Autor Thema: Die Zuschauerrolle des Spielers  (Gelesen 5050 mal)

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Offline Gaukelmeister

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Die Zuschauerrolle des Spielers
« am: 2.11.2011 | 11:04 »
Ein Aspekt beim Rollenspiel, der meinem Empfinden nach etwas stiefmütterlich behandelt wird, ist die Zuschauerrolle des Spielers. Jeder Spieler ist permanent auch in der Rolle des Zuschauers. Man schaut sich zum einen die Fiktion an, die man gemeinsam erschafft und weiterentwickelt. Beispielsweise beobachten wir, wie die Helden den Drachen erschlagen und die Prinzessin befreien, wie ein Vampir sich verliebt und dann schrecklich leidet, oder wie ein Gorilla mit Maschinengewehren in der Hand Nazizombies niedermetzelt. Als Spieler schauen wir aber auch dem Spielprozess selbst zu. Wir sehen, wie die Mitspieler Ideen aufnehmen und weiterentwickeln, wie bei einem Würfelwurf mitgefiebert wird oder wie eine Strategie für den Endkampf ausgearbeitet wird. Ich ziehe einen wichtigen Teil meiner Faszination fürs Rollenspiel aus dem, was ich beim Rollenspiel sehen kann. Damit will ich nicht natürlich abstreiten, dass es beim Rollenspiel ganz wesentlich auch ums aktive Gestalten geht. Da bin ich der Letzte, der das leugnen würde. Doch bei all der Fokussierung auf das, was ich beim Rollenspiel tun kann, sollte man nicht vergessen, dass ich beim Rollenspiel auch als Zuschauer eine ganze Menge geboten bekomme.

Lasst mich einige Dinge klarstellen. Erstens, wenn ich von Spielern spreche, dann meine ich immer alle, die mitspielen, also auch den Spielleiter, falls jemand diese Funktion innehat. Zweitens, etwas genauer wäre es wohl, wenn ich anstatt von Zuschauerrolle von Rezipienten- oder Wahrnehmerrolle sprechen würde, weil es mir nicht nur ums Sehen geht. Aber die Wörter klingen doof und der Ausdruck Zuschauerrolle ist eingängiger. Drittens, ich bezeichne es hier auch als zuschauen, wenn man der Fiktion folgt. In diesem Sinne bin ich beispielsweise auch Zuschauer der Handlung, die ich beim Lesen eines Romans vor Augen habe.

Warum ist es interessant, über die Zuschauerrolle nachzudenken? Es hilft, um sich selbst klarer darüber zu werden, was man gerne beim Rollenspiel möchte. Mehr oder weniger ausdrücklich tut man das beispielsweise, wenn man sich dafür entscheidet in Mittelerde und nicht im Stars Wars Universum zu spielen, weil man lieber bei epischen Schlachten mit Orks als mit Sturmtruppen dabei sein möchte. Ein Spiel wie Primetime Adventures rückt die Wichtigkeit der Zuschauerrolle besonders stark in den Fokus, indem die Spieler dazu aufgefordert werden, eine spannende, anregende, großartige Fernsehserie zu erschaffen. Die Frage, was genau man wahrnimmt, spielt dabei immer eine große Rolle. Optimalerweise bringen die Spieler nur solche Dinge in die Fiktion ein, die alle gerne darin sehen möchten. Welche Bedeutung der Zuschauerrolle zukommt, kann man sehr gut daran erkennen, wie wir darauf reagieren, wenn plötzlich etwas in die Fiktion eingeführt wird, mit dem wir nichts anfangen können oder das wir im schlimmsten Fall total bescheuert finden. Wenn wir Stars Wars spielen und plötzlich taucht ein Jar Jar Binks-Charakter auf, kann das dazu führen, dass mir der Spaß verhagelt wird, weil ich diese Albernheit hier nicht sehen will. Wenn ein Spieler eine brutale Szene im Detail beschreibt, ist für mich irgendwann eine Grenze überschritten, hinter der das, was ich sehe, mich zu sehr abstößt. Und wenn die Charaktere sich ausgiebig mit dem Einkaufen von Ausrüstung beschäftigen, kann das bei mir Langeweile auslösen, wenn ich lieber Action sehen möchte als Alltag.

Auch auf den Spielprozess bezogen kann ich Vorlieben dazu haben, was ich faszinierend anzuschauen finde. Ich persönlich stehe beispielsweise total darauf, Spieler dabei zu beobachten, wie sie Konflikte eskalieren lassen. Einem Konfliktdialog bei Polaris zuzuhören, kann großartig sein: man sieht die kreative Maschinerie der Spieler auf Hochtouren. Natürlich ist der Spielprozess in solch einem Fall nicht völlig losgelöst von der Fiktion. Aber es ist eben nicht nur die Fiktion, die mich hier mitreißen kann, sondern vor allen Dingen auch das Spiel der anderen. Letzteres kann man auch daran erkennen, dass das Spielerlebnis ein ganz anderes ist, wenn die Fiktion nicht durch eine direkte Entscheidung der Spieler weiterentwickelt wird, sondern durch ein Zufallselement. Dasselbe bisschen Fiktion, beispielsweise dass der Vampir sich in die Sterbliche verliebt, kann sehr unterschiedlich wahrgenommen werden, je nachdem ob ich es als das Ergebnis eines Würfelwurfs oder der Entscheidung eines Spielers ansehe. Natürlich gibt es kein Naturgesetz dazu, was ich mehr mag. Das düfte individuell unterschiedlich sein.

Ich glaube, dass das Nachdenken über die Zuschauerrolle nicht nur praktischen Nutzen haben kann, sondern auch theoretisch ergiebig ist. Beispielsweise könnte man diskutieren, inwiefern Spieler, die vor allen Dingen die Fiktion in Bewegung sehen möchten, gern einem gut erzählenden Spielleiter folgen, während Spieler, die gern die kreative Dynamik ihrer Mitspieler beobachten möchten, Spiele mit stärker verteilten Erzähl- und Einflussrechten mögen. Übrigens heißt es nicht, dass ein Spieler, der großen Wert auf die Zuschauerrolle legt, ein passiver Spieler ist. Wie gesagt, beim Gestalten der Fiktion ist man immer auch Zuschauer.
 
Man kann hierzu noch eine ganze Menge mehr schreiben. Vor allen Dingen kann man vieles noch viel präzisier beschreiben. Und vielleicht kommen wir darauf ja in der Diskussion zu sprechen. Aber da der Text ohnehin schon recht lang ist, möchte ich es erst einmal bei diesen vorläufigen Überlegungen belassen und euch dazu einladen, hier mitzudenken und beispielsweise auszutüfteln, wie sich die Zuschauerrolle des Spielers gut beschreiben lässt, welche Bedeutung ihr für die Faszination des Rollenspiels zukommt und wie man diese Erkenntnisse nutzen kann, um beim Rollenspiel mehr von dem zu bekommen, was man bekommen möchte. Mich interessiert, inwiefern ihr einen Wert darin erkennen könnt, über die Zuschauerrolle der Spieler nachzudenken. Und falls ihr das kritisch seht, würde ich mir gern erklären lassen, warum dies so ist.

Ich freu mich auf eure Fragen, Anmerkungen und Ideen  :)
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Offline Kriegsklinge

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #1 am: 2.11.2011 | 11:14 »
Danke, ich finde das auch ein sehr schönes und wichtiges Thema!

Zunächste einmal hat Fredi dazu vor langer Zeit schon mal einen Thread eröffnet:
http://tanelorn.net/index.php/topic,20655.0.html

Und zwar ausgehend von einem Post von 1of3:
http://tanelorn.net/index.php/topic,20634.html

Man kann aber sicher noch eine Menge mehr dazu sagen - ich melde mich später noch mit ein paar Gedanken!

Offline Lord Verminaard

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #2 am: 2.11.2011 | 12:39 »
Zitat
Als Spieler schauen wir aber auch dem Spielprozess selbst zu. (...) Letzteres kann man auch daran erkennen, dass das Spielerlebnis ein ganz anderes ist, wenn die Fiktion nicht durch eine direkte Entscheidung der Spieler weiterentwickelt wird, sondern durch ein Zufallselement. Dasselbe bisschen Fiktion, beispielsweise dass der Vampir sich in die Sterbliche verliebt, kann sehr unterschiedlich wahrgenommen werden, je nachdem ob ich es als das Ergebnis eines Würfelwurfs oder der Entscheidung eines Spielers ansehe.

Für diese Beobachtung erstmal ein: :d Ich denke sogar, dass es vielleicht der entscheidendste Spaßfaktor beim Rollenspiel ist, guten Spielern (tm) beim Spielen zuzuschauen bzw. sie beim Spielen zu erleben (was auch immer man individuell als einen guten Spieler (tm) empfindet). Ich hatte ja mal den Begriff „Publikum“ verwendet, aber Zuschauer ist genauso gut.

Sinnvolle Kategorien zur Einteilung bestimmter „Zuschauertypen“ oder so was fallen mir auf Anhieb nicht ein, ich könnte höchstens noch beisteuern, was ich persönlich gerne sehe, und das ist: Eloquenz, überzeugende Beschreibungen und Darstellungen, Einfallsreichtum, dramaturgisches Gespür. Alles leider furchtbar subjektiv. ;)
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Offline korknadel

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #3 am: 2.11.2011 | 13:11 »
So ganz aus der Praxis in die Theorie hineingeblubbert: Ich glaube, der Wunsch, Fernsehen zu gucken, nur dabei das Programm irgendwie auch selbst mitzubestimmen, ist eine wichtige Voraussetzung für ein gelungenes Rollenspielerlebnis. Kürzlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass es für einzelne Spieler (in diesem Falle für den SL) anstrengend sein kann, wenn nicht alle gleichermaßen daran interessiert sind, dass auf der gemeinsamen Mattscheibe der Vorstellung großes Kino läuft, aber in meiner derzeitigen Stammgruppe ist der von allen geteilte Wille zu Einschaltquotenrekorden nach meinem Empfinden ein starker Motor und einer der Gründe, weshalb das Spiel enormen Spaß macht.

Ein schöner Threadstart!
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Online Dimmel

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #4 am: 2.11.2011 | 13:18 »
Schöner Artikel! Als Spieler ist man immer Akteur und Zuschauer gleichzeitig. Und es ist wirklich schön einem Spieler dabei zusehen, wenn er ein Spotlight richtig schön ausspielt.

In gewisser Weise sehe ich die Rolle als SL ebenso. Man entwickelt Szenarien für Spieler, um zu sehen, wie sie darauf reagieren. Somit könnte man sagen, dass der SL zumindest teilweise seinen Spass am Spiel durch seine rolle als Zuschauer bekommt. Das sind dann die typischen momente, wenn man sich entspannt zurücklehnen kann und den Spielern nur noch zuhört.

Gruß Dimmel

Offline gunware

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #5 am: 2.11.2011 | 13:23 »
Gerade deswegen fangen viele Beschreibungen von RPG auch ungefähr so an: "Stell dir vor, du siehst ein Film und der Held macht etwas, was du für Blödsinn hältst. Und jetzt stell dir vor, du kannst entscheiden, was er machen soll und damit auch wie die Geschichte weiter geht."
Die Zuschauerrolle sollte man wirklich nicht unterschätzen. Wobei ich persönlich sie viel mehr genieße, wenn ich der SL bin.
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Offline Dark_Tigger

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #6 am: 2.11.2011 | 13:24 »
@gunware
Die Beschreibung hab ich noch nie gehört. Finde ich aber sehr gut.
Zitat
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Offline Don Kamillo

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #7 am: 2.11.2011 | 14:41 »
Ich hätte da evtl. was Ergänzendes:

Bei Primetime Adventures geht es ja darum, daß die Geschichte gemeinsam erzählt wird und das sich jeder jederzeit einmischen kann und soll, wenn er eine Idee hat, nicht nur Produzent und beteiligter Spieler, sondern auch die Spieler, die gerade nicht an der Szene teilnehmen und mögliche Zuschauer. Es geht darum, daß diese Leute Ideen mit einbringen, die der aktuelle Protagonist vielleicht nicht hat, um eine Szene schöner zu gestalten, um einen Konflikt brenzliger zu gestalten, um eine Cliffhanger zu schaffen oder um eine schöne Überleitung zu einer weiteren Szene zu haben, das Spotlight zu verstärken u.v.m.

Ich kenne das inzwischen auch von anderen Spielen, wo dieses Vorhaben jetzt nicht unbedingt belohnt wird, wo es aber auf lange Sicht gut und praktikabel sein kann, wenn nicht jeder sein Süppchen in der kleinen Situation kocht ( Kampf, Spotlightszene ) sondern, wenn man jetzt evtl. nicht der Ideenreichste ist, sich durchaus beraten lassen kann. Das stört evtl. den Spielfluß, kann aber für die Zukunft mehr Spielspass bedeuten.

Ich wollte auch nochmal auf den SL als Zuschauer eingehen:
Ich pers. schätze es, wenn mir der SL auch hier und da mal Tips gibt, was man weiterhin machen könnte. Das kann zwar heissen, wenn man mit bösen Zungen spricht, daß der SL einen nur auf seinem Railroading-Trip halten möchte, ich denke aber, der SL will eine schöne Geschichte fördern und kann, als zumeist allwissender Zuschauer, Möglichkeiten aufgeben, an die vielleicht die Spieler nicht denken, aber evtl. die Charaktere. Der SL hat ja seine Weltsicht und möchte ja, daß diese mit der Weltsicht der Spieler als gemeinsamer Vorstellungsraum übereinstimmt.
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Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #8 am: 2.11.2011 | 14:52 »
@gunware
Die Beschreibung hab ich noch nie gehört. Finde ich aber sehr gut.

Das ist (u.a.) eine Paraphrase und der Einführung ins Rollenspiel von Ulrich Kiesow (DSA1 Buch der Abenteuer, S.8f). Allerdings bezieht sich Kiesow nicht auf Fernsehen / Film sondern auf Geschichten / Mythen.
« Letzte Änderung: 2.11.2011 | 15:04 von Hróðvitnir »
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Zitat von: korknadel
Rollenspiele sollen bei Dir im besten Fall eine gewisse Schwermut, Resignation und Melancholie hervorrufen.

Zitat von: Dolge
Auf Diskussionen, was im Rollenspiel realistisch ist und was nicht, sollte man sich nie unter gar keinen Umständen absolut gar überhaupt vollständig nicht einlassen.

Offline Dark_Tigger

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #9 am: 2.11.2011 | 14:56 »
Ähh ja DSA Edi 1... damals war ich wie alt?? -4 ungefähr.  ~;D
In Büchern neueren Datums habe ich sie zmd noch nicht Gefunden. Auch wenn ich den "was ist RPG-Teil" meistens Ignoriere.
Zitat
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Offline korknadel

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #10 am: 2.11.2011 | 15:16 »
@Don Kamillo:
Prinzipiell sehe ich das auch so mit dem SL. Aber ich habe Gaukelmeisters Eingangsposting dahingehend anders verstanden, als dass er nicht trennt zwischen Zuschauen und Input Geben (wie das Fredi seinerzeit gemacht hat). Ich hatte den Eindruck, es gehe einfach darum, welche Einflüsse das Element des Zuschauens auf das Rollenspiel hat. Sprich: Selbst wenn ich gerade agiere und/oder gestalte, schaue ich gleichzeitig zu und richte mein Handeln nach meinem Zuschauergeschmack aus.

Von daher glaube ich nicht, dass es hier sicher auch, aber eben nicht nur um das Zurücklehnen und Zuschauen geht. Das meinte ich vorher auch bei meinem Post: Um einen guten Film sehen zu können, muss man oft eben auch selbst agieren. man sieht ja auch das, was man selbst tut.

Oder habe ich Gaukelmeister oder Dich da jetzt nicht verstanden?
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Offline Blechpirat

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #11 am: 2.11.2011 | 15:17 »
Ich denke sogar, dass es vielleicht der entscheidendste Spaßfaktor beim Rollenspiel ist, guten Spielern (tm) beim Spielen zuzuschauen bzw. sie beim Spielen zu erleben (was auch immer man individuell als einen guten Spieler (tm) empfindet). Ich hatte ja mal den Begriff „Publikum“ verwendet, aber Zuschauer ist genauso gut.

Ich muss endlich mal in einer Runde mit guten Spielern (tm) mitspielen ;)

Grundsätzlich ist es ja immer ein Spaß, Dinge zusammen mit Enthusiasten zu unternehmen. Wo liegt denn der zusätzliche Reiz darin, Dinge zusammen mit Enthusiasten IM ROLLENSPIEL zu unternehmen?

Offline gunware

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #12 am: 2.11.2011 | 15:19 »
Das ist (u.a.) eine Paraphrase und der Einführung ins Rollenspiel von Ulrich Kiesow (DSA1 Buch der Abenteuer
Seltsam. Ich könnte schwören, dass ich (in ähnlicher Form) diese Beschreibung oft gelesen habe. Nicht nur in DSA-Anfängen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mich mein altersschwaches Gedächtnis so trügen kann.
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Offline Don Kamillo

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #13 am: 2.11.2011 | 15:22 »
@Korknadel: Gaukli hat in meinen Augen erstmal recht allgemein geschrieben und ich versuche, da mal irgendwo rumzubohren, obwohl ich eher der praktische Zocker als der theoretische Denker bin. Hast zumindest mich also nicht falsch verstanden.

Ich denke, der Zuschauer im Rollenspiel wechselt ständig zwischen zurücklehnen und Show geniessen und gerade hinsetzen und sich einbringen, wenn er gerade mal nicht dran ist.
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Offline Foul Ole Ron

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #14 am: 2.11.2011 | 15:43 »
Schönes Thema!
Einen Mehrwert sehe ich auf jeden Fall! Auch ich mag es, mich zurückzulehnen, und einer "guten" Charakter- oder SL-Szene zuzuschauen. Da hoffe ich natürlich, das es den Mitspielern während "meiner" Szenen zumindest manchmal ähnlich ergeht. Von daher bin ich auch persönlich an Verbesserungen interessiert.
Beim Lesen des Eingangsposts musste ich gleich an die 'Stances' (Director, Author, Actor) denken, die mir (und den Mitspielern) schon unterschiedliche Arten des Zuschauens ermöglichen. Dadurch kann man Szenen, die sich auf den ersten Blick gar nicht so in den Vordergrund drängen vielleicht durch eine andere Sichtweise doch noch etwas als Zuschauer abgewinnen.
Vielleicht ist eine Szene auf der Spielerebene (Actor) mal gar nicht so mitreissend oder heroisch, der Dialog ist holprig, und die Würfelei liefert nur mittelmäßige oder knappe Ergebnisse. Dennoch kann die Szene - im Gesamtzusammenhang gesehen - vielleicht die ganze Kampagne umkrempeln (Director). Oder sie bereitet einen größeren Coup des Charakters von langer Hand vor (Author).
Bezogen auf das Filmbeispiel von gunware: wenn man das kann (was ich für mich beileibe nicht behaupte - manchmal klappt's eben...), dann hat man mehr als nur den reinen Film zum Anschauen. Da gibts dann quasi den Directors Comment und ein bisschen Makong of parallel dazu.
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Offline Teylen

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #15 am: 2.11.2011 | 15:45 »
In Büchern neueren Datums habe ich sie zmd noch nicht Gefunden. Auch wenn ich den "was ist RPG-Teil" meistens Ignoriere.
Ich meine das V:tM etwas aehnliches schreibt.
Also mit Geschichten und so. Schliesslich storytellt man gemeinsam was zusammen.
Bei Bedarf kann ich nachschlagen und abtippen.
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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #16 am: 2.11.2011 | 21:11 »
Vielen Dank schon einmal für die freundliche Aufnahme der Gedanken. Lasst mich auf ein paar Punkte näher eingehen.

(i) Fredi

Menno, Fredi hat die klugen Gedanken immer schon vor einem gehabt. Vielen Dank für den Hinweis auf den alten Thread. Da finde ich ganz viele Dinge wieder, die mir an dem Thema wichtig sind. Fredi betont sehr stark die Normierungsfunktion der Zuschauer: was die Zuschauer gut finden und erwarten, setzt Normen für den Input, der akzeptiert wird. Eine gute Passung von Input und Zuschauerbedürfnis trägt dann erheblich zu einem guten Spielerlebnis bei. Meine volle Zustimmung erfährt die Idee, dass ich als Gestalter (oder Akteur, wie Fredi sagt) sinnvollerweise berücksichtige, was meine Mitspieler in ihrer Zuschauerrolle goutieren. Was ich bei Fredi nicht ausdrücklich formuliert finde, ist der Gedanke, dass ich als Gestalter immer auch Zuschauer bin. Vermutlich sind wir da aber einer Meinung. Um das hier (in Richtung Korknadel) klarzustellen: ich trenne durchaus die Funktionen "Gestalten" und "Zuschauen". Aber ich verteile diese Funktionen nicht immer auf verschiedene Spieler, sondern weise darauf hin, dass hin und wieder beides zusammenfällt.

Fredi widmet sich vor allen Dingen der Fiktion. Ich mache darüber hinaus darauf aufmerksam, dass ich auch den anderen Spielern beim Spielen zuschaue. Für mich ist das ein entscheidender Spielspaßfaktor. Und wenn ich Vermi richtig verstehe, dann lässt auch er sich nicht nur von der Fiktion mitreißen, sondern auch von der Performance seiner Mitspieler.

Bei Fredi werden unter anderem noch Überlegungen zur Notwendigkeit des Zuschauens fürs Rollenspiel reingemixt und die These aufgestellt, dass der Zuschauer auch Richter darüber ist, was in die Fiktion aufgenommen wird und was nicht. Ich möchte das vorerst nicht ausführlicher diskutieren (bin aber offen dafür, wenn ihr das wollt). Klarstellen sollte ich, dass die Richterfunktion nicht Teil der Zuschauerrolle ist, so wie ich sie verstehe.


(ii) Der Spielleiter ist auch ein Spieler

Ich bin mir nicht sicher, ob in diesem Punkt immer richtig verstanden worden, deswegen hier noch eine weitere Klarstellung: Spielleiter sind für mich auch Spieler und nehmen dementsprechend auch die Zuschauerrolle ein.


(iii) Die Stances

Ich stimme dir voll zu, Praesi, dass es sich für eine genauere Differenzierung der Zuschauerrolle anbietet, über die Stances nachzudenken. Man sollte dabei allerdings berücksichtigen, dass die Stances zunächst einmal beschreiben, wie ich als Gestalter Entscheidungen treffe. Die Frage wäre nun, an welcher Stelle die Zuschauerrolle ins Spiel kommt. Meiner Einschätzung nach hat die Zuschauerrolle einerseits einen Einfluss darauf, welchen Stance ich auswähle. Beim Author-Stance ist es ja sogar Teil der Definition, dass ich Entscheidungen für meinen Charakter nach eigenen Vorlieben treffe - da sind die Vorlieben als Zuschauer natürlich auch ein Teil davon. Allerdings spielen für die Auswahl meiner Haltung auch noch andere Faktoren eine Rolle. Das ist eine komplizierte Gemengelage. Andererseits dürfte ich meine Zuschauerrolle häufig unterschiedlich ausfüllen, je nachdem mit welcher Haltung ich ans Spiel herangehe. Und hier dürfte auch Kamillos Überlegung einfließen, dass wir aus der Zuschauerrolle heraus häufig Vorschläge entwickeln, wie andere Spieler ihre Gestaltungsrechte gebrauchen.


Ich möchte noch eine Überlegung aufnehmen, die ich im Eingangspost nur von Ferne angerissen habe. Was mir als Zuschauer gefällt, ist in erheblichen Maße abhängig von meiner aktuellen Stimmung, meinen Erwartungen, dem Spielprozess etc. Ob ich mitgerissen werde von einer bestimmten Szene in der Fiktion, lässt sich nicht losgelöst davon beantworten, wie ich mich in dieser konkreten Situation fühle, welche Bedürfnisse ich gerade habe etc. Ich muss mir darüber im Klaren sein, dass die Befriedigung, die ich aus der Zuschauerrolle ziehe, je nach Kontext variiert. Und ein entscheidender Faktor, so vermute ich jedenfalls, ist an dieser Stelle das System. Unter System verstehe ich hier frei nach der Forge die von der Spielgruppe akzeptierten Möglichkeiten, die Fiktion zu gestalten. Mit anderen Worten, wie in einer Spielgruppe die Fiktion weiterentwickelt wird, hat einen entscheidenden Einfluss darauf, ob ich als Zuschauer die Fiktion mag, die ich verfolge. Ich habe dies bereits angedeutet, als ich eingangs darauf hingewiesen habe, dass es für meine Wahrnehmung einen Unterschied machen kann, ob ein Ereignis durch die Entscheidung eines Mitspielers oder durch den Wurf auf einer Zufallstabelle in den gemeinsamen Vorstellungsraum gekommen ist.

Bei mir persönlich hat es zum Beispiel einen großen Einfluss, welche Möglichkeiten ich habe, das, was ich sehe, aufzugreifen und weiterzuentwickeln. Mit anderen Worten: meine Gestaltungsmöglichkeiten beeinflussen mein Zuschauerverhalten und mein Zuschauererlebnis. Wenn ich die Bälle aufnehmen kann, die die anderen in die Luft schmeißen, macht mir das Zuschauen gleich doppelt so viel Spaß. Das ist natürlich erneut eine persönliche Anmerkung und keinesfalls als allgemeingültige Beschreibung zu verstehen.

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Offline Dr.Boomslang

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #17 am: 2.11.2011 | 23:32 »
Bei mir persönlich hat es zum Beispiel einen großen Einfluss, welche Möglichkeiten ich habe, das, was ich sehe, aufzugreifen und weiterzuentwickeln.
Nur kurz was dazu: Ich glaube das lässt sich schon verallgemeinern. Interaktion macht das Rollenspiel erst aus. Ein Zuschauer im Rollenspiel ist immer Akteur, das ist letztlich nicht zu trennen. Man kann natürlich Fiktion nach allen möglichen Maßstäben bewerten, die auch bei nicht interaktiven Medien eine Rolle spielen, aber dabei würde man den zentralen Aspekt des Spiels völlig außer acht lassen. Jegliche Zuschauerrolle sollte immer mit Hinblick auf Interaktion betrachtet werden.

Offline Foul Ole Ron

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #18 am: 2.11.2011 | 23:45 »
...
Man sollte dabei allerdings berücksichtigen, dass die Stances zunächst einmal beschreiben, wie ich als Gestalter Entscheidungen treffe. Die Frage wäre nun, an welcher Stelle die Zuschauerrolle ins Spiel kommt.
...
Um (bewusst) in einem der Stances zu gestalten muss man ja vorher auch in dem entsprechenden, besser in allen drei Stances, beobachten bzw. zuschauen.
Interessant fände ich hierbei die Frage, welchen der Stances man bedient bzw. bedienen sollte!? Wird die Wahl intuitiv getroffen? Überwiegend intuitiv? Bediene ich bewusst die "Haltung", die gerade nicht so richtig in die Gänge kommt, um ein Gleichgewicht herzustellen? Sollte ich das tun? Oder lieber "die Welle reiten", und auf der Ebene bleiben, die gerade eh rockt?  Aus dem Bauch heraus glaube ich, das man hier natürlich zu einem gewissen Teil seine eigenen Vorlieben bedient - aber auch die der Mitspieler! Was gleich zur nächsten Frage führt: woher weiß ich denn, wobei die Mitspieler gerne zuschauen? Gehört das zum guten Ton, das vor oder während des Spiels anzusagen? Oder sollte man da einfach feine Antennen für haben - oder zumindest entwickeln?
Das mit den Antennen halte ich für gar nicht abwegig: meiner beschränkten persönlichen Erfahrung nach sind Leute mit guten Antennen meist nicht nur angenehme Mitspieler was das soziale Miteinander am Tisch angeht, sondern auch eben die Spieler, denen ich gerne zuschaue.

Bevor ich jetzt total den Faden verliere warte ich erstmal auf andere Antworten  ;D


(Nochml für mich, und nur, um Missverständnisse zu vermeiden: wir sprechen ja vom Zuschauer auch bzw. vordergründig im Sinne von Konsument, oder? Als Zuschauer im Rollenspiel konsumiere ich die "Performance" der Mitspieler, die Entwicklung der Fiktion, den überraschenden Zufall der Würfel, die Vorbereitung durch die Mitspieler. Richtig?)
"... Was das für diesen Thread bedeutet? Eigentlich nix. Warum ich trotzdem antworte? Weil ich nicht will, dass jemand denkt, Eulenspiegel hätte Recht.  Grin ..." [Dolge]

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Offline Joerg.D

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #19 am: 2.11.2011 | 23:58 »
Zuschauen und der Spaß daran ist für mich eines der wesentlichen Merkmale einer guten Runde.

Ich betrachte das aber nicht nur von der Seite der Rolle her, sondern auch von dem Mitfiebern beim Würfeln. Wenn der SL oder ein Spieler in einer kritischen Situation würfelt, dann schauen die Mitspieler oft gebannt auf die Würfel und bei mir findet ein lebendiger Transport von der Mechanik zur Fiktion statt.

Der Spaß am Zuschauen schlägt für mich aber auch den Bogen zu den Stances, weil man sich als Spieler eher bewusst ist, dass die anderen Spieler ein Anrecht auf eine gute Show haben. Zu wissen, dass man gerne zuschaut, schlägt für mich den Bogen zum Wissen um die Verantwortung eines jeden Spielers für die gute Show.
Wer schweigt stimmt nicht immer zu.
Er hat nur manchmal keine Lust mit Idioten zu diskutieren.

Offline Devil's little Helper

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #20 am: 3.11.2011 | 00:55 »
Mein Wissen über Rollenspieltheorie ist extrem begrenzt, daher hier einfach meine absolute Laienmeinung dazu.

Die Zuschauerrolle macht für mich im Rollenspiel oftmals die Spannung aus.
Natürlich bin ich (als absolute Rampenlichthure) immer begeistert, wenn ich mich einbringen kann, aber der Moment in dem ich zum Zuschauer werde, also die Kontrolle und das Wissen darüber was passiert abgebe, ist der Punkt in dem Spannung erst so richtig anfängt.
Dabei ist es völlig egal, ob ich Spieler oder Spielleiter bin, das neugierige "was jetzt wohl passiert?" Gefühl ist das gleiche.

Daher bin ich auch der Meinung, das die Zuschauerrolle ein wichtiger Bestandteil jedes Rollenspiels ist, auch wenn es einem oft gar nicht so bewusst wird.
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Offline 1of3

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #21 am: 3.11.2011 | 06:31 »
(i) Fredi
[...]
Bei Fredi werden unter anderem noch Überlegungen zur Notwendigkeit des Zuschauens fürs Rollenspiel reingemixt und die These aufgestellt, dass der Zuschauer auch Richter darüber ist, was in die Fiktion aufgenommen wird und was nicht. Ich möchte das vorerst nicht ausführlicher diskutieren (bin aber offen dafür, wenn ihr das wollt). Klarstellen sollte ich, dass die Richterfunktion nicht Teil der Zuschauerrolle ist, so wie ich sie verstehe.

Ich glaube, das Wort Gemengelage, das du im Folgenden verwendest, trifft es ganz gut. Was Fredi da beschreibt, würde ich vor allem als Beobachtereffekt bezeichnen: Der Tätige schaut notwendig den Zuschauern beim Zuschauen zu, was - ob er will oder nicht - sein Tun beeinflussen wird.

Offline Wyrδ

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #22 am: 3.11.2011 | 07:50 »
Sehr schönes Thema. Eigentlich ist das, was ich zu dem Thema hätte sagen wollen, schon geschrieben worden, aber ich möchte unterstreichen, wie sehr Gaukelmeister Recht mit seiner Aussage hat, dass auch der SL ein Zuschauer ist, bzw. sein kann. Ich glaube, dass speziell unerfahrene SL manchmal die Neigung zum Überregulieren haben, damit das Abenteuer so verläuft, wie sie es sich vorstellen. Das ändert zwar nichts an der Tatsache, dass ein SL auch dann zum Zuschauer wird, jedoch empfinde ich es als ungleich spannender, wenn ich als SL ein Stück weit Kontrolle abgebe, den Spielern Freiräume lasse und somit die Handlung einen - für mich als SL - überraschenden Weg einschlagen lassen kann. Kurz gesagt: Szene erschaffe, zurücklehnen und dabei zusehen, was passiert.  ;D Wenn man dann auch noch innerhalb der Spielgruppe weitestgehend gleiche Vorstellungen hat, wie die Welt um einen herum sein soll, ist es beinahe schon perfekt. Als notorischer Hektiker habe ich aber eine ganze Weile gebraucht, bis ich begriffen habe, dass ich auch als SL Zuschauer sein darf.
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Offline korknadel

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #23 am: 3.11.2011 | 08:25 »
Natürlich bin ich (als absolute Rampenlichthure) immer begeistert, wenn ich mich einbringen kann, aber der Moment in dem ich zum Zuschauer werde, also die Kontrolle und das Wissen darüber was passiert abgebe, ist der Punkt in dem Spannung erst so richtig anfängt.
Dabei ist es völlig egal, ob ich Spieler oder Spielleiter bin, das neugierige "was jetzt wohl passiert?" Gefühl ist das gleiche.

Szene erschaffe, zurücklehnen und dabei zusehen, was passiert.

Ich möchte unterstreichen, dass ich den in diesen beiden Zitaten beschriebenen Effekt auch sehr begrüßenswert finde und genieße, so er auftritt. Allerdings fasziniert mich an Gaukelmeisters Entwurf etwas anderes. Denn es geht darin ja nicht nur um das Nacheinander: Jetzt agieren, dann zurücklehnen und zuschauen, sondern um ein Nebeneinander: Beim Agieren schaue ich bereits zu, ich beobachte mich selbst und die anderen bereits, noch während ich etwas mache. Im Prinzip dieselbe Zuschauerrolle, die auch ein Maler hat, wenn er den Verlauf der Linie betrachtet, die er gerade im Moment auf der Leinwand zieht. Der Gedanke des Betrachtens bei der gleichzeitigen Erschaffung fasst für mich den Spaß des Spiels sehr schön, denn normalerweise findet dieser Prozess (beim Malen, Schreiben) alleine statt, im Rollenspiel aber tun sich mehrere Leute dafür zusammen, und dabei entsteht eben das vielgestaltige Wechselspiel aus verschiedenen Arten des Zuschauens, des Reagierens und des Input Gebens. Auch des Wechselspiels zwischen eigener Beobachtung und einer quasi fiktiven, aber vorausgesetzten Gruppenbeobachtung, d.h. man operiert gedanklich auch immer mit einer Beobachtung oder Sicht, die alle am Tisch teilen, obwohl diese nicht existieren kann. Aber man nimmt sie an. Und man beobachtet -- das wurde ja schon gesagt -- auch die Beobachtungen der anderen. Wow, das ist wirklich ein wunderbar koplexes und quirliges Zusammenspiel ähnlicher und doch unterschiedlichster Vorgänge.

Ich hoffe, Ihr dringt noch tiefer in dieses schöne Thema vor.
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Offline Gaukelmeister

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #24 am: 3.11.2011 | 18:16 »
Ich glaube das lässt sich schon verallgemeinern. Interaktion macht das Rollenspiel erst aus. Ein Zuschauer im Rollenspiel ist immer Akteur, das ist letztlich nicht zu trennen. Man kann natürlich Fiktion nach allen möglichen Maßstäben bewerten, die auch bei nicht interaktiven Medien eine Rolle spielen, aber dabei würde man den zentralen Aspekt des Spiels völlig außer acht lassen. Jegliche Zuschauerrolle sollte immer mit Hinblick auf Interaktion betrachtet werden.

Ich möchte diesen Gedanken gern aufgreifen, der uns, wenn wir denn ein bisschen auf die Kacke hauen wollen, die Tür zu einer "Rezeptionsästhetik des Rollenspiels" öffnen kann  ;) Diese Idee hatte ich so bisher noch nicht ausdrücklich im Blick. Ich habe mich der Zuschauerrolle erst einmal sehr allgemein angenähert und dabei alle möglichen Maßstäbe und Bedürfnisse des Spielers gleichermaßen ernst genommen. Das ist sicherlich auch gerechtfertigt, wenn man das Zuschauererlebnis in allen seinen Facetten anschaut. Aber natürlich sagt man dann noch nichts Spezifisches übers Rollenspiel aus. Eine Charakteristik der Zuschauerrolle beim Rollenspiel ist ja tatsächlich, dass man immer auch Mitgestalter der Fiktion ist. Das wirkt auf mein Zuschauerverhalten und Zuschauererlebnis zurück.

Eine interessante Frage ist nun, wie diese Wirkung genau aussieht. Eine Sache, die mir da plausibel erscheint, ist, dass ich in der Zuschauerrolle als Spieler besonders aufmerksam für Informationen bin, die meine eigenen Handlungsmöglichkeiten und meine Handlungsinteressen betreffen. Oben habe ich von den Bällen gesprochen, die ich aufnehmen kann. In einer gut funktionierenden Gruppe kann es sicherlich dazu kommen, dass ein Spieler etwas in die Fiktion einbringt (die anderen sehen lässt) in der Hoffnung, dass sie unmittelbar sehen, was sie selbst damit machen können. Mein Mitspieler lässt seinen Cop-Charakter ein Bestechungsgeld annehmen, weil er weiß, dass mein Charakter gesetzestreu und integer ist: hier gibt mir mein Mitspieler etwas zu sehen, dass ich nicht nur als spannendes Stück Fiktion genießen soll, sondern gleichzeitig in seinem Aufforderungscharakter begreifen soll. - Jetzt wo ich darüber nachdenke, ist mir das völlig selbstverständlich. Aber als ich vorher im Zusammenhang mit Fredis Äußerungen zugestimmt habe, dass man sich als Spieler an die Erwartungen und Bedürfnisse der anderen Zuschauenden anpasst, hatte ich das noch nicht so klar geordnet.

Also ich halte erst einmal für mich fest, dass als Spieler beim Rollenspiel nicht nur zum Genuss zuschaut, sondern auch zur Initiierung eigener Handlungen. Und dies wiederum bestimmt, mit welcher Haltung ich zuschaue und wie ich das Zuschauen erlebe. Ist ja eigentlich auch nicht weiter verwunderlich - für mich aber trotzdem erst so richtig klar geworden, durch deine Anmerkung, Boomslang.

@ Jörg
Ich bin mir unsicher, ob du nur betonen wolltest, was dir an der Zuschauerrolle besonders wichtig ist oder ob du darüber hinaus auch glaubst, ich würde das anders sehen. Letzteres wäre ein Missverständnis. Das Mitfiebern beim Würfelwurf gehört für mich zum Zuschauererlebnis dazu. Da stimme ich dir zu.
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Offline Kriegsklinge

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #25 am: 9.11.2011 | 11:23 »
Ha, ich habe gerade in einem ganz anderen Zusammenhang etwas gepostet, das mir auch zu diesem Thema zu passen scheint, nämlich hier:

http://www.indie-rpgs.com/forge/index.php?topic=32392.msg289303#msg289303

Kurz gesagt geht es um die Frage, ob der SL für das "Pacing" verantwortlich sei, also das Überblenden zu Szenen und Spielinhalten, die das meiste Spannungspotential haben. Der Threadersteller im oben verlinkten Beitrag empfindet es als Entlastung, dies nicht mehr tun zu müssen, ich halte verwundert dagegen, dass es doch gerade für mich als SL langweilig sei, wenn die Spieler zwar ihrem freien Willen folgen, aber nur total öde Sachen machen. Als Beispiel nenne ich Einkaufen oder nicht-handlungstragende Reisen.

Obwohl es keine großartige Erkenntnis ist, habe ich beim Schreiben dieses Beitrags zum ersten Mal gemerkt, dass dieses Merkmal meiner Spielleitung ganz direkt mit der Zuschauerrolle zu tun hat. Ich möchte am liebsten was zum Spiel beitragen, Inhalte einbringen, die von anderen aufgenommen und weiterverarbeitet werden. Am zweitliebsten möchte ich aber als SL den Spielern wenigstens bei interessanten Sachen zugucken und nicht bei total ödem Kram. Ich habe mir da immer ein bisschen selbst in die Tasche gelogen und behauptet, dass ich das nur für die Spieler tue, damit die auch mal was Interessantes machen, die Armen. Ehrlicherweise hat das aber mehr mit mir zu tun: Ich will an Stellen, wo die Spieler mich gut unterhalten können. Nun gibt es aber eine ganze Reihe Sachen, die für Spieler durchaus unterhaltsam sein können, mich als SL aber super langweilen.

Beispiel Planung: Spieler können endlos und anscheinend auch ganz angeregt darüber debattieren, welche Strategie sie beim Einbruch, bei der Verhandlung, bei einem Kampf vielleicht möglicherweise verfolgen könnten. Und ich sitze dann immer da und denke: Boooring. Am liebsten möchte ich dann sagen: Macht doch einfach mal. Auch wenn es total schief geht, es ist immer noch spannender, als hier rumzusitzen.

Möglicherweise ist es aber nur für mich spannender. Denn wenn die Spieler nicht bereden, was sie eventuell machen könnten, fallen sie wieder in die Charakterrollle und performen ordentlich für mich. Außerdem ist es ungeplanter, ich bin als SL beim Zuschauen aufmerksamer, beteiligter, weil ich weiß, dass ich gleich reagieren muss. Wenn die Spieler hingegen schon im Vorhinein alles durchplanen, weiß ich als SL ja schon, was ungefähr läuft, bevor wir die Szene angefangen haben.

Dieser Wunsch, als SL gut unterhalten zu werden und als Zuschauer gepackt zu werden, weil ich weiß, dass ich auf das Dargebotene spontan reagieren muss, beeinflusst mein Rollenspiel viel, viel stärker, als ich bisher gedacht hätte:

Ich wähle keine Settings, die viel Planung provozieren (Shadowrun! D&D mit der TPK-Option!)
Ich vermeide Regeln, die aufwendige Charaktererschaffung betreiben (denn dann werden die Spieler die mühsam gebauten Tschars nicht in Gefahr bringen wollen und wieder viel planen) und/oder jede (Kampf-)handlung mit aufwendiger Ressourcenabwägung über viele miteinander gekoppelte Skills verbinden (Planung, Planung, Planung).
Ich setzte SL-Techniken ein, die direktes, spontanes Handeln der Spieler in der Charakterrolle ermutigen. Dazu zählt die Vermeidung von Railroading auf der eine Seite, auf der anderen Seite aber auch die Gewalt über das Scene Framing und das Pacing für mich zu beanspruchen.

Die für mich interessante Beobachtung ist a) dass die Zuschauerrolle für mich nur dann spannend ist, wenn sie die aktive Rolle antizipiert (es ist interessant, was die Anderen machen, weil ich gleich darauf reagieren muss) b) dass die Lust an gut anzuschauenden Inhalten mein Rollenspiel bis hin zur Spielwahl bestimmt (bloß nicht Shadowrun, da sitze ich als SL ja die ganze Zeit nur rum und hab nix zu gucken) vor allem aber c) dass ich das Spiel so zurechtbiege, dass möglichst viel für mich Interessantes dabei ist. Und dabei dachte ich immer, ich bin ein so selbstloser SL, dem es nur um die Spannung für die armen Spieler geht! Ts!

In einer größeren Perspektive scheint mir, dass im traditionellen Rollenspiel mit SL und Spielern Pacing und Scene Framing wahrscheinlich sehr oft Instrumente sind, um in der SL-Rolle als Mitspieler auf seine Kosten zu kommen. Und dass umgekehrt Dinge wie Ressourcenaufteilung und die damit verbundene Planung eine Art Pacing/Scence-Framing-Tool für die Spieler sind, denn der SL hat ja keine Charakterressourcen, und ist also bei diesen Spielanteilen an den Rand gedrängt.

Vielleicht ist das auch ein Grund für dysfunktionales oder wenig befriedigendes Spiel: Die Macht darüber, was man als Zuschauer erleben möchte, ist SL und Spielern in traditionellen Rollenspielen auf unterschiedlichen (und zwar auch nicht-gleichwertigen) Ebenen gegeben, der Macht, Handlungsrahmen zu geben, also die Interaktion der Spieler über die Charaktere mit der Spielwelt zu determinieren auf Seiten des SL, und der Macht, als Spieler mit den Ressourcen des eigenen Charakters und als Gruppe mit den geteilten Ressourcen umzugehen auf Seiten der Spieler. Vielleicht ist manches, was da nicht funktioniert, im Grunde ein unausgesprochenes Gerangel darum, wer wie und in welcher Rolle gesehen werden will/darf.

Keine ganz neue Erkenntnis, aber für mich interessant, das noch mal aus dem gedanklichen Ansatz der Zuschauerrolle aufzuziehen.
Und ihr musstet jetzt nur mitlesen, während ich mich produziert habe, ha  ;D

Offline Teylen

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #26 am: 9.11.2011 | 11:44 »
Ich habe den Eindruck das die Zuschauerrolle auf dem Rueckzug ist.
Anstelle einfach da zu sitzen und das Spiel zu verfolgen, kann der Eindruck entstehen, das die Spieler ungluecklich werden wenn es keine NSCs zum uebernehmen gibt, nicht gleich eine zweite, parallele Session gemacht wird oder es zumindest moeglich ist kurz raus zugehen um zu rauchen oder zu quatschen.
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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #27 am: 9.11.2011 | 12:04 »
Ein Zeichen der kurzweiligen, schnellen, unkomplizierten und unselbstständigen Beschallungsgesellschaft?

Offline Gaukelmeister

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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #28 am: 9.11.2011 | 13:50 »
@ Kriegsklinge
Vielen Dank für deine ausführlichen Beobachtungen. Lass mich mal ein paar Sachen aufnehmen.

Die für mich interessante Beobachtung ist a) dass die Zuschauerrolle für mich nur dann spannend ist, wenn sie die aktive Rolle antizipiert (es ist interessant, was die Anderen machen, weil ich gleich darauf reagieren muss) b) dass die Lust an gut anzuschauenden Inhalten mein Rollenspiel bis hin zur Spielwahl bestimmt (bloß nicht Shadowrun, da sitze ich als SL ja die ganze Zeit nur rum und hab nix zu gucken) vor allem aber c) dass ich das Spiel so zurechtbiege, dass möglichst viel für mich Interessantes dabei ist. Und dabei dachte ich immer, ich bin ein so selbstloser SL, dem es nur um die Spannung für die armen Spieler geht! Ts!

Zu a) haben wir ja jetzt schon ein paar Sachen gehört. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die antizipierte Aktivität nicht alles ist, was das Zuschauen spannend macht (auch wenn das für dich so sein mag). Manche Spieler bleiben lieber passiv und lassen sich bespaßen. In solch einer Konstellation ist dann besonders wichtig, dass andere Spieler (meist der SL) gute Erzähler und/oder Performer sind. Je weniger wichtig mir das eigene Gestalten beim Rollenspiel ist, desto wichtiger ist es, von den anderen gut unterhalten zu werden. In solch einer Situation werden dann Kriterien für gute Unterhaltung wichtiger, die man bei ähnlichen Medien wie Film, Roman oder Theater anlegt. - Aber ich habe mich ja selbst auch schon geoutet: mir geht's in großem Maße auch immer um die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden. (Dazu unten noch mehr.)


b) finde ich einen sehr wichtigen Punkt: man erhöht enorm seinen Spaßfaktor, wenn man weiß, was man sehen will und was nicht - und dementsprechend seine Runden auswählt.


Dass du dir, wie du unter c) angibst, das Spiel so zurechtbiegst, dass du unterhalten wirst, ist mMn eine äußerst gesunde Einstellung. In einer funktionierenden Runde führt das letztlich zu mehr Spielspaß für alle. In einer dysfuntionalen Runde, sollte man sowieso nicht spielen  :)

Vielleicht ist das auch ein Grund für dysfunktionales oder wenig befriedigendes Spiel: Die Macht darüber, was man als Zuschauer erleben möchte, ist SL und Spielern in traditionellen Rollenspielen auf unterschiedlichen (und zwar auch nicht-gleichwertigen) Ebenen gegeben, der Macht, Handlungsrahmen zu geben, also die Interaktion der Spieler über die Charaktere mit der Spielwelt zu determinieren auf Seiten des SL, und der Macht, als Spieler mit den Ressourcen des eigenen Charakters und als Gruppe mit den geteilten Ressourcen umzugehen auf Seiten der Spieler. Vielleicht ist manches, was da nicht funktioniert, im Grunde ein unausgesprochenes Gerangel darum, wer wie und in welcher Rolle gesehen werden will/darf.

Ich glaube zumindest, dass das ein wesentlicher Grund ist. Wenn bespielsweise eine SL eine bestimmte Handlung durchdrückt, weil sie bestimmte Dinge unbedingt sehen will (wie sich ihr schöner Plot entfaltet), dann nutzt sie ihre Macht, um die eigenen Zuschauerbedürfnisse zu befriedigen. Das kann dann auf Kosten der anderen Spieler geschehen, die gern etwas anderes sehen würden, aber keine Möglichkeit haben, das einzubringen. Als Spieler bin ich jedenfalls frustiert, wenn ich nicht mitentscheiden kann, welchen Gang die Fiktion nimmt. Im klassischen Spiel ist die Gefahr dafür besonders groß.


Noch einmal zum Punkt Zuschauen und Gestalten: wir haben jetzt einige Mal hervorgehoben, dass das Zuschauen beim Rollenspiel eine besondere Qualität dadurch bekommt, dass man das was man sieht als Anker fürs eigene Gestalten verstehen kann. Gleichzeitig kann ich durchs eigene Gestalten dafür sorgen, dass Dinge, die ich sehen will, auf die Bühne kommen. Eine Sache, die beim Rollenspiel besonders cool ist, ist, dass diese beiden Richtungen (vom Zuschauen zum Gestalten und vom Gestalten zum Zuschauen) dynamisch miteinander verschränkt sind: ich gestalte Dinge so, wie ich sie sehen will, um später weitere Gestaltungsmöglichkeiten zu haben; und ich antizipiere beim Zuschauen meine Gestaltungsmöglichkeiten, die ich wiederum unter dem Gesichtspunkt bewerten kann, was ich zukünftig sehen möchte. - Ist schon ein cooles Hobby.
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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #29 am: 9.11.2011 | 15:41 »
Noch einmal zum Punkt Zuschauen und Gestalten: wir haben jetzt einige Mal hervorgehoben, dass das Zuschauen beim Rollenspiel eine besondere Qualität dadurch bekommt, dass man das was man sieht als Anker fürs eigene Gestalten verstehen kann. Gleichzeitig kann ich durchs eigene Gestalten dafür sorgen, dass Dinge, die ich sehen will, auf die Bühne kommen. Eine Sache, die beim Rollenspiel besonders cool ist, ist, dass diese beiden Richtungen (vom Zuschauen zum Gestalten und vom Gestalten zum Zuschauen) dynamisch miteinander verschränkt sind: ich gestalte Dinge so, wie ich sie sehen will, um später weitere Gestaltungsmöglichkeiten zu haben; und ich antizipiere beim Zuschauen meine Gestaltungsmöglichkeiten, die ich wiederum unter dem Gesichtspunkt bewerten kann, was ich zukünftig sehen möchte. - Ist schon ein cooles Hobby.
Zusätzlich kann ich auch aktiv an den Zuschauerwünschen der anderen Spieler mitarbeiten. Durch das Zuschauen kann ich nicht nur eigene Gestaltungsmöglichkeiten antizipieren, sondern auch die Zuschauerwünsche der Mitspieler, und kann entsprechend darauf eingehen (oder auch nicht...). Stichworte "Mitspieler anspielen", "sich gegenseitig Bälle zuspielen" und "Spotlight für Personen oder Plots / Subplots verteilen". Damit verschränkt sich das Ganze noch mehr - nämlich innerhalb der gesamten Gruppe. Das schwingt in dem zitierten Abschnitt irgendwie mit, verdient aber mMn besondere Erwähnung.
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Re: Die Zuschauerrolle des Spielers
« Antwort #30 am: 9.11.2011 | 15:48 »
Zitat
@ Jörg
Ich bin mir unsicher, ob du nur betonen wolltest, was dir an der Zuschauerrolle besonders wichtig ist oder ob du darüber hinaus auch glaubst, ich würde das anders sehen. Letzteres wäre ein Missverständnis. Das Mitfiebern beim Würfelwurf gehört für mich zum Zuschauererlebnis dazu. Da stimme ich dir zu.

Ich glaube dich als Spieler ein wenig zu kennen und habe auch gesehen wie du mitfieberst. Also war ich schon der Meinung, dass du den Würfelwurf zum Zuschauererlebnis dazu zählst.

Ich wollte es bloß noch mal erwähnen, weil ich den Faktor nicht in deiner Einführung gesehen habe und mir der Punkt als Spieler unglaublich wichtig ist.
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