Autor Thema: Indien-Rollenspiel - Helft mir mal beim Titel  (Gelesen 4440 mal)

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Callisto

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Re: Indien-Rollenspiel - Helft mir mal beim Titel
« Antwort #25 am: 4.01.2010 | 04:10 »
Ja, deswegen ja auch schon vorher meine Frage, um was ausser Indien dreht sich das Spiel?

Offline Jed Clayton

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Re: Indien-Rollenspiel - Helft mir mal beim Titel
« Antwort #26 am: 14.01.2010 | 02:16 »
Ja, deswegen ja auch schon vorher meine Frage, um was ausser Indien dreht sich das Spiel?

Darüber habe ich wie man sieht mehrere Tage nachgedacht. Jetzt wird es mal Zeit für eine Antwort.

Nun, direkt auf Callistos Frage habe ich zwei Hauptanliegen, so wie ich das jetzt sehe.

Zum einen wollte ich gern von Anfang an ein Setting/Spiel zurechtzimmern, mit dem man ohne Umschweife eine Form von großen, epischen Märchendramen spielen kann. Solche Märchendramen (oder sind das "dramatische Märchen"?) sollen von der Art sein, wie man sie im klassischen Sanskrit-Drama vorfindet (Shakuntala u.a.) und in verschiedensten Abschnitten des Ramayana. Ich hatte zu Beginn auch an das Panchatantra ("Fünferbuch") gedacht, aber das lässt sich nicht so mir nichts dir nichts mit dem Rest des Quellenmaterials verbinden, da das Panchatantra eine Aneinanderreihung von Tierfabeln ist, in dem die handelnden und erzählenden Figuren Tiere sind (der Hase, der Affe, der Tiger, der Pfau u.v.a.).
Die klassischen Sanskrit-Dramen haben auf jeden Fall ein gewisses Grundpersonal von typischen Figuren gemeinsam (Weise Ratgeber und Priester, alte Könige, den jugendlichen Helden, den frechen Sidekick oder Harlekin, eine Reihe von Prinzessinnen, den Schurken und sein Gefolge, sowie natürlich immer eine kleine Armee von Dienern, Dienerinnen, Assistenten und Tänzern), wobei alle diese Figuren klar erkennbar nach Kasten und nach Geschlechtern aufgeteilt sind. Außerdem bedienen sich diese Texte exaltierter und blumenreicher Sprache und wirklich epischer Länge ... also länger als meine Spielbeschreibungen! -- Das europäische Drama der Shakespeare-Zeit kennt fünf Akte, das indische Drama kennt sieben, wobei für irgendwelche Nebenhandlungen und Exposition mindestens je ein Akt draufgeht.

Zum anderen wollte ich dem Indien-Spiel gern eine nicht-epische, nicht-überhöhte Variante mitgeben. Soll heißen: Statt Könige, Prinzen und Heilige der epischen Epoche spielt man "ganz gewöhnliche" Leute in einer mittelalterähnlichen Gesellschaft, die nach den Vorbildern aus Veden und Puranas lebt. In dieser Zeit sind die Geschehnisse, über die die beiden großen Nationalepen berichten, schon zum Mythos und Leitbild geworden. Man denkt sich die Heroen und Halbgötter des Ramayana als Figuren einer religiös verklärten, idealisierten Prähistorie. Dennoch soll es aber allenthalben Spuren von solchen antiken Vorfahren geben. Weil das Mahabharata und das Ramayana als selbstverständliche Zeugnisse einer hehren Vergangenheit angesehen werden, ewig und unverrückbar, haben sie für alle Mitglieder der herrschenden Kultur die Funktion von Gründungsmythen. In der beschriebenen Kultur geht es aber nicht superfromm und angepasst zu... (was mein häufig mit den alten Indern in Verbindung bringt). In der antiken indischen Gesellschaft gab es sicherlich nicht weniger Diebesbanden, verlogen-gerissene Kaufleute und korrupte Beamte als in anderen Ecken der Welt. Letzte Woche erst habe ich erst in einem Sanskrit-Buch gelesen, dass es in der auf Sanskrit geschriebenen Literatur sogar allen Ernstes ein Buch mit Instruktionen für professionelle Diebe und Einbrecher gibt. Ein Diebeshandbuch sozusagen. Genauso wie Liebe und Erotik im Kamasutra abgehandelt werden--und Sterndeuterei, Medizin, Tanz, Architektur, Staatsführung und Kriegskunst entsprechend in anderen Werken, wird das Diebeshandwerk in diesem Werk als "Kunstform" beschrieben.

In dieser zweiten Variante wollte ich auch ein formelles, strenges Regelsystem, um zu unterstreichen, wie schwierig es sein kann, in einer Kasten-Gesellschaft zu leben. Man kann nicht viel zaubern oder mit magischen Artefakten seine Umgebung auf den Kopf stellen--das ist nicht Das Schwarze Auge oder D&D (und wenn ich so etwas spielten wollte, würde ich gleich diese Spiele nehmen!)--aber man kann Probleme lösen, ein gerechter Herrscher werden oder für Frieden sorgen und so weiter. Dennoch wird mein Setting kein "historisches Indien" werden. Auch falls aus der Sicht der "kleinen Leute" und gewöhnlicher Sterblicher des Pauranik Age gesehen, gibt es in dem Setting gelegentlich Fabelwesen, Geister und Monster. Nur wandeln keine strahlenden Götter oder Halbgötter mehr auf den Straßen herum, weil deren Zeitalter eben schon in der Vergangenheit liegt.

Allerdings lese ich im Moment auch die indische Comic-Serie "Devi", in der es um eine Göttin geht (so eine Art indische Wonder Woman Witchblade). Ich muss da erst noch ein wenig weiterlesen... Ich denke mal, wenn mir das genug gefällt, könnte alles, was ich hier zuletzt umschrieben habe, wieder ins Wanken geraten.


Noch eine Randbemerkung:
Ich befinde mich gerade in der seltsamen Lage, dass ich zwei Spieler gefunden habe, die morgen Abend tatsächlich Shreyas Sampats System "Mridangam" ausprobieren möchten. Aber dazu muss ich jetzt 25 Handgesten neu lernen... grrr... schau'n wir mal.
« Letzte Änderung: 15.01.2010 | 14:42 von Jed Clayton »
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Offline Woodman

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Re: Indien-Rollenspiel - Helft mir mal beim Titel
« Antwort #27 am: 14.01.2010 | 02:30 »
Das klingt beides durchaus interessant, aber wie 2 völlig unterschiedliche Spiele, die auch nach jeweils anderen Regeln verlangen.

Offline Jed Clayton

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Re: Indien-Rollenspiel - Helft mir mal beim Titel
« Antwort #28 am: 14.01.2010 | 12:23 »
Das klingt beides durchaus interessant, aber wie 2 völlig unterschiedliche Spiele, die auch nach jeweils anderen Regeln verlangen.

Stimmt auch wieder. Ich komme damit noch nicht ganz klar... Ich werde morgen ja meine erste Runde mit indien-mäßigen Charakteren leiten, dann weiß ich hoffentlich mehr. Die meisten Spieler erwarten ja erfahrungsgemäß, dass der SL mit einer komplett spielbaren, ausdefinierten Spielwelt anrückt. Oft habe ich das gar nicht. Meine Comic-Welten und auch meine Fantasy-Welt für RuneQuest haben sich jeweils nur aus dem Zusammenspiel der Gruppe ergeben. Ich habe oft mit einem leeren weißen Baltt Papier begonnen. (Ich hasse das "Vorbereiten" von Abenteuern fast so sehr, wie ich als Schüler die Hausaufgaben hasste.)

Aber zurück zu meinen Ausführungen oben:
Mir scheint das fast genau analog zum Gegensatz von RuneQuest und HeroQuest zu sein...

RuneQuest: traditionelles bodenständiges Fantasy-Spiel in altertümlicher Welt, mit Magiepunkten, Trefferpunkten, kleinlichen, zahlenverliebten Skill-Werten

HeroQuest: sozusagen die mythische Ebene der RuneQuest-Welt, System für freies Drauflos-Erzählen (na ja, größtenteils zumindest), Charaktere mit epischen Positionen und epischen Heldenquesten

Als ich vor fast zehn Jahren versuchte, regelmäßig Hero Wars / HeroQuest zu spielen, war aber das Problem, dass wir zwar das HeroQuest-Regelsystem vor uns hatten (für epische Helden und narrativen Spielstil gedacht), aber die ganze Zeit über eigentlich noch versuchten, RuneQuest-Abenteuer damit zu spielen. Auch die veröffentlichten HeroQuest-Glorantha-Einsteigerabenteuer unterstützten stets diesen Eindruck. Alter Wein in neuen Schläuchen und so weiter... Bis zu der viel beschworenen "epischen" Ebene von HeroQuest sind wir mit unseren schwächlichen, peinlichen Charakteren nie gekommen.

Dieses Mal werde ich das anders machen. Nach 9 bis 10 Jahren habe ich doch das eine oder andere dazugelernt.
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