The Beatles: Strawberry Fields ForeverLet me take you down
'Cause I'm going to Strawberry Fields
Nothing is real
And nothing to get hung about
Strawberry Fields forever
Living is easy with eyes closed
Misunderstanding all you see
It's getting hard to be someone
But it all works out
It doesn't matter much to me
Let me take you down
'Cause I'm going to Strawberry Fields
Nothing is real
And nothing to get hung about
Strawberry Fields forever
No one I think is in my tree
I mean it must be high or low
That is you can't, you know, tune in
But it's all right
That is I think it's not too bad
Let me take you down
'Cause I'm going to Strawberry Fields
Nothing is real
And nothing to get hung about
Strawberry Fields forever
Always, no sometimes, think it's me
But you know I know when it's a dream
I think I know I mean a yes
But it's all wrong
That is I think I disagree
Let me take you down
'Cause I'm going to Strawberry Fields
Nothing is real
And nothing to get hung about
Strawberry Fields forever (3x)
Von diesem Text verstehe ich erstmal nicht allzu viel. Also recherchiere ich etwas.
„Strawberry Fields“ ist ein Waisenhaus in der Nähe des Ortes, an dem John Lennon aufgewachsen ist und in dessen Nähe er sich häufig herumgetrieben hat. „Strawberry Fields Forever“, das heißt wohl, dass man dieser Herkunft in Armut nicht entkommen kann. John Lennon nimmt uns Hörer an die Hand und zeigt uns den Ort.
Die erste Strophe ist noch halbwegs verständlich. Der Sänger muss damit rechnen, in seinem Leben auf keinen grünen Zweig mehr zu kommen. Er versteht seine Lage aber gar nicht richtig, nimmt´s leicht und zuckt mit seinen Schultern.
Dann kommt die Strophe mit dem Baum. Ich habe gelesen, dass „be out of one´s tree” in etwa mit „nicht mehr alle Tassen im Schrank haben“ gleichgesetzt werden kann. Wenn der Sänger also behauptet: „No one I think is in my tree”, dann sagt er vielleicht, dass er nicht ganz richtig im Kopf ist. Der weitere Verlauf des Textes scheint diese Deutung nahezulegen, denn die Aussagen des Sängers werden zunehmend widersprüchlicher, heben sich gegenseitig auf und enden schließlich in hilflosem Gestammel.
Das klingt nicht nur nach der Einsamkeit eines Waisenhauses und einem Leben in Armut, es deutet sich auch eine handfeste Identitätskrise an.
Alles wäre also ganz schrecklich, wenn sich der Text aufgrund seines Surrealismus´ nicht auch ganz anders verstehen ließe.
"Strawberry Fields" ist nicht nur ein Waisenhaus, es sind Felder voller leckerer Erdbeeren und der Text ist bei allen sich aufdrängenden Problemen auch immer wieder durchsetzt von aufmunternden Selbstzusprüchen: „It all works out“, „it´s all right“, „I think it´s not too bad“.
Was ist denn nun gemeint? Ich denke, beides. „Strawberry Fields“ ist ein Waisenhaus, dem man nicht entkommen kann. Direkt nach seiner Erwähnung heißt es aber: „Nothing is real“. Was also zeigt uns John Lennon hier noch?
Wechseln wir ein wenig den Blickwinkel. „Strawberry Fields Forever“ zählt zu den psychedelischsten Songs, die die Beatles eingespielt haben. Was ist das eigentlich: „psychedelisch“? Das Wort wird für bekanntermaßen für Musik verwendet, die unter LSD Einfluss entstanden ist. Aber was heißt das? Gibt es irgendeine bestimmte Eigenschaft, die unter LSD-Einfluss entstandene Musik besitzt? Welche?
Albert Hofmann, der Entdecker des LSD, hat sich freundlicherweise einem Selbstversuch unterzogen, bevor er die Droge öffentlich bekannt machte. Er beschreibt drei Wirkungen: (1) Verlust des Zeitgefühls, (2) Verlust des Selbst und (3) Intensivierung des Lebensgefühls. Probieren wir´s mal damit!
Wir bleiben noch einen Moment am Text. Zum verlorenen Zeitgefühl fällt sofort ein Bezug ins Auge: „Forever“. Ob Waisenhaus oder Erdbeerfeld – die Zeit scheint dort stillzustehen. Was ist mit dem Verlust des Selbst? Schauen wir in die letzte Strophe: Traum oder Wirklichkeit, Zustimmung oder Ablehnung, Kommunizieren oder Fantasieren – letztlich zeigt sich, dass John Lennon seiner selbst nicht mehr sicher ist. Was er eigentlich sagen will, scheint er selbst nicht zu wissen. Und das intensivierte Leben? Ich stelle mir vor, wie es ist, wenn ich in Erdbeerfeldern stehe, die bis zum Horizont reichen – manchmal wäre ich auch gern dort.
Hören wir ein wenig der Musik zu. Der Song beginnt, indem Paul McCartney auf dem Mellotron ein weich klingendes Intro spielt. Die Atmosphäre ist verträumt, vielleicht ein bisschen melancholisch, der abwärts geführten Linien wegen. Die Akkorde sind nicht allzu aufsehenerregend. Gleich zu Beginn erklingt ein wenig Chromatik, die aber nicht den Rahmen des Üblichen verlässt. Am Ende des Intros ist der Zentralklang B-Dur erreicht, die Band kann loslegen.
Zunächst folgt der Refrain. Eine Gitarre spielt einen längeren Liegeakkord, darüber singt John Lennon seine ersten Worte. Damit beginnt eine interessante Reise in harmonische Gefilde, die die Popmusik nicht allzu häufig aufsucht. Direkt nach dem anfänglichen Liegeakkord erklingt die V. Stufe in Moll. Lennon singt dazu „´cause I´m going TOOO STRAWBERRY FIELDS“. Die Molltonart verleiht dem Namen des Waisenhauses hier einen düsteren, ominösen Klang. Es wird deutlich: das ist ein fragwürdiger Ort. Für den nächsten Vers verwendet John Lennon fast dieselben Töne („Nothing is real“), legt aber einen völlig anderen Akkord darunter. Damit ist das Grundproblem schon auf dem Tisch. Denn wenn hier auf „Strawberry Fields“ und „Nothing is real“ fast dasselbe gesungen wird, das durch die Begleitakkorde aber einen ganz unterschiedlichen Anstrich bekommt, dann kann das ein Zeichen dafür sein, dass auch die Wortbedeutung von „Strawberry Fields“ nicht real bzw. eindeutig ist. Der gesamte Refrain präsentiert uns harmonisch eine Überraschung nach der anderen. Ein Vers später ("and nothing to get HUNG ABOUT") verschiebt sich das harmonische Zentrum erneut und durch eine vierte Überraschung endet der Refrain mit dem Songtitel endlich auf dem Zentralklang B-Dur, der uns lange vorenthalten wurde. Aber nicht nur die Harmonien sind überraschend! Gegen Ende des Refrains wechselt zweimal der Takt und nimmt uns auch in rhythmischer Sicht jegliche Möglichkeit der Orientierung.
Es folgt die erste Strophe. Wer genau hinhört erkennt, dass die ersten zwei Verse mit denselben Klängen vertont sind, die im Intro vom Mellotron gespielt wurden. Der Schluss der Strophe ist neu, fällt aber eher in den harmonisch harmloseren Bereich, wie ihn die erste Strophenhälfte auch zeigt. Auch Taktwechsel gibt es keine mehr, ein stetiger, mäßiger Vierertakt setzt sich durch.
Im Prinzip wird diese Aufteilung beibehalten: Seltsamer kruder Refrain, im Kontrast dazu eine relativ harmlose Strophe. Zu
beachten sind allerdings noch ein paar interessante Klangfarben und Varianten.
Im zweiten Refrain verhilft dem Song zunehmend die Studiotechnik zu weiteren Überraschungen. Ringo Starrs Schlagzeugbeats werden rückwärts abgespielt, ein Cello verselbständigt sich und fügt der Musik ein paar interessante Wendungen hinzu, eine indische Zither leitet am Ende des Refrains zur Strophe über. Die Teile wiederholen sich, aber weil sie variiert werden, begreifen wir, dass wir nicht mehr in England sind. Diese Variationsfreude greift auch auf die Strophen über: Trompeten und Pauken erklingen, das Cello spielt immer frecher irgendwelche Konfliktrhythmen, als wollte es die Band zum Straucheln bringen, die Schlagzeugsounds werden immer stärker verfremdet. Besonders genial finde ich die Stelle „I think I know, I mean a yes, but it´s all wrong“, bei der durch die durchgehenden Triolen des Cello fast der Eindruck entsteht, als erklängen hier zwei Taktarten gleichzeitig. Das ist im Text der Moment, an dem gar nichts mehr geht und Lennon in pures Stammeln verfällt: Geeignete Symbole für den Verlust von Zeit und Selbst.
Am Schluss des letzten Refrains wird der Songtitel dreimal wiederholt. „Forever“ eben, könnte man sagen. Beim allerletzten Mal bekommen die Worte auch noch eine Extra-Emphase und enden melodisch aufwärtsgerichtet offen. Es ist, als wollten sie uns den Vorhang aufhalten, für das Outro, was nun folgt.
Das Outro war in den Sechzigern ein großes Thema: Wie beende ich einen Song? Bei „Strawberry Fields Forever“ erklingt jedenfalls nach dem letzten Refrain ein Instrumentalloop, das langsam ausgeblendet wird. Nach einer Pause wird erneut Musik eingeblendet: seltsame Flötengeräusche, die sich mit einem unablässig wiederholenden Gitarrenton abwechseln. Die Flötengeräusche sind eigentlich wieder das Mellotron, das hier aber in einer völlig anderen Geschwindigkeit abgespielt wird und daher auch seine Klangfarbe ändert. Diese Mellotron-Klangspur war ursprünglich für den davor erklungenen Instrumentalloop gedacht. Die Pause entstand wohl deshalb, weil Ringo Starr am Schlagzeug irgendetwas falsch gemacht hat. Seine Einspielung wurde ausgeblendet und später wieder eingeblendet, denn von diesem Zeitpunkt hat er kontinuierlich und korrekt weiter im Beat gespielt. Die Flötengeräusche wurden dann wohl nachträglich auf diesen allerletzten Teil verschoben. Auf diese Weise gewann das Ende des Songs etwas an Substanz... und verlieh dem Song insgesamt einen völlig versponnenen Schlusseindruck.
Die Beatles haben ein Video zu dem Song aufgenommen. Es ist in der verlinkten Version des Songs zu sehen. Die Band befindet sich in freier Landschaft, die Saiten des Klaviers sind mit einem nahestehenden Baum verwoben, die Pauken stehen auf der Wiese herum. Ein paar Verse des Songs werden illustriert, man sieht zum Beispiel, wie Paul McCartney in den Baum springt und dort an einer Art goldener Stimmwirbel dreht, die an dem Baum angebracht sind und an denen die Saiten des Klaviers befestigt sind. „No one I think is in my tree. I mean it must be high or low. That is you can't, you know, tune in.” Wenn niemand im Baum ist, kann das Klavier nicht gestimmt werden, ist doch logisch. Wer hat nochmal behauptet, der Vers handele davon, dass John Lennon nicht mehr ganz richtig im Kopf ist? Auch hier existieren zwei Bedeutungen parallel zueinander und eine einzelne davon ist weder richtig noch falsch.
Wie die Musik werden auch im Video die Bilder teilweise rückwärts abgespielt. Das gehört zusammen. Ob die Musik oder die Bilder rückwärts laufen: wir bekommen demonstriert, wie es ist, wenn das Zeitgefühl verloren geht. Das Video enthält auch mehrfach übereinander gelegte Bilder und überraschende Schnitte. Plötzlich sind die Beatles weg und dann springen sie doch wieder hinter dem Klavier hervor! Sind es dieselben? Vergleichbar ist der Einsatz der Studiotechnik. Der Produzent drückt auf einen Knopf und Orchesterklänge ertönen... sind das noch die Beatles? Auch das Selbst der Künstler wird in Frage gestellt.
Ja, es ist wohl psychedelische Musik. Was mich an ihr aber besonders beeindruckt ist diese fröhliche Naivität im Umgang mit dem Unbekannten. Nothing is real! Na, dann nehme ich doch lieber die Erdbeerfelder statt das finstere Waisenhaus! Die an Bäumen gespannte Klaviersaiten statt den Psychosen! Die lustigen Versteckspiele statt der Orientierungslosigkeit! Das Fremde ist nicht beängstigend, es ist spannend und macht neugierig! Alles kann auch ganz anders sein... vielleicht ist genau das der Grund, warum ich dieser Welt immer wieder noch eine Chance geben.
