Autor Thema: Verbale Visualisierung - Wie richtig?  (Gelesen 1820 mal)

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Ludovico

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Verbale Visualisierung - Wie richtig?
« am: 11.08.2009 | 09:05 »
Moin Leute!

Ich hab neulich ja mal nach der Entkräftung von Vorurteilen gegenüber Visualisierung durch Miniaturen gefragt und teilweise wurden diese auch entkräftet, bzw. gemildert.

Allerdings bin ich nach wie vor jemand, der bevorzugt die verbale Visualisierung vornimmt, weil sie in punkto Zeitaufwand und Kosten unschlagbar ist... insbesondere in punkto Zeitaufwand, wobei ich hier abmildere, dass dies nur gilt, wenn die Visualisierung wenig oder gar keine Unmißverständlichkeiten zuläßt.

Das Risiko Mißverständlichkeiten innerhalb der Gruppe über die Art und das Inventar einer Lokation halte ich auch für den größten Schwachpunkt dieses Instruments und in diesem Thread möchte ich gerne Methoden der verbalen Visualisierung diskutieren, die gerade das Ziel haben diesen Schwachpunkt auszuschließen.

Eine Methode, die ich gerne verwende, funktioniert nur mittels Player Empowerment.
Die Problematik, die ich erfahren habe, wenn nur der SL die Beschreibung vornimmt, dass die Spieler nicht alle Details behalten.
Deshalb denke ich, dass bei einer Beschreibung weniger oft mehr ist.
Dies gilt allerdings imho vor allem für Kampf- und Actionsituationen und weniger für normale Ortsbeschreibungen.

Als SL bin ich gerne vage und ungenau und färbe gerne vor. Wenn ich einen Kampf in einer Taverne beschreiben soll, dann sage ich lediglich, dass es sich um den Schankraum einer Taverne handelt und füge noch eventuelle wichtige Details hinzu wie etwa das Vorhandensein einer Balustrade im 1. Stock.

Jeder Spieler hat an sich die Idee, wie ein Schankraum aussieht. Sie alle auf den gleichen Nenner zu bringen durch Wortbeschreibungen eines einzelnen, halte ich für unmöglich und für unnötig.

Ich finde, dass jeder Spieler sich die Szene so vorstellen soll, wie er sie gerade sieht. Eine Gleichschaltung ist unnötig, denn gerade durch die Ungenauigkeit der Eingangsbeschreibung werden Mißverständnisse vermieden, denn je detaillierter der SL beschreibt, desto mehr Details verpassen die Spieler und desto weniger Toleranz für Abweichungen hat man in der Szene.

Ein großer Faktor für Unstimmigkeiten sorgt imho die Positionierung des jeweiligen Charakters zum Gegner und zum Rest der Gruppe. Hier bin ich der Ansicht, dem Spieler alle Freiheiten zu lassen und ihn sich frei bewegen zu lassen. Er bestimmt quasi selbst, wo er steht und was er macht, sollte dann aber Distanzangaben in seiner Beschreibung entweder sehr vage oder gar nicht angeben.

Grundsätzlich nach dieser langen und eventuell auch etwas wirren Beschreibung, will ich zusammenfassen:
Je mehr Details in einer Beschreibung einer Szene stecken, desto weniger Toleranz gibt es für Abweichungen innerhalb der individuellen Vorstellung der Szene.
 

ChristophDolge

  • Gast
Re: Verbale Visualisierung - Wie richtig?
« Antwort #1 am: 11.08.2009 | 09:26 »
Wenn man sich hier konkret auf eine Kampfsituation festlegen möchte, generell ein paar Tipps zur Beschreibung: Niemals irgendwelche Metermaße o.ä. festlegen, es reicht vollkommen, wenn man zur Position der Gegner sagt, ob sie binnen einer oder zwei Runden erreichbar sind. Kein Charakter hat den metrischen Blick und kann demzufolge nie genau sagen, wie viel Meter, Fuß, Yard oder was auch immer der nächste oder der gefährlichste Gegner von ihm entfernt stehen.

Darüber hinaus noch ein kleines Plädoyer für verbale Visualisierung - eine Kampfszene ist ständig in Bewegung, in der Regel unübersichtlich, hektisch und kaum binnen eines Augenblicks zu erfassen. Wer es tun möchte, muss in vielen Spielen eine Aktion opfern, um sich einen Überblick zu verschaffen und taktischen Vorteil daraus zu ziehen, oft genug bleibt aber ohnehin nur, den nächsten Gegner anzugreifen. Kampfpläne gaukeln eine statische Situation vor, die der Aufstellung im Schach ähnelt und die eine ganz andere Herangehensweise ermöglicht als eine knappe Beschreibung.

Die Knappheit der Beschreibung kann man natürlich halten wie man will, aber ich pflichte Olli insofern bei, dass man sich im Kampf nicht mehr auf die Farbe der Schürze des drallen Schankweibs konzentriert, sondern eher versucht, dem Stuhl, der da gerade angeflogen kommt, auszuweichen. Eine kurze Beschreibung mit prägnanten Sätzen ohne Schnörkel ist wichtig, um die Spannung aufzubauen und beizubehalten, man kann bei besonderen Aktionen ja immer noch in eine Art "bullet time" verfallen und detailierter vorgehen. Der postulierte Zusammenhang zwischen Details und Toleranz für Abweichungen wird umso wichtiger, je mächtiger das Player Empowerment der Gruppe ist - je mehr der SL festlegt, desto weniger Möglichkeiten haben die Spieler, die Situation mit zu beschreiben. Anders herum ist bei Spielrunden, in denen die Spieler nichts selber festlegen dürfen, natürlich eine gewisse Detailtiefe von Nöten, um den Spielern eine Umgebung vorzugeben, mit der sie interagieren können.

ARSianer mögen jetzt bitte kurz aufstöhnen, dass es ja voll unfair ist, wenn die Spieler im Kampf mit beschreiben dürfen, weil ihnen das die Möglichkeit gibt, zu bescheißen und weil das die Beschreibung des Spielleiters entwertet und dann bitte für immer schweigen.

Ein

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Re: Verbale Visualisierung - Wie richtig?
« Antwort #2 am: 11.08.2009 | 09:29 »
Ich kann euch beiden nur zustimmen, auch jenseits des Kampfes sind vage Beschreibungen unter Verwendung von Schlüsselworten sehr effektiv.

Offline Gaming Cat

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Re: Verbale Visualisierung - Wie richtig?
« Antwort #3 am: 11.08.2009 | 09:57 »
Ja, kurz und prägnant ist wichtig, vor allem in Kampfszenen, wo das Tempo recht hoch sein soll.
Ansonsten finde ich Vergleiche recht einsichtig ("Der Oger ist so groß wie der Baum da draußen"), wenn
man nicht mit Metermaßen hantieren will. Für besondere (schwer vorzustellende/komplexe) Schauplätze finde ich Bilder und Karten allerdings nicht schlecht, ein Bild sagt mehr...  ;)
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Ludovico

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Re: Verbale Visualisierung - Wie richtig?
« Antwort #4 am: 11.08.2009 | 13:57 »
@Bam
Welche Situationen wären denn entsprechend schwer zu beschreiben, dass ein Bild besser wäre und wie könnte man hier verbal vorgehen, um doch das meiste rauszuholen aus der Sache?

Offline Gaming Cat

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Re: Verbale Visualisierung - Wie richtig?
« Antwort #5 am: 12.08.2009 | 10:15 »
Welche Situationen wären denn entsprechend schwer zu beschreiben, dass ein Bild besser wäre und wie könnte man hier verbal vorgehen, um doch das meiste rauszuholen aus der Sache?
Z.B. ein Kampfplatz innerhalb einer sich verändernden Umwelt mit eingestreuten Fallen, die Beschreibung exotischer Paläste, seltsamer NSC und magischer Werkstätten und allgemein wohl das Meiste, das nicht sofort irgendeine Assoziation hervorruft. Ja ich nehme gerne Bilder beim Leiten... ::)

Klar, meistens geht es auch ohne, wir Pen&Paper-Freaks haben ja Phantasie. Ein paar prägende Adjektive ("Heiß, kalt, riesig, winzig, unübersichtlich, leer..." etc.) und ein paar unmissverständliche Hinweise ("Die Kanalisation riecht zum k..."). Dazu auch gerne noch ein Vergleich ("Stellt euch einen Kuppelbau in der Größe des Petersdom vor.")
Das geht auch - und dann am besten - wenn die Spieler Dir mit einigen Details "nachhelfen" ("Wir sind doch am Hafen, ich schnappe mir ein herumstehendes Fass...") - wenn sie das denn tun...  ;D
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Ludovico

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Re: Verbale Visualisierung - Wie richtig?
« Antwort #6 am: 13.08.2009 | 09:05 »
Hey danke!

Was übrigens adjektive angeht, so bin ich ein großer Freund des "Einfärbens", also wertende Adjektive.
Ein Ort, den ich unheimlich darstellen möchte, würde ich auch als "unheimlich" bezeichnen und dazu vielleicht noch Sachen wie "finster", "Gänsehaut"... etc. einbauen.

Ich mach das mittlerweile deshalb gerne, weil ich bei der Beschreibung eines solchen Ortes ohne wertende Adjektive nicht zwangsläufig bei jedem Spieler im Kopf einen unheimlichen Ort erzeuge und somit das Ziel verfehle. Verwende ich aber eine solche Wertung direkt, dann hoffe ich, dass der Spieler der Lokalität selbstständig in seinem Kopf Details zufügt, die für ihn zur gewünschten Atmosphäre beitragen.

Wie seht ihr das?

« Letzte Änderung: 13.08.2009 | 09:10 von Olli »

Offline Jens

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Re: Verbale Visualisierung - Wie richtig?
« Antwort #7 am: 13.08.2009 | 09:30 »
Die Macht der Suggestion, groß sie ist... ja klar kann man den Spielern beschreiben, auch subjektiv, wie eine Szenerie wirkt. Es ist ja ihre Sache wie sie dann drauf reagieren.

Es sei denn du hast solche Leute in der Runde die auf "...und jagt euch eine Gänsehaut den Rücken herunter." allergisch reagieren, weil sie das als Eingriff in ihren Charakter sehen. Ich würde höchstens auf "...und ihr rennt alle panisch davon!" allergisch reagieren wenn es keinen zwingenden Grund gibt. Und bei Magie ist vieles möglich ;)

Ludovico

  • Gast
Re: Verbale Visualisierung - Wie richtig?
« Antwort #8 am: 13.08.2009 | 09:34 »
Solche Spieler hab ich bislang noch nicht erlebt und ich glaube auch nicht, dass sie es lange bei mir aushalten würden.

Einen weiteren Vorteil, den ich bei diesen Beschreibungen sehe, dass sie kürzer ausfallen können. Versuche ich auf solche Adjektive zu verzichten, dann muss ich mehr potentiell "unheimliche" Details (ob sie unheimlich sind oder nicht, liegt im Auge des Betrachters. Deshalb "potentiell") einbauen, um die gewünschte Stimmung zu erzeugen.