Autor Thema: 50 Shades of Grey  (Gelesen 6006 mal)

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Offline Thorgest

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #25 am: 6.03.2015 | 21:30 »
Wer einen Film sehen will der sich dem Thema tatsächlich annähert, dem sei Tokio Dekadenz (1992) nahegelegt. Oh...eine Studentin... ::) aber immerhin 23 Jahre früher und deutlichst besser. >;D
Arbeiter, Bauern, nehmt die Gewehre, Nehmt die Gewehre zur Hand.
Zerschlagt die faschistische Räuberherde, Setzt eure Herzen in Brand!
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Dann steigt aus den Trümmern der alten Gesellschaft die sozialistische Weltrepublik!

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Offline ManuFS

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #26 am: 6.03.2015 | 21:48 »
50 things wrong with 50 Shades of Grey (Inhalt des Links im Spoiler; D/s steht für Dominant/submissive)

Eine Analyse von 50 Shadows of Grey, aus der Sicht einer BDSM praktizierenden Person:

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Online Kurna

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #27 am: 6.03.2015 | 23:59 »
Mitspieler erzählte mir, dass er in dem Film drin war. Sein Kommentar dazu:Er habe noch nie erlebt, dass so viel Potenzial SO verschenkt wurde.

Ihm war auch nicht klar, dass der Film auf einer ehemaligen FF zu Twilight basierte und meinte daraufhin: Kein Wunder, hab mir die ganze Zeit gedacht, als Vampir wäre Grey nicht so farblos.

Als Vampir wäre er sogar richtig goldig.  ;D
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Offline Conan der Barbier

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #28 am: 7.03.2015 | 10:25 »
Der Tenor der Beiträge hier bestätigt mir, was ich nach der unentrinnbaren "Welch prickelnd-verderbte Romanze wird uns erwarten"-Kampagne von Spekulationen auf allen möglichen Webseiten schon vermutet hatte: Der Film hat eine ganz entschiedene sadomasochistische Komponente, nämlich die Beziehung zwischen Filmemachern und Publikum 8]

Naja, was will man auch von einem Buch erwarten, das als Fanfic für Twighlight geschrieben wurde und Anastacia und Grey eigentlich Bella und Edward hießen.  ;D

Das war mir neu, erklärt aber für mich so einiges. Denn soweit ich mich erinnere, war das doch die Story eines Feenstaub-Glitzervampirs, dem eigentlich nur noch die weiße Zipfelmütze fehlte, wenn er sein täglich Blut schlumpfte, während dazu Vierzehnjährige verliebt in ihre Zahnspangen seufzten... ::) Und was bitteschön soll auch anderes als eine herbe Enttäuschung herauskommen, wenn man Fanfic zu einem Kinderfilm hernimmt und das für Erwachsene zu adaptieren versucht?

Alles in allem danke an alle Vorredner, denn nun weiß ich von einem Film mehr, den ich angesichts meiner begrenzten und somit kostbaren Lebenszeit unbedingt meiden sollte ;D
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Offline Thandbar

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #29 am: 7.03.2015 | 10:41 »
Ich kenne beide Romanreihen nicht genau. Bei Twilight aber dreht sich, soweit ich weiß, alles um die Protagonistin. Wie Gestirne kreisen die Verehrer um die Auserwählte herum (es gibt da wirklich diese aufdringliche Planetenmetaphorik, worin der Werwolf der Mond und der Vampir - seltsamerweise - die Sonne ist).

In 50 Shades kommt es mir so vor, als würde die Heldin unter demselben Helferkomplex leiden, den Robin Norwood seinerzeit in ihrem Bestseller "Wenn Frauen zu sehr lieben" skizzierte. Sie will ihm aus der Hölle seiner eigenen Dämonen herausziehen und nimmt dabei selbstaufopfernd alles an Gewalt und Missachtung in Kauf, weil sie sich ganz dem Ziel unterordnet, den Partner vor sich selbst zu retten. Sie ordnet sich also doch dem männlichen Partner letztlich unter.
Geht so in Richtung Ko-Abhängigkeit, glaube ich.
"Du wirst direkt in diesem Moment von einer Zilliarde grünkarierter Kakerlakeneinhörner in Tweedanzügen umzingelt, die mit Fallschirmen aus gebeiztem Vanillepudding aus der nächstgelegenen Dattelpalme springen und dich zu ihrer Avonberaterin krönen - und die Krone ist aus Dr. Frankensteins bösartig mutiertem Killernougat! Streich dir 78000 Hirnschadenspunkte ab und mach sofort eine Jodelimprovisation!"

Offline Oberkampf

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #30 am: 7.03.2015 | 14:00 »
Ich muss zugeben, dass ich auch beide Romanreihen bzw. Verfilmungen, Twillight und 50 Shades, nicht kenne und mir deshalb kein Urteil erlauben sollte, außer vielleicht dem, dass ich nach allem, was ich darüber gehört habe, kein Interesse habe, mir das zum reinen perversen Vergnügen anzutun (so masochistisch wie der im Postillon beschriebene Mann bin ich wohl nicht, und ich habe auch Pretty Woman und Titanic nicht gesehen  ;) ), aber bekanntermaßen hindert ja Unkenntnis nicht vor Verabscheuung Urteilsbildung. 

Mir scheint es so zu sein, als sei 50 Shades eine Märchenvariante: Nettes, gutes Mädchen bezähmt durch ihre Hingebung das Biest, dass sich als gut aussehender und vermögender Traumtyp entpuppt. Um die Geschichte etwas moderner zu machen, werden die schlechten Eigenschaften des Biests statt mit Magie mit seiner schlimmen Kindheit erklärt und in eine BDSM-Ausprägung gehüllt, die verbergen soll, dass eigentlich häusliche Gewalt und Stalkerverhalten beschrieben wird.

Interessanterweise stieß das Buch ja trotzdem auf ein riesiges Publikum, obwohl sich Literaturexperten einige sind, dass es sprachlich nicht in die Oberliga gehört und praktizierende BDSM-Experten mit den Augen rollen. Das finde ich aber nicht verwunderlich, denn diese beiden Gruppen sind offensichtlich nicht das Zielpublikum von Buch und Film, sowenig professionelle Kriminalisten und/oder Literaten das Zielpublikum von Edgar-Wallace-Krimis sind.
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Offline 1of3

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #31 am: 7.03.2015 | 14:18 »
Zitat
Das finde ich aber nicht verwunderlich, denn diese beiden Gruppen sind offensichtlich nicht das Zielpublikum von Buch und Film, sowenig professionelle Kriminalisten und/oder Literaten das Zielpublikum von Edgar-Wallace-Krimis sind.

Den Vergleich finde ich schwierig. Denn anders als tatsächliches Sexualverhalten ist Polzeiarbeit in der Gesellschaft nicht tabuisiert. Falschdarstellungen sind also bei Krimis vergleichsweise weniger gefährlich, zumal niemand auf die Idee kommen könnte, das zu Hause nachzumachen.

Offline Oberkampf

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #32 am: 7.03.2015 | 14:49 »
Den Vergleich finde ich schwierig. Denn anders als tatsächliches Sexualverhalten ist Polzeiarbeit in der Gesellschaft nicht tabuisiert. Falschdarstellungen sind also bei Krimis vergleichsweise weniger gefährlich, zumal niemand auf die Idee kommen könnte, das zu Hause nachzumachen.

Den Einwand kann ich teilweise akzeptieren, speziell da ich ja selbst den Edgar-Wallace-Vergleich gebracht habe, wo die Rollenverteilung zwischen guter Polizei und bösen Verbrechern noch eindeutig klar getrennt und schwarz-weiß gefärbt ist.

Aber wie sieht es mit den Krimis aus, in denen die Verbrecher zu Helden werden - manchmal nur in einzelnen Kapiteln, hin und wieder aber durch das ganze Buch (Patricia Highsmithes Tom Ripley z.B., oder Hannibal Lecter)? In dem Fall nehme ich auch nicht an, dass dahinter eine Billigung, geschweige denn Aufforderung zu entsprechendem Handeln steckt, sondern eben eine Phantasiegeschichte.

Oder: Es gibt jede Menge Romantisierungen des "bösen Buben" - warum ist E. L. James' Stalker abstoßender als andere?
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Offline ManuFS

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #33 am: 7.03.2015 | 14:54 »
Weil Vergewaltiger keine Helden sind. Punkt.
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Offline Nocturama

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #34 am: 7.03.2015 | 15:22 »
Oder: Es gibt jede Menge Romantisierungen des "bösen Buben" - warum ist E. L. James' Stalker abstoßender als andere?

Abgesehen davon, dass ein "böser Bube" in der Hand einer so schlechten Autorin wirklich monströs wird, sehe ich das Hauptproblem in der Präsentation und zitiere mich mal selbst:
Zitat
The problem with 50 Shades is how it was (and is) framed in advertisement and media coverage. If it were presented as somebody's transgressive porn fantasy, I wouldn't mind it as much. Hey, everybody has weird fantasies, and as long as they stay fantasies, everything is fine.

But 50 Shades, with the sex toys line, and the constant barrage of magazines with the newest tips on how to put more 50 Shades in your sex life, and the articles on how to find your own Christian Grey... well, it intentionally blurs the line between fact and fantasy. It pretends that the relationship presented in the book is desirable in real life.
A lot of people point at this book and say: "See? That's what women want! That is your role model!" It's really sad, but not totally surprising somebody took them seriously.

Wie gesagt, ich lese/spiele auch Romanzen, die nichts mit echten Beziehungen zu tun haben und ich gehe davon aus, dass die meisten Leser den Unterschied kennen. Aber bei 50 Shades ist die Quote der Leser, die "ihren eigenen Christian Grey suchen" erschreckend hoch. Dazu passt dieser Artikel aus der Mary Sue: I dated Christian Grey.

Jenny Trouts (die selber Romance Fiction schreibt!) Lesung des Romans hatte ich schon mal verlinkt. Wer sich informieren will, ohne gleich das ganze Buch zu lesen, dem sei das empfohlen. Alternativ auch bei der Pervocracy, wenn man die Perspektive eines BDSM-Fans möchte.
Sehr schön, wie Jenny Trout mit "haha, das schlechte Englisch" anfängt und immer deprimierter wird, je länger sie liest. Hier macht sie eine schöne Zusammenfassung ihrer Argumente gegen das Buch. Die meisten davon finde ich sehr nachvollziehbar.
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Offline Oberkampf

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #35 am: 7.03.2015 | 17:48 »
Zitat
The problem with 50 Shades is how it was (and is) framed in advertisement and media coverage. If it were presented as somebody's transgressive porn fantasy, I wouldn't mind it as much. Hey, everybody has weird fantasies, and as long as they stay fantasies, everything is fine.

Ok, erstmal soweit, das ist der Punkt, den ich problemlos mitgehen kann und auf den ich eigentlich hinaus will. Jeder Mensch kann irre Phantasien haben, selbst gefährliche, aber solange die Phantasien bleiben, ist das ok. Was nicht heißt, dass ich persönlich nicht einige Phantasien abstoßend finde und auf keinen Fall lesen oder sonstwie mitgeteilt bekommen möchte.

(Jenny Trout sieht das wohl ähnlich, dass sie kein Problem mit dem Buch hätte, solange es nur eine Phantasiegeschichte ist.)

Zitat
But 50 Shades, with the sex toys line, and the constant barrage of magazines with the newest tips on how to put more 50 Shades in your sex life, and the articles on how to find your own Christian Grey... well, it intentionally blurs the line between fact and fantasy. It pretends that the relationship presented in the book is desirable in real life.

Das ist ein völlig anderes Problem, und wenn es wirklich das Problem mit dem Buch/Film ist, dann stimme ich Dir zu.

Aber erstmal geht es mir darum, die Grenze zwischen Phantasiegeschichte und "Realen Wünschen" und erst recht einem "Manifest" aufrecht zu erhalten. Wenn ich mich dazu durchringen könnte, 50 Shades zu lesen, würde ich es als Phantasiegeschichte lesen, nicht als Ausdruck realer Wünsche. Vielleicht haben die Autorin oder ihre Leserinnen starke Unterwerfungsphantasien, obwohl ich eher glaube, es bedient die "Nettes Mädchen zähmt bösen Buben durch teilweise Unterwerfung"-Phantasie.
(Real finde ich diese Zähmungs-Phantasie übrigens viel gefährlicher, als eine Unterwerfungssehnsucht, denn sie scheint mir viel eher die Basis häuslicher Gewalt oder familiärer Ko-Abhängigkeit zu sein.)

Allerdings möchte ich davor warnen, aus einer Unterwerfungsphantasie, selbst einer zu Papier gebrachten, zu folgern, dass die Autorin oder ihre Leserinnen und Leser diese auch in der Wirklichkeit umsetzen wollen. Erst recht darf man daraus nicht folgern, dass die geäußerte Phantasie eine Aufforderung ist, die Realität so zu gestalten, wie es im Buch beschrieben steht. Natürlich gibt es Bücher (und Autoren und Leser) die das möchten und soetwas als politische Propaganda schreiben (als prominentes Beispiel fällt mir dann immer Ayn Rand ein), aber erstmal ist sprachlich schlechte Unterhaltungsliteratur genau das: Unterhaltungsliteratur.

Kurzum: Mir scheint das eigentliche Problem nicht das Buch zu sein, sondern die Vermischung von Phantasie, Realität, realen Wünschen und Aufforderung zum Nachmachen. Dann muss man aber auf die Vertriebswege schauen und einen Blick auf die Leute werfen, die auf den Zug aufspringen - und man muss sich vielleicht auch mal anschauen, welche Leute das Buch lesen, welche Erwartungshaltungen welches Publikums E. L. James bedient usw.

Zitat
A lot of people point at this book and say: "See? That's what women want! That is your role model!" It's really sad, but not totally surprising somebody took them seriously.

Ist das so?
Aus den Auszügen, die ich bei Jenny Trout gelesen habe, scheint die Protagonistin nicht immer begeistert zu sein von dem, was Mr. Grey macht - das sie alles will, davon kann also nicht unbedingt die Rede sein. Ironischerweise eine der Kritiken aus der BDSM-Fraktion.

Es erscheint mir, wie schon gesagt, eher eine Situation zu sein, in der eine Frau etwas über sich ergehen lässt, weil sie hofft, den Mann "erlösen" zu können. Das ist tatsächlich ein gefährliches Rollenmodell - aber das wäre es auch ohne die BDSM-Anleihen. (Ich glaube leider auch, dass es ein sehr populäres Rollenmodell ist, das es immer noch vielen Frauen erschwert, aus Missbrauchsbeziehungen auszusteigen oder professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, aber es ist viel verbreiteter als nur in 50 Shades.)


Wie gesagt, ich lese/spiele auch Romanzen, die nichts mit echten Beziehungen zu tun haben und ich gehe davon aus, dass die meisten Leser den Unterschied kennen. Aber bei 50 Shades ist die Quote der Leser, die "ihren eigenen Christian Grey suchen" erschreckend hoch.

Was steht in hypothetischen Artikel im Stil von "Finde deinen eigenen Mr. Grey"? Was sollte drin stehen? Nun, ersteres kann ich nicht beantworten, weil ich nie einen gelesen habe, aber zu letzterem würde ich sagen, da sollte drin stehen, dass a) Fiktion und Realität getrennt bleiben sollen, b) Milliardäre nicht hinter jeder Ecke lauern und c) es einiges an Regeln, Absprachen und Kenntnissen bedarf, um BDSM safe, sane & consensual zu praktizieren. Dazu unten mehr.

Wer liest 50 Shades? Der eigentlich interessante, ja erstaunliche Punkt ist doch, dass es trotz aller sprachlichen Schwächen, trotz der Beschreibung von häuslichem Missbrauch, trotz der verzerrten Darstellung des BDSM ein riesiges Publikum gefunden hat. Sind das alles Idioten? Wollen die wirklich so leben wie die Protagonisten? Warum gibt es dieses Bedürfnis nach einem Mr. Grey, und wie real ist es?

Verwechselt man da auch nicht Ursache und Wirkung? Schon allein wenn man einen Blick auf die Fanfiction-Herkunft dieses Buches wirft, kann man doch davon ausgehen, dass ein Wunsch nach Geschichten über Stalker und Opfer verbreitet ist, ob die nun Christian Grey oder Edward heißen. Aber sind diese Leser besonders leicht Opfer (oder Täter) häuslicher Gewalt?

Dazu passt dieser Artikel aus der Mary Sue: I dated Christian Grey.

Der von Dir verlinkte Mary Sue Artikel ist ein ganz zweischneidiges Schwert. Dessen Autorin hat in einer missbräuchlichen (abusive) BDSM-Beziehung gelebt und insofern ihren realen Christian Grey getroffen. Sie kritisiert, dass eine missbräuchliche Beziehung - oder treffender häusliche Gewalt (domestic violence) und Stalking - im Film als romantisch dargestellt werden.
Nun, da die Autorin selbst so eine emotional und physisch missbräuchliche Beziehung im BDSM-Umfeld erlebt hat, kann wohl festgehalten werden, dass solche Fälle von Misshandlung auch im BDSM-Umfeld vorkommen. Anscheinend ist nicht alles Safe, Sane & Consensual.

Klar, wer soetwas erlebt hat, ist erschüttert darüber, dass sexuelle Gewalt (und soweit ich das sehe, ist es genau das, was Mr. Grey tut) in E. L. James Geschichte als positiv oder verzeihbar, entschuldbar, hinnehmbar dargestellt wird. Aber da muss man eben nochmal schauen, was will E. L. James erzählen? Sie beschreibt keine realen BDSM-Erfahrungen ("Wie ich meinen Dom kennenlernte"), verfasst keine BDSM-Anleitung ("Wie man sein Sexualleben um BDSM bereichert") und erst recht keine Warnung ("Wie man Missbrauch in einer D/s Beziehung vorbeugt"). E. L. James erzählt Beauty & the Beast mit BDSM-Kostümen.

Den ganzen Beauty & the Beast Geschichten liegt eine glorifizierte weibliche Opferrolle zugrunde. Nicht nur bei E. L. James. Nicht nur bei 50 Shades of Grey. Vergesst die BDSM-Kostüme. Vergesst die schlechte Sprache.

Nochmal zur Klarstellung: Ich mag dieses Buch und die entsprechenden Genres nicht. Ich kenne es nicht und werde es wegen meiner Abneigung dagegen auch wahrscheinlich nicht lesen. Was ich aus den kritischen Artikeln gelesen habe reicht mir als Abschreckung. Mein Eindruck ist jedoch, dass die Kritiken am falschen Punkt ansetzen. Es ist, als würde man bei einem schlecht geschriebenen Sci-Fi-Abenteuer-Roman, bei dem u.a. ein FTL-Raumschiff vorkommt, kritisieren, dass FTL in der Realität nicht funktioniert und außerdem die Sprache des Buches das Ausdrucksniveau eines 14jährigen unterläuft und daraus folgert, dass Raumfahrts- und Abenteuergeschichten allgemein blöd sind.
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Online Sashael

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #36 am: 7.03.2015 | 18:21 »
Huntress, die Autorin und ihr Verlag bewerben das Buch recht offen damit, dass es Frauen sexuell "befreit".
E.L. James hat kritische Stimmen auf ihrem Blog ausgeschaltet, ohne sich auf irgendeine Diskussion einzulassen, weil sie mit ihrer Meinung natürlich Recht hat und alle anderen verklemmte Spießer sind.

Die Grenze von Fiktion und Realität scheint besonders im Kopf von Frau James doch ziemlich verwaschen zu sein.
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AcevanAcer

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #37 am: 7.03.2015 | 18:27 »
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Offline Nocturama

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #38 am: 7.03.2015 | 18:40 »
Genau, das Marketing ist ein großes Problem, weil hier eben so getan wird, als würde die Missbrauchsbeziehung erstrebenswert sein. Ich bin mir auch nicht ganz sicher, wo du mir widersprichst, Huntress, weil ich dir in den meisten Punkten zustimmen würde.

Der englische Kommentar von mir war übrigens zu einem Fall, in dem eine Vergewaltigung mit Nachahmung des Buches gerechtfertigt wurde. Was jetzt nicht heißen soll, das man dem Buch die Schuld geben sollte, aber es ist eben unglaublich wichtig, klarzustellen, dass Frauen - auch wenn sie solche Fantasien haben - das eben nicht in echt wollen. Eine 50 Shades-Beziehung ist purer Horror - und das war der Punkt des Mary Sue-Artikels. Christian Grey in echt? Absolut schrecklich.
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Offline Urias

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #39 am: 7.03.2015 | 19:01 »
Meine unqualifizierte Meinung: 50 Shades is was für Leute denen Nymphomaniac zu hart ist  :gasmaskerly:
Ohne Gott ging es nicht weiter, und so hab ich mich entschieden, / meiner ist jetzt der Alkohol. / Ich trank ein paar Schlücke und ich fand meinen Frieden / und ich fühlte mich kurzfristig wohl. - Joint Venture, Der trinkende Philosoph

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #40 am: 7.03.2015 | 20:37 »
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Offline Orakel

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #41 am: 7.03.2015 | 20:41 »
Das war mir neu, erklärt aber für mich so einiges. Denn soweit ich mich erinnere, war das doch die Story eines Feenstaub-Glitzervampirs, dem eigentlich nur noch die weiße Zipfelmütze fehlte, wenn er sein täglich Blut schlumpfte, während dazu Vierzehnjährige verliebt in ihre Zahnspangen seufzten... ::) Und was bitteschön soll auch anderes als eine herbe Enttäuschung herauskommen, wenn man Fanfic zu einem Kinderfilm hernimmt und das für Erwachsene zu adaptieren versucht?

Als das Buch gerade groß rauskam wurde doch gerade auf dem Punkt, dass die 50 Grautöne ursprünglich mal "Master of the Universe" hießen, mehr als genug rumgeritten. (Ging zumindest durch die wichtigsten Presseorgane. So bin ich selbst auch über die Buchreihe gestolpert... und habe den Fehler gemacht sie zu lesen.)
Das würde Laws zu mir sagen: Method Actor 75%; Storyteller 75%; Specialist 58%; Tactician 58%; Casual Gamer 25%; Power Gamer 25%; Butt-Kicker 17%

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Offline Conan der Barbier

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #42 am: 7.03.2015 | 21:19 »
Das glaube ich gern. Aber ich konnte wie gesagt nur der allgegenwärtigen Bilder-, Spekulationen- und Andeutungsflut nicht entgehen, die man unaufgefordert um die Ohren gehauen bekam - weiter recherchiert habe ich mangels Interesse nicht. Und es hätte sich nach dem, was ich hier gelesen habe, für mich auch nicht gelohnt  ;D
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Offline BobMorane

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #43 am: 19.03.2015 | 11:53 »
Ja, zumindest in Buchform ist es nur eine Schilderung, wie sich Klein Lieschen Frau James halt so vorgestellt hat mit dem BDSM. Als Kinkvorlage ist es bestenfalls untauglich, schlimmstenfalls verletzt sich jemand, weil er den Blödsinn nachstellt.

Mal ganz abgesehen davon, dass BDSM noch nicht mal als eine Spielform präsentiert wird, die Spaß macht. Anastasia hat sogar ganz entschieden keinen Spaß daran. Sie macht nur mit, weil Christian halt so eine Zickendiva* männlich und sexy ist und sie hofft, auch mal mit ihm kuscheln zu dürfen. Und er wurde als Kind missbraucht oder [dramatische Backstory], deshalb deshalb ist er so beschädigt und weinerlich düster und kann nur noch SM  ::)

Da sind wir bei der Missbrauchsbeziehung noch gar nicht angekommen, die von Zeitschriften und Blogs als "was Frauen wollen" dargestellt wird...

(Und ich schreibe das als jemand, die sowohl ordentlichen Porn wie auch trashig-unrealistische Romanzen durchaus zu schätzen weiß. Aber das Buch... neee, das geht gar nicht an mich.)



*Ich bin ehrlich erstaunt, dass er sich nicht irgendwann auf den Boden wirft und schreit: "Ich will aber! Ich halte so lange die Luft an, bis ich meinen Willen kriege!"

Made my day  :d ;D

Offline BobMorane

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Re: 50 Shades of Grey
« Antwort #44 am: 19.03.2015 | 11:56 »
@Huntress
Ich habe selber Dialoge erlebt die in etwa so verliefen.

"Ich lese gerae 50 Shades of Grey."
"Kenn ich nicht. Ist das nicht was mit BDSM?"
"Ja genau, da stehen alle Regeln drin wie es geht."

I rest my case.