Autor Thema: Eine Definition von Immersion  (Gelesen 6578 mal)

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Eulenspiegel

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Re: Eine Definition von Immersion
« Antwort #25 am: 2.10.2012 | 23:35 »
Dass Immersion weniger mit Handeln und mehr mit Wahrnehmung zu tun hat, hatten wir schon weiter oben festgestellt. Wir wissen nun, dass Flow sehr eng mit der Handlungsachse verknüpft ist und die Elemente der Wahrnehmungsachse keinen Einfluss auf den Flow haben. Für Immersion können wir folgerichtig annehmen, dass sie mit der Wahrnehmungsachse verbunden ist und die Handlungsachse keinen Einfluss darauf nehmen wird.
Also kann man sagen, der LARPer ist im Flow, der Fernsehzuschauer ist in der Immersion und der Pen&Paper RPGler ist irgendwo dazwischen: Geringerer Input als beim Fernsehen oder Bücherlesen und weniger Output als beim LARP.

Btw, bei der Studie geht es um achievement flow. Das heißt, es kann noch eine Reihe von anderen Flows geben, die mit dem achievment flow eher wenig zu tun haben und auch anders ausgelöst werden können.

Offline Beral

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Re: Eine Definition von Immersion
« Antwort #26 am: 3.10.2012 | 11:20 »
Also kann man sagen, der LARPer ist im Flow, der Fernsehzuschauer ist in der Immersion und der Pen&Paper RPGler ist irgendwo dazwischen: Geringerer Input als beim Fernsehen oder Bücherlesen und weniger Output als beim LARP.
Es muss wohl nicht so sein, aber die Möglichkeit besteht, dass das überdurchschnittlich häufig anzutreffende Kombinationen sind. Beim Fernsehen ist man als passiver Konsument wohl tatsächlich auf Immersion festgenagelt. Beim LARP kann es beides geben. Immersion beim LARP äußert sich darin, in der Fantasiewelt aufzugehen. Bei p&p gibt es ebenfalls beides. Wichtig bei Immersion ist nicht die größtmögliche Menge des Inputs, sondern dass der vorhandene Input genau der maximalen Verarbeitungskapazität (bzw. Einordnungskapazität) entspricht. Der limitierende Faktor ist die Verarbeitungskapazität, der Input muss sich daran anpassen. p&p steht daher nicht unbedingt im Nachteil, was das Auslösen der Immersion angeht. Probleme ergeben sich eher aus organisatorischen Punkten. Mehrere Spieler stören sich gegenseitig daran, sich in Ruhe auf die Wahrnehmung zu konzentrieren. In dieser Hinsicht hat ein Buch oder ein Film die besseren Karten.

Btw, bei der Studie geht es um achievement flow. Das heißt, es kann noch eine Reihe von anderen Flows geben, die mit dem achievment flow eher wenig zu tun haben und auch anders ausgelöst werden können.
Flow ist seit jeher und per Definition ein achievment Flow. Das Wechselspiel zwischen anspruchsvoller Zielsetzung und ihrer Gerade-noch-Bewältigung ist genau das Themengebiet von achievment. In populären Darstellungen wird die definitorische Koppelung von Flow an das Leistungsmotiv nicht immer hervorgehoben.

Im p&p gibt es sehr gute Möglichkeiten, um Flow zu erleben. Der SL setzt Spielern Herausforderungen, die diese gerade so bewältigen sollen. Dabei spielt die Eigenmotorik der Spieler zwar keine Rolle - sie müssen nicht selbst hauen und ausweichen -, aber das ist auch gar nicht notwendig, um das Leistungsmotiv zu aktivieren. Geistige Herausforderungen sind dem Leistungsmotiv genauso zugänglich wie körperliche. Man denke nur an all die Brettspiele. Wichtig ist nur, dass die Herausforderung eine echte Herausforderung ist, also schwer zu bewältigen ist und eine hohe Wahrscheinlichkeit des Scheiterns beinhaltet. Sobald die Spieler merken, dass sie eigentlich kaum verlieren können, kann sich bei ihnen kein Flow mehr einstellen.
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Re: Eine Definition von Immersion
« Antwort #27 am: 3.10.2012 | 11:45 »
Ich find' ja die Definitionen von Flow dermassen nebulös (und nur schwer von Hyperfokus unterscheidbar) dass ich darüber eigentlich nicht wirklich diskutieren will, ehe das einer wirklich laienverständlich definiert und das Dreieck Immersion/Hyperfokus/Flow voneinander abgegrenzt hat.

PS: Und die Definition von irgendeinen dahergeloffenen Theoretikers ohne mindestens einen BSc in Psychologie werde ich dafür nicht akzeptieren, ausser er ist schon vorher durch vernünftige Veröffentlichungen zum Thema aufgefallen.
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Re: Eine Definition von Immersion
« Antwort #28 am: 3.10.2012 | 12:10 »
Was ist Hyperfokus?
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Re: Eine Definition von Immersion
« Antwort #29 am: 3.10.2012 | 12:35 »
Was ist Hyperfokus?
Tja diese Frage stellst Du Dir nicht allein. Ein typische Sysmptom bei AD(H)S das genausowenig verstanden ist, wie der Flow.
Hier der Wikipediaartikel dazu: http://en.wikipedia.org/wiki/Hyperfocus
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Re: Eine Definition von Immersion
« Antwort #30 am: 3.10.2012 | 14:46 »
Flow ist sehr gut verstanden.

Zum Hyperfokus kann ich nicht viel sagen. Es wird in einem Atemzug mit ADHS genannt. Möglicherweise spielt mangelnde Selbstregulation eine Rolle als Mediator, so dass statt eines normalen Flows die Extremform des Hyperfokus auftritt.

Die Untersuchung von Pathologien kann hilfreich sein, um den Normalfall besser zu verstehen. Sich darauf zu versteifen lohnt sich jedoch nicht, wenn man eigentlich am Normalfall interessiert ist. Der Flow ist mittlerweile gut genug untersucht und theoretisch erklärt, als dass man sich noch über pathologische Formen an seinen Wesenskern annähern müsste.
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Re: Eine Definition von Immersion
« Antwort #31 am: 25.11.2012 | 21:43 »
Ausführliches Zitat aus einem anderen Thread, weil es inhaltlich unbedingt hier rein gehört:

Eine These, die ich abschließend noch zu Immersion habe, möchte ich noch aus meiner Erfahrung heraus anbringen: [....]

Immersion ist prinzipiell bei mir (und ich denke das trifft auch auf viele andere Spieler zu) eine emotionale Sache. Es ist mehr ein "Reinfühlen" als ein "Reindenken".

Insofern habe ich die intensivsten Immersionsphasen auch in In-Game-Situationen gehabt, die meinen SC auf einer emotionalen, moralischen, sozialen Ebene angesprochen haben – und diese Szenen sind in den meisten RPGs weit abseits dessen, was mit dem realistischen Regelwerk abgebildet wird: Wo man einen Gefallenen beweint, einen ehemaligen Freund verstößt, den ersten Kuss mit der Liebsten hat, eine Entscheidung zwischen zwei undenkbaren Alternativen abwägen muss, einen Plan aufgehen oder verfallen sieht... da schlägt die Immersion bei mir gnadenlos zu. Einfach weil ich das Gefühl habe: Diese Figur, die ich gerade verkörpere ist menschlich. Sie hat Ziele, Wünsche, Hoffnungen. Sie hat Dinge, die ihr wichtig sind. Sie hat Dinge, die sie hasst. Dieses Gefühl von Verbundenheit und Identifikation mit der Figur und mit der Synchronisation ihrer Gedankenwelt mit der meinen erreiche ich nicht darüber, dass das Schwert der Figur realistischerweise +3W Schaden macht. Das erreiche ich voll über den Faktor des "Hineintauchens" als eines "Hineinfühlens" und nicht eines "Hineinrationalisierens". Sämtliche denkwürdigen Szenen, in denen ich starke Immersion verspürte, waren von dieser Art.

Möglicherweise ist meine Beobachtung von oben doch korrekt: Spieler, deren SoD ihnen bei der Immersion in den Weg kommt, denken zu stark auf einer übergeordneten Ebene (und damit genauso außerhalb der Figur wie die Meta-Regel-Fans). Ob ein Auto explodiert oder jemand Superkräfte hat oder Magie in der Welt ist: Das macht keinen Unterschied für die Gedanken- und Gefühlswelt der Figur, in die ich mich hineinversetze. Immersion geht ohne Realismus, weil die Bereiche, in denen ich, und viele andere, mit denen ich das Vergnügen hatte zu spielen, ihren immersionistischen Zugang außerhalb der Regeln finden. Wenn man merkt, dass es der Figur um was geht, dann findet man auch in sie hinein.
Goldrichtig ist die Unterscheidung zwischen Reinfühlen und Reindenken. Nur das Reinfühlen ist der Immersion dienlich. Rationalisieren hingegen steht der Immersion entgegen.

Falls jemanden die Theorie hinter dieser feinsinnigen Beobachtung von Hank Scorpio interessiert:
Reinfühlen, wie es im Zitat beschrieben ist, ist eine Funktion des Extensionsgedächtnisses. Und dieses ist, wie oben schon erläutert, das eine Ende der Wippe, auf der Immersion stattfindet.
Rationalisierendes Reindenken ist die Funktion eines ganz anderen Gehirnmoduls. Eine reibungslose Zusammenarbeit des Reindenkens und Reinfühlens ist zwar nicht ausgeschlossen, in der Praxis aber doch selten anzutreffen, weil die Systeme einander im Grunde genommen gegenseitig behindern. Aber selbst wenn man es schafft, Denken und Fühlen Hand ind Hand arbeiten zu lassen, hilft es der Immersion nicht weiter. Fazit: Das Reindenken steht der Immersion bestenfalls nicht allzu sehr im Weg; in der Regel stört es die Immersion, weil es das Reinfühlen behindert. Das Reinfühlen wiederum ist elementar für Immersion.
« Letzte Änderung: 26.11.2012 | 10:28 von Beral »
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El God

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Re: Eine Definition von Immersion
« Antwort #32 am: 25.11.2012 | 22:29 »
Zitat
Fazit: Das Reindenken steht der Immersion bestenfalls nicht allzu sehr im Weg; in der Regel stört es die Immersion, weil es das Reinfühlen behindert. Das Reinfühlen wiederum ist elementar für Immersion.

So gemeint?

Kann dem übrigens sogar zustimmen.

Offline Beral

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Re: Eine Definition von Immersion
« Antwort #33 am: 26.11.2012 | 10:28 »
Natürlich ist in diesem Satz Reinfühlen gemeint. Habe den Fehler korrigiert.
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