Ich hab es doch noch ein zweites Mal geschafft.
Aber nur mit mäßigem Erfolg.
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Die Tür schwang auf und eine Gestalt erschien in der Tür. Kalter Wind drang herein und riss Schneeflocken mit sich. Es war sehr klischeehaft, aber wie hätte es auch anders sein sollen? Wäre nur die Tür aufgegangen, wäre sie wohl kaputt gewesen. Der Lärm in der Stube verstummte kurz. Vereinzelt drehten sich Köpfe zu dem neuen Gast. Dieser trat einen Schritt herein, drehte sich um und schloss die Tür hinter sich. Sein Kopf wurde von einer Kapuze verdeckt. Ob die Kapuze der Tarnung diente, oder schlichtweg gegen Wind und Wetter schützen sollte, konnte man nicht abschätzen. Es war zumindest bei diesem Wetter nicht ungewöhnlich, dass sich jemand vermummte. Und in diesem Teil der Stadt war es ganz und gar nicht ungewöhnlich, wenn man vermummt war.
Ich stellte den frisch gereinigten Steinkrug zu den anderen, behielt den Neuankömmling aber weiter im Auge. Der Steinkrug war genauso fleckig wie zuvor, aber zumindest war er nun trocken. Man wusste ja nie. Oft genug gab es hier Ärger. Die unterschiedlichsten Rassen aus den unterschiedlichsten Schichten mit den unterschiedlichsten Absichten trafen sich hier. Oft waren es keine guten. Absichten.
Die Taverne „Beginn im Rattenkeller“ war eine Anlaufstelle für Abenteurer, Halunken und andere zwielichtige Gestalten. Als Hausherr musste man daher vorsichtig sein.
Die Grüppchen an den Tischen wandten sich wieder ihren Gesprächen zu. Die Meute witterte also keine Gefahr. Gerade rätselte ich, zu welcher Rasse meiner neuer Gast wohl gehören mochte, als dieser sich meiner Theke zuwandte und die Kapuze zurückschlug. Eine auffällige, rotbraune Lockenmähne kam zum Vorschein. Ich ahnte schon, dass es sich hier wohl nicht um einen der üblichen Abenteurer handeln würde – zu klein und zu schmächtig. Die Lockenmähne umrahmte das kecke, recht ansehnliche aber sehr bleiche Gesicht einer Frau. Ich registrierte sofort, dass auch die Gäste, die dem Gott des Mets noch nicht vollends zum Opfer gefallen waren, sie ebenfalls registrierten. Na hoffentlich gab das nicht doch noch Ärger. Die Frau erkannte mich wohl aufgrund meiner imposanten Gestalt oder der Schürze als den Inhaber der Taverne und steuerte auf mich zu. Ein Lächeln umspielte ihre rosigen Lippen. Noch ehe sie etwas sagen konnte, deutete ich mit einer knappen Geste auf den Gegenstand auf ihrem Rücken. Es konnte ein Schwert, eine Armbrust oder ein Bogen sein, war aber in Wachstuch eingewickelt. Und da im „Beginn im Rattenkeller“ Waffen immer auch Misstrauen verursachten, vor allem bei Unbekannten, brummte ich:“Waffe ablegen.“
Das rosige Lächeln wurde zu einem äußerst breiten Grinsen. Sie griff nach hinten und zog das Wachstuch herunter. Zum Vorschein kam eine Harfe. Nun drangen die ersten Worte der unbekannten Frau an mein Ohr:“Herr Wirt, meine Verehrung. Mein Name ist Katharina Lärchensang. Ich bin auf der Suche nach einer guten Mahlzeit... „ - sieh sah sich dabei um und fing nochmal an - „Ich bin auf der Suche nach einer Mahlzeit und einem Bett für die Nacht. Und ich möchte allein darin liegen.“
„Hm. Mal sehen. Könnt ihr es denn auch bezahlen?“, erwiderte ich.
„Ich schlage euch einen Handel vor: ich unterhalte eure Gäste heute Abend mit Gesang und Tanz und dafür bekomme ich eine Mahlzeit, Met und ein Bett. Wie wär's?“
„Einverstanden.“, sagte ich kurzerhand und streckte ihr meine Hand entgegen. Sie schlug ein und ich versank in den grünsten Augen, die meine Taverne je betrachtet hatten. Für einen kurzen Augenblick blieb die Welt für mich stehen. Ich entsann mich aber sehr bald wieder der Situation. Ich war ein Wirt und hatte Gäste. Die wollten versorgt werden und ich wollte Geld verdienen. „Na dann mal los!“, bat ich Katharina Lärchensang. Diese fackelte nicht lange, legte ihr Gepäck und den Mantel ab, nahm die Harfe zur Hand und fing an, das Instrument zu stimmen. Die ersten Gäste nahmen davon Notiz und waren wohl über die Abwechslung und den Anblick genauso erfreut wie ich. Die ersten Rufe nach weiteren vollen Krügen drangen zu mir. Es war schön, eine volle Schenke zu haben, denn dies verhieß leere Lager und volle Geldbeutel. Und wenn die Leute gut unterhalten wurden, gab es heute auch hoffentlich weniger Verletzte. Mit etwas Glück auch keine Toten, oder durch erboste Grafen veranstaltete Razzien oder eine Geschichte über das Ende der Welt, die genau hier ihren Ursprung nahm. Ich war also guter Dinge.
Ich pickte einen besonders sauberen Krug heraus und füllte ihn für Katharina mit Met. Ich stellte ihn ihr hin, prostete ihr mit meinem Krug zu und nahm einen tiefen Schluck. Auf Abende wie diesen musste man anstoßen. Selbst als Wirt. Und sowieso gab es immer einen Grund zum Anstoßen. Ich würde mich nie wieder im Spiegel ansehen können, wenn ich eine so gute Gelegenheit zum Anstoßen ungenutzt verstreichen ließ. Ich war über meine philosophischen Gedanken so erfreut, dass ich mir gleich noch einen Schluck verordnete. Dann endlich erklangen die ersten Töne der Harfe. Schon nach wenigen Akkorden erklang die Stimme von Katharina Lärchensang in meiner Taverne:
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Es war in einem fernen Land
vor hundert Jahren schon.
Es verließ die Heimat voller Mut,
des Königs einz'ger Sohn.
Er brach auf, um die Welt zu sehen,
er wollte Ruhm und Ehr'.
Der König und die Königin allein,
das Herz ward ihnen schwer.
Der Prinz ritt aus auf seinem Ross,
die Zukunft ungewiss.
Dem Ross war dies jedoch einerlei
und auf den Weg es schiss.
Nach langer Reise durch die Welt,
ein Schloß am Horizont erschien.
Der Prinz versprach sich viel davon
und dacht 'Dort will ich hin!'.
Inmitten eines Sees das Schloss
auf einer Insel stand.
Das Wasser dunkel wie die Nacht,
und karg ringsum das Land.
Keine Brücke führte zu der Insel,
doch Nachts da brannte Licht.
Des Prinzens Neugier war geweckt,
Gefahren sah er nicht.
Als er endlich übergesetzt,
stand er vor verschloss'nem Tor.
Eine Maid hoch vom Turm in angesehn,
und sogleich er sein Herz verlor.
Am Ufer wartete das Ross,
die Zukunft ungewiss.
Dem Ross war dies jedoch egal
und auf den Strand es schiss.
Die Maid war schön und ziemlich bleich.
Der Prinz begehrte sie.
Die Maid auch den Prinzen ansehnlich fand,
das Ross erfuhr dies nie.
Der Prinz fand einen Weg hinein
und bald im Turm er stand.
Die Maid schon auf dem Bette saß.
Ganz ohne Nachtgewand.
Er zog sie zu sich, liebkoste sie.
Freudentränen im Gesicht.
Als sein Blick auf den Wandspiegel traf,
sah er die Liebste nicht.
Der Prinz erschrak, doch half es nichts.
Die Maid biss sogleich.
Sie trank sein Blut in einem Fort
Der Prinz ward eine Leich'.
In einem Wald das freie Ross,
in einen Apfel biss.
Vom Tod des Prinzen wusst' es nichts.
Und es auf den Boden schiss.
Eine Nacht verging und siehe da:
Der Prinz erhob sich neu.
Er wusste nicht, wie im geschah
und verhielt sich anfangs scheu.
Auch ihm dürstete nach Blut,
ein Drang stieg in ihm hoch.
Er zürnte mit der bleichen Maid,
doch sie rief: nun höre doch!
Auf ewig sind wir nun ein Paar,
keiner geht mehr fort.
Ich tat dies für uns beide nur.
Es war Liebe und kein Mord!
"""