Klare Linien haben deutliche Vorteile, wenn man nicht total versessen darauf ist, bei einem einzigen Regelwerk zu bleiben, weil man das immer schon gespielt hat, keine neuen Regeln kaufen will (kann), keine neuen Regeln lesen will (kann) oder aus anderen Gründen abblockt.
Das setzt doch voraus das man sich bereits vor den Kauf überhaupt überlegt hat welchen Spielstil man verfolgen möchte und das man den Spielstil derart erfüllend findet das man auch gar nichts anderes braucht. Als ich mir meiner Zeit V:tM anschaffte hatte ich davon keinerlei Plan. Meine Kriterien waren im groben "Vampire" und "hat Würfel / Regeln".
Wenn jetzt ein Regelwerk eine klare Linie vorgibt besteht das Problem das der Käufer vielleicht von dem System abläßt und ggf. vom Rollenspiel.
Ich mein "Vampire" war für mich damals irgendwas um Anne Rice, Poppy Z. Brite und alternativ vielleicht noch so Actionreisser wie From Dusk Till Dawn.
Hätte da V:tM einen auf Annalise gemacht, also regelleicht weder Romanzen noch Action vorgesehen, ich wage doch arg zu bezweifeln das ich dabei geblieben wäre.
Effektiv hat mich vor V:tM MSH für gut ein halbes bis ein Jahrzehnt vom Rollenspielhobby vergrault weil es ne zu starre Struktur hatte (gut, das es unverständlich war und mistig klang mag auch geholfen haben).
Nur sollte man halt auch bereit sein zuzugeben dass man dann nicht Shadowrun (also O-SR) sondern was eigenes spielt (My-SR) das nichts mit den offiziellen Vorgaben zu tun hat, dies sowohl realisieren als auch kommunizieren und sich vor allem raushalten wenn es um O statt My geht.
Imho ist da beides O(ffizielles)-SR bzw. beides MySR.
Diese Forderung das die sich raushalten sollen wenn es um das eigene SR - was dann natürlich auch das offizielle ist - erscheint mir doch etwas, einseitig.
Zumal man auch argumentieren könnte das es bei SR keine XPs für Kills gibt und Abenteuer gar mitunter Krawalllösungen mit Punkteverweigerung bestrafen.
Eine "gerade Linie" hilft halt extrem bei der Kommunikation, der Erwartungshaltung, dem gemeinsamen Vorstellungsraum und bei der Positionierung von Gedanken zu dem Thema. Sie ist aber kein Zwang nur so zu spielen oder das Thema nur so anzugehen wie es die Vorlage sagt. Jeder Autor, der seine Gedanken hierzu klar kommunizieren kann tut seinen Lesern einen gefallen dadurch Unklarheiten und Schwammigkeit durch zwangsweises Lücken füllen zu vermeiden.
Paradebeispiel hierfür ist wie üblich die World of Darkness, bei der man ja aus zwei Quellen (Autor, Regeln) zwei komplett unterschiedliche Core Stories "erzählt" bekommt um die es hier geht: Das Setting spielen wie es verstanden werden will (Angst! Menschlichkeit!) oder das System spielen, wie es verstanden werden will (Cool Powerz!).
Ich halte es bei der World of Darkness beiweiten nicht für so eindeutig.
Das heißt imho gibt es dort mehr Ausprägungen sowie die Möglichkeit das System anders zu sehen - schließlich hat's Regeln für Menschlichkeit etc..
Andererseits habe ich die Erfahrungen gemacht das Gruppen sehr fix ihre Spielweise kommunizieren (können). Wo allenfalls Leute ein Hindernis sind die Glauben das es eine klare Linie gibt bzw. bestimmte Spielarten schlicht tabu.
Es gibt durchaus auch mitunter Kompromisslösungen. Respektive kann man sich von den Vampir-Zutaten (Angst, Romanzen, Action, Drama) und Spielweisen (RAW bis Gnah) und Philosophien (SL Heavy Plotorientiert mit NSC Paraden bis fast SL los Spielerhandlungsorientiert ohne große NSCs) das ganze zusammen kippen wie man lustig ist.