Gesualdo. Italienischer Fürst (1566 - 1613), der aus Eifersucht seine Frau umgebracht hat. War außerdem Komponist und stand stilistisch zwischen Renaissance und Barock. Er ist nicht nur aufgrund seines Verbrechens berühmt berüchtigt, sondern auch aufgrund seiner Dissonanzen und überraschenden Tonartwechsel, die in dieser Form in seiner Zeit äußerst ungewöhnlich waren.
Seine Tenebrae Responsorien (von 1611) sind eine Reihe von Gesängen zur Passionszeit. Seine gewagten Harmonien finden sich besonders bei den Textstellen, wo es um Jesu Schmerz und Leid geht. Das vielleicht bekannteste Stück der Sammlung ist das zweite Responsorium mit dem Titel "Tristis est anima mea".
Tristis est anima mea usque ad mortem: sustinete hic, et vigilate mecum; nunc videbitis turbam, quae circumdabit me: Vos fugam capietis, et ego vadam immolari pro vobis.
Ecce appropinquat hora, et Filius hominis tradetur in manus peccatorum. | Meine Seele ist betrübt bis zum Tod: bleibet hier und wachet mit mir; bald seht ihr die Rotte, die mich umstellen wird: Ihr werdet die Flucht ergreifen, ich aber gehe hin, mich zu opfern für euch.
Sehet, es ist gekommen die Stunde, da des Menschen Sohn überliefert wird in die Hände der Sünder. |
Gesualdo hat für jeden Textabschnitt eine eigene Strategie. Im ersten Teil (bis 1´04´´) erklingt eine typische Renaissance Polyphonie. Die einzelnen Stimmen werden unabhängig voneinander geführt und ergeben eine Art Klangwolke, die aber bereits ein paar harmonische Überraschungen bereithält. Jesu Aufforderung an seine Jünger, sie mögen bei ihm wachen ist homophoner gehalten. Die Stimmen laufen zusammen, der Text wird verständlicher, die Bitte wird eindringlich dargestellt (1´05´´ - 1´20´´). Dann folgen wieder polyphonere Passagen, die das dramatische und unübersichtliche Geschehen verschiedener Menschengruppen darstellen: erst rotten sich Jesu Feinde nach und nach um ihn herum zusammen (1´21´´ - 1´43´´), dann erklingen schnelle Passagen, in denen er berichtet, wie seine Jünger fliehen (1´44´´ - 1´54´´). Von 1´55´´ - 2´47´´ folgt die Passage, bei der Jesus davon spricht, dass er sich für seine Jünger opfern wird. Sie ist wieder homophoner und damit verständlicher gestaltet, es geht immerhin um das Zentrum der Passionsgeschichte. Dieser Moment ist eine dieser typischen Gesualdo-Stellen, für die er berühmt ist: chromatisch abwärtsgeführte Akkorde mit ein paar Dissonanzen angereichert, die einem den Boden unter den Füßen wegziehen - hohes Gänsehautpotential. Der abschließende Kommentar seiner Anhänger (2´48´´ - 3´29´´) ist wieder etwas harmloser gestaltet, ein paar überraschende Tonartwechsel gibt es aber auch hier. Und weil es so schön war, wird am Ende die Passage mit den fliehenden Jüngern (3´30´´ - 3´39´´) und Jesus Opfer (3´40´´ bis zum Schluss) nochmal wiederholt.
Aufnahmen gibt´s einige gute: die vom Nederlands Kamerkoor gehört für mein Empfinden dazu.
Gesualdo: Tristis est anima mea