Da der Thread noch nicht sooo alt ist, nochmal ein paar Worte von mir.
ALTERNITY ist eines der Systeme, für die ich seit Anfang an eine große, aber eher selten ausgelebte Liebe empfinde. Das lag primär daran, daß in meinem Umfeld nur wenig SF-Interessierte da waren. Und die wenigen, die es gab, hatten TRAVELLER zu ihrem Haus- und Hofsystem erkoren (was wahrlich keine schlechte Wahl ist). Ich hatte jedoch mal die Chance, DARK°MATTER zu leiten und es kam auch gut an. Die Runde wurde aus anderen Gründen dann nicht fortgesetzt.
Aber Alternity hat diesen seltsamen, für mich schwer zu beschreibenden TSR-Charme; es war quasi das letzte Aufbäumen, bevor es die Tactical Studies Rules so nicht mehr gab. Und - wie hier schon von einem User angemerkt - ist es der geistige Vorreiter des d20-Systems, das dann ja für Furore sorgte (es ist unglaublich, wieviele Konzepte man in Alternity findet, die dann elementare Bausteine von d20 wurden). Aber da ich gerade an der Vorbereitung einer Star*Drive-Kampagne sitze (ENDLICH - ich habe interessierte Spieler gefunden!), stelle ich fest, daß ich lieber zu Alternity greife als zu D20 Modern Future. Die meisten der eleganten und klasse geregelten Spielmechaniken wurden hier schon genannt.
Insgesamt schafft Alternity den schweren Spagat zwischen Klassen-/Stufen-System und fertigkeitszentriertem Regelmechanismus mit Bravour. Dazu ist es hervorragend designt und sehr ansprechend präsentiert. Die hier von einigen geäußerte Kritik, man müsse in Alternity viel blättern, um bestimmte Regeln zu finden, kann ich nicht unterschreiben. Das Regelgerüst ist äußerst robust und erlaubt darüber hinaus auch einiges an spontaner Improvisation. Für die Charaktererschaffung eignet sich sehr gut der kostenlose
WAlter (Windows Alternity Character Manager), der einem wirklich viel Arbeit abnimmt. Außerdem ist er voll modifizier- und erweiterbar (man kann z.B. eigene Skills oder Ausrüstungsgegenstände definieren).
Während die beiden Grundbücher (Player's Handbook und Gamemaster Guide) bereits alles abdecken, glänzen insbesondere auch die Ergänzungsbücher, die durch die Bank empfehlenswert sind (wenn man das Glück hat, sie noch zu finden). Außerdem ist jede Menge Material durch die recht aktive Fan-Community auf
Alternityrpg.net kostenlos runterzuladen.
Zu den hintergrundunabhängigen Erweiterungsbänden gehören:
DATAWARE (alles rund um Computer, das "Grid"/Gridrunning, Roboter und künstliche Intelligenzen)
STARSHIPS (viele Beispielraumschiffe und erweitere Regeln zu Raumkämpfen, Schiffsbau und -systemen, Raumfahrttechnologie, etc. pp. Enthält sogar ein hyperanspruchsvolles vektorbasiertes 3D-Raumkampfsystem)
MINDWALKING (jede Menge neuer Psi-Skills und Kampagnenideen, sehr toll, wenn man Psi verwendet)
BEYOND SCIENCE - A GUIDE TO FX (womit man das Übernatürliche in Form von Magie, Glaube oder Superkräften in seine Alternity-Kampagne packen kann; viele gute Ansätze, auf denen man aufbauen kann - quasi eine Beispielbibliothek für das in den Grundregeln nur sehr kurz angerissene und rudimentäre FX-System)
TANGENTS (einer der geilsten Quellenbände, wie ich finde: alles um Parallelwelten, Dimensionen, Zeitreisen und alternative Realitäten mit haufenweise Zunder für das Ideenlagerfeuer)
Imho sollte man sich irgendwann alle diese Bände zulegen, wenn man ernsthaft was mit Alternity aufbauen will. Ich empfehle hierzu auch ausdrücklich Rich Baker's
WARSHIPS - ein offizielles Quellenbuch, daß es nur noch als freies PDF auf die oben erwähnte Homepage geschafft hat. Damit werden auch die wirklich großen Kampfraumschiffe (Marke: Sternenzerstörer) für die Alternity-Regeln erschlossen. Ebenso interessant, wenn auch sehr ins Detail gehend, ist
THE FOUNDRY, ein Quellenband zu Robotern, der die Regeln aus Dataware ersetzt. Ist von Fans gemacht und auch an erwähnter Stelle zu finden.
Die erschienenen Kampagnensettings sind überschaubar, aber insgesamt gute und robuste Produkte. Das hier schon erwähnte
STARCRAFT ist eine halbherzig zusammen geschusterte Sache, die weder Alternity noch dem Franchise die nötige Ehre erweist. Kann man imho drauf verzichten.
STAR*DRIVE ist ein klassisches Space-Opera-Setting mit einer enormen Palette an Themen und Schauplätzen. Es bedient sich geschickt bei seinen kontemporären Vertretern bzw. Vorgängern, schustert aber ein stimmiges und spielbares SF-Universum zusammen, daß einwandfrei bespielbar ist. Allzu viel super originelles findet man nicht, dafür ist die Substanz solide (viel Spiel und Abenteuer fürs Geld). Pickt man sich dort einen entsprechenden Schauplatz heraus, kann man nahezu jede Spielart der SF bedienen.
DARK°MATTER ist das Mystery-Verschwörungs-Setting, quasi die X-Akten für Alternity. Schön ist hier, daß es auch wieder ein buntes Potpourri aus bekannten und schrägen Verschwörungstheorien ist, das nicht nur UFOs und Aliens an den Start bringt, sondern wirklich eine große Bandbreite an entsprechenden Themen präsentiert (Yeti, Magie, Geister, Vampire - you name it). Ein Füllhorn an Abenteuerideen. Auch das Fehlen eines echten "Kanon" macht sich imho positiv bemerkbar - man kann für seine Kampagne damit selbst entscheiden, wie man bestimmte Organisationen, Kreaturen oder Mythen in sein Spiel einbringt. Trotzdem gibt es eine klasse in-game Erklärung für das Auftreten bzw. Verstärken solcher Phänomene in unserer Gegenwart.
GAMMA WORLD ist die Adaption des uralten Gonzo-Endzeit-Science-Fantasy-Settings von TSR, daß ja schon durch etliche Inkarnationen gegangen ist (zuletzt für D&D 4). Dabei ist das Alternity-GW etwas von allem - nicht ganz so abgedreht wie die früheren Editionen, aber auch nicht so pseudo-scientifiziert wie die Nachfolger. Ich hätte mir mehr Mutationen gewünscht, davon sind ein bißchen zu wenig im Spiel - aber als geübter SL kann man die aus früheren Ausgaben ganz gut nachbauen. Insgesamt ein gutes Produkt, dessen Spielwert am Ende aber auch geschmacksabhängig ist. Interessant ist auch, daß GW für Alternity komplett eigenständig erschienen ist - es enthält alle Regeln, man muß also nicht zwingend die Kernregeln besitzen.
Okay, soviel von mir - hoffe, es war hilfreich. Ich freue mich immer, wenn das System noch mal hier und da auftaucht und diskutiert wird. Es hat es einfach verdient und ist imho ein echter "underdog", der viel zu wenig Beachtung erfahren hat.