F. S. K.: First Take Then Shake
Ein seltsames Album voller Verweise... die nicht alle treffen.
Schon der Titel! Er ist unterschrieben mit dem Hinweis "the F. S. K. Band meets Anthony "Shake" Shakir in the studio". "First Take Then Shake" bezeichnet also die Arbeitsweise: Im Studio wird gleich die erste Einspielung verwendet und dann zur weiteren Bearbeitung an den Techno- und Houseproduzenten Shake weitergereicht. So weit, so gut. Die Musik, die dann zu hören ist, klingt aber nach einer komplett durchdigitalisierten Arbeitsweise. Über den synthetischen Loops liegt nur noch eine schlaff vor sich hin leiernde Gesangsspur, die melodisch in ihrer Reduktion kaum noch zu überbieten ist. Warum hier überhaupt von einem "take" die Rede ist, bleibt rätselhaft.
Die Titel und Texte des Albums weisen zu einem großen Teil Inspirationen aus dem Jazzbereich auf. Manchmal werden konkrete Standards erwähnt (Salt Peanuts, Tiger Rag), manchmal werden wegweisende Entwicklungen (Swing to Bop) oder Alben (The Blues and the Abstract Truth) genannt. All das allerdings, ohne dass die Musik irgendeinen nennenswerten Bezug zum Jazz aufweisen würde. Sie bleibt in der kühlen Elektronikwelt und klingt für meine Ohren eher nach Kraftwerk. Die Irritation wird auch nicht aufgelöst... und diesmal bin ich enttäuscht. Was sollen die Verweise, wenn sie in der Musik keine Bedeutung haben?
F. S. K.: Dr. Buzzard´s Original Savannah BandEs gibt einige wenige Tracks auf dem Album, bei denen das ein bisschen anders ist, weil andere Bezüge aufgerufen werden. Der Song "Dr. Buzzard´s Original Savannah Band" ist beispielsweise nach einer Discoband in den 70ern benannt und erzählt auch im Text von deren Musik:
Doctor Buzzard´s Original Savannah Band
brillierte mit bitter sweet music in Discoland
"cherchez la femme" war ihr erster großer Hit
Dance Veterans singen es noch heute gern mit
From Disco to House with the click of the computermaus
Getaucht in Musik schalten wir Regierungen aus
die performative Garage unter Asphalt
erlaubt die Entwicklung einer ganz neuen Gestalt
Drama Queen strings versüßen das deutliche Wort
girlie pianos klimpern die ganze Nacht fort
Miss Thing chorusses durchziehen die nokturne Stadt,
erzählen von Paradiesen im Duplikat
Während dieser Text von der üblichen teilnahmslos kühlen Leierstimme gesungen wird finden sich im Song tatsächlich ein paar Verweise auf das, wovon er berichtet: Discobässe vor allem, aber auch synthetische Liegeakkorde. Dabei fällt die Musik nicht unbedingt aus dem Rahmen. Sie passt nur besser zum Text.
Dr. Buzzards Original Savannah Band: Cherchez La FemmeDann aber habe ich mir, weil ich gerade dabei war, auch mal "Cherchez la femme" angehört... und war doch erstaunt. Erstmal hat der Song für eine Disconummer erstaunlich viel Swing. Und dann erklingt da in der Instrumentaleinleitung doch tatsächlich eine Melodie, die mir aus einem ganz anderen Bereich bekannt vorkam: "Whispering", ein uralter Standard aus den 20er Jahren! Die Melodie taucht im weiteren Verlauf des Songs auch nochmal als Backgroundmelodie auf (ab 3:28).
Paul Whiteman: WhisperingWas ist das also, was F. S. K. da machen? Eine frühe Swingnummer aus den 20ern wird von einer Discoband aufgegriffen und in den eigenen Sound integriert. Dann wird die Musik der Discoband von einer Band mithilfe eines Techno- und House-Produzenten aufgegriffen und in den Sound von 2004 integriert.
From Disco to House with the click of the computermaus
Getaucht in Musik schalten wir Regierungen aus
die performative Garage unter Asphalt
erlaubt die Entwicklung einer ganz neuen Gestalt
Hm. "Performativ" wird im Google-Wörterbuch erklärt als "eine mit einer sprachlichen Äußerung beschriebene Handlung zugleich vollziehend (z. B. ich gratuliere dir)". Hier wird also davon gesungen, dass Elemente früherer Musik ("Disco") aufgegriffen und in einen neuen Kontext ("House" > "ganz neue Gestalt") gebracht werden. Genau das geschieht auch in der Musik. In diesem Song funktioniert das ganz gut und ist sogar in einen historischen Kontext eingebunden.
Wo sich bei "The Blues and the Abstract Truth" allerdings Elemente von Oliver Nelson oder beim "Tiger Rag" Dixielandelemente finden lassen, muss mir noch jemand zeigen.
Und wenn wir soweit sind, reden wir dann irgendwann ´mal darüber, wie man durch dieses Verfahren Regierungen ausschaltet!
Bin nicht ganz zufrieden mit dem Album, das intellektuell und großspurig von Möglichkeiten raunt, die es selbst nicht ausreichend aufzeigt.