Autor Thema: Angst vor der eigenen Unkreativität  (Gelesen 5369 mal)

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Offline DasTaschentuch

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Angst vor der eigenen Unkreativität
« am: 17.10.2013 | 15:57 »
Im "weiche Regeln"-Thread wurds schon angesprochen, gestern hab ichs selbst in einer Spielrunde gehört:

"Sowas wie Fate oder Wushu will ich nicht spielen, ich hab Angst daß ich nicht genug Ideen habe. Und Szenen toll beschreiben kann ich auch nicht."

Meine Methode ist da meist ziemlich hart, ich werfe neue Spieler ins kalte Wasser, spiele dann auch fast würfellos und mit der Zeit (zumindest bei mir) werden die schüchternen Spieler immer kreativer und ausgefallener nachdem sie merken, daß man ihnen a priori nichts verbietet.

Problematisch ist es bei den wie ich sie nenne Touristen am Spieltisch, Spieler die nix sagen und nur brav ihren Würfel werfen wenn ihre Ini ist.

Seht ihr auch kreativ bedingte Hemmschwellen oder sind die Leute einfach von regellastigen Spielen a la D&D vorverdorben?

Offline kalgani

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #1 am: 17.10.2013 | 16:07 »
ich seh die problematik eher aus sl seite inzwischen, denn nicht jeder ist ein barde vor dem herrn und schüttelt geschichten aus dem ärmel wie andere leute spielkarten. als spieler ist weniger ein problem. spieler dürfen bei mir auch gerne würfler sein, denn wie gesagt nicht jeder ist ein barde vor dem herrn (und braucht dieses auch nicht zu sein damit spaß für alle am tisch entsteht)

Offline Arldwulf

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #2 am: 17.10.2013 | 16:07 »
Ich sehe das Problem weniger in Spielern die nicht kreativ genug sind als in dem generellem Punkt das Kreativität besser nutzbar ist wenn sie auf etwas aufbaut. Inspirationen verwendet. Ein wichtiger Aspekt von Kreativität ist es stets auch Einflüsse aufzunehmen und daraus etwas neues zu erschaffen.

Auf der leeren Ebene ist dies schwieriger. Gleichzeitig bedeutet der Verlust von vordefinierten Mechaniken ja auch dass während des Spiels die Regelung wie etwas umgesetzt werden soll abgesprochen werden muss. Dies ist aber zeitaufwendig und kann eine Hemmschwelle darstellen "Mhh...wenn ich jetzt XYZ mache diskutieren wir erstmal 10 Minuten rum - vielleicht hau ich dem Monster doch lieber einfach eins mit meinem Schwert"

Vordefinierte Mechaniken können also die Sicherheit geben dass es nicht zu solchen Diskussionen kommt. Oder das finden der passenden Regelung beschleunigen. Und Sicherheit dass die eigene Idee auch wirklich umgesetzt werden könnte ist ein gutes Fundament um eigene Ideen zu erschaffen.

Die Spieler selbst sind ja nicht unkreativ, sie leben ihre Kreativität in anderen Spielen ja aus.

Offline Auribiel

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #3 am: 17.10.2013 | 16:31 »
Diese Angst gründet mMn darin, dass man jahrelang einfach nicht gewohnt war, selbst kreativ zu werden - kreativ abseits von stundenlanger Vorplanung, mit dutzenden Zettelchen, Karten und "was wäre wenn"-Szenarien.

Jetzt ist die hier angesprochene Kreativität in der Tat nichts, was jeder gleich aus dem Ärmel schüttelt, aber man kann sie lernen und sich darin schulen.

UND: Wenn mal wirklich ALLE Kreativität versagt, gibt es immer noch so etwas schönes, wie die Roric Story Cubes und ähnliches, die für unerwartete Ereignisse sorgen können.



Übt doch einfach mal mit Abenteuern, in denen einfach einige Begriffe vorgegeben sind, die eingebaut werden müssen. Je mehr man übt, desto freier kann man spielen.

Wobei natürlich dennoch gilt: Für eine gute Intrige bzw. Detektivspiel sollte dennoch eine entsprechende Motivation der beteiligten festgehalten werden, wenn es nicht unglaubwürdig werden soll.
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Offline D. Athair

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #4 am: 17.10.2013 | 17:00 »
Ich finde das hat überhaupt nix mit Kreativität zu tun, sondern mit Spontanität.
Sieht man z.B. im Comedy-Bereich ganz gut. Manche arbeiten spontan und auf Publikumseingabe, andere zünden ein (vorbereitetes) Feuerwerk. Sind unterschiedliche Herangehensweisen. Eine Wertung in besser und schlechter halte ich für unzulässig.

"Sowas wie Fate oder Wushu will ich nicht spielen, ich hab Angst daß ich nicht genug Ideen habe. Und Szenen toll beschreiben kann ich auch nicht."
Kenne beide Spiele nicht gut (nur Roanoke gelesen und Starblazer angelesen), aber sie scheinen mir Kreativität im Prozess der Regelanwendung (oder punktuelle Ad-hoc-Kreativität als Teil der Regelanwenung) zu erfordern. The Pool, RISUS, Daidalos, Everway sind wie ein Großteil der sog. klassischen Rollenspiele anders gestrickt. Man kann auch D&D sehr kreativ spielen. In D&D 4 z.B. über kreative Powersynchronisation. In cD&D über ingame-Handlungen, die sich auf die Regelanwendung auswirkt.

Letztlich geht es mMn um verschiedene Arten Kreativität ins Spiel einzubinden, teilweise auch um verschiedene Ebenen auf denen das passiert.
Was Spieler fürchten ist demnach, dass sie mit der Art und Weise, wie sie Ideen einbringen sollen, nicht klarkommen könnten.
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Offline Auribiel

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #5 am: 17.10.2013 | 17:05 »
Lassen sich den Spontanität und Kreativität wirklich so klar trennen? (Oder benutze ich nur die Definition der Wörter falsch? o.O )
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Offline kalgani

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #6 am: 17.10.2013 | 17:14 »
in diesem fall braucht es wohl beides:
Spontaneität für das schnelle mentale reagieren und Kreativität um diese in ein ordentliches ergebnis umwandeln zu können...

Offline Teylen

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #7 am: 17.10.2013 | 17:18 »
Kreativität braucht für einige halt einen gewissen Rahmen.
Man kann zwar ohne Rahmen kreativ sein, läuft aber Gefahr es unspannend zu finden oder das Interesse daran zu verlieren. Zumindest geht mir das so.
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Offline D. Athair

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #8 am: 17.10.2013 | 17:22 »
Natürlich sind Spontanität und Kreativität miteinander verbunden. Die Idee ist mMn immer spontan. Die Umsetzung muss das keinesfalls sein.
Eine Neuinterpretation eines Shakespeare-Stücks halte ich nicht für grundsätzlich weniger kreativ als eine Improtheater-Aufführung.
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Offline Arldwulf

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #9 am: 17.10.2013 | 17:28 »
Kreativität braucht für einige halt einen gewissen Rahmen.

Ich denke "Rahmen" ist dafür aber der falsche Begriff, da er eine Beschränkung suggerriert. Ich würde es eher so beschreiben dass manchmal eine Stange gebraucht wird an der die Pflanze sich nach oben winden kann. Es ist eine Hilfestellung - kein Käfig.

Offline Funktionalist

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #10 am: 17.10.2013 | 17:29 »
wobei der rahmen eher aufgabe des sl ist, sollten die spieler nicht zu den kreativen hochleistungsrampensäuen gehören, die man nur sich selbst produzieren lassen muss.

die regeln sind ds eher zweite instanz.

Offline Teylen

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #11 am: 17.10.2013 | 17:36 »
Ich denke "Rahmen" ist dafür aber der falsche Begriff, da er eine Beschränkung suggerriert.
Ich glaube durchaus das Beschränkungen in Bezug auf die Entwicklung von Kreativität nichts schlechtes sind.
Durchaus übergreifender als ein unverbindliches Hilfeangebot. Wenn es ebenso wildwuchern kann ist es letztlich einfach egal.
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Offline Arldwulf

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #12 am: 17.10.2013 | 17:41 »
Natürlich, aber das ganze hat sich ja nicht aus der Fragestellung entwickelt ob Beschränkungen generell etwas sinnvolles sind. Sondern aus der wie die Unterschiede von Spielen mit konkreten Regeln gegenüber solchen mit allgemeinen Regeln sind.

Ich denke beide haben prinzipiell die gleichen Möglichkeiten um (IG) Beschränkungen einzubauen - in beiden Fällen kann die Spielweltsituation gleich sein, mit den gleichen Schwierigkeiten und Hindernissen.

Es geht also eher um die Frage der mechanischen Umsetzung. (Und in der Folge dann um die Frage ob diese im einem oder anderem Fall mehr Kreativität benötigt oder warum Spieler Angst davor haben.)

Offline Skiron

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #13 am: 17.10.2013 | 17:55 »
@Arldwulf, ich halte es für genauso kreativ. Mich hat deshalb diese Befürchtung überrascht, vor allen Dingen deshalb,
weil ich im Spiel (mit umfangreichen Regeln) diese Kreativität oft genug miterleben durfte.

Ich halte die Angst aber für normal, wenn man etwas neues machen soll, man ev. befürchtet nicht so gut zu sein, wie bei den Dingen, die einem vertraut sind.

Für viel ausschlaggebender halte ich aber, dass man meist keine Lust hat sich etwas neu anzueignen, ev. sogar noch zeitaufwendig und unter Verzicht von Dingen, die einem Spaß machen, wenn man nicht erkennen kann: Wozu?
Welchen Gewinn oder Vorteil würde das für einen persönlich bedeuten?
Welche Interessen fallen dabei unter den Tisch oder welche Nachteile bringt es?

Im Grunde ist es sogar sinnvoll, wenn Neues so auf den Prüfstand kommt.
Beteiligt man sich am Neuen indem man es auf Schwachstellen abklopfen und kann Unsicherheiten oder Befürchtungen klären,
dann wird auch meist die Veränderung in der Umsetzung mitgetragen.

Ich finds witzig, ich hab gelesen wenn man erfolgreich Projekte umsetzen will, dann braucht man Optimisten, die mit ihrer Begeisterung anstecken & überzeugen und Pessimisten, die den Höhenflug der Optimisten auf Umsetzbarkeit erden.  ;D
« Letzte Änderung: 18.10.2013 | 14:19 von Skiron »

Online Maarzan

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #14 am: 17.10.2013 | 17:56 »
Ich sehe da keine (Frage der) Kreativität.

Vielmehr erscheinen mir die nur schwach ausgeprägten formellen Beschränkungen das Ganze eher auf das Bilden einer passenden "Fassade" durch "coole" Beschreibungen zu reduzieren und auf das Taktieren, wie man die spielerischen Elemente auf der Metaebene am weitesten Ausreizen kann ohne dass ein Mitspieler zu bocken anfängt, bzw. den Gummipunktfluss, der das befeuert, auf Metaebene geschickt zu timen.  

edit: Wie eine Art Calcunball. Es geht nicht um die Lösung einer Fragestellung, sondern darum irgendeine Begründung aus den Fingern zu saugen, warum das was man als Lösung will gerade machbar ist ohne den letzten Rest Nerven der Mitspieler reißen zu lassen.
« Letzte Änderung: 17.10.2013 | 17:59 von Maarzan »
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline YY

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #15 am: 17.10.2013 | 18:17 »
Ich sehe da keine (Frage der) Kreativität.

Vielmehr erscheinen mir die nur schwach ausgeprägten formellen Beschränkungen das Ganze eher auf das Bilden einer passenden "Fassade" durch "coole" Beschreibungen zu reduzieren...

Ich habe extra nichts geschrieben, weil die Fragestellung durch den im Eingangspost zitierten Satz dahingehend eingeschränkt wird.

Aber wenn du es jetzt schon mal gesagt hast:
Ja, das ist der Hauptgrund, warum ich Fate & Co. nicht übermäßig gern spiele.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Offline D. Athair

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #16 am: 17.10.2013 | 18:17 »
Um mal konkret darauf zu antworten:
Seht ihr auch kreativ bedingte Hemmschwellen oder sind die Leute einfach von regellastigen Spielen a la D&D vorverdorben?
Weder noch.

Die Hemmschwellen sehe ich eher im Anspruch diverser Spiele begründet, dass kreativer Input spontan kommen muss. Dass Ergebnisse kreativer Prozesse sofort verfügbar sein müssen. Oder: Mit Spielen wie Wushu kann man auch komplett die Kreativität von Spielern blockieren.

Wenn man Kreativität im Rollenspiel fördern will, muss man ein für die Gruppe passendes kreatives Milieu schaffen. Das beinhaltet konkret auch Regelungen zur Spielleitung (welche Aufgaben hat sie, welche die Spieler, was regelt die Gruppe als Ganzes) und die Wahl eines passenden Regelsystems.
Ich kann z.B. sagen, dass in meinen Runden Kämpfe in Labyrinth Lord mit Abstand die spannendsten und kreativsten waren. Nicht etwa Savage Worlds oder TSoY oder ...


@ D&D: Die letzen beiden Versionen waren sehr auf "Combo-Play" ausgelegt. Wer auf kreative Neukombination von ausdefinierten Regeln steht, der ist bei dem Spiel ganz gut aufgehoben. Bei Fate und Wushu laufen kreative Prozesse auf anderen Ebenen. Mit einem Wechsel auf diese Spiele kann man bei Spielern ganz leicht Unsicherheiten schaffen. Mit dem Ergebnis, dass Neudefinition und Perspektivwechsel erschwert werden.

EDIT:
Vielmehr erscheinen mir die nur schwach ausgeprägten formellen Beschränkungen das Ganze eher auf das Bilden einer passenden "Fassade" durch "coole" Beschreibungen zu reduzieren [...]
Das scheint mir bei Starblazer (bei Dresden Files wahrscheinlich ähnlich) eher nicht der Fall zu sein. Das Fassadenphänomen find ich aber auch spannend. Das würd ich mir gern nochmal separat anschauen.
Einfach, weil ich Spielerinnerungen im Kopf habe, die ich so beschreiben würde. Regelsysteme waren DSA 4.0 und Savage Worlds.
« Letzte Änderung: 17.10.2013 | 18:23 von Athair »
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Offline Bad Horse

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #17 am: 17.10.2013 | 19:08 »
Unterschiedliche Menschen finden unterschiedliche Sachen interessant - manche interessieren sich mehr für die Fiktion, andere mehr für die Mechaniken.

Folgendes Beispiel: Zwei völlig unterschiedliche Spielsituationen - ein Techie wird im Kampf gegen einen Cyborg verwickelt, und eine Hexe muss ihre Unschuld gegen einen Inquisitor verteidigen. Der Techie möchte den Cyborg mit Mini-Bots verlangsamen und verwirren; die Hexe möchte dem Inquisitor klar machen, dass sie eigentlich selbst ziemlich religiös ist.

Machen wir das mit Fate Core:
Der Techie macht 'Create Advantage' mit 'Lore', schafft es und erzeugt einen Aspekt ("Von Minibots geplagt").
Die Hexe macht 'Create Advantage' mit 'Lore', schafft es und erzeugt einen Aspekt ("Vielleicht ist sie doch eine fromme Frau").

Manche Leute finden das langweilig, weil da genau der gleiche Mechanismus verwendet wird, obwohl es um total verschiedene Sachen geht. Andere Leute finden das geil, weil sie nur wenig Energie auf den Mechanismus verwenden müssen und sich statt dessen auf die Fiktion konzentrieren können.

Machen wir das mit irgendeinem System mit mehr Subsystemen - da muss mir leider jemand helfen. Jedenfalls, gehen wir mal davon aus, dass in dem einen Fall ein Technik-Benutzung-Subsystem angeworfen wird und im anderen ein Sozialer-Konflikt-Subsystem. Der Spieler muss herumtaktieren und überlegen, welches Subsystem jetzt wohl am besten funktioniert und wie er am besten zu dem Ergebnis kommt, dass er möchte.

Manche Leute finden das geil, weil sie Taktieren und die schlaueste Regel finden können, oder weil es sich für sie glaubwürdiger anfühlt, wenn ganz unterschiedliche Dinge auch ganz unterschiedliche Regeln verwenden. Andere Leute finden das langweilig, weil sie das vom Geschehen in der Fiktion ablenkt.

Vermutlich ist das keine 100%-ig scharfe Trennung. Es gibt da sicherlich fließende Übergänge. Aber die unterschiedlichen Vorlieben gibt es, und ich will gar nicht behaupten, die eine sei der anderen überlegen. Ich weiß aber, welche ich vorziehe. :)

Äh, ach so, Thema: Kreativität kann sich darin äußern, dass man seine Energie in die Fiktion steckt, oder dass man seine Energie ins Finden des richtigen Mechanismus steckt. "Kreative Verwendung" der Regeln fällt für mich unter letzteres, "einfach loserzählen und hinterher gucken, wie die Regeln passen" unter ersteres.
« Letzte Änderung: 17.10.2013 | 19:10 von Bad Horse »
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Offline Arldwulf

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #18 am: 17.10.2013 | 19:19 »
Folgendes Beispiel: Zwei völlig unterschiedliche Spielsituationen - ein Techie wird im Kampf gegen einen Cyborg verwickelt, und eine Hexe muss ihre Unschuld gegen einen Inquisitor verteidigen. Der Techie möchte den Cyborg mit Mini-Bots verlangsamen und verwirren; die Hexe möchte dem Inquisitor klar machen, dass sie eigentlich selbst ziemlich religiös ist.

Machen wir das mit Fate Core:
Der Techie macht 'Create Advantage' mit 'Lore', schafft es und erzeugt einen Aspekt ("Von Minibots geplagt").
Die Hexe macht 'Create Advantage' mit 'Lore', schafft es und erzeugt einen Aspekt ("Vielleicht ist sie doch eine fromme Frau").

Manche Leute finden das langweilig, weil da genau der gleiche Mechanismus verwendet wird, obwohl es um total verschiedene Sachen geht. Andere Leute finden das geil, weil sie nur wenig Energie auf den Mechanismus verwenden müssen und sich statt dessen auf die Fiktion konzentrieren können.

Das Problem ist eher: Wenn egal ist was man da eigentlich tut, dann reduziert dies auch die Bedeutung der Beschreibung dieser Aktion. Statt einer Konzentration auf die Fiktion erreicht man also das Gegenteil: Die Fiktion - und insbesondere ihre Details -  werden weniger wichtig.

Offline Bad Horse

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #19 am: 17.10.2013 | 19:29 »
Das Problem ist eher: Wenn egal ist was man da eigentlich tut, dann reduziert dies auch die Bedeutung der Beschreibung dieser Aktion. Statt einer Konzentration auf die Fiktion erreicht man also das Gegenteil: Die Fiktion - und insbesondere ihre Details -  werden weniger wichtig.

Es ist nicht egal, was man tut. Es hat nur mechanisch die gleichen Auswirkungen.

Du kannst mir das jetzt glauben oder nicht, aber für mich und meine Gruppen ist das so, und die Bedeutung der Beschreibung wird weder reduziert noch wird die Fiktion weniger wichtig, nur weil die Regeln simpler sind.

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Offline Archoangel

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #20 am: 17.10.2013 | 19:34 »
Also ich habe bisher noch von keinem Spieler gehört, er/sie wolle keine Fate spielen, weil Angst vor Kreativitätsmangel bestünde. Ich kenne hingegen jede Menge Leute, die mit Fate nichts anfangen können, weil sie die Regeln scheiße finden (oder sie die Regeln nicht finden können ;) ); ergo: es gibt einfach Menschen (Rollenspieler) die mit Fate, Fuge & Co. nichts anfangen können, weil sie eben mehr oder weniger klare Regeln möchten, bzw. weil sie eben nicht wollen, dass mehr als ein Spielleiter am Tisch sitzt. Oder anders herum: gerade Gruppen mit wechselndem Spielleiter haben meiner erfahrung nach die größten Vorbehalte - und da kann man ja wohl kaum von "Angst vor Kreativitätslosigkeit" sprechen.

Von daher würde ich gerne mal eine genauere Erläuterung des von dir geschilderten Phänomens lesen; wie viele Leute haben was zur Ablehnung gesagt?

Ich selbst habe ja nun jahrelang vor allem cD&D und/oder DSA1 geleitet, die ja nun auch nicht gerade regellastige Systeme sind und ich kann nur über die phantastischste Spielerkreativität berichten - auch ohne Fate-Mechansmen.
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Offline Skiron

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #21 am: 17.10.2013 | 19:39 »
@Arldwulf, ich hab Bad Horse genau umgekehrt verstanden.

Wenn man einen leicht anzuwendenden Mechanismus hat, mit dem man umsetzen kann, was für den Charakter und die Fiktion
Bedeutung hat, funktioniert dies, wenn einem die Fiktion wichtig ist passgenauer auf die Fiktion, den Charakter und die eigenen Spielvorlieben zugeschnitten, als wenn man erst mühsam eine Mechanik suchen muss, die halbwegs das abbildet was man möchte.

Und gibt den Mitspielern auch einen besseren Hinweis, weil diese daran ablesen können, dass der Spieler den Inhalt den er mit der Mechanik umsetzt für seinen Charakter, seine Spielvorlieben und die Fiktion für relevant hält.

Was ich persönlich bei umfangreichen Regelwerken, die da wenig Freiraum lassen und genau vorschreiben, was geht und nicht, schwerer umzusetzen finde. D&D 3.5 z.B. Ein Charakter der am Boden liegt kann schlecht ohne Nachblättern im Regelwerk einem Monster ein Seil um die Füsse winden. Was in meinen und auch der Mitspieler Augen jetzt nicht vollkommen unplausibel ist. Aber wir haben zumindest keine Möglichkeit nach dem Regelwerk gefunden, wie das gehen sollte.  ;D

Offline Slayn

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #22 am: 17.10.2013 | 20:16 »
Bad Horse hat ihr Beispiel nur absolut ungünstig gewählt. So gesehen beschreibt sie nämlich nur einen Effekt, den Archoangel erwähnt hat und den ich auch von den ganzen richtig alten Spielen kenne, nämlich das ausschmücken einer rein mechanischen probe durch "Fluff".
Wenn wir einander in der Dunkelheit festhalten .. dann geht die Dunkelheit dadurch nicht vorbei
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Offline Bad Horse

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #23 am: 17.10.2013 | 20:22 »
Von deiner Warte aus findet auch nichts anderes statt, Slayn.

Von meiner Warte aus ist das, was du als "Fluff" bezeichnest, der maßgebliche Teil. Der mechanische interessiert mich nur insoweit, dass ich weiß, ob und wie gut die Aktion gelungen ist.
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Offline D. Athair

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Re: Angst vor der eigenen Unkreativität
« Antwort #24 am: 17.10.2013 | 21:35 »
Äh, ach so, Thema: Kreativität kann sich darin äußern, dass man seine Energie in die Fiktion steckt, oder dass man seine Energie ins Finden des richtigen Mechanismus steckt. "Kreative Verwendung" der Regeln fällt für mich unter letzteres, "einfach loserzählen und hinterher gucken, wie die Regeln passen" unter ersteres.
Ich mag beides nicht besonders. Bei mir muss Regelanwendung zu Fiktion führen - ob das auserzählt werden muss, oder ob die Ergebnisse gleich klar sind, ist egal. Anders herum sollte Fiktion mich dazu bringen, dass ich Regel Z zur Anwendung bringen will.
Das heißt: (Kreative) Regelanwendung muss an die Fiktion rückgebunden sein und (kreatives) Erzählen an die Spielmechanismen.

In Rollenspielrunden in denen ich spielen will, müssen sowohl Mitspieler, wie System das zulassen/wollen. Andernfalls spiele ich lieber "Es war einmal ..." oder "Heroquest/Warhammer Quest".


Folglich empfinde ich Regelanwendung, welche die Fiktion in ein neues, unerwartetes Licht taucht, cool.
(Aus dem Ärmel geschüttelt: WFRP. Die Spieler erkunden einen Chaostempel. Die Wände werden immer seltsamer, Furcht und Wahnsinn sind beinahe physisch greifbar. Die SC kommen an den Raum, in dem ein Dämon Wohnung genommen haben soll. => Der SL verlangt einen Willenskraftwurf (gegen Wahnsinn/Entsetzen). Die Möglichkeit, dass die SC gerade jetzt, so kurz vor der Konfrontation die Nerven verlieren: Wow! Wenn sie hier erstmal scheitern: Können sie sich wieder fangen, ...? Welche Folgen ergeben sich? Können sie das sogar zu ihrem Vorteil nutzen?)

Das andere genauso.
(So ähnlich erlebt: Labyrinth Lord. Die Spielerin beschreibt ein cooles Kampfmanöver, das so nicht vorgesehen ist. => Gemeinsam schauen, wie man das regelseitig abbilden möchte [wobei die Stellschrauben sich sofort aufdrängen] => Interessanter Effekt & die anderen Spieler überlegen sich wie sie effektives Vorgehen und interessante Beschreibung zusammenbringen können.)

Als persönliches Fazit: Die wichtigste Form von Kreativität ist diejenige, welche im Spannungsfeld von Fiktion und Regeln stattfindet.
Die längerfristige Kampagnenplanung/Mitentwicklung durch die Spieler ist auch etwas, das von Spielerkreativität sehr profitiert.
"Man kann Taten verurteilen, aber KEINE Menschen." - Vegard "Ihsahn" Sverre Tveitan