Erstmal: Cool, dass diese Playtest-Variante praktisch ein vollständiges D&D bietet. Viel mehr Content brauch ich für meine Runden erstmal nicht, und damit ist Pathfinder in meinem Regal endgültig abgelöst. ^^ Der Gesamteindruck zu Next ist auch weiterhin extrem gut, das ganze Gemurmel, das nun folgt, ist immer noch wesentlich irrelevanter als die großen konzeptuellen Probleme, die ich mit D&D 3 und 4 hatte. Mit den Grundannahmen und -zielen dieser Edition komme ich jetzt schon viel besser klar. (Disclaimer: Warlock und so hab ich noch nicht gesehen, dazu später mehr.)
Probleme bzw. Baustellen -- es ist schließlich ein Playtest -- gibt es trotzdem, und zwar nicht zu wenige.
Ich finde es süß, wie die Leute hier über irgendwelches Verkaufsgelabere abgehen, speziell, wenn es so offensichtlich genau das ist, weil die Regeln eine komplett andere Sprache sprechen. Aber ja, unklug von den Entwicklern, in eine so deutliche Richtung zu labern, wenn sie doch eigentlich alle im Boot haben wollen.
Die Charaktererstellung und vor allem -verbesserung machen insgesamt noch einen sehr groben, unintuitiven und fizzeligen Eindruck. Vieles davon wird zwar am improvisierten Format der Playtest-Dateien liegen (Fließtext, Aufstiegstabellen), aber ich befürchte, alles kann man auch nicht auf's Design schieben. Mal sehen.
Bei den Rassen bin ich etwas unschlüssig. Einerseits gefällt der Gesamteindruck dieser Auswahl, andererseits sind es wieder unangenehm VIELE Traits bei allen außer den Menschen -- drei charakteristische Sachen oder so hätten es doch auch getan. Bei den Menschen dagegen ist der Attributsbonus etwas zu unintuitiv. Zumal ... will man wirklich, dass ein Mensch, der auf Konsti geht, widerstandsfähiger ist als ein Zwerg, der auf Konsti geht? Unschön irgendwie.
Die optionalen Regeln zur Heilung gefallen mir in dieser Gestalt nicht sonderlich. Die ersten beiden Regeloptionen stellen Ähnliches dar und sind teilweise schlecht durchdacht -- "regain 1 + Con mod Hit Dice" -- diese gewaltigen Unterschiede zwischen Stufen und Charakteren können doch nicht gewollt sein, oder? Ich fände eine durchdachte Regel oder zumindest zwei klar getrennte Abstufungen für langsamere Heilung besser als drei dahingeworfene Optionen. Die hätte man sich auch selbst ausdenken können.
Bei den Backgrounds stellt sich mir eine Frage: Warum sind die Traits nicht einfach Feats? Einige davon (Item Crafting) haben Feat-Verwandte mit beinahe identischen Effekten (Herbalism). Es würde einen unnötigen Mechanismus rausschmeißen, das System entschlacken und den Individualismus vorantreiben. Wahrscheinlich soll einfach jeder Charakter ein Nicht-Kampf-Feat haben, ohne dass die Spieler gleich wieder heulen, dass sie lieber Power Attack wollen -- und man traut den Spiel(leiter)n wohl nicht zu, mit Feat-Deskriptoren zu arbeiten, ohne das System zu vergewaltigen ... Na gut -- point taken -- vielleicht hat es ja doch seinen Sinn.
Die Skill-Beschreibungen sind schön knapp und regelfrei! Daumen hoch für so einen mutigen Schritt.
Ich liebe den Namen "Specialties"! Das Ganze als optionaler Instant-Feat-Ersatz gefällt ebenfalls, auch wenn die Sortierung und Klärung der Regeln (was passiert bei welchem optionalen System? Was beim Stufenaufstieg?) abermals zu wünschen übrig lässt. Ich gehe aber definitiv davon aus, dass dieser Punkt im fertigen Produkt funktioniert.
Was ich großartig finde, ist diese Idee der magischen Multiclassing-Feats, die offenbar aus der 4e übernommen wurden, wenn auch klugerweise nicht unter diesem Namen. Ebenso toll ist der Fakt, dass es praktisch keine Skill-Trees mehr gibt -- fast jedes Feat steht beinahe jedem Charakter offen.
-> Two-Weapon-Fighting ist gewöhnungsbedürftig. Es wirkt etwas schwach auf der Brust, weil man stets zwei Waffen braucht und praktisch ein Feat sowie seine Off-Hand aufgibt, dafür aber nur in wenigen Situationen einen Vorteil hat (etwa, wenn man 2 Gegner attackiert). Mal sehen. Interessanter Nebeneffekt der aktuellen Regeln: Der klassische 2-Waffen-Kämpfer mit Langschwert und Kurzschwert klappt nicht mehr.
-> Für Rapid Shot gilt ähnliches, wobei man damit immerhin öfter mehrere Gegner angreifen kann.
-> Healer's Touch ist ABARTIG stark ...
Jeder, der hin und wieder heilt (und sei es nur sich selbst mit Hit Dice) MUSS das Ding momentan nehmen. Nerf please. Und nochmal WTF?
-> Der Familiar als Feat ist klasse, aber das Skelett? Was ist die Idee dahinter, warum kein Zauber bzw. Ritual? Hm, vielleicht wollten sie einfach mehr Feats für Zauberkundige. Hm. Hat wohl seine Daseinsberechtigung, ich muss mich bloß erst mal reindenken.
Das neue Equipment ist wesentlich besser, auch wenn ich es schade finde, dass es wieder drei Arten von Rüstungen gibt und der Fernkampf ausschließlich über Dexterity funktioniert. Geht aber klar, der Rattenschwanz war wohl zu lang.
Der neue Fighter ist okay. Ähnlich wie in 3e ist es wohl irgendwann ziemlich egal, welche Waffe man nun in der Hand hat, weil man den Großteil des Schadens sowieso über Deadly Strike machen wird. Aber vielleicht überschätze ich das auch nur, erst mal abwarten. Und teilweise ist es bestimmt auch gewollt. Wo ich wirklich etwas Angst habe: Eigentlich sollte doch noch ein optionales System für allgemeine Kampfmanöver dazukommen -- ich kann mir echt nicht vorstellen, wie diese Manöver konzeptuell mit den expertise dice harmonieren sollen, weil sie irgendwie GENAU dasselbe abdecken. Dass Feats ebenfalls ähnlich wirken können (Defender), macht die Sache auch nicht besser. Ich bleibe erst einmal offen (vielleicht arbeiten das Manöversystem und die expertise dice ja auch tatsächlich zusammen!) ... aber dieses Knäuel an Kampfeffekten wirkt momentan ein wenig verheddert.
Der Magier ist total cool!
Der Kleriker hat mir WIEDER zu viele Zauber/Effekte, wie in JEDER 3er-Edition auch schon, inkls. Pathfinder. Warum dieses Channel Divinity? Warum kann man das und den Domäneneffekt nicht zusammenlegen? Würde doch auch reichen, entgegen wiederholt penetranten Internet-Whining-Tiraden von geschätzten fünf Leuten in ganz Kontinentaleuropa. *kopfschüttel*
Der Schurke ist mir auch minimal zu unübersichtlich, zwischen 2 Backgrounds, zusätzlichen Scheme-Effekten, verschiedenen Skill-Boni und Sneak Attack; könnte aber durch bessere Formatierung und kluges Wording funktionieren. +3 für Skill Mastery ist mir zudem etwas zu hoch, +2 wäre besser -- so sind die Attribute zu 95% völlig egal für die Wirkung der Skills, was schon ETWAS schade ist (so sehr ich die prinzipielle Idee auch mag, dass der Schurke eine recht freie Auswahl in dem hat, was er kann).
Was ich etwas verwirrend finde, ist der Weapon Attack Bonus, den ja irgendwie JEDE Klasse hat (selbst der Magier auf +2). Gibt es den jetzt nur, wenn man Waffen benutzt, für die man auch Profiencies hat? Das würde das Konzept ja durchaus sinnvoll machen, aber ich finde irgendwie keine Regel dafür.
Außerdem muss ich sagen, -2 auf ungeübte Waffen, sämtliche Gegner-RKs um 2 senken und einen +1 Bonus aller paar Level für Kämpfer +Co sind imho erheblich intuitiver als IMMER +2 draufzurechnen. War schon eine Sache, die mich bei Gamma World ernsthaft gestört hat (der Level-Bonus auf sämtliche Würfe).
Habt ihr bemerkt, wie sie Intoxicated generft haben?
Bei den Zaubern wundere ich mich auch etwas darüber, dass sie sehr oft die maximalen, aber niemals die aktuellen HP verwenden. Das war eigentlich eine sehr nette Idee, um die Zauber später sinnvoll zu halten -- vielleicht ist dieser Aspekt mit den aktuellen Regeln einfach nicht mehr so relevant, weil "kleine" Gegner auch auf höheren Stufen noch an der Tagesordnung sind?
Allgemein wundere ich mich etwas darüber, dass praktisch kein Zauber mit dem Level scaled. Ich kann mir vorstellen, dass dieser Punkt etwas mit der Idee zu tun hat, niedrigstufige Slots aufzugeben, um die Anzahl der höherstufigen Slots zu erhöhen -- wurde in einem Blog angesprochen, als eine Möglichkeit, den Zauber-Overkill fortgeschrittener Charaktere zu minimieren. Da gilt es erst einmal, die High-Level-Regeln abzuwarten.
Die Spellcasting-in-Melee-Regeln sind etwas seltsam, weil der Magier immer noch ungestört den Raum nuken kann, solange der gegnerische Tank mit drin ist. Ich würde die ungestörten Zauber glaub ich auf einzelne Targets im Nahkampf beschränken.
Was ich unnötig und störend finde, sind einige unintuitive Sonderregeln bei verschiedenen Zaubern, etwa die 4 Runden Zeit, nach der sich eine Giftwolke im Wind auflöst, oder die extrem spezifische Geschwindigkeit, mit der ein Spinnennetz verbrennt. Das kann man ja nun echt simpler lösen.
Wo bleibt eigentlich die entsetzte Rage über die extensive Handwedelei in den GM-Tipps? Die trendige Fraktion unter den Rollenspielern sollte sich doch da alle Haare vom Kopf reißen ... x'D Na ja, ich find's gut. Allgemein sind die SL-Tipps sehr cool fokussiert (wie auch schon in 4e) und schön simpel. Das Einzige, was mich immer noch stört, ist dieser abgehobene Laberstil, als müsste Spielleitern immer eine eigene Kunstform mit undurchschaubaren Regeln und nicht bloß ein spaßiges Hobby sein. Das ist einfach nerviges Überstülpen von Meinungen, und während die Entwickler gern ihre eigenen haben dürfen, will ich meine Regeltexte möglichst frei von direktem Gelabere darüber haben.
Im Großen und Ganzen klasse Spiel, jetzt schon, aber man kann echt noch viel verbessern. Ich hoffe, sie kriegen die Balance zwischen "auf Playtest hören" und "Konzept wahren" hin, denn die Gefahr eines Fanservice-Fails in diesem Punkt besteht auf jeden Fall.