Geistige Stabilität als Spielmechanismus hat die Aufgabe von Trefferpunkten.
Allerdings ist niemand genervt von Trefferpunkten in Systemen als Schadensregulierung - wieso?
Weil geistige Stabilität viel stärker ins Rollenspiel eingreift und ein Scenario schnell an die Wand fahren kann.
1)
Anders als bei Trefferpunkten im kampf gibt es bei dem Verlust von geistiger Stabilität wenig, was der Spieler tun kann, um dies zu vermeiden. Im Kampf kann ich, um Schaden zu vermeiden oder zu minimieren, einen Hinterhalt legen, warten bis der Gegner schläft, dicke Rüstung anziehen und mir schwere Waffen zu legen oder auch versuchen, unnötige Kämpfe zu vermeiden.
Und bei Stabilitätsverlust? - Nun,
a) ich kann nicht in das Haus von Graf Orlok gehen (Abenteuer wird nicht begonnen),
b) ich kann nicht die Chronik des Hauses derer von Orlok lesen (Spuren werden nicht entdeckt, Abenteuer endet),
c) ich kann nicht die Gruft des Grafen aufsuchen (Abenteuer vorbei) und
d) ich kann den Sarg nicht öffnen (Abenzeuer vorbei).
Ich habe also die Wahl, das Abenteuer zu spielen und Stabilität zu verlieren oder ich kann das Abenteuer links liegen lassen.
Sicherlich können mich jetzt die vom Grafen Orlok ausgehenden Gefahren (ausgesaugte Jungfrauen, leergefressene Tiefkühltruhen, Grafittis mit "Orlok RuleZ! Und ihr seid Scheiße!) dazu zwingen, dem Jungfrauenschänder, Cornetto-Banditen und Verschandler offentlichen und privaten Wohneingentums doch noch einen Hausbesuch abzustatten, aber dann habe ich wieder kaum Einfluss auf den 2Schaden", den ich nehmen muss.
2)
Verliere ich genug Stabilität, werde ich wahnsinnig. Und "genug" sind ja mal lächerliche 5 Punkte pro Stunde - da erschrickt man sich zweimal vor einer Ratte, liest im Buch was vom Gruselgraf und seinen perversen Cornettosexspeilen mit Jungfrauen - dann trof Blut oder ähnliches von der Decke und - voila! - ich bin gaga.
Da war noch kein Monster am Fenster und der Graf noch beim Nickerchen im Sarg.
So - also gaga. Also mal geschaut:
Bei etwas Glück bin ich nur ein paar Runden/ Minuten aus dem Spiel, bei großem Pech laufe ich aber schreiend aus der Burg. Damit bin ich raus aus dem Scenario, wenn die anderen nicht schreiend oder missmutig hinterherkommen, also das Abenteuer nicht ohne mich weiterspielen.
Auch im Kampf eine tolle Sache: Drei Zombies kommen vorbeigewankt und schon reduziert sich die Vierergruppe auf zwei, ohne dass auch nur eine Gammelklaue auch nur einmal zum Schlag angesetzt hat: Einer nimmt schreiend Raißaus, die andere fällt in Fötusstellung und Nilli und Willi können nun sehen, was sie machen.
Besonders langweilig ist das für den Weggelaufenen, denn er ist ja häufig raus aus dem Kampf. D.h. er überlebt. Die Moral ist dann: Wären wir mal alle besser NIE auf Abenteuer gegangen.
Sicher ist Weglaufen bei Cthulhu oft ein guter Rat und Scheitern gehört zum Genre genauso wie das Sterben, aber man möchte doch schon vom Grafen gesplattert werden und nicht von dessen Urlaubsvertretern der Hilfsdiener.
Meine Idee (nach Lektüre des letzten Cthulhus Ruf): Stabilitätsverlust sollte aufgeschoben werden können.
Das heißt, man kann entscheiden, ob man die Punkte bei vergeigtem Wurf direkt verliert (und seine Stabilität senkt) oder die Punkte als Verlust notiert, aber der Stabilitätswert zunächst gleich bleibt.
Der Vorteil: man würfelt weiterhin auf dem höheren Wert.
Der Nachteil: Nach einer bestimmten Zeit (z.B. eine Stunde) verliert man allePunkte auf einen Schlag - mit allen daraus folgenden Konsequenzen.
Vielleicht sollte man ein "Aufspargrenze" einbauen - sagen wir bei einem Viertel des Stabilitätswertes. Und wenn man 10 Punkte auf einen Hieb verliert, dann kommen die anderen noch hinzu - Fass übergelaufen!
So kann man kleinere Verluste noch nervös zuckem lassen, die Zombieverluste klemmt man aber weg, da ja noch der Graf kommen wird - und da braucht man einen hohen Stabilitätswert. Außerdem kann man nicht vor drei Angefaulten Reißaus nehmen, wenn man dem großen Übel das Handwerk legen will. Und am Ende kann man dann den Pflock beiseite legen, den Verlust von X-Punkten hinnehmen und sich ganz fein wahnsinnig lachend in die Klapse bringen lassen.
So sind alle beruhigt: Man hat spieltechnisch ein taktische Mittel zum Stabilitätsverlust, man kann das Abenteuer zu Ende spielen - und verliert dann den Verstand.