Autor Thema: Prozess- und Effektoriertierte Regeln [... rant?!]  (Gelesen 1238 mal)

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Offline D. Athair

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Eine Assoziation, die mir beim Lesen dieses Blogeintrags gekommen ist.

Häufig lese ich von einem Gegensatz von in taktischem, herausforderungsorientiertem Spiel und dramatischem, storygetriebenem Erzählspiel. Und zwar in einer Weise als seien das einerseits absolute Gegensätze und andererseits, als seien das die einzigen grundlegenden Arten zu spielen. In anderer Form auch in älteren Analysen.

Als jemand, der old-school-spiele (Crypts & Things), freiformige Sachen (Everway) und indie-sachen (urchin) zu seinen Lieblingen zählt, kann ich da so einiges nicht nachvollziehen.

Im Bereich Taktik: Hier werden Spielpläne und Spieleffekte (Powers/Feeiten/Edges/Sonderfähigkeiten) vorausgesetzt. Gerade auf letzeres verzichte ich gerne. 

Im Bereich Erzählen: Hier bestimmen Storygedanken (Szene, Akt) und auch besonders Charaktereffekte (Aspekte & Co.) das Spiel.
Beides sind Dinge, die in erzählerisch ausgeprägten Spielen, die ich mag (Prince Valiant), nicht oder nur wenig vorkommt.


Die Auslösung dessen könnte sein: Dass es Spiele gibt, bei denen die Interaktion mit Regeln und Spielwelt prinzipiell offen und prozessorientiert ist. Das scheint mir jedenfalls den Spielen gemeinsam, die ich in besonderer Weise mag.

Und es gibt Spiele, die eher effektorientiert funktionieren. Das sind Spiele, mit denen ich meine Schwierigkeiten habe (FATE, DnD 3.X, Warhammer 3, With Great Power).


Was soll nun prozessorientiert heißen?
Ich verstehe daraunter, dass die Regel- und Spielweltauslegung nicht schematisch bestimmten Diktaten folgt (Regeldiktat, Storydiktat) sondern durch den Dialog der Spieler bestimmt wird. Rulings statt Rules, gemeinsame Auswertung von Zufallsergebnissen oder Assoziationsketten. Ein Ausgangspunkt, der im gemeinsamen Vorstellungsraum der Spieler liegt. Mit dem Ergebnis, dass die Antiklimax Teil der Story sein kann und dass taktische Erwägungen nicht auf Grundlage der Regeln sondern der angenommenen Spielweltphysik basieren.


Bei prozessorientiertem Spiel steht nicht das Ergebnis (Bestehen einer Herausforderung, Erschaffen einer tollen Geschichte, ...) im Vordergrund, sondern der ergebnisoffene Prozess. Das Aushandeln, die Spieltechniken, das assoziative Spiel.
Damit ist auch klar, dass weder "rules as written" noch "klassische Goldene Regel" sinnvolle Funktionsgrundlage des Spiels sein können.
Es braucht ein verlässliches Regelgerüst als Grundlage, auf dem Ausgehandelt, Abgeleitet und Extrapoliert wird.


... soweit mal meine Gedanken. Sind noch nicht wirklich ausgereift.
Meinungen?





 

« Letzte Änderung: 6.07.2014 | 07:58 von Strohmann-Hipster »
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Offline Slayn

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Re: Prozess- und Effektoriertierte Regeln [... rant?!]
« Antwort #1 am: 6.07.2014 | 09:09 »
Ich sehe da, ehrlich gesagt, keinen großen Unterschied zu der üblichen Trennlinie zwischen Rules First! und Story First!.
Wenn wir einander in der Dunkelheit festhalten .. dann geht die Dunkelheit dadurch nicht vorbei
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Offline D. Athair

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Re: Prozess- und Effektoriertierte Regeln [... rant?!]
« Antwort #2 am: 6.07.2014 | 09:41 »
Ich sehe da, ehrlich gesagt, keinen großen Unterschied zu der üblichen Trennlinie zwischen Rules First! und Story First!.
Inwiefern?

Prozessorientiertes Spiel meint ja: "the rules build the story while the story builds the rules".
Das heißt: Eines auf "first" setzten zu wollen widerspricht der simultanen Wichtigkeit von story und rules.
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Offline Slayn

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Re: Prozess- und Effektoriertierte Regeln [... rant?!]
« Antwort #3 am: 6.07.2014 | 09:45 »
Inwiefern?

Dein Beitrag ließt sich so als würdest die grundlegende Reihenfolge was nun genau konsultiert wird nicht ändern. Auch das Erschaffen von Rulings in einer Situation wird darauf hinauslaufen erst die Regeln zu konsultieren, auch wenn man diese gerade eben erst erschaffen hat.
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Re: Prozess- und Effektoriertierte Regeln [... rant?!]
« Antwort #4 am: 6.07.2014 | 10:13 »
Dein Beitrag ließt sich so als würdest die grundlegende Reihenfolge was nun genau konsultiert wird nicht ändern. Auch das Erschaffen von Rulings in einer Situation wird darauf hinauslaufen erst die Regeln zu konsultieren, auch wenn man diese gerade eben erst erschaffen hat.
Würde eher meinen, dass die Reihenfolge sich situativ aus dem Spielfluss und der gerade aktuellen Verhandlung am Spieltisch ergibt.
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Offline 1of3

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Re: Prozess- und Effektoriertierte Regeln [... rant?!]
« Antwort #5 am: 6.07.2014 | 12:43 »
OK. Ich verstehe, dass du einen Unterschied siehst. Lass uns einmal schauen, wo der Unterschied liegt:

Als jemand, der old-school-spiele (Crypts & Things), freiformige Sachen (Everway) und indie-sachen (urchin) zu seinen Lieblingen zählt, kann ich da so einiges nicht nachvollziehen.

Du nennst Old-School. Was du beschreibst, wäre das letzte, was mir zum Thema Old-School einfällt, wenn ich die Bekanntmachungen der einschlägigen Vertreter lese. Old-School ist nicht kooperativ. Der SL hat RECHT! Verzeihung der REFEREE macht RULINGS. Die Regeln sind nicht so wichtig.

Du beschreibst hier einen ganz anderen Ansatz. Man muss sich demnach in die Mitspieler einfühlen. Es gibt auch keinen generellen Unterschied zwischen den Mitspielenden. Und ich nehme sogar an, dass man das mit den selben Spielen tun kann, mit denen auch die OSR-Vertreter spielen.

Wie so ziemlich alle stilistischen Unterschiede sind das keine Funktionen, des verwendeten Spiels, sondern korreliert mit diesen lediglich. Wenn man das Fördern will, hilft folgendes:

- Kein detaillierter Hintergrund.
- Keine invasiven Regeln.
- Kein singulärer Referee.

Und jetzt kommen wieder Späße mit der Modellbildung. Wollen wir ein Modell für Rollenspiele als veröffentlichte Produkte machen oder eines für Spielstile, wie sie gepflegt werden? Wenn letzteres, wie gehen wir methodisch vor? Man kann natürlich ganz gut das tun, was ich oben getan habe und schauen, wie Leute im Internet behaupten, dass sie spielen. Ob das dann stimmt, ist ne andere Sache.

Der Grund, dass du von Slayn in die Story-Ecke geschoben wirst, ist dabei dann ziemlich klar. Du vertrittst Thesen, die z.B. Nin ganz ähnlich in dem Thema äußert, wo ich gebeten hatte, Storytelling zu charakterisieren. (Ich hatte auch die Freude mit ihm so zu spielen.)

Offline D. Athair

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Re: Prozess- und Effektoriertierte Regeln [... rant?!]
« Antwort #6 am: 6.07.2014 | 13:50 »
Du nennst Old-School. Was du beschreibst, wäre das letzte, was mir zum Thema Old-School einfällt, wenn ich die Bekanntmachungen der einschlägigen Vertreter lese. Old-School ist nicht kooperativ. Der SL hat RECHT! Verzeihung der REFEREE macht RULINGS. Die Regeln sind nicht so wichtig.
Den Gedanken kann ich ein Stück weit nachvollziehen. Grundsätzlich jedoch wird die Schiedsrichterfunktion, die auch das letzte Wort hat, nicht geschwächt, wenn das basale Regelgerüst in der Gruppe bestimmt wird und wenn für rulings die Option Spielermeinungen einzuholen, genutzt wird.

Jedenfalls sehe ich da keinen Widerspruch zu Dragonquest II (SPI):
Zitat
The
GM is empowered to change whatever he wishes (with the mutual
consent of his players) in order to make the game more enjoyable for
all concerned. In order to make these decisions fairly, he must know
the entire body of rules thoroughly and have a keen sense as to what is
good for his campaign.

Oder zu Crypts & Things (Swords & Wizardry Variant):
Zitat
[...] misconceptions about the Crypt Keeper[ s]:
1. They are NOT the most important player in the game.
Crypts & Things is a cooperative experience.

2. Neither are they the only person from whom the setting comes. [...]

Know the rules because you are going to be the person that the players come to again and again for rules decisions. [...]

Es gibt auch keinen generellen Unterschied zwischen den Mitspielenden.
Das stimmt. Aber es gibt einen funktionalen Unterschied.


Würde eher meinen, dass die Reihenfolge sich situativ aus dem Spielfluss und der gerade aktuellen Verhandlung am Spieltisch ergibt.
Vgl. Everway, wenn die Spielleitung situativ sich für Drama, Karma oder Fate entscheidet.


- Kein detaillierter Hintergrund.
- Keine invasiven Regeln.
- Kein singulärer Referee.
Ja, ja und ist egal.
Wobei Referee durchaus der richtige Begriff ist. Storyteller oder Dungeon/Game Master würde sich falsch anfühlen.


Und jetzt kommen wieder Späße mit der Modellbildung. Wollen wir ein Modell für Rollenspiele als veröffentlichte Produkte machen oder eines für Spielstile, wie sie gepflegt werden? Wenn letzteres, wie gehen wir methodisch vor? Man kann natürlich ganz gut das tun, was ich oben getan habe und schauen, wie Leute im Internet behaupten, dass sie spielen. Ob das dann stimmt, ist ne andere Sache.
Das kann ich momentan noch nicht so genau sagen. Aber ich kann auf Norberts Abenteuer! verweisen. Das macht vielleicht ein bißchen klarer, worum es geht.
« Letzte Änderung: 6.07.2014 | 13:51 von Strohmann-Hipster »
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Offline Beral

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Re: Prozess- und Effektoriertierte Regeln [... rant?!]
« Antwort #7 am: 6.07.2014 | 13:51 »
Häufig lese ich von einem Gegensatz von in taktischem, herausforderungsorientiertem Spiel und dramatischem, storygetriebenem Erzählspiel. Und zwar in einer Weise als seien das einerseits absolute Gegensätze und andererseits, als seien das die einzigen grundlegenden Arten zu spielen.
Es gibt weit mehr als zwei Spielstile. Die verschiedenen Spielstile sind unterschiedlich gut miteinander vereinbar, insbesondere wenn sie eine hohe Priorität bekommen. Die von dir genannten Stile sind nicht gegensätzlich, aber wenn man einen davon zur Hauptpriorität erklärt, kann der andere nicht mehr Hauptpriorität sein. Weil es viele Spieler gibt, die auf einen dieser Stile ihre Hauptpriorität legen wollen, hat es in vielen Gruppen Konflikte gegeben. Das wurde in vielen, teilweise sehr hitzigen Diskussionen aufgearbeitet.

Das Problem verschwindet schon allein dadurch aus der Welt, dass die Spieler flexibler in ihren Vorlieben sind und keine Hauptpriorität vergeben, die nicht gebrochen werden dürfte. Wenn du so ein Spieler bist, erscheint dir der Konflikt unverständlich.

Im Bereich Taktik: Hier werden Spielpläne und Spieleffekte (Powers/Feeiten/Edges/Sonderfähigkeiten) vorausgesetzt.
Solche Definitionen sind nicht zu gebrauchen. Taktik definiert sich nicht über den Einsatz von Spielplänen. Allenfalls sind Spielpläne ein häufig anzutreffendes Beispiel bei taktischem Spiel. Es geht auch ohne.

Im Bereich Erzählen: Hier bestimmen Storygedanken (Szene, Akt) und auch besonders Charaktereffekte (Aspekte & Co.) das Spiel.
Hier gilt das gleiche. Storyorientiertes Spiel definiert sich nicht über den Einsatz von Szenen oder Akten. Es geht auch ohne.

Die Auslösung dessen könnte sein: Dass es Spiele gibt, bei denen die Interaktion mit Regeln und Spielwelt prinzipiell offen und prozessorientiert ist.
Das ist ein interessanter Gedanke. Dazu fallen mir spontan Sandboxing und Weltsimulationen ein, bei denen es wichtig ist, sich von den innerweltlichen Prozessen der Spielwelt treiben zu lassen (sozusagen von innen heraus), anstatt sich an äußeren Metazielen zu orientieren (spannende Story, Herausforderungen für die Spieler). Das sind übrigens auch keine Gegensätze aus Prinzip. Aber wenn man das eine auf jeden Fall haben will, gerät das jeweils andere mit starker Wahrscheinlichkeit unter die Räder.
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