Coltrane Step 7: Ascension
John Coltrane: AscensionKurz nach dem überaus erfolgreichen "A love supreme" Album veröffentlicht Coltrane 1965 Ascension - und schockt damit seine Fans und die gesamte Jazzwelt überhaupt. Hier sind 7 Bläser, ein Pianist, ein Schlagzeuger und zwei Bassisten am Start... und sie spielen markerschütternd ohne jeden Bezug zu irgendeiner Tonart. Das Album besteht aus einem einzigen 40 Minuten währenden Stück - über weite Strecken erklingen krasse Kollektivimprovisationen aller Beteiligten.
Auch ich war geschockt, als ich das zum ersten Mal gehört habe. Daher vielleicht so eine Art Höranleitung... wie kann man sich als Hörer diesem krassen Teil nähern?
1. Anker: Das Stück beginnt wie die meisten Jazznummern mit einem Thema. Hier ist das Thema sehr kurz und besteht eigentlich nur aus 6 Tönen. Coltrane stellt die Töne ganz am Anfang kurz vor, hier aber noch etwas beiläufig und verhalten. Als direkte Antwort folgen einige Bläser mehr, die das Thema halbwegs synchron und gut hörbar abliefern. Während der ersten Kollektivimprovisation erklingt das Thema etwa eine Minute lang von den verschiedenen Instrumentalisten immer wieder. Jetzt an den Schluss der Aufnahme springen (38:00). Hier ist ganz am Schluss der Aufnahme das Thema auch wieder deutlich zu hören. Es gibt also eine thematische Klammer um das ganze Stück, nicht viel anders als beim herkömmlichen Jazz auch.
2. Anker: Im Verlauf des Stücks wechseln sich die Kollektivpassagen mit dünner besetzten Passagen ab. In diesen dünner besetzten Passagen wird jeweils ein Solist gefeaturet, außerdem spielt die "Rhythmusgruppe" (Klavier, Bässe und Schlagzeug), nicht viel anders als im traditionellen Jazz auch. Bevor man das Stück ganz hört, vielleicht erstmal den Wikipedia-Artikel zum Album aufmachen:
John Coltrane: Ascension. Hier finden sich oben rechts die Mitwirkenden und weiter unten eine Liste der Soloreihenfolge mit den jeweils erklingenden Solisten. Man kann über diese Seite ganz gut mitverfolgen, wo die Musik gerade ist und man kann auch die verschiedenen individuellen Herangehensweisen der Solisten erkennen (man vergleiche nur beispielsweise das virtuose Solo Coltranes mit dem krassen Blök-Sound-Solo von Pharoah Sanders).
3. Anker: Wer genau hinhört, kann gegen Ende der Soli das Thema (oder Varianten davon) spielen hören, das quasi in die folgende Kollektivpassage einmündet. Angeblich war das Coltranes einzige Anweisung bei der Aufnahme:
Wenn ihr euer Solo beenden wollt, dann spielt das Thema und werdet lauter, hinterher folgt dann die nächste Kollektivimprovisation (oder so ähnlich). Um das mitzubekommen habe ich allerdings zwei, drei Orientierungsdurchgänge gebraucht.
Wer so vorgeht, entdeckt nicht unbedingt irgendwie versteckte Schönheit. Es bleibt ein supersperriges Album mit extremem Lärm- und Quietschfaktor. Aber zumindest kann man nach anfänglicher Ratlosigkeit angesichts der dissonanten Klangmassen nun eine Art Struktur erkennen. Und siehe da: die ist durchaus jazzverwandt und lässt sich mit etwas Übung mitverfolgen. Mich hat´s gefreut, das zu entdecken.
In meinen Ohren großartiger Krach!