Autor Thema: Zeitmanagement im Improspiel  (Gelesen 1529 mal)

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Offline piotr

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Zeitmanagement im Improspiel
« am: 1.06.2016 | 15:47 »
Hi 'zam!
Mir ist letztens so ein Problem aufgefallen, mit dem ich mich schon länger plage. Ich leite gerne One-Shot-Improvisationsrunden, vorwiegend mit Fate, in denen ich gemeinsam mit den Spieler_innen das Abenteuer aus den Hintergründen der Charaktere zusammenstricke. Meiner bescheidenen Meinung nach klappt das auch meistens ganz gut, bis der Punk kommt:

Spieler_in: "Du, ich müsste mal langsam. Mein letzter Bus fäht gleich."
Ich: "Oh, ähm, ja, allzu lange dauert es nicht mehr..."

Und dann ziehe ich das Tempo stark an, spare an Details, gebe keine neuen Hooks mehr und mache den Bosskampf (wenn vorhanden) schnell und leicht. Alles was geht, wird ins Epilog gepackt, dass noch während dem Aufräumen schnell erzählt wird. Für mich immer etwas unbefriedigend.

Beispiel im Spoilertag:
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Habt ihr Methoden und Techniken, ein besseres Zeitmanagement in eure Improrunden zu bringen? Gibt es Wege, schon von Anfang an eine voraussehbare Zeitstruktur ins Abenteuer zu bringen, egal was passiert? Ich freu mich auf eure Ideen :)

Offline KhornedBeef

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Re: Zeitmanagement im Improspiel
« Antwort #1 am: 1.06.2016 | 15:50 »
Sind deine Spieler denn zufrieden?
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Ich vergeige, also bin ich.

"Und Rollenspiel ist wie Pizza: auch schlecht noch recht beliebt." FirstOrkos Rap

Wer Fehler findet...soll sie verdammt nochmal nicht behalten, sondern mir Bescheid sagen, damit ich lernen und es besser machen kann.

Ucalegon

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Re: Zeitmanagement im Improspiel
« Antwort #2 am: 1.06.2016 | 16:12 »
Charaktere on the fly erstellen und in medias res anfangen?

Wenn dir das große Finale bzw. der Bosskampf besonders wichtig ist, könntest du den ja auch an den Anfang der Sitzung stellen und danach oder währenddessen in Flashbacks rekonstruieren, wie es dazu gekommen ist.

Grds. kannst du vielleicht versuchen, das Tempo von Anfang an anzuziehen und nicht erst gegen Ende bzw. Szenenwechsel auch mal forcieren et cetera. Wenn du ohnehin improvisiert und regelleicht leitest, hast du die Zeit(struktur) doch als SL eigentlich komplett in der Hand, oder nicht?

Edit: Falls du ihn nicht ohnehin kennst, würde ich dir übrigens noch den Abschnitt "The Power of the Pickup Game" aus Spirit of the Century ans Herz legen.
« Letzte Änderung: 1.06.2016 | 16:21 von Ucalegon »

Offline bobibob bobsen

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Re: Zeitmanagement im Improspiel
« Antwort #3 am: 1.06.2016 | 16:17 »
Charaktere würde ich vorher schon erstellen und nur noch die Verknüpfungen bei beginn besprechen.
Das spart Zeit.
Was spricht dagegen einen TwoShot zu machen. Man kann dann wärend des spielens anzukündigen (wenn es denn absehbar ist) das man wohl heute nicht fertig wird. keiner will gern durchs Finale hetzen. Also muss ein zweiter Termin her.

Offline Jiyu

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Re: Zeitmanagement im Improspiel
« Antwort #4 am: 1.06.2016 | 16:18 »
Ist vielleicht banal, aber mein Tipp wäre diese geschilderte Situation

Spieler_in: "Du, ich müsste mal langsam. Mein letzter Bus fäht gleich."
Ich: "Oh, ähm, ja, allzu lange dauert es nicht mehr..."

zu vermeiden, indem am Anfang der Session (grob) geklärt wird, wie lange man denn heute spielen kann. Das erlaubt, das Pacing über die gesamte Session im Auge zu behalten, anstatt von jetzt auf gleich mit Zeitdruck konfrontiert zu sein.

Offline piotr

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Re: Zeitmanagement im Improspiel
« Antwort #5 am: 2.06.2016 | 09:27 »
Großartig! Vielen Dank euch allen für die vielen und schwindelerregend schnell geposteten Tipps.

Sind deine Spieler denn zufrieden?
Kann sein :). Die zitierte Superheldenrunde war auf einem offenen Rollenspieltreff und ich habs verpasst, Feedback einzuholen. Eine Conrunde, in der die gleiche Situation aufgetreten ist, hat den Leuten gefallen. Aber leider mussten wir den tragischen Rebellentod der SCs in den Epilog packen.

Wenn dir das große Finale bzw. der Bosskampf besonders wichtig ist, könntest du den ja auch an den Anfang der Sitzung stellen und danach oder währenddessen in Flashbacks rekonstruieren, wie es dazu gekommen ist.
Sehr geile Idee. Werde ich auf jeden Fall mal ausprobieren, wenn ich Spieler finde, die da Bock drauf haben.

Wenn du ohnehin improvisiert und regelleicht leitest, hast du die Zeit(struktur) doch als SL eigentlich komplett in der Hand, oder nicht?
Hm, würde ich nicht so sehen. Je nach SC-Entscheidung können sich da ja schon schnell mal komplett neue, unvorhersehbare Handlungsstränge auftun. Aber Szenen schneller beenden ist definitiv was, woran ich arbeiten kann und das Kapitel in SotC geb ich mir auch mal.

Was spricht dagegen einen TwoShot zu machen.
Die Runden sind quasi-Conrunden. Man kriegt dieselben Leute kaum in der gleichen Konstellation wieder zusammen.

[...] indem am Anfang der Session (grob) geklärt wird, wie lange man denn heute spielen kann.
Meine neue goldene Regel :). Danke!

Offline Deep_Flow

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Re: Zeitmanagement im Improspiel
« Antwort #6 am: 2.06.2016 | 09:55 »
- Bei Fate kann man die Charaktere auch während des Spiels erstellen. Konzept und Trouble vorher festlegen und dann einfach spielen und den Rest bei Bedarf ergänzen.

- Improvisation heißt für die Spielleitung: Die Handlung aktiv vorantreiben und konstant Handlungsdruck aufbauen sowie die Handlung auf einen zentralen Konflikt zu spitzen. Wenn die SCs nicht reagieren passiert X und X ist böse, das sieht man schon daran, dass gerade Y passiert. Da auch nicht darauf warten, dass die Spieler etwas machen...

- Nicht dauernd neue Fässer aufmachen, die man in der Zeit nicht wieder zu bekommt. "Cut it to the Fuck" nennt man das beim Film.

Offline Nørdmännchen

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Re: Zeitmanagement im Improspiel
« Antwort #7 am: 2.06.2016 | 10:35 »
Ich vermute, deine Erfahrungen sind ganz typische Erlebnisse eines Impro-SL. Einige meiner Techniken:
(Wenn Dir was altklug erscheint, ignorier mich einfach!  ;))

  • Führe eine Flashback-Mechanik à la Leverage oder Blades in the Dark ein, in der die Spieler selbst eine Rückblende initiieren können, um "Planungslöcher" im Handlungsstrang zu stopfen. Es braucht Erfahrungsgemäß 2-3 Sessions bevor alle die Technik verinnerlicht haben, dann führt es aber zu unbeschwerterem (= aktiveren) Spiel.
  • Fordere regelmäßig von den Spielern die Ziele ihrer SC auszuformulieren. Das geht auch rein "in-character", falls Du Immersions-Rhetoriker am Tisch sitzen hast. Klare Ziele führen zu schnelleren Handlungen. Unklare Ziele zeigen Dir, dass sie mehr Informationen brauchen.
  • Schneide hart und klar: Leg Dir eine "Cut-Karte" zu, die Du hoch hältst wenn die Szene Deiner Meinung nach nichts Interessantes mehr liefert. Dann brauchen die Spieler einen guten Grund, um rechtfertigen zu können noch an der Situation festhalten zu wollen.
  • Binde die Spieler mit suggestiven Fragen in das Fortschreiten des Plots der Erzählung ein: "Wieso stehst Du mit Schürfwunden übersät auf dem Parkplatz? / Wie kommt es, dass Du rechtzeitig am Dock ankommst? / Was hat Dir der Informant in der Zwischenzeit in die Hand gedrückt? / Wie hast Du es geschafft an den Wachen vorbei zu kommen?" Damit kannst Du ganze Szenen überspringen, ohne dass sich Spieler "entmachtet" fühlen.
  • Wenn die Spieler manchmal zögern (wie in Deinem Beispiel) etabliere zwei ritualisierte "Jump-Cut-Phrasen". Die erste (z.B. "Fünf Minuten später...") wird immer von einer Bedrohung gefolgt, die sich am Horizont abzeichnet. Die zweite (z.B. "Und schon kurz darauf...") leitet eine akute Gefahr ein. Beide Beschreibungen (die Bedrohung und die Gefahr) werden ebenfalls ritualisiert von der Frage: "Was tut ihr?" beendet.
    Die Ritualisierung dieser Phrasen treibt nicht nur Deine Spieler an, sie lässt auch für uns als SL das Aufbauen von Druck (siehe Deep_Flow) zu einer intuitiveren Routine werden.
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  • Definiere in Konflikten eine Kernbedrohung (der Piratenkapitän; die Frau mit der besonders dicken Wumme; das rote Rennauto, dem Flammen aus dem Auspuff schießen...). Wenn diese ausgeschaltet wurde, skippe den Rest des Konflikts und schneide in die nächste Szene. Bei Bedarf mit einem einzelnen Würfelwurf oder einem letzten kollektiven "Angriff" der Szene auf die Charaktere. Erinnere bei Fate außerdem die Spieler daran, wie mächtig das Stacken von Apekten ist (wenn sie das nicht schon aus dem FF beherrschen).
  • Beginne das Spiel mit einem kurzen und leichten Konflikt und lass sie sich richtig schön "awesome" fühlen. (Sie retten jemanden; erteilen einem offensichtlichen Arschloch eine Lektion; finden Zustimmung und Bewunderung oder können einfach Fähigkeiten zur Schau stellen.) Wer sich als wirkmächtig und kompetent empfindet, der handelt danach auch schneller.
  • Teile die beabsichtigte Spielzeit in Viertel auf. Nach einem Viertel willst Du, dass die Spieler ein kleines Ziel erreicht haben, aber eine größere Bedrohung erkennen. Nach zwei Vierteln willst Du ihnen eine Erkenntnis oder ein Hilfmittel an die Hand geben. Nach drei Vierteln willst Du in die finale Phase (bzw. den letzten Akt) eintauchen. Jedes Viertel endet mit einer Herausforderung. (Ich spiele manchmal mit laufender Uhr.)
  • Besorg Dir eine mechanische Stoppuhr mit vernehmbaren Ticken - alleine das Anschalten führt oft zu schnellerem Spiel. Du kannst auch einen Wecker stellen und für die Spieler sichtbar auf den Tisch stellen.
  • Spiele oft Fiasco/Fiasko, das ist angewandte Lehre in Montage-Technik.
  • Nach Keith Johnstone: "Sei langweiliger!"

Mehr, wenn mir mehr einfällt.
« Letzte Änderung: 2.06.2016 | 10:56 von Nørdmännchen »
»Gute Geschichten sind so gut aufgebaut, daß Lehrer natürlich denken, sie seien vorher geplant,
aber jede Geschichte hätte auch in eine Million andere Richtungen gehen können.«

– Keith Johnstone, Theaterspiele

Offline Arkam

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Re: Zeitmanagement im Improspiel
« Antwort #8 am: 4.06.2016 | 06:18 »
Hallo Pioter,

hole deine Spieler mehr ins Boot. Mach ihnen klar das ihr nur wenig Zeit habt und euch in dieser Konfiguration nicht mehr trefft.
Eineinhalb Stunden Charaktererstellung würde da garnicht gehen. Entweder die Spieler kennen sich aus und schaffen es schnell oder es gibt fertige Charaktere. - Vor allen wofür braucht ein Oneshoot Charakter eine Origin Story?
Eventuell die Charaktere etwas einheitlicher machen oder eine Klammer verwenden. So vermeidet man das die verschiedenen Parteien sich verzetteln. Eine Klammer könnte etwa ein gemeinsames Vorhaben oder eine wahrgenommene Bedrohung sein.
Charaktere wählen die auch wirklich handeln ohne zu zögern. Ein Wissenschaftler muss ja keine zögernde Laborratte sein sondern auch ein aktiver Feldforscher.

Gruß Jochen
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