Autor Thema: Kreativität im Rollenspiel  (Gelesen 2137 mal)

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ErikErikson

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Kreativität im Rollenspiel
« am: 2.07.2010 | 09:34 »
Ich lerne gerade auf meine Diplomprüfungen, und daher ist Kreativität und Innovationsförderung ein großes Thema. Daher bin ich überhaupt erst auf die Idee gekommen, Kreativität im RPG mal unter die Lupe zu nehmen.

Wie kreativ seid ihr denn so im Spiel? Was bedeutet Kreativität und Innovation im Rollenspiel für euch überhaupt? Wie würdet ihr Kreativität bewerten? Durch den SL, die Spieler, durch den Kreativen selber?

Kreativität sind laut üblicher Defintion erstmal neue Ideen. Innovation ist dann die nutzbringende Umsetzung dieser Ideen. Würdet ihe schon Kreative Ideen belohnen oder nur eine nutzbringende Umsetzung?

Kreativitätsförderung baut darauf auf, das man Rahmenbedingungen für Kreativität schafft, sie belohnt und Kreativitätstechniken anwendet. Ich finde es interessant inwiefern man im Rollenspiel direkt kreativitätsfördernde Techniken einbauen kann. Habt ihr da Ideen?

Für jeden Spieler ist ja was anderes neu und kreativ. Ich erinnere mich daran, wie ich ein neues Computerspiel gespielt habe, das war so ein altes RPG. Das hat mich total fasziniert, ich kannte sowas noch gar nicht. Heutzutage würd ich nach einer Stunde Spiel dabei einschlafen, und es als langweilig, bar jeder Individualität und billigen Abklatsch bezeichen.

Und wie wichtig findet ihr das Thema? Ist Kreativität der zentrale Punkt, oder ein Randthema, das kaum interessiert, oder was dazwischen?


Was mir bisher einfällt ist eben subjektiv als kreativ erlebte Ideen oder Umsetzungen mit EP/Bennies oder sonstwas zu belohnen. Oder ein Problem vorgeben, das mit Standardmethoden nicht gelöst werden kann. Oder versteckte Probleme in die Welt einbauen, die man erstmal finden muss, so im Sinne von Problemsensitivität, die ja auch ein Teil der Kreativität ist.
« Letzte Änderung: 2.07.2010 | 09:42 von Erik Erikson »

Offline Jiba

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Re: Kreativität im Rollenspiel
« Antwort #1 am: 2.07.2010 | 10:02 »
Wie kreativ seid ihr denn so im Spiel? Was bedeutet Kreativität und Innovation im Rollenspiel für euch überhaupt? Wie würdet ihr Kreativität bewerten? Durch den SL, die Spieler, durch den Kreativen selber?

Kreativität im RP hängt für mich erst einmal eng mit der Gestaltung der Spielwelt in Form von Charakteren oder Schauplätzen oder Situationen/Entwicklungen zusammen (ich beschreibe z.B. die Wohnung meines Charakters). Zusätzlich dazu sehe ich noch Kreativität in der Gestaltung des Spielvorgangs oder der Hilfmittel beim Spielvorgang (z.B. Karten zeichnen, Homepages bauen, Musik zusammenmischen, etc. und Kreativität zur Lösung der sich im Spiel stellenden Herausforderungen und Konflikten (Taktik im Kampf z.B. - läuft i. d. R. unter  Aufnahme der Charakterperspektive). Diese verschiedenen, ich sag mal, Zielrichtungen von Kreativität hängen teilweise eng zusammen (z.B. Zeichnung des eigenen Charakters anfertigen). Grundsätzlich würde ich sagen, dass RP ohne Kreativität nicht funktioniert, bzw., vielleicht besser, dass Rollenspiel ein kreatives Hobby ist.

Zitat
Würdet ihe schon Kreative Ideen belohnen oder nur eine nutzbringende Umsetzung?
Eher ersteres, aber es könnte sein, dass auch der kreativste Einfall an dem kreativen Rahmen einer Runde (also der kreativen Agenda und der Vorstellung der Gruppe vom Flair der Spielwelt) vorbeigeht.

Zitat
Kreativitätsförderung baut darauf auf, das man Rahmenbedingungen für Kreativität schafft, sie belohnt und Kreativitätstechniken anwendet. Ich finde es interessant inwiefern man im Rollenspiel direkt kreativitätsfördernde Techniken einbauen kann. Habt ihr da Ideen?
Fanmail-System.
Aber eines, bei dem das Augenmerk nicht darauf gelegt wird, dass eine coole Aktion funktioniert ("Würfel mal... ah, der Hechtsprung unter der fahrenden Kutsche durch ist geschafft, nimm dir 'nen Dramawürfel"), sondern dass die Idee selbst für cool befunden wird ("Du willst im Hechtsprung unter einer fahrenden Kutsche durchspringen? Cool, nimm dir 'nen Dramawürfel") - das waren jetzt jeweils Beispiele aus dem Konfliktlösungsbereich, aber auch in den beiden Gestaltungsbereichen sind solche Dinge denkbar.
Auch eine Idee: Es wahrscheinlicher machen, dass kreativere Ideen im Spiel auch funktionieren (z.B. über Würfelboni für die Aktion, etc.)

Zitat
Für jeden Spieler ist ja was anderes neu und kreativ.
Hmm, weiß nicht. Für jeden Spieler ist sicher etwas anderes innovativ. Aber kreativ ist denke ich erstmal wertneutraler. Ich überlege nur grade, wie man den Unterschied deutlich kriegt.  :-\
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“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Yehodan ben Dracon

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Re: Kreativität im Rollenspiel
« Antwort #2 am: 2.07.2010 | 10:11 »
Die Kreativitätsbereiche von Jiba finde ich sehr gelungen.

Bei uns:
Kreativität als Gestaltung der Spielwelt ist derzeit noch in den Kinderschuhen. Über die Charaktererschaffung hinaus ist dieses Stilmittel nicht vorgekommen.

Kreativität im Spielvorgang/Hilfsmittel gibt es ausführlich in Form von Zeichnungen (Charakter, Gebäude, Ausrüstung), Tagebuch mit "in Game Speech", Gedichten, Kurzgeschichten.

Kreativität im Konfliktspiel beschränkt sich auf das übliche: Lösungsansätze und Interpretationen von Geschehen.

Wie kann man diese Bereiche fördern? Ja, Fanmail ist eine Möglichkeit. Die andere (von einigen gehasste) Möglichkeit ist die Belohnung durch XP. Ich fand es immer schon befremdlich, dass man XP Vergabe nach Einsatz als "erzieherische Maßnahme" mit Benachteiligung eher stiller Spieler kritisiert hat, aber die Fanmail Bewegung (die im Kern ja gar nichts anderes ist) befürwortet wird.
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Offline Lichtbringer

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Re: Kreativität im Rollenspiel
« Antwort #3 am: 2.07.2010 | 10:31 »
Ich lese die Beiträge vor mir mal mit voller Absicht nicht, um kein verzerrtes Bild abzugeben.

Also Spielleiter finde ich Kreativität sehr wichtig und als Spieler erwarte ich sie auch von meinem SL. Generell ist Rollenspiel für mich eine (wenn auch nicht die einzige) Möglichkeit, meine Kreativität auszuleben. Dabei finde ich es vor allem toll, wenn kreative Entwicklungen gar nicht von nur einer Person erdacht wurden, sondern sozusagen als Gemeinschaftsleistung der Schwarmintelligenz entstehen. (Wieso assoziieren wir Kreativität eigentlich immer als etwas, was in bloß einem Gehirn entsteht? Können sich nicht auch lauter unkreative Ideen von Einzelpersonen zu etwas ganz neuem zusammenfügen?)

Dazu eignet sich vor allem eine Spielatmosphäre, in der die Spieler das Gefühl haben, das ihre Ideen berücksichtigt und gewürdigt werde. Spezielle Techniken sind nicht unbedingt nötig, auch wenn sie schön sein können. Ich gebe meinen Spielern für sowas dann Münzen, mit denen sie sich jeweils etwas beliebiges in der Spielwelt wünschen können. Ich behalte mir dann Vetorecht vor, damit das Mittel nicht missbraucht wird, musste aber noch nie davon Gebrauch machen.

Offline Merlin Emrys

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Re: Kreativität im Rollenspiel
« Antwort #4 am: 2.07.2010 | 11:23 »
Zunächst:
Ist Kreativität der zentrale Punkt, oder ein Randthema, das kaum interessiert, oder was dazwischen?
Kreativität ist die Basis des Rollenspiels. Die Charaktererschaffung ist ja bereits eine "Neuschöpfung", andernfalls ist irgendwas grundlegend schiefgegangen. Die meisten Charakterhandlungen sind kreativ - andernfalls ist der Charakter ja nur ein Stereotypenbündel. Die Interaktion zwischen den Charakteren bietet Raum für Kreativität, die meisten Problemlösungsstrategien haben kreative Anteile (schon in der Anpassung auf die jeweils aktuelle Situation). Das Unkreativste ist wohl Draufprügeln als Würfelorgie: Da muß man gar nichts Eigenes einbringen.  

Für jeden Spieler ist ja was anderes neu und kreativ.
Man kann jede Anforderung so hoch hängen, daß sie keiner erfüllt; aber das ist nur in seltenen Fällen sinnvoll. Sobald ein Spieler sich an der Mitgestaltung der Handlung beteiligt, ist er kreativ tätig. Die einen sprühen schon davon, und das kann für die anderen in der Runde toll sein; andere sind eher etwas verhalten; aber wirklich gar nicht kreativ habe ich noch keinen Mitspieler erlebt, der sich einer Rollenspielrunde angeschlossen hatte.

Ich finde es interessant inwiefern man im Rollenspiel direkt kreativitätsfördernde Techniken einbauen kann. Habt ihr da Ideen?
Die mE entscheidenste Technik ist längst eingebaut, man muß sie nur einsetzen: Aufeinander eingehen. Eine tolle Idee, "aus der dann nichts geworden ist", ist im Rückblick eine Enttäuschung. Eine tolle Idee, die der Handlung eine neue Wendung gegeben hat, freut noch in der Erinnerung.

Wie würdet ihr Kreativität bewerten? Durch den SL, die Spieler, durch den Kreativen selber?
Was nun: wie oder durch wen? Aber im Grunde läuft es bei uns fast auf dasselbe 'raus, explizite Bewertungen gibt es eh keine. Wem die Idee gefällt, der geht darauf ein. Wenn es einen Handlungsschub gibt, war die Idee schöpferisch, denn sie hat ein Stück Weltgeschichte initiiert.
Deshalb würde ich auch von einer anderen Belohnung als der Aufnahme der Idee durch die Mitspieler eher abraten. Die, deren Ideen aufgenommen werden, sind i.d.R. belohnt genug. Und die anderen sollte man nicht enttäuschen. Obwohl...  vielleicht sollte man für jede besonders kreative Idee, die die Handlung in eine neue Richtung gelenkt hat, all den Spielern, die sie nicht hatten, Bennies o.ä. geben - als Starthilfe und Ermutigung, mehr zu wagen.
« Letzte Änderung: 2.07.2010 | 11:26 von Merlin Emrys »

ErikErikson

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Re: Kreativität im Rollenspiel
« Antwort #5 am: 2.07.2010 | 11:47 »
Ich meine mit Kreativität noch ein bisschen was anderes. Ich laber mal ein bisserl, sorry wenns ebes abgehoben wird.

Also Kreativitätkonzepte gibts ja verschiedene. Einerseits Kreativität als divergentes Denken im Vergleich zu Konvergentem Denken. Divergentes Denken ist eher so, das alles mögliche geht, bei konvergentem gibts nur wenige richtige Lösungen.
Hier gibt es wieder eine Verbindung zu Spielstilen-die ich nicht näher ausführen möchte, aus offensichtlichen Gründen.

Dann kann man 5 Basisfaktoren der Kreativität ausmachen: Ideenflüssigkeit (viele Einfälle), Flexibilität (Ideen aus verschiedenen Bereichen, aus unterschiedlichen Blickwinkeln), Originalität (Seltenheit, gänzlich Neues, aber nicht nur, sondern auch Qualität), Elaboration (Ausarbeitungsgrad einer Idee) und Problemsensitivität (Erkennen von Problemen).

Jetzt kann man sich sicher vorstellen, dass ein Spieler, der ständig irgendwelche undurchdachten und weing passenden Ideen (hohe Ideenflüssigkeit) produziert, eher nervt als hilft.

Dann gibt es die Frage, inwiefern die Gruppe und der einzelne kreativ ist. Und in welchem Bereich, die wurden ja schon schön unterschieden. Eher beim Charakterbauen, oder im Spieprozess?

Die These, dass Rollenspiel automatisch ein kreatives Hobby ist, möchte ich mal etwas anzweifeln. Vieles im Rollenspiel ist eher konvergentes Denken, das Finden einer richtigen Lösung für ein Problem. Beispielsweise das Folgen einer Spur in CoC. Wenig Ideenflüssigkeit und Originalität, man macht halt seine Standard-Recherche und kommt damit auch meist recht weit.

Methoden wie Belohnung des Ausspielens von Nachteilen finde ich dagegen sehr kreativ.
Problemsensitivität wäre bsp. wenn ein Charakter einen Nachteil ausspielt, weil er denkt, das dieser in der Situation auftreten würde, und wenn das Ausspielen des Nachteils auch noch der Gruppe gefällt und das Spiel bereichert, wäre es auch innovativ.

Ein Beispiel: Sagen wir mal, jemand stellt Computerspiele her. Wenn er immer nur das gleiche Spiel produziert, mit verbesserter Grafik und neuen Gimmicks und Zusatzspielen, dann ist das eher weniger kreativ. Wenn er viele verschiedene Genres bedient, neue Ansätze findet, Genres verbindet, oder ganz Neues macht wie etwas der Bullet Mode, dann ist das erst kreativ.
De Produktion eines FF Klons wäre also in diesem Verständniss von Kreativität nur begrenzt kreativ, auch wenn viel kreativer Input von den einzelnen Grafikern, Designern usw. kommt. Das Produkt an sich wird von uns nicht als kreativ bewertet. Andererseits ist es ja ein ganz neues Spiel mit eigener Welt, Charakteren, Spielmechanik. Selbst wenn viel davon abgekupfert ist, ist es doch ein kreatives Produkt. Wie ist das im Rollenspiel?

« Letzte Änderung: 2.07.2010 | 11:58 von Erik Erikson »

Offline Yehodan ben Dracon

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Re: Kreativität im Rollenspiel
« Antwort #6 am: 2.07.2010 | 11:50 »
Du weißt aber schon, dass Du studienbedingt vielen um einiges voraus bist, ja?  :-[
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Offline Jiba

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Re: Kreativität im Rollenspiel
« Antwort #7 am: 2.07.2010 | 12:00 »
Die These, dass Rollenspiel automatisch ein kreatives Hobby ist, möchte ich mal etwas anzweifeln. Vieles im Rollenspiel ist eher konvergentes Denken, das Finden einer richtigen Lösung für ein Problem. Beispielsweise das Folgen einer Spur in CoC. Wenig Ideenflüssigkeit und Originalität, man macht halt seine Standard-Recherche und kommt damit auch meist recht weit.

Aber nimm doch mal den ersten von meinen Kreativbereichen in den Blick: Spieler, die selbst Details in die Spielwelt einführen, sind kreativ. Spieler, die sich überlegen, wie sie ihren Charakter lebendiger darstellen und daher beginnen mit Akzent zu sprechen oder ihre Stimme verstellen, sind kreativ. Wushu ist mit seiner Narrative Truth wohl das beste Beispiel, was mir spontan einfällt, wenn es darum geht, ein kreatives Spiel zu benennen: man kann es auch nur ein paar Stunden am Stück spielen, bevor man kreativ vollkommen ausgebrannt ist (Erfahrungswert).
Aber: Vielleicht habe ich ein unwissenschaftliches Bild von Kreativität. Dann wären meine Ideen dazu aber wohl kaum hilfreich für dich und das Thema möglicherweise in der Rollenspieltheorie besser aufgehoben. :)

@Yehodan: Der Punkt bei Fanmail ist, dass die Belohnung direkt in Reaktion auf die Idee stattfindet und sie auf der Charakterverbesserungsebene keinen Vorteil bringt, sondern lediglich in der Spielwelt/im Spiel. Das ist was anderes.
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“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

ErikErikson

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Re: Kreativität im Rollenspiel
« Antwort #8 am: 2.07.2010 | 12:04 »
Aber nimm doch mal den ersten von meinen Kreativbereichen in den Blick: Spieler, die selbst Details in die Spielwelt einführen, sind kreativ. Spieler, die sich überlegen, wie sie ihren Charakter lebendiger darstellen und daher beginnen mit Akzent zu sprechen oder ihre Stimme verstellen, sind kreativ. Wushu ist mit seiner Narrative Truth wohl das beste Beispiel, was mir spontan einfällt, wenn es darum geht, ein kreatives Spiel zu benennen: man kann es auch nur ein paar Stunden am Stück spielen, bevor man kreativ vollkommen ausgebrannt ist (Erfahrungswert).
Aber: Vielleicht habe ich ein unwissenschaftliches Bild von Kreativität. Dann wären meine Ideen dazu aber wohl kaum hilfreich für dich und das Thema möglicherweise in der Rollenspieltheorie besser aufgehoben. :)

Unterschreib. Narrativ Truth halte ich auch für kreatvitätsfördernd. Wushu hab ich leider selber noch nie gespielt. Spieler die mit Akzent sprechen, sind auch auf jeden Fall kreativ. Allerdings nicht ewig. Wenn der Spieler seit Jahr und Tag mit dem gleichen Akzent ankommt, würde ich dass irgendwann nicht mehr als kreativ bewerten.
Na, lasst euch von der wissenschaftlichen Sprache bitte nicht abschrecken.

Offline Yehodan ben Dracon

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Re: Kreativität im Rollenspiel
« Antwort #9 am: 2.07.2010 | 12:05 »
@Yehodan: Der Punkt bei Fanmail ist, dass die Belohnung direkt in Reaktion auf die Idee stattfindet und sie auf der Charakterverbesserungsebene keinen Vorteil bringt, sondern lediglich in der Spielwelt/im Spiel. Das ist was anderes.

Ja, es ist die bessere, weil spontane Erziehung. Ob mir etwas im Spiel eine Aufgabe erleichtert und damit zum Erfolg bringt (Bennie, Fanmail) oder aber später meine Fähigkeiten allgemein verbessere, weil ich mehr XP bekomme ist jetzt kein so großer inhaltlicher Unterschied. Nur der Form nach.
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MadMalik

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Re: Kreativität im Rollenspiel
« Antwort #10 am: 2.07.2010 | 12:10 »
Im Rollenspiel freue ich mich immer über kreative, scheinbar zum Ziel führende Vorschläge und fördere diese auch. Kreativer als beim durchschnittlichen Onlineshooter wird's meist aber nicht, wobei letzteres meist kreativere Lösungen fordert da man mit viel restriktiveren Regeln arbeiten muss. Jeder kann sich was abgedrehtes, funktionales ausdenken wenn alles theoretisch funktionieren kann.

Offline Jiba

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Re: Kreativität im Rollenspiel
« Antwort #11 am: 2.07.2010 | 13:54 »
Im Rollenspiel freue ich mich immer über kreative, scheinbar zum Ziel führende Vorschläge und fördere diese auch. Kreativer als beim durchschnittlichen Onlineshooter wird's meist aber nicht, wobei letzteres meist kreativere Lösungen fordert da man mit viel restriktiveren Regeln arbeiten muss. Jeder kann sich was abgedrehtes, funktionales ausdenken wenn alles theoretisch funktionieren kann.

Ist doch super, wenn jeder das kann. Dann kann auch jeder dabei mitmachen.  :)
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“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

MadMalik

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Re: Kreativität im Rollenspiel
« Antwort #12 am: 2.07.2010 | 14:04 »
Find ich auch nicht schlecht, ganz im Gegenteil, den Anspruch setz ich aber in der Regel runter. Meist ist, wenn SL/Gruppe sich mit Thematik weniger auskennt fast schon das Sprachtalent des 'kreativen' Menschen wichtiger als die nützlichkeit/umsetzbarkeit seiner Idee... wobei man das natürlich auch unter Kreativität verbuchen könnte.  :D

Offline Merlin Emrys

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Re: Kreativität im Rollenspiel
« Antwort #13 am: 2.07.2010 | 14:11 »
Hm, mal schauen:

Ideenflüssigkeit (viele Einfälle)
Naja, wenn einer auf die von den anderen Spielern gestaltete Situation mit einer eigenen Handlung reagiert, hatte er wohl einen Einfall, was er jetzt tun könnte. Kreativ? Doch wohl ja.

Flexibilität (Ideen aus verschiedenen Bereichen, aus unterschiedlichen Blickwinkeln)
Okay, das muß nicht immer sein; aber schon, wenn ein Spieler auf eine Drohung mit einem Witz reagiert, hat er den Blickwinkel geändert. Kreativ? Ich würde sagen, ja.

Originalität (Seltenheit, gänzlich Neues, aber nicht nur, sondern auch Qualität)
Wo fängt das an? Ich halte dagegen: Gänzlich Neues gibt es fast nicht, nur Modifikation und neue Zusammensetzung. Neue Worte werden ganz, ganz selten fällig und sind dann meist Kombinationen gebräuchlicher Begriffe: Lap-top ist ein Kompositum wie Atom-kraft usw. Neue körperliche Handlungsweisen sind durch körperliche Optionen begrenzt; was die Gelenke und Muskeln nicht hergeben, ist nicht drin. Beim Rollenspiel kommt noch dazu oder wird das ersetzt dadurch, daß man Werte und Würfel hat, und was die nicht erlauben, geht nicht, ob es nun "neu" wäre oder nicht. Und der kleine Rest, wirklich neue Ideen, sind ein unheimlicher Glücksfall. Das meiste ist doch nur "das hat in der und der Situation schon geklappt und könnte hier auch wieder gehen" und Kombinationen aus Handlungselementen, die man vielleicht schon tausendmal geübt hat.
Wenn das eine notwendige Bedingung für Kreativität sein soll, gibt es pro Jahrhundert vielleicht fünf bis zehn kreative Personen. Und die spielen in aller Regel bestimmt kein Rollenspiel. Dann hilft dann aber jede Kreativitätsförderung in der eigenen Runde genau Null Komma gar nichts... Und die Kreativitätsförderungsdebatte wäre damit durch ein "Geht nicht." beendet :-( .

Elaboration (Ausarbeitungsgrad einer Idee)
Wenn man mal wieder ein bisschen auf den Boden zurückkommt, ist schon das Ausformulieren einer Idee in der "Ich"-Form eine Ausarbeitung eines Satzes... und wenn man zu viel ausarbeitet, geht man den andern schnell auf die Nerven, siehe Taktik-Debatten vor Einbrüchen in feindliches Gelände. Trotzdem würde ich sagen, wer sich einer Rollenspielrunde abschließt, neigt schon von sich aus dazu, seine Ideen auch auszuarbeiten, wenn man ihn nur läßt. Da wäre also noch ein drittes Ja.

Problemsensitivität (Erkennen von Problemen)
Naja, da hapert es zuweilen... Andererseits machen die Spieler das vielleicht dadurch wett, daß sie Probleme sehen, wo gar keine sind, zählt das auch? ;-)

Insofern sieht es wohl wirklichviel schlechter aus, als ich erwartet hätte: Streng genommen scheitert die Kreativität daran, daß man immer nur Versatzstücke hat, Klischees und Stereotypen, eingefahrene Sprachformen und ein Wertekorsett; Platz für Neues ist da so gut wie keiner und, mit Genies zu spielen, haben nur wenige das Glück. Damit reißen dann wohl auch die andern drei Punkte, die ich bei jedem Rollenspieler erwartet hätte, nicht mehr viel heraus...

Offline Irilar

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Re: Kreativität im Rollenspiel
« Antwort #14 am: 2.07.2010 | 16:32 »
Im realen Leben ist reine Kreativität wertlos. Nett zwar, aber es wird nicht belohnt.
Die Innovationen sind es, die erst Wert bringen.

Habe ich eine tolle Idee für ein Produkt, bringt das nix, solange ich das nicht irgendwie umsetze.
Wenn ich also z.B. eine Idee für einen neuen Musikspieler habe, der nicht bei jedem Schritt des Joggers aussetzt, ist das toll. Solange ich nicht Arbeit und Knowhow reinstecke, darf ich mich nicht beklagen, wenn jemand vor mir den MP3-Player auf den Markt bringt.

Des weiteren müssen bei aller Kreativität auch noch Begebenheiten bedacht werden, die der Umsetzung entgegenstehen. Sonst hätte derjenige, der das erste mal über kalte Fusion nachdachte, ja Recht auf Gewinnbeteiligung, wenn das irgendwann mal funktionieren sollte :D

Im RPG ist ne tolle Idee auch erst mal wertlos. Vielleicht sogar kontraproduktiv, wenn sie den "Fakten", also den bereits festgelegten Parametern der Spielwelt schlicht nicht entspricht, da dann innovative Energien der Spieler in den Sand fliessen.

Bei Spielern, die die Spielwelt nicht kennen, greife ich persönlich gerne bei der Innovation ihrer Kreativität unter die Arme. Also eigentlich immer, als SL in Erzählerfunktion hat man ja bereits einen Hintergrund im Kopf, und wenn man von dem nicht abweichen will/kann, kann man ja spätestens in der Implementierungsphase auf die Grenzen hinweisen.

Divergentes Denken ist mE im Exzess genauso kontraproduktiv wie konvergentes Denken. Wenn ich den Begriff richtig verstanden habe, kann sowohl das konzentrieren auf bewährtes als auch das Ignorieren von Randbedingungen das Spiel (oder irl das Leben) erschweren. Hier ist die richtige Menge an Information recht wichtig. Zuviel erzeugt Overload und (gefühlte) Grenzen (durch Barrieren), zuwenig ebenfalls (durch Optionenmangel)

Ob Ideenflüssigkeit nützlich ist, hängt wie EE schon schrieb stark von der Qualität dieser Ideen ab.

Flexibilität ist natürlich bei dem Innovationsprozess gefragt. Zuviel davon auf Seiten der SL führt allerdings mE zu einem Marie Su - Effekt, alles klappt. Zuwenig frustet. Oh, wie es frustet. Es ist durchaus für den Spieler bereits eine kleine Belohnung, wenn auf seine Ideen eingegangen wird. Entweder kann die Idee verwirklicht werden, oder durch zusätzlichen Input neues aufgegriffen werden. Aber ohne Probleme fehlt das Flow (Mihaly Csikszentmihalyi , auch für mich als Nichtpsychologen durch aus lesenswert gewesen)

Originalität ist immer gut. Gänzlich neues gibts zwar selten (wenn man alles einbezieht, gelle?) aber wenn es mir auf irgendeine Weise neu ist, werde ich gleich enthusiastischer. Aber zwanghafte Originalität nervt.

Gruppenkreativität: Wenn nur der einzelne kreativ ist, was macht dann der Rest? Wie kann bei einer Gruppenaktivität nur einer Kreativ sein? Macht das Spass? Man kann denken, notieren, etc, und dann einen Vollausgearbeiteten Plan liefern, den die SL stempelt. Fänd ich langweilig. Tatsächlich ist RPG immer Teamwork, wenn es mir Spaß machen soll.

Elaboration ist mE das zweitwichtigste. In einer Konversation mit den Mitspielern und der SL.

Problemsensitivität würde ich auf Platz Eins setzen. Wobei PS ja während der Elaboration in einzelnen Teilschritten nötig ist, zur Umsetzung von Flexibilität gebraucht wird, Ideen und Denken sortiert.

Bei allen diesen Kategorien sehe ich, das das rechte Maß wichtig ist.

Zum Thema Techniken ist der "Ja, aber" Dialog glaub ich das wichtigste. Aus SL-Sicht: Spieler kommen mit einer Idee und einem groben Plan zur Umsetzung. "Ja, aber"  und liefere Infos und Feedback, gerne auch erst während der Umsetzung. Das bringt hoffentlichi die kreativen Säfte ins fließen. Auf eine Konstruktive Art.

Ich halte Kreativität als Mittel zum Zweck für extrem wichtig.
Wenn meine Spieler nur meinem Plot folgen, interessieren sie sich dann überhaupt für die Welt, oder tun sie mir nur einen Gefallen?
Hier ist Kreativität ein Indikator für Interesse.

Wertung von Kreativität:
Als SL: Toll, der Spieler hat Interesse
Als Spieler: Toll, die SL hat Interesse
Durch den Kreativen: Toll wenn es etwas (vor allem gegen Widerstände) bringt, extrem frustrierend, wenn es abgewürgt wird.