Autor Thema: System DOES NOT Matter - Früher konnten wir das noch nicht wissen.  (Gelesen 24032 mal)

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Offline 1of3

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@Wellentänzer: Leider sehe ich nicht, wo du hier von "Ganzheitlichkeit" sprichst (und meine Suchfunktion auch nicht).  :embarassed:

Zitat
Ich finde das überraschend und neu. Jedenfalls ist mir bislang noch niemand untergekommen, dem das aufgefallen wäre und der das so niedergeschrieben hätte.

Ich weiß nicht, ob das jemensch schon mal so ausformuliert habe. Aber das ist wohl so die Idee, die hinter dem Begriff "Designer-Spiel" steckt oder das, was ich meine, wenn ich sage: Man kann bei Polaris nicht frei spielen, nie. Was das aus Sicht eines Spieldesigners bedeutet, habe ich mal mit meiner Liebeserklärung an Powergamer (blog) geschrieben. Hier sagt es der Bombshell, wenn ich VtM seziere.

Also ja, System does matter. Wir machen, dass das System mattert. Entweder das System, welches sich das Designteam ausgedacht hat oder eines, das am Spieltisch entsteht. Ersteres zuzulassen, ist eine bewusste Entscheidung.


@Luxferre: B&B entstand als Donjon-Hack. Nach und nach kamen gewisse andere Teile dazu. Die TSoY-Anleihen scheinen da recht offensichtlich zu sein.

Achamanian

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Genau das. Du hast mich richtig verstanden und das sehr gut zusammengefasst. Danke dafür. Und diese Aussage beziehe ich nun auf die "großen, beschissen designten" Systeme und stelle fest, dass konziliatorische Entscheidungen dort super funktionieren. Wer hätte das in dieser Form gedacht? Es ist dort halt so, dass SYSTEM MATTERS in quasi umgedrehter Form funktioniert.


Ich verstehe an diesem Punkt langsam was gemeint ist und kenne das Phänomen tatsächlich auch aus meiner DSA4.1-Runde, die wir gegen Ende quasi rein freeform gespielt haben - einfach, weil niemand das Regelsystem leiden konnte oder beherrscht hat, gleichzeitig aber 2 von 4 Spielern die Vorstellung nicht ertragen konnten, Aventurien mit einem anderen als dem "offiziellen" System zu bespielen.

Natürlich kann man sagen, dass das Regelsystem, dass nicht nur schlecht, sondern sogar quasi seiner offiziellen kreativen Agenda zuwiderlaufend designt ist, dazu geführt hat, dass wir ganz klammheimlich zu tollen Erzählspielern geworden sind, die alles auch ohne Regeln aushandeln konnten. Da ist sogar was dran. Die Spielerfahrung war dabei aber trotzdem nichts, was ich zur Wiederholung anstreben würde.

Und da wäre ich wieder bei "System does Matter", weil ich mit gut designten - gerne auch vom Fokus her nicht zu engen, ansonsten ganz klassischen Systemen - die Erfahrung mache, dass dass von mir gewünschte gemeinsame kreative Spielerlebnis sich sehr viel früher und ohne zahlreiche vorgeschaltete Frustrationserfahrungen herausbildet.

Deshalb finde ich, du fokussierst die Wirkung des Ansatzes, Systeme auf kreative Agenden hin zu designen, zu sehr auf Indies. Es gibt einen Haufen vom Ansatz her eher klassische, auf Kampagnen angelegte Systeme, die einen solchen Designaspekt aufgenommen haben. Da liegt für mich die große Wirkung von "System does Matter" über ein "Kunstprojekt", wie 1of3 das treffend beschreibt, hinaus. Die ganzen Gumshoe-Systeme, Numenera, 13th Age, The One Ring - alle sehr kampagnentauglich und vom Fokus vielleicht teilweise etwas enger als Rolemaster, Runequest oder DSA, aber doch deutlich aus der Absicht hervorgegangen, die Lehren aus "System does Matter" ins klassischere Rollenspiel zu holen. Meiner Ansicht nach mit Erfolg.

Die völlig unterschiedlichen Spielerlebnisse, die ich mit DSA4.1 (Regeln werden wenn möglich ignoriert), Gumshoe (Regeln treten bis auf entscheidende Situationen in den Hintergrund, strukturieren aber im Hintergrund stark das Spiel), Numenera (Regeln dienen als lockeres Werkzeug für "Rulings" und lieferanten cooler Stunts) Fiasko (Regeln geben dem Spiel ein Gerüst, innerhalb dessen frei erzählt wird) gemacht habe, zeigen für mich alle, dass Systeme (im Sinne geschriebener Rollenspielsysteme) das Rollenspielerlebnis enorm beeinflussen. Dass du zufällig Variante 1 (wir ignorieren die Regeln weitgehend, weil sie ihren Zweck ohnehin nicht erfüllen) am liebsten spielst, sei dir unbenommen (ich versteh's nicht), aber es ist sicher keine Grundlage für die Behauptung "System does NOT matter".

Wellentänzer

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Spannend. Ich bin für heute raus, weil ich nun mit meiner Tochter spiele. Aufm Teppich mit allerlei Tieren. Heute hat das Schwein Geburtstag. Morgen mehr. Schönen Abend zusammen.

Offline Maarzan

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System matters, aber ein tolles falsches Werkzeug bleibt für den entsprechenden Job ein falsches Werkzeug. Und je spezialisierter und kompletter etwas designt ist, desto stärker ist der Widerstand, der überwunden werden muss, um mit ihm etwas ganz anderes zu machen.

Für mich hört sich an, dass Vampire als das Beste System angesehen wird, weil die anderen Systeme etwas machen, was so gar nicht gewollt ist und sich Vampire wenigstens aufwandsarm so ummodeln lässt, so dass es den Erwartungen nahe kommt oder sie zumindest nicht weiterbehindert.

Dazu kommt, dass streng fokussierte Systeme oft auch nur das genau fördern und alles andere vernachlässigen und es damit einmal recht schnell langweilig werden kann und zweitens es kaum Kompromissmöglichkeiten gibt andere Mitspieler mit anderen Foki einzubinden.

Der Fehler liegt bei Regeln wie bei der Theorie bei Generalproblemen beim unfähigen Anwender, was nicht ausschließt das einzelne Elemente sowohl von Regeln als auch Theorie unkomplett über fehlerhaft bis Mist sein können.

Wobei GNS kein Theorieelement sondern ein aus GDS abgeleitetes Propagandainstrument war.

Vor dem DSA-Problem stehe ich auch gerade: Es macht eine Menge Dinge "seltsam" oder nicht, aber wo beim Orginal D&D eine weiße leere Wüste war, sind jetzt Haufenweise irgendwo unstrukturiert zusammen geklatschte  und ausnahmebasiert gesetzte Regeln, welche sich irgendwo mit möglichen schnellen Änderungen verhaken und blockieren.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Ucalegon

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Vor dem DSA-Problem stehe ich auch gerade: Es macht eine Menge Dinge "seltsam" oder nicht, aber wo beim Orginal D&D eine weiße leere Wüste war, sind jetzt Haufenweise irgendwo unstrukturiert zusammen geklatschte  und ausnahmebasiert gesetzte Regeln, welche sich irgendwo mit möglichen schnellen Änderungen verhaken und blockieren.

Den bisherigen Überlegungen folgend wäre DSA ja dann ein Beispiel für ein Spiel, bei dem die Regeln nicht allein definierend sind, das sich leicht ummodeln lässt und das Kompromissmöglichkeiten bietet, Spieler mit verschiedenen Interessen einzubinden?

Offline 6

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Das Setting gehört übrigens auch zum System. ;)
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Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

Offline Grubentroll

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Ich verstehe an diesem Punkt langsam was gemeint ist und kenne das Phänomen tatsächlich auch aus meiner DSA4.1-Runde, die wir gegen Ende quasi rein freeform gespielt haben - einfach, weil niemand das Regelsystem leiden konnte oder beherrscht hat, gleichzeitig aber 2 von 4 Spielern die Vorstellung nicht ertragen konnten, Aventurien mit einem anderen als dem "offiziellen" System zu bespielen.

Natürlich kann man sagen, dass das Regelsystem, dass nicht nur schlecht, sondern sogar quasi seiner offiziellen kreativen Agenda zuwiderlaufend designt ist, dazu geführt hat, dass wir ganz klammheimlich zu tollen Erzählspielern geworden sind, die alles auch ohne Regeln aushandeln konnten. Da ist sogar was dran. Die Spielerfahrung war dabei aber trotzdem nichts, was ich zur Wiederholung anstreben würde.

Und da wäre ich wieder bei "System does Matter", weil ich mit gut designten - gerne auch vom Fokus her nicht zu engen, ansonsten ganz klassischen Systemen - die Erfahrung mache, dass dass von mir gewünschte gemeinsame kreative Spielerlebnis sich sehr viel früher und ohne zahlreiche vorgeschaltete Frustrationserfahrungen herausbildet.

Deshalb finde ich, du fokussierst die Wirkung des Ansatzes, Systeme auf kreative Agenden hin zu designen, zu sehr auf Indies. Es gibt einen Haufen vom Ansatz her eher klassische, auf Kampagnen angelegte Systeme, die einen solchen Designaspekt aufgenommen haben. Da liegt für mich die große Wirkung von "System does Matter" über ein "Kunstprojekt", wie 1of3 das treffend beschreibt, hinaus. Die ganzen Gumshoe-Systeme, Numenera, 13th Age, The One Ring - alle sehr kampagnentauglich und vom Fokus vielleicht teilweise etwas enger als Rolemaster, Runequest oder DSA, aber doch deutlich aus der Absicht hervorgegangen, die Lehren aus "System does Matter" ins klassischere Rollenspiel zu holen. Meiner Ansicht nach mit Erfolg.

Die völlig unterschiedlichen Spielerlebnisse, die ich mit DSA4.1 (Regeln werden wenn möglich ignoriert), Gumshoe (Regeln treten bis auf entscheidende Situationen in den Hintergrund, strukturieren aber im Hintergrund stark das Spiel), Numenera (Regeln dienen als lockeres Werkzeug für "Rulings" und lieferanten cooler Stunts) Fiasko (Regeln geben dem Spiel ein Gerüst, innerhalb dessen frei erzählt wird) gemacht habe, zeigen für mich alle, dass Systeme (im Sinne geschriebener Rollenspielsysteme) das Rollenspielerlebnis enorm beeinflussen. Dass du zufällig Variante 1 (wir ignorieren die Regeln weitgehend, weil sie ihren Zweck ohnehin nicht erfüllen) am liebsten spielst, sei dir unbenommen (ich versteh's nicht), aber es ist sicher keine Grundlage für die Behauptung "System does NOT matter".

Schöne Argumente.

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alexandro

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Man sollte noch anmerken, dass es einige Mechanismen von GNS-Spielen in den Mainstream geschafft haben (CortexPlus z.B.) und da durchaus Erfolge vorzuweisen haben. Das mit den GNS-Spielen selbst eher keine Kampagnen gespielt werden, mag an ihrer Abgeschlossenheit und ihrer Experimentalanordnung liegen - befreit man sie davon, dann geht es rasch voran.

Offline Slayn

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Man sollte noch anmerken, dass es einige Mechanismen von GNS-Spielen in den Mainstream geschafft haben (CortexPlus z.B.) und da durchaus Erfolge vorzuweisen haben. Das mit den GNS-Spielen selbst eher keine Kampagnen gespielt werden, mag an ihrer Abgeschlossenheit und ihrer Experimentalanordnung liegen - befreit man sie davon, dann geht es rasch voran.

Ich meine, der Ansatz wie man an Design herangehen kann war schon extrem gut, die praktische Umsetzung hatte noch Mängel. Einer davon war und ist die Tatsache dass sich der "Endbenutzer" an das System anpassen muss und nicht umgekehrt.
Für meinen Geschmack hat man halt einfach die falschen Schlüsse aus der ganzen Sache gezogen.
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Offline Village Idiot

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Ich weiß nicht, nur weil eine große Zahl an Spielern ein alles geht Rollenspiel will, heißt das doch nicht, dass es nicht "Endbenutzer" gibt, die zumindest auch Spaß daran haben, sich einem Spiel hinzugeben um zu sehen was dabei raus kommt. Diese Systeme ganz zu verdammen würde zumindest einem Teil der Spielerschaft etwas nehmen und die Vielfalt im Hobby beschneiden.
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Offline Crimson King

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Mir persönlich ist ja nicht ansatzweise klar, wie man ernsthaft auf die Idee kommen kann, das System wäre bedeutungslos. Noch etwas mehr erstaunt mich, dass diese Aussage getätigt wird, während man sich gleichzeitig der Tatsache vollkommen bewusst ist, dass man sein "Lieblingssystem" nicht as written spielt, sondern massiv verhausregelt, weil es sonst nicht zu gebrauchen ist.

Auch die grundlegende Ablehnung der Forge-Theorie erklärt sich mir nicht. Die klassischen Storygamer-Indies mögen es nicht zu besonderem Markterfolg gebracht haben, allerdings sind tonnenweise Erkenntnisse aus den Theoriediskussionen in modernere Systeme eingeflossen, die durchaus auch mit einigem kommerziellen Erfolg aufwarten können. Beispiele wurden hier diverse genannt. Zu erwarten, dass diese Spiele jetzt den Platzhirschen DnD, Pathfinder, DSA, Shadowrun das Wasser abgraben, ist meines Erachtens absurd. Dazu ist der Vorteil, den diese Systeme aufgrund ihrer über zwei bis vier Jahrzehnte hinweg (also aus Zeiten, in denen es so richtig fokussierte Spiele praktisch nicht gab und die Konkurrenz es in Sachen Mechanik nicht viel besser machte) ausgebauten marktbeherrschenden Stellung haben (Pathfinder als DnD-Trittbrettfahrer, der in gigantischem Maß von den Problemen der 4e profitiert hat), viel zu groß.

Die These, dass der Erfolg von unfokussierten Spielen zumindest unter anderem auch darauf zurückzuführen ist, dass sie leichter an den Eigenbedarf angepasst werden können, finde ich allerdings sehr brauchbar. den Erfolg von DnD erklärt das allerdings nicht, denn das Spiel ist in allen Editionen vergleichsweise stark fokussiert, auch wenn die 4e da sicherlich maximal konsequent ist.
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J.W. von Goethe

Offline Boba Fett

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@Wellentänzer:
Ich persönlich glaube, dass die Entscheidung, was gespielt werden soll, in den von Dir aufgeführten Erfahrungen wegen des Settings (Spielwelt, Hintergrundswelt) gefällt wurden und nicht wegen des Systems (Spielregeln) sondern eher trotz des Systems gespielt werden. Und zwar trotz des Systems, weil es bei der Entscheidung zwischen der Menge der erforderlichen Kompromisse (notwendige Kompromisse bei Adaption des Settings af neue Spielregeln VS notwendige Kompromisse die man beim Spiel mit den vertrauten Regeln eingehen muss) der Meinung war, dass man mit dem dazugehörigen System den Weg des geringeren Widerstands gehen wird.
Das gilt zumindestens für DSA, Vampire und Shadowrun (bis einschliesslich 3. E) und AD&D.
Das einzige System das eher wegen der Spielregeln gespielt wurde/wird dürfte D&D3.X/Pathfinder sein.

Ich denke, dass nach wie vor das Hauptaugenmerk bei "Spielwelt erleben und erforschen" oder im "taktischen Konflikt" bei den meisten Rollenspielrunden im deutschsprachigen Raum liegt.
Im ersten Aspekt ist das Setting nd nicht das System das entscheidende Element bei der Rollenspielwahl. im zweiten ist es tatsächlich das System, aber da gibt es zwei/drei Systeme, die eindeutige Vorreiterrolle besitzen und damit die Systemwahl dominieren.

Insofern hast Du mit "System doesn't matter" in diesem Sinne recht, auch wenn das nichts mit Gulasch Nudeln und Salat zu tun hat. Und genauso mag die These "System matters" auch im nicht forgianischen Sinn immer noch zutreffen, denn ich denke, dass die Spielregeln durchaus das Spielerlebnis akzenturieren und beeinflussen und auch die Spieler in der "Spielsozialisierung" beeinflussen. Will sagen "wer mit D&D aufgewachsen ist, spielt anders Rollenspiel, als wäre er mït DSA oder Rolemaster aufgewachsen (oder Vampire, oder Shadowrun). Was schwierig zu bewerten ist, zumal die meisten ja mit mehreren Systemen aufgewachsen sind...

Nur ein paar Gedanken, hne Aspruch auf universelle Wahrheit.
Vielleicht bringt es DIch trotzdem irgendwohin.

Nicht ignorieren sollte man gerade bei den älteren Semestern auch nostalgische Aspekte bei der Systemwahl.
Und ebensowenig sollte man vergessen, dass die meisten Spielerfahrungen von wesentlich mehr Aspekten abhängen als nur vom verwendeten Regelsystem. Und auch die Etscheidung, in einer Rollenspielrunde mitzumachen hängt nicht nur vom verwendeten Spielsystem ab.
« Letzte Änderung: 13.10.2014 | 21:03 von Boba Fett »
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Offline Arldwulf

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Der Punkt bei der Einordnung in fokussierte und nicht fokussierte Spiel am Beispielder 4e ist ja auch, dass ein Großteil der 4e Probleme durch einen breiteren, mehr Spielertypen mitnehmenden Ansatz entstanden. Indem man ungeschickt diese Dinge dann bewarb - und damit all jene gegen sich aufbrachte die ihre Spielweise in eine Ecke gedrängt sahen - aber wenig Interesse an tatsächlichen Regeln hatten.

Eine fokussiertere, nur auf wenige Spielweisen ausgelegte Edition hätte viel weniger Emotionen hervorgerufen.
« Letzte Änderung: 13.10.2014 | 21:10 von Arldwulf »

Luxferre

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System matters in Form einer Illusion, der man sich aus verschiedenen, geprägten oder angenommenen Gründen hingibt.  Sei es eine Assoziation, die ich mit dem System verbinde (vermeintlicher Perfektionismus, vermeintliche real-plausible Realitätsabbildung ...) oder auch nur ein momentaner Trend, dem ich euphorisch folgen will. Auch kann ich mir sehr gut den von Rumpel angesprochenen Punkt vorstellen, dass ich mir eine Abhängigkeit von System und Setting einbilde. Es muss halt in der eigenen, beschränkten Gedankenwelt passen, wie so vieles Andere auch im Leben.
Auch das Be- und Ergreifen eines Systems spielt eine große Rolle. Über- und/oder Unterforderung sind ebenso wichtige Parameter, bei der Wahl.
Sicherlich sind die Möglichkeiten, mit mir unpassend erscheinenden Sytemen die gewünschten Welten zu bespielen, größer als das, was sich ein jeder individuell vorstellen kann.


Für meine Gedanken habe ich Forge und Co übrigens bewusst ignoriert ;)
Insofern: Das System eines Rollenspiels beeinflusst das Erlebnis der Beteiligten erheblich weniger als gemeinhin angenommen und postuliert wird. Wenn wir in Zukunft über Rollenspiele nachdenken, sollten wir Inhalte, die auf GNS sowie mit dem damit eng verwobenen Theoriegebäude der Forge zusammenhängen, nur ausgesprochen behutsam berücksichtigen.

Ja, Dein Resümee würde ich gern unterschreiben. Und dennoch gebe ich mir bereitwillig der Illusion hin, mit meinem gehausregelten HARP meinen Geschmack für meine eigene Welt am besten darstellen zu können. Ich bilde mir gern ein, eine low-magic Fantasywelt mit vielen phantastischen und märchenhaften Elementen nicht mit D&D abbilden zu können (... und zu wollen  >;D ).

Offline Haukrinn

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Man sollte noch anmerken, dass es einige Mechanismen von GNS-Spielen in den Mainstream geschafft haben (CortexPlus z.B.) und da durchaus Erfolge vorzuweisen haben.

Hä? Wenn ich mir etwas erfolgreichere sehr gut designte Rollenspiele ansehe (nehmen wir mal Cortex Plus und FATE Core), dann zeichnen die sich sicherlich nicht durch ihre GNS-Nähe aus. Ihre Autoren hatten mit der Entwicklung der Theorie auch sicherlich höchstens am Rande zu tun und haben diese interessiert verfolgt, und mit Sicherheit hat das Nachdenken über diese eben jenen Autoren auch beim Design ihrer Spiele geholfen - der Behauptung dass es dort eine direkte Nähe gäbe fehlt es aber meiner Meinung nach an Substanz.

Es gibt mit Sicherheit theoretische Elemente und Definitionen der Forge-Theorien die es bis in den Mainstream geschafft haben (Situation ist da so einer meiner Favoriten), aber darüber hinaus?

Ansonsten zum Thema meine 2 Cent: Natürlich mattert das System. Aber wie Fredi schon hier oft und völlig vergeblich sagt nicht das geschriebene. Sondern das (nicht wie Fredi sagt) gespielte und erlebte. Und in diesem Sinne sind auch die zuvor zitierten Diskrepanzen zwischen RAW und Spielerlebnis (wie zum Beispiel das weglassen eines Großteils der offiziellen Regeln) keineswegs ein Ausschlußkriterium für diese Aussage, sondern viel eher ein dazu völlig orthogonal stehender Faktor.
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Offline Fredi der Elch

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Im bisherigen Thread sind aus meiner Sicht einige sehr gute Punkte genannt worden. Vielleicht können wir die weitere Diskussion darauf aufbauen.

Marzaan hat darauf hingewiesen, dass unfokussierte Systeme (ich verwende den Begriff jetzt mal als Synonym für Regelwerk, auch wenn das nicht der Forge-Usus ist ;) ) per se mehr Leute ansprechen, als fokussierte das tun. Ein System, dass alle Leute so lala anspricht, wird mehr Nutzer finden, als eines, dass ganz spezifisch nur eine kleine Gruppe anspricht und alle anderen abschreckt. Dazu kommt noch, dass sich unfokussierte Systeme leichter driften lassen als Systeme, die ganz stark auf eine Anwendung zugeschnitten sind. Es ist also eigentlich klar, dass unfokussierte Systeme mehr Exemplare verkaufen werden, als fokussierte das tun können. Das ist aber noch kein Argument für ein "Scheitern" der fokussierten Systeme.

Rumpel hat klar gemacht, dass artsy-fartsy Indiesysteme zwar wirtschaftlich nicht so erfolgreich sind, aber die Konzepte, die im Indiebereich entwickelt wurden, immer mehr Eingang in den "Mainstreambereich" finden. Moderne Mainstreamsysteme integrieren also Mechanismen, die sie stärker fokussieren. Dieser Fokus ist sicher nicht so scharf, wie es bei einem Nischensystem der Fall ist (siehe auch den Punkt von Marzaan), aber sie werden allem Anschein nach doch fokussierter.

Und zum Abschluss noch eine nicht so tolle Idee, aber weil die von mir ist, möchte ich sie trotzdem loswerden. ;D Vielleicht gibt es ja wirklich etwas, was Leuten speziell an unfokussierten Systemen gefällt. Marzaan hat erwähnt, dass sie leichter zu driften sind. Macht den Leuten das Driften selbst also vielleicht Spaß? Oder ist es etwas, das mit dem System selber gar nicht so viel zu tun hat? Um mal eine etwas ältere Idee von mir aufzugreifen:
Was wir eigentlich mal diskutieren sollten ist, dass man seinen Spaß nicht aus der kreativen Ebene ziehen muss. "Spaß" kann auch auf technische oder soziale Agenda zurückzuführen sein. Und deswegen glaube ich, dass inkohärente Gruppen mit Spaß diesen vermutlich zu großem Teil aus den anderen Ebenen beziehen. Aber das ist vermutlich ein anderer Thread...

Diese drei Punkte bieten sicher einiges an Potential. Hoffe ich zumindest. :)
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Zitat von: 1of3
D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

Offline Crimson King

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Ich habe nicht den Eindruck, dass die neueren Mainstreamsysteme wirklich fokussierter werden. Es ist allerdings klar zu erkennen, dass die Spieledesigner heute deutlich besser wissen und auch sagen, wie die verwendeten Regeln für maximalen Nutzen angewendet werden sollen und warum man bestimmte Designentscheidungen getroffen hat. Dafür ist die Forge auch zumindest mittelbar mit verantwortlich.
« Letzte Änderung: 13.10.2014 | 22:19 von Crimson King »
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J.W. von Goethe

fudi

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Insofern: Das System eines Rollenspiels beeinflusst das Erlebnis der Beteiligten erheblich weniger als gemeinhin angenommen und postuliert wird. Wenn wir in Zukunft über Rollenspiele nachdenken, sollten wir Inhalte, die auf GNS sowie mit dem damit eng verwobenen Theoriegebäude der Forge zusammenhängen, nur ausgesprochen behutsam berücksichtigen.

Vorweg: Ich würde gerne vielem was Wellentänzer im Eingangsbeitrag geschrieben hat zustimmen.

Ich kannte GNS und Forge bis anhin nicht und nachdem lesen des Blogs würde ich schon nur aus Trotz die Meinung verfechten, dass "the system DOES NOT matter" (an dieser Stelle ein Dank für das interessante Lesefutter).

Das würde nach Ron Edwards wohl bedeuten, dass ich einen "brain damage" habe und von der Scientology der Rollenspielgemeinde errettet werden müsste. Aber an diesem (einmaligen?) Lapsus soll das ganze mal nicht aufgehängt werden. :D

Ich kann mich erinnern, dass die wichtigsten Elemente für mich als Teenie, nicht die Regeln waren oder das "Narrative" (siehe unten), sondern der Fluff und die Bebilderung und der Schreibstil, also das gesamte Produkt, das Heavy Metal, das Goth, der Tech oder der Pop, dass irgendwo den Zeitgeist traf und mich beeindruckte. Mir war eine Distinktion in diese Dreifaltigkeit bei einem Vampire und einem Shadowrun und einem Warhammer und einem DSA als Medium total Schnuppe.

Die Regeln, egal welcher Art und das stimmt für mich Heute noch, bilden einen Teil des gesamten komplexen Dinges, des Mediums an sich und determinieren für mich keine wirklich wahrnehmbare Unterscheidung (abermals "brain damage"), die sich im Erzählerischen verankern lassen würde (Fokus hin oder her).

Wenn überhaupt, dann würde ich als jemand der keine Rollenspieltheorie Bücher gelesen hat und sich eher aus der Erzähl- und Kommunikations- und Sozialwissenschaft annähert, die Teilung in drei distinkte Teile, als "Perspektiven" des Gleichen verstehen, analog zu einem Tryptychon.
Denn, so verfestigt sich bei mir der Eindruck allmählich, wird der Begriff des "narrativen" mMn falsch angewendet (auch auf Tanelorn) und müsste vielleicht in einem anderen Thread mal genauer definiert werden.

Offline Slayn

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Und zum Abschluss noch eine nicht so tolle Idee, aber weil die von mir ist, möchte ich sie trotzdem loswerden. ;D Vielleicht gibt es ja wirklich etwas, was Leuten speziell an unfokussierten Systemen gefällt. Marzaan hat erwähnt, dass sie leichter zu driften sind. Macht den Leuten das Driften selbst also vielleicht Spaß? Oder ist es etwas, das mit dem System selber gar nicht so viel zu tun hat? Um mal eine etwas ältere Idee von mir aufzugreifen:

Driften ist, denke ich, gar nicht mal der entscheidende Faktor dabei. Ein System wird als Spiel erst dann fertig sein, wenn die Spieler darauf losgelassen werden, erst dann sind wirklich alle expliziten und implizierten Elemente anwesend. Da kann man, denke ich, noch so viel darauf hindesignen ein "vollständiges Spiel" abzuliefern, das wird man aber nicht können. Es wird erst einen gewissen Unschärfefaktor benötigen, damit Leute mit dem Ding auch wirklich die passende Menge und Breite an Schnittstellen finden.
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Offline Maarzan

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Die Notwendigkeit von Driften liegt nicht daran, dass es ein "besseres" Spiel ergibt, sondern beruht auf der Notwendigkeit mit mehreren Leuten nicht identischen Geschmacks eine Gruppe bilden zu wollen. Und wenn etwas hart auf die Spitze getrieben wird ist es auch wahrscheinlicher, dass es für jemanden dem diese Richtung schon nicht gefällt, es erst recht als NoGo betrachtet.
Dazu wollen viele Leute nicht immer nur eine einzige exklusive Geschmacksnote oder wenn sie ein wenig anderen Geschmack zur Abwechslung haben wollen etwas ganz Neues anfangen müssen.
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Offline Maarzan

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Und der Drift selber kann bereits die Quelle des Spielspasses sein.

Wie das? Ich kann nach vollziehen, das Driften notwendig ist, wenn die Vorlage nicht optimal ist oder eben Kompromisse gemacht werden müssen, aber ich habe es immer als notgedrungene Reparatur gesehen.

Und wer Spaß am Regeln umschreiben hat driftet meine ich nicht nur, sondern geht dann bald zu festen Hausregeln oder gar Eigenbauten über.
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Offline 6

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Okay. Sorry. Das Posting hatte ich schon gelöscht, weil ich fürchte dass ich damit etwas anschneide, dass ausserhalb des Themas ist. Ich antworte darauf, aber falls Wellentänzer es nicht zielführend findet, werde ich nicht weiter darüber diskutieren.

Ich komme da aus einer anderen Ecke. MMOs sind vordergründig kohärente Systeme, die aber im Detail inkohärent sind. Jedes Softwareprodukt ist verbuggt und enthält damit Lücken im System. Es gibt jede Menge Leute, die sich aus reiner Entdeckerlust auf die Suche solcher Kohärenzlücken machen (ja. Der Großteil der Leute, die solche Lücken suchen, haben da ganz andere Gründe für, aber die möchte ich jetzt nicht thematisieren). Sprich: Sie versuchen absichtlich die Kohärenz des Systems zu "brechen" (bzw die Regeln für ihren Zweck zu verändern), nur um herauszufinden, wie diese Kohärenz gebrochen werden kann. Wenn sie sie dann gebrochen haben, verlieren sie die Lust an dieser Lücke und gehen zur Nächsten. Sie spielen durchdas Spielen mit den Regeln ein komplett anderes Spiel als die anderen Spieler. In wie weit das direkt aufs Rollenspiel gemünzt werden kann, bin ich mir leider noch nicht ganz sicher. Ich kenne aber Leute im Rollenspiel, die die Regeln ändern, nur um die Regeln geändert zu haben.
« Letzte Änderung: 14.10.2014 | 08:32 von 6 »
Ich bin viel lieber suess als ich kein Esel sein will...
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Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

Achamanian

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Ich will noch mal auf den Anfang zurück und aufdröseln, was ich bei Wellentänzers Post für eine wenig hilfreiche Herangehensweise an das Thema halte, die in meinen Augen auf eine unsinnige Aussage hinausläuft. Ich lasse dabei das GNS-Modell außen vor, weil ich mit dem wenig anfangen kann und es auch in Bezug auf die meisten Spielweisen, die ich so erlebe, für nicht besonders treffend halte. "System does Matter!" erscheint mir als Gedanke dagegen sehr zutreffend, sowohl in Hinblick auf niedergeschriebene Rollensysteme als auch in Bezug auf das größtenteils informelle Gesamtregelwerk, nach dem Gruppen spielen. Dass die Betrachtungsweise "System does matter" für eine Auseinandersetzung mit Rollenspiel eigentlich immer sinnvoll ist, möchte ich hier verteidigen.

Also, Erstens:
Wellentänzers Eingangspost verstehe ich so, dass er "System does Matter" etwa so versteht: Edwards hat die These aufgestellt, dass man bessere Rollenspiel-Regelsysteme designen kann, wenn man sich dabei auf eine Agenda fokussiert. Indie-Spiele wie Polaris, Fiasko oder auch Edwards' Sorcerer sind angetreten, um diese These zu belegen - sie sollten "bessere" Systeme sein als das, was bisher dagewesen war (was der Intention der Systemdesigner nach sogar oft stimmen mag). Wellentänzers Meinung nach hat sich die Ausgangsthese in der Praxis nicht bewahrheitet, weil die Systeme letztlich nach wie vor viel weniger und kürzer gespielt werden als breiter aufgestellte, klassische Systeme. Ob das ein Qualitätskriterium ist, sei dahingestellt, aber wenn man "System does Matter" ausschließlich als eine solche Kampfthese (etwa wie "das Proletariat wird siegen!") versteht, dann hat Wellentänzer natürlich recht: sie hat sich widerlegt, die Indies haben nicht "gesiegt".

Ich verstehe den Satz "System does Matter" aber ganz schlicht erst einmal als eine Aussage über das, was man beim Rollenspiel beobachtet. Die Gruppe folgt einem System - das oft zu einem gewissen Teil aus vorgefertigten Regeln und Settings besteht - um eine gemeinsame Spiel-/Erzählerfahrung zu erzeugen. Diese These war deshalb zu dem Zeitpunkt wichtig, weil da (und zwar als Abgrenzung zu klassischen Spielen wie D&D) gerade die Ansicht im Schwange war, es ginge überhaupt nicht um Spielregeln, sondern ums "gute Rollenspiel", und die Spielregeln seien quasi notwendiges Übel. "System does Matter" hat dagegen gesagt: Natürlich kommt es bei einem Erzählspiel auf die Regeln an, auf die gedruckten im Buch, weil ihr sie nämlich entweder verwendet oder euch von ihnen abgrenzt, und noch mehr auf eure zumeist impliziten Regeln in der Runde, also auf die gemeinsame Festlegeung, um welche Themen es in dem Spiel geht und was inhaltlich erlaubt ist und was nicht.
Diese These halte ich für wichtig und auch für schwer widerlegbar.
Was die Indie-Spiele nun machen, sind eigentlich (wie 1of3 es charakterisiert hat) vor allem Experimente auf Grundlage dieser Erkenntnis. Polaris und Fiasko fragen beispielsweise: Wenn die typischerweise impliziten Regeln einer Runde - "Was sind die Themen unseres Spiels? Wer darf wie viel inhaltlich einbringen?" - für das Spielerlebnis so wichtig sind, wie wäre es dann mal mit einem Rollenspiel, das eben diese Regeln formalisiert und den Spielern an die Hand gibt?
Das Ergebnis: Dadurch, dass die Regeln in solchen Spielen etwas formalisieren, was sich in den meisten anderen Runden (bestenfalls) organisch herausbildet, bieten sie (wenn alle sich drauf einlassen) eine sehr schnelle Erzeugung eines bestimmten Spielerlebnisses. Man muss da nicht so viel stochern und probieren, sondern kann einfach machen, solange man sich an das Regelgerüst hält, darf man sich drauf verlassen, dass in etwa die gewünschte Art von Spielerlebnis (ein Coen-Film, eine romantische Tragödie, ein Horror-Teenage-Love-Melodram) entsteht.
Andererseits fällt gerade der Prozess einer organischen Herausbildung von Themen und Inhalten weg oder wird zumindest stark verkürzt: deshalb gibt es bei ihnen kein großes "Kampagnenbedürfnis", man hat ja nach ein oder zwei Abenden erreicht, was man erreichen wollte; die meisten solchen Spiele lassen ohnehin explizit keine Kampagnen zu, was auch daran liegt, dass die strenge narrative Struktur, die sie vorgeben, sich nicht beliebig ausdehnen lässt.

Sind solche Systeme nun also "bessere" Systeme? Ja, in dem Sinne, dass sie meistens besser "durchdesignt", also irgendwie als Kunstwerke "schöner" sind; Nein, in dem Sinne, dass sie nicht das gleiche wie klassische Systeme besser machen, sondern etwas anderes machen. Wenn man gerne eine Kampagne Vampire spielen und dabei gemeinsame Themen und Inhalte für's Spiel entwickeln und seinen Charakter ausbauen will, dann bringt es nichts, doch lieber zu Monsterhearts zu greifen. Wenn man aber wirklich das machen will, was Vampire zumindest zu Anfang als sein Thema ausgegeben hat - mit einem klaren Fokus auf die Frage "Wo verläuft die Grenze zwischen dem Mensch und dem Monster?" spielen möchte, dann ist Monsterhearts allemal einen Versuch wert.

(Exkurs: Vampire ist übrigens ein interessantes Beispiel, weil es ja zu den ersten Spielen gehört, die klassischen Designprinzipien gefolgt sind, gleichzeitig aber Werte wie "Menschlichkeit" eingebaut haben, um durch Regelelemente bestimmte inhaltliche Themen in den Vordergrund zu rücken. Dummerweise hat Vampire da halt wieder klassische und zu dem Zweck nicht besonders funktionale Regeln verwendet, weshalb es gerade das, wofür es wirbt, zumindest durch seine Regeln nicht begünstigt, sondern eher stört; was natürlich wiederum die Spieler nicht daran hindert, das Thema "Menschlichkeit" auch gegen den Regelapparat durchzusetzen. "System does Matter" und die Indies sind sicher auch eine Art dialektische Auseinandersetzung mit Vampire & Co).

Ich verstehe "System does Matter" also nicht als Kampfthese, sondern als eine Beobachtung über die Rollenspielpraxis; dadurch, dass diese Beobachtung als These auf den Punkt gebracht wurde, sind dann zahlreiche Systeme entstanden, die ihre Implikationen erforschen und dabei neue Erkenntnisse über die mögliche Rolle von Regelmechanismen in Rollenspielen zutage gefördert haben. Und die sind (wie ich oben schon schrieb) dann durchaus auch wieder in die klassischen Kampagnenspiele eingeflossen. Dass die Indies dabei die klassichen Systeme nicht abgelöst haben, zeigt nicht etwa, dass der Ansatz "System does Matter" falsch war, sondern nur, dass diese Systeme, weil sie so fokussiert und selbstreflexiv sind, eben nur ein sehr begrenztes Bedürfnis bedienen können - das aber richtig gut. Was jetzt auch keine neue Erkenntnis ist ... die Techniken, die Gruppen in ihnen erproben (vor allem die explizite Bestimmung von Themen und Inhalten), übertragen sie aber oft genug auch wieder auf klassische Systeme, wodurch die Rollenspielpraxis m.E. durchaus stark beeinflusst wird. Und auch da zeigt sich für mich wieder, dass "System Matters", weil die Auseinandersetzung mit andersartigen Regelsystemen die Spielerfahrung mit den schon bekannten Regelsystemen verändern kann.

  • Gast
Moin zusammen, danke für die schönen Beiträge! Ich melde mich hiermit kurzfristig zurück. Ein paar Kommentare:

@ Rumpel: danke für zwei Posts, die ich sehr hilfreich finde. Ehrlich gesagt schließe ich mich insbesondere Deinem zweiten Post komplett an und unterschreibe das bedenkenlos. Worum es mir zusätzlich geht und was in Deiner Zusammenfassung noch fehlt: (insbesondere auch) Systeme mit offensichtlichen und groben Designfehlern (Du nennst Vampire als Beispiel und führst konkret aus) können problemlos zu einem allseits höchst befriedigenden Spielerlebnis führen.

Nun könnte man ja sagen, dass das noch viel mehr gelten würde bei besser designten Systemen. Dieser Hypothese, nämlich dass besser designte Regeln zu einem besseren Spielerlebnis führen, folge ich jedoch nicht so ohne Weiteres. Denn durch die gruppenintern bekannte und etablierte Tatsache eines (innerhalb sinnvoller Grenzen) unvollkommenen Regelwerks ergeben sich Potentiale für eine konziliantere Problemlösung am Spieltisch. Wenn sich also beispielsweise alle darüber bewusst sind, dass das System bei heftigem Powergaming bricht, muss man da gemeinschaftlich sinnvolle Grenzen einziehen*. Je optimaler ein System nun designt ist, desto schwieriger wird der Problemlösungsprozess, da eine solch konziliante Problemlösung nicht mehr den Normal-, sondern den Spezialfall darstellt.

Insofern: ich finde Beiträge wie den von 1of3 hier sehr clever und nachvollziehbar. Man kann auch sicherlich statt Vampire: the Masquerade sowas wie Savage Vampire-pdqFATE spielen, dessen Regeln auf vielerlei Weise besser sind als das Original. Mein Punkt ist aber, und das wird dabei häufig übersehen: damit steigt die Verbindlichkeit der Regeln und das ist in mehrfacher Hinsicht nicht unbedingt eine gute, allseits willkommene Sache. Insofern, und man verzeihe den etwas provokanten und natürlich nicht komplett korrekten Threadtitel, gilt da wohl tendentiell SYSTEM DOES NOT MATTER.

Ein Beispiel: Für mich schimmert diese Problematik beim ersten Post von Rumpel durch. Ich zitiere mal:

Ich verstehe an diesem Punkt langsam was gemeint ist und kenne das Phänomen tatsächlich auch aus meiner DSA4.1-Runde, die wir gegen Ende quasi rein freeform gespielt haben - einfach, weil niemand das Regelsystem leiden konnte oder beherrscht hat, gleichzeitig aber 2 von 4 Spielern die Vorstellung nicht ertragen konnten, Aventurien mit einem anderen als dem "offiziellen" System zu bespielen.

Solche Aussagen lese ich desöfteren und frage mich dann immer, ob das in dieser Form wirklich zutrifft. Denn da werden überspitzt formuliert die eigenen Mitspieler als mehr oder weniger unflexible Volltrottel dargestellt. Haben die, insbesondere wenn man den gerade hier im Thread dargestellten Punkt im Hinterkopf hat, WIRKLICH keinen inhaltlichen Grund für ihre Verweigerungshaltung und sind die tatsächlich nur unfähig, ein nicht-offizielles System zu ertragen? Ich kann mir das ehrlich gesagt nicht vorstellen. Allerdings kenne ich einige Fälle, in denen das so oder ähnlich auch läuft und der SL ähnliche Schlüsse wie Rumpel gezogen hat. Ich bin diesbezüglich jedoch skeptisch und glaube viel eher, dass die Leute als Grund für ihre Ablehnung ein vages Gefühl von dem haben, was ich da oben einigermaßen nachvollziehbar aufzuschreiben versucht habe.

@ Boba: Das sehe ich genauso. Das Setting und die Gewohnheit sind selbstredend wahnsinnig wichtige, vermutlich sogar die wichtigsten Treiber. Aber eventuell gibts ja noch andere. Einen davon versuche ich in diesem Thread bzw. speziell in diesem Post herauszuarbeiten.

@ Crimson: Wenn ich Dich richtig verstehe, schneidest Du drei Themen an.

Erstens fragst Du, wie man auf die hirnrissige These SYSTEM DOES NOT MATTER überhaupt kommen kann, wo doch sonnenklar ist, dass dem nicht so ist. In Ordnung. Antwort siehe oben.

Zweitens verstehst Du meine grundlegende Ablehnung der Forge nicht. Das kann ich Dir schnell erklären, tue das aber in einem Spoiler, weil es nicht themenrelevant ist.
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Drittens folgst Du meiner zentralen These, dass der Erfolg von unfokussierten Spielen zumindest unter anderem auch darauf zurückzuführen ist, dass sie leichter an den Eigenbedarf angepasst werden können. Genau. Ich versuche das in diesem Post noch zusätzlich zu unterfüttern. Es geht mir insbesondere darum, dass sich Beitragende in Zukunft fragen: ist es nun WIRKLICH total clever, wenn ich jenem und jenem Vampire/Shadowrun/DSA/Cthulhu-Spieler aufs Butterbrot schmiere, wie scheiße doch sein Rollenspielerlebnis mit derartig grottigen Systemen sein muss. Sollte ich denen sinnvoller Weise WIRKLICH zu einem Systemwechsel raten? Wieso könnte die Gruppe mit DSA4 denn tatsächlich sogar BESSER bedient sein?

Puh. Soweit erst mal. Nun bin ich auch schon wieder weg. Bin gespannt, was sich in der Zwischenzeit so an weiteren Beiträgen sammelt.
« Letzte Änderung: 14.10.2014 | 10:45 von Wellentänzer »

fudi

  • Gast
Ich verstehe "System does Matter" also nicht als Kampfthese, sondern als eine Beobachtung über die Rollenspielpraxis; dadurch, dass diese Beobachtung als These auf den Punkt gebracht wurde, sind dann zahlreiche Systeme entstanden, die ihre Implikationen erforschen und dabei neue Erkenntnisse über die mögliche Rolle von Regelmechanismen in Rollenspielen zutage gefördert haben. Und die sind (wie ich oben schon schrieb) dann durchaus auch wieder in die klassischen Kampagnenspiele eingeflossen.

Kann jemand hierfür Systembeispiele nennen (egal ob alt oder neu)?

Würde mich auch interessieren welche Systeme gemeint sind, wenn man von Fokus und Drift spricht.