Autor Thema: [D20-Solo] Über den Sylinthpass  (Gelesen 1940 mal)

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jpk

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[D20-Solo] Über den Sylinthpass
« am: 19.05.2003 | 09:55 »
sgo aus dem http//www.x-zine.de - mir hat die Rezi soviel spass gemacht, dass ich sie euch nicht vorenthalten will.

Ich hatte mal wieder Lust auf eine kleine Abwechslung mit etwas Rollenspiel, aber leider war meine Spielgruppe gerade nicht greifbar; der Eine stand gerade im Kreissaal und hielt Händchen bei seiner Frau, der Nächste weilte an karibischen Stränden, und der Rest brachte sogar noch viel abstrusere Ausreden aus dem Schatzkästlein der Arbeitnehmerschaft vor. Ärgerlich, aber wohl nicht zu ändern.

Ich brauchte diese Verdrücker aber nicht wirklich, denn ich war autark. Schließlich wird man auch als einsamer Wolf mit einer Vielzahl von Spielmaterialien verwöhnt, welches das Spielen mit sich selbst nicht nur ermöglicht, sondern sogar sozial akzeptabel macht. (Und ich meine jetzt NICHT die Pornoseiten im Internet!) Das ganze funktioniert nach dem Muster aller Abenteuerspielbücher: man liest einen nummerierten Absatz, an dessen Ende man mehrere Auswahlmöglichkeiten hat. Je nachdem welche Wahl man trifft entwickelt sich das Spiel weiter. Nach diesem Muster funktionierten auch die alten Text-Adventures, welche mit den miesesten Computern spielbar waren. Man hatte zwar keine Graphik, aber trotzdem seinen Spaß. Aber das nur nebenbei.

Na gut, das ist vielleicht doch nicht wirklich verständlich gewesen, wenn man so ein Spielbuch noch nie gesehen hat. Dies ist bei Rollenspielern zwar eher unwahrscheinlich, aber auch normale Menschen könnten diesen Text ja zu Gesicht bekommen. Dann gebe ich halt ein Beispiel:
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(Absatz 1): Du gehst pfeifend den Weg entlang, als sich der bösartige Ork Dabbelju Busch dir drohend in den Weg stellt. Was tust du? Redest du mit ihm? (Lies weiter bei 2), greifst du ihn an? (Lies weiter bei 3) oder rennst du weg? (lies weiter bei 4)

(Absatz 2): Du versuchst ihm zu erklären, das du keinerlei Massenvernichtungswaffen besitzt. Nun hält er dich für dumm, und das macht ihn echt böse! Lies weiter bei 5.

(Absatz 3): Du versetzt ihm einen Schlag auf seine abstehenden Ohren. Nun hält er dich für Böse, und das macht ihn echt böse! Lies weiter bei 5.

(Absatz 4): Du versuchst wegzulaufen. Nun hält er dich für feige, und das macht ihn echt böse! Lies weiter bei 5.

(Absatz 5): Er mag dich nicht mehr und verwechselt dich von nun an mit Libyen und Kuba. Und bei der nächsten Invasion auf unterentwickelte Staaten lässt er dich bestimmt nicht mehr mitmachen. Das hast du jetzt davon!!! Lies weiter bei 6!
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(Absatz 6): Nur mal so zur Einstimmung auf das Spielsystem. Man hat einige Auswahlmöglichkeiten und hangelt sich so von Textstelle zu Textstelle. In unserem Beispiel ist das Endergebnis allerdings immer dasselbe, und so etwas gibt es in einem echten Soloabenteuer natürlich nicht. Aber man kann hier gleich das Problem erkennen, welches diese Spielbücher haben: man könnte zwar dem Spieler jederzeit ein halbes Dutzend Lösungswege anbieten, dies würde allerdings zu sehr verkürzten Abenteuers führen. Der Spieler bekäme dann auch nur ein Sechstel des Textes zu sehen und wäre nach 20 Minuten mit dem Spiel fertig. Daher werden die Handlungsstränge üblicherweise immer mal wieder an wichtigen Knotenpunkten zusammen geführt.

„Über den Sylinthpass“ ist ein d20-Solo-Abenteuer, für welches man zum Spielen neben der normalen Rollenspielausstattung (Papier, Stift und Würfel) auch noch das D&D Spieler-Set benötigt. (Chips und Cola sind entgegen anderslautender Gerüchte aus Spielerkreisen nicht zwingend notwendig.)
Zwar muss man sich nicht unbedingt einen eigenen Charakter machen, da immerhin 4 Beispielcharaktere vorgegeben sind, aber falls man einen zauberkundigen Charakter spielen möchte sind die Grundregeln schon notwendig. Für einen tumben Klopper tut es eigentlich auch schon die normale Regelkenntnis über die Spielsystem-Abläufe bei Kämpfen, denn viel mehr wird in diesem Abenteuer eigentlich nicht gebraucht.

Das Abenteuer ist für einen Charakter der Stufe 2-4 vorgesehen. Ich hatte keinen derartigen Charakter auf Halde und entschied mich für einen der Beispielcharaktere aus dem Abenteuerheft. Da mein Bewährungshelfer mir neben weiteren Parkbesuchen auch das Tragen von Frauenkleidern untersagt hat kamen die weiblichen SC natürlich nicht in Frage. Der Zwergenkleriker hatte leider einen total dämlichen Namen, also blieb für mich nur der edle Recke Jurgen übrig (Und wer nach dem fehlenden „ü“ glaubt, das es sich bei diesem Werk um eine Übersetzung aus dem Englischen handelt, der denkt zwar logisch, irrt sich aber trotzdem.) Jurgen ist ein Mann nach meinem Herzen: er ist bis an die Zähne bewaffnet, kann eine Menge Schaden und Bier vertragen und würde niemals betrunken ins Auto reihern. Jurgen ist cool und jetzt mein Held.

Dementsprechend finden wir Jurgen auch gleich bei einem gemütlichen Umtrunk in einer Kneipe wieder, wo er allerdings feststellen muss, das er leider kaum noch Geld hat. (Kontrollblick auf das Charakterblatt: 10 lumpige Silbermünzen! Da muss etwas geschehen!) Also geht es hinaus ins feindliche Leben (= Marktplatz), wo man dann die Auswahl zwischen so hübschen Orten wie die Schmiede, dem Tempel oder der Festung hat. Man könnte sich ja mit Heiltränken und Rüstungen eindecken, wenn man Geld hätte. 10 Silber langt aber für nix, also kann man sich den Weg eigentlich auch sparen und gleich zur Festung gehen, um sich dort als Karawanenwächter zu verdingen. (Man könnte natürlich noch ein paar Leute befragen, aber ich spiele ja kein Mädchen und werde nicht den lieben langen Tag mit sinnlosem Geschwätz verbringen.) Natürlich wird der gute Jurgen vom Fleck weg eingestellt, auch wenn diese Geizkragen beim Lohn nicht mit sich handeln lassen. (Man sollte vielleicht eine Transportarbeiter-Gewerkschaft gründen und einen fairen Tariflohn einfordern, aber diese Möglichkeit wird in diesem Spielbuch aus bislang noch ungeklärten Gründen nicht weiter erörtert.)

Nun wird etwas in der Gegend herumgegondelt, wobei ich nicht wirklich einen guten Kontakt zu meinen Mitreisenden aufbauen kann. Leider ist mein Charisma etwas zu niedrig, und ich würfle auch zu gut. Das ist beim Glücksspiel mit den anderen Karawanenwächtern durchaus lukrativ, macht mich allerdings kaum beliebter. Allerdings ist es im Endeffekt nicht wirklich wichtig ob ich Geld gewinne oder verliere: jetzt kommt nämlich ein Hinterhalt der Orks, und trotz meiner heroischen Gegenwehr werden wir überwältigt. (Hätte man vielleicht doch vorher einige Auskünfte über den eingeschlagenen Weg einholen sollen?) Meine ganze schöne Ausrüstung ist hin, und wir Überlebenden werden in ein dunkles Verließ geworfen, wo mir mein angeborener Charme sofort neue Feinde schafft. (Wieso bewirft mich dieser Depp eigentlich ständig mit Steinen, wenn ich ihn anspreche? Noch habe ich ihm doch nichts getan?)

Mehr möchte ich über dieses Abenteuer nicht verraten, denn damit wäre ja die Spannung weg, ob ich mich befreien kann. (Gut, das kann sich eh jeder denken, aber ich lasse meinen Lesern gerne noch einige Illusionen.) Ich werde nur noch ergänzen, das ich das Spiel in 2-3 Stunden durchgespielt habe. Ich habe auch ein wenig gemogelt, denn Jurgen ist an einigen Stellen gestorben. An sich hätte ich dann mit einem neuen Charakter von vorne anfangen müssen, aber dazu hatte ich dann doch keinen Bock. Da ich Jurgen in keiner anderen Spielerrunde noch mal spielen werde habe ich ihn einfach wieder auferstehen lassen. Dies ist meiner Ansicht nach nicht unbedingt Betrug im Wortsinn; betrachtet es doch einfach als die Implementierung einer „Autosafe-Funktion“ in das bestehende Spiel (Technisch ganz einfach durchführbar: Man muss sich nur die Nummer des Absatzes merken, an dem man seinen Fehler begangen hat :-). Außerdem sind manche Todesarten wirklich unfair.

Für ein gemütliches kleines Spiel zwischendurch war dieses Heft durchaus brauchbar. An ein „normales“ Rollenspiel mit Freunden kommt es natürlich nicht heran. Aber so etwas leisten ja noch nicht einmal die 50 Euro teuren Computerspiele. Ich war mit dem Abenteuer durchaus zufrieden, auch wenn die Schwierigkeitsstufe meiner Ansicht nach eher zu niedrig gewählt war. Aber ich habe ja auch durch das Abspeichern den Lösungsweg etwas vereinfacht...