "Der Dungeon" ist, den man als Gegner hat, und nicht nur dessen Bewohner und "Einrichtungsgegenstände".

Ein Dungeon bietet immer größtmögliche Handlungsfreiheit für die Spieler trotz räumlicher Beschränktheit. - Ein Dungeon, der diese Handlungsfreiheit der Spieler zu einer "Perlenkette", deren einzelne "Perlen" abzuarbeiten sind, reduziert, das ist KEIN Dungeon im klassischen Sinne mehr, sondern nur eine Aneinanderreihung von Räumen - im schlimmsten Falle handelt es sich im SZENEN einer GESCHICHTE, die man durch den Raumwechsel als Bühnenbildwechsel nacheinander abfährt (auf der Railroad-Express-Linie!). Der "Five Room Dungeon" ist z.B. solch ein NICHT-Dungeon, sondern eine Geschichte in "Bühnenbildern".

Ein Dungeon ist ein Platz vieler MÖGLICHKEITEN. Die möglichen Geschichten in einem Dungeon sind unzählig. Und das ist es, was einen klassischen Dungeon von den "Mikrowellen-Alles-Schon-Vorbereitet"-NICHT-Dungeons unterscheidet.

Genau. Und das von mir erwähnte Tomb of the Bull-King habe ich aus drei Gründen aufgeführt: a) Es ist kostenlos erhältlich; b) es ist online erhältlich; c) es ist von Leuten geschrieben, die genau das was Zornhau da beschreibt, verstanden haben.

In diesem Sinne: Danke Zornhau für Deinen ausführlichen Beitrag der genau all das ergänzt, was ich vergessen habe aufzuschreiben.

PS: Mit Oldschool-Bewegung hat das nix zu tun. Glaub ich.

PPS: Dolginator: Tomb of the Bull-King ist ja genau kein Dungeon, der isoliert in der Gegend rumoxidiert, bis da einer reinrennt. Das ist ein Gebäudekomplex, der aus einen bestimmten Grund auf dieser Insel steht. Da gibts auch oberirdische Siedlungen und Parteien, auf die sich die Entwicklungen im Dungeon auswirken können.

Offline Greifenklaue

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Alleine die Anzahl der Räume und die Komplexität ihres Aufbaus  zeigt: Hier geht es nicht darum, einfach von A nach B zu kommen, um den Kopf von C zu organisieren. Dafür gibt es viel zu viele Abzweigungsmöglichkeiten.

Und dann gibt es in diesem Dungeon verschiedene Fraktionen, die alle aus unterschiedlichen und ganz eigenen Gründen im Dungeon verweilen. Aufgabe der Charaktere ist nicht allein, irgendwie in die Mitte des Dungeons und wieder hinaus zu kommen.

Was bietet sich mehr an, als die verschiedenen Gruppen kennenzulernen und möglichst viel über sie herauszufinden … um dann letztendlich mit geeigneten Verbündeten die eigenen ZIele zu verfolgen?

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Der Eingangsbeitrag klingt ja ein wenig so, als wäre das etwas neues, aber wie Du später selber sagst und Zornhau deutlich ausführt, so konnte man schon immer spielen. Aber auch Turning Wheel hat natürlich nicht unrecht, dass es mehr als genug gab, die Hack`n`Slay-Monstermetzeln spielten (und mehr als genug, die beides nicht differenzieren können...)

Zitat
Dagegen vorgehen kann man, indem das auch in den Regeln angerissen wird, wie man sowas besser angeht. Nicht jeder Neuling, der ein Rollenspiel kauft, ist ja gleich auch in einem Forum angemeldet, wo er die erleuchteten Ergüsse eines Zornhau oder anderer Rollenspiel-Halbgötter lesen kann.
Guter Hinweis. Angenehm find ich es beispielsweise, dass Moritz genau das umsetzen will (hier). Auch lese ich von immer mehr Retrokram, der auch genau sowas aufgreift.

Zitat
PS: Mit Oldschool-Bewegung hat das nix zu tun. Glaub ich.
Vorweg: Wie Zornhau zurecht betont, gibt es ja nicht dIE Oldschoolbewegung, also ist das folgende nur meine bescheidene Meinung, wie ich selbst Oldschool umsetze.

Wenn ich DCCs oder DnD spiele, ist genau DAS für mich Oldschool (also die von oliof begonnenen und von Zornhau erweiterten Punkte).
"In den letzten zehn Jahren hat sich unser Territorium halbiert, mehr als zwanzig Siedlungen sind der Verderbnis anheim gefallen, doch nun steht eine neue Generation Grenzer vor mir. Diesmal schlagen wir zurück und holen uns wieder, was unseres ist.
Schwarzauge wird büssen."

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oliof

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Ich finde es erstaunlich, dass mein Eingangsartikel so klingen soll, als wuerde ich was neues beschreiben … das hab ich doch nirgends geschrieben, und es erschließt sich mir auch nicht, woher der Eindruck kommt. Immerhn ist Mazes&Minotaurs ja ein Spiel, das so tut, als sei es aus den spaeten 70ern, und deswegen sehen eben auch die Module entsprechend aus.

Ansonsten will ich eigentlich noch vom Mann ohne Zaehne wissen, ob er seine Frage beantwortet sieht.

Offline Skyrock

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Neben der Lösung des ökologischen Dungeons kann man umgekehrt auch bewusst mit der Unlogik von Dungeons spielen und ihn als Entität mit eigenem Willen spielen, die aktiv nach dem Leben von Eindringlingen trachtet und wo eher die Gesetze von Alpträumen als von Physik am Werk sind.

Philotomys OD&D Musings haben dazu nette Ansätze, ebenso wie die Unterweltsektion von Mazes&Minotaurs (und der Tartarus ist wohl das klassische und jahrtausendealte Beispiel eines solchen eigenwilligen Killerdungeons).
Ich selbst tendiere eher zum ökologischen Dungeon, aber im Mazes&Minotaurs-Szenario auf dem nächsten Con wird es auch einen Ausflug in die Unterwelt geben... Warum sollte die Tochter der Persephone in einem mundanen Turm auf die Abenteurer warten, wenn ihre Heimat nur sechs Fuß unter der Erde liegt und ihr gegen vorwitzige Sterbliche helfen kann?
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Ein freier Mensch muss es ertragen können, dass seine Mitmenschen anders handeln und anders leben, als er es für richtig hält, und muss es sich abgewöhnen, sobald ihm etwas nicht gefällt, nach der Polizei zu rufen.
- Ludwig von Mises

Offline Greifenklaue

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Ich finde es erstaunlich, dass mein Eingangsartikel so klingen soll, als wuerde ich was neues beschreiben … das hab ich doch nirgends geschrieben, und es erschließt sich mir auch nicht, woher der Eindruck kommt. Immerhn ist Mazes&Minotaurs ja ein Spiel, das so tut, als sei es aus den spaeten 70ern, und deswegen sehen eben auch die Module entsprechend aus.
Ich hatte vermutlich den (subjektiven) Eindruck, dass M&M recht neu ist und es wirkte so, als führtest du es als eines der ersten Beispiele ein, dass man endlich so spielen könne. ("Mensch, ich hab doch schon so gespielt, bevor es M&M gespielt habe." - oder genauer: hätte gern...)

Aber das klärt sich dann ja während der Diskussion.
"In den letzten zehn Jahren hat sich unser Territorium halbiert, mehr als zwanzig Siedlungen sind der Verderbnis anheim gefallen, doch nun steht eine neue Generation Grenzer vor mir. Diesmal schlagen wir zurück und holen uns wieder, was unseres ist.
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Offline Dr.Boomslang

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Die grundsätzliche Funktion von Dungeons ist es doch aber immer noch den Ort einer abgeschlossenen Handlung zu definieren. Es gibt ein innerhalb und ein außerhalb des Dungeons. Diese Funktion wurde mehr oder weniger mit der Holzhammermethode Dungeon erreicht, weil denen damals nichts besseres dazu einfallen wollte warum haufenweise Monster auf engem Raum leben.
Das seltsam konstruierte bleibt da so oder so. Was soll ein ökologischer Dungeon sein? Monster leben nunmal alle nebeneinander in eigenen Kolonien? Ich weiß nicht. Nichts davon macht Dungeons für mich attraktiv oder nur glaubwürdig.

Das einzige Konzept das ich verstehe ist der Mega-Dungeon als eigene Entität, als Unterwelt oder surreale  Parallelwelt. Ansonsten gibt es natürlich Gebäude, Räume, Höhlen. Aber hat das noch was mit dem Dungeon als Abenteuerkonzept zu tun? Ist eine Stadt auch nur ein Dungeon? Das Beispiel hier sieht mir so aus. Ich verstehs nicht so ganz.

alexandro

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Ob Räume jetzt linear angeordnet sind oder nicht ist doch schnurzpiepegal, Hauptsache ist dass die Begnungen komplex genug sind, um die Spieler dauerhaft zu fordern. In gewisser Weise sind "Perlenschnurartig" aufgebaute Dungeons dafür sogar recht geeignet, weil die Gegner regelmäßig die Bereiche der anderen Bewohner durchqueren und somit komplexere Beziehungen notwendig werden.

Was ich als eine große GEFAHR bei den s.g. "ökologischen Dungeons" sehe ist die Überfrachtung mit konturlosen Konfliktparteien, welche nur über die Beziehungen zu ihren Nachbarn charakterisiert werden. Bei gefühlten drölfzighundert Monstern die fast alle nichts anderes machen als die Helden auf Sicht anzugreifen (mein Eindruck von TotBK) stellt sich leicht der "don't care"-Reflex ein - das ist kein großer Dungeon, sondern viele kleine, die nur zufällig räumlich beengt liegen.

Weniger Konfliktparteien sind manchmal mehr (wenn sie über ein gutes "branding" verfügen - ein Beispiel wäre das Abenteuer "Dungeon Crawl" für Savage Worlds).

oliof

  • Gast
"Perlenschnur" beschreibt nicht die Topologie, sondern das piefige "eins-nach-dem-anderen"-Prinzip.