Autor Thema: Blockadebrecher-Thread  (Gelesen 3846 mal)

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Offline Grey

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Re: Blockadebrecher-Thread
« Antwort #25 am: 25.11.2017 | 21:25 »
OK, mir ist diese Woche eine interessante Eigenheit meiner aktuellen Schreibblockade aufgefallen.

Das Problem, das mir schon lange bewusst war: Seit ich den "Falkenflug" geschrieben habe, kann ich mich nicht mehr damit zufrieden geben, eine Geschichte in purer Arbeit zu "konstruieren". Ideen allein genügen mir nicht mehr. Es muss seitdem "echte Inspiration" zu mir kommen, oder ich lege gar nicht erst los.

Bislang hielt ich das für eine reine Frage des "Wohlfühlfaktors" und dass ich diese Einstellung mit ein bisschen Selbstdisziplin wieder in den Griff bekommen kann. Dass dieser Ansatz nicht funktionierte, lag in meinen Augen einfach daran, dass meine Disziplin halt nicht reichte. Als Heilmittel verordnete ich mir daher einfach "mehr vom Selben".

Nur: Beim Schreiben des "Heroen"-Regelwerks lege ich derzeit sogar beträchtliche Disziplin an den Tag. Ich beiße mich durch ToDo-Listen, überarbeite bestehende Texte -- alles ohne Probleme. Warum funktioniert das Gleiche nicht bei meinen Romanprojekten?

Diese Woche dann stellte ich fest: Der Wohlfühlfaktor ist es gar nicht, jedenfalls nicht allein; der eigentliche Grund, warum ich mich nicht überwinden kann, eine Geschichte einfach zu "konstruieren", ist Angst.

Der Bau einer Geschichte nach Lehrbuch folgt gewissen Prinzipien. Diese Prinzipien habe ich mittlerweile dermaßen verinnerlicht, dass ich Romane kaum noch anders lesen kann, als sie sofort daraufhin zu analysieren: "Zentraler Konflikt/Spannungselemente A, B, C, D/Protagonist/Antagonist/Love Interest/Comic Relief ..." Die meisten Bücher lege ich noch vor Seite 50 wieder ad acta, da ich nur Kulissen sehe, aber keine Welt, und nur programmierte Puppen, aber keine Charaktere. Ich wette mit mir selbst, wie's weitergeht, schlage das Ende nach und stelle das Buch in die Tauschbörse unten am Kiosk.

Und wann immer ich selbst mich nun für einen Roman ans Plotten setze, bricht die Angst durch, dass meine eigenen Geschichten auf die gleiche Weise vollkommen durchschaubar und dröge und schlichtweg langweilig werden, wie ich die meisten Romane auf dem Markt derzeit selbst finde. Das einzige mir bekannte Gegenmittel, das sich bislang gegen diesen Effekt bewährt hat, ist "echte Inspiration": Selbst wenn ich die Bauprinzipien durchschaue, bleibt das Lesen trotzdem spannend, weil die Geschichte "einfach lebt". So geschehen bei einer Handvoll Überraschungstreffern in den letzten 15 Jahren.

Rational ist mir klar, dass die meisten Leser mit den Schemata des Schreibens gar nicht vertraut genug sind, um sie auf Anhieb zu durchschauen. Trotzdem ist da diese irrationale Angst, leicht durchschaubaren, drögen Ramsch zu schreiben.

Hat jemand eine Idee, um diese Angst loszuwerden?
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Offline Conan der Barbier

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Re: Blockadebrecher-Thread
« Antwort #26 am: 25.11.2017 | 22:26 »
Eines vorweg: Ich kenne diese Angst, habe sie selbst auch und weiß, wie daraus leicht ersichtlich, leider auch kein Allheilmittel dagegen.

Aber: Vor einer Weile bekam ich eine professionelle Kritik zu meinem Erstversuch, die da sinngemäß lautete: "Im Prinzip gut, aber a) und b). Überarbeiten Sie das Manuskript dahingehend und reichen Sie es nochmal ein". Beide Kritikpunkte, a) wie auch b), waren nicht nur nachvollziehbar. Sie resultierten bei genauerem Nachdenken auch daraus, dass ich meine Versuche, den "perfekten" Erstling zu liefern, übertrieben hatte. Ich wollte all die Dinge darin vermeiden, die mich an vielen Romanen stören, welche man so zu kaufen bekommt. Nur sind die erfolgreich (manche sogar sehr), trotz dieser "Schwächen".

Daraus habe ich für mich die Lehre gezogen, dass ich klar unterscheiden muss:
  • Möchte ich etwas schreiben, das veröffentlicht, gekauft und gelesen wird? Dann muss ich (zum Teil jedenfalls) den Publikumswünschen Rechnung tragen. Und wenn die etwas verlangen, das mir selbst nicht ganz so toll vorkommt - dann ist es eben so. Das Maß der Dinge ist in dem Fall der Leser-, nicht der Autorengeschmack, etwas übertrieben ausgedrückt.
  • Oder aber möchte ich etwas schaffen, das mir rundum gefällt? Sicherlich auch möglich (bei meinem Hang zu Perfektionismus und Kleinlichkeit aber seeehr aufwändig). Doch dann muss ich ggf. damit leben, dass sich außer mir nur noch ein paar Enthusiasten dafür interessieren.
Beiden Wünschen gleichermaßen voll gerecht zu werden, ist nur schwer zu schaffen, fürchte ich. Die wenigen Überraschungstreffer, von denen Du schreibst, kenne ich auch - und beneide die Autoren. Aber ob ich jemals so etwas verfassen kann... Na ja, wer weiß. Vielleicht ist ja die Macht irgendwann mal mit mir, von wegen blinden Hühnern, Körnern etc. ;D
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Offline Grey

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Re: Blockadebrecher-Thread
« Antwort #27 am: 25.11.2017 | 23:40 »
@Conan: So rein aus Neugier, wo gibt es denn von dir was zu lesen? :)
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Offline Conan der Barbier

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Re: Blockadebrecher-Thread
« Antwort #28 am: 26.11.2017 | 10:41 »
Ein RPG-Abenteuer kann man sich hier herunterladen, einen Fanroman gab es mal auf einer Seite des Perry Rhodan Online Clubs, die leider dicht gemacht wurde. Das PDF kann ich dir gern per Mail zuschicken, war aber der allererste meiner Versuche, storytechnisch aus heutiger Sicht noch nicht wirklich ausgereift ::) Ansonsten stehen gefühlte x-tausend Seiten meiner Schreibe in verschiedenen Foren-RPGs. Auch deren Adressen bei Interesse gern via Mail - ich möchte ja keine Schleichwerbung betreiben ;)
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Offline Shihan

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Re: Blockadebrecher-Thread
« Antwort #29 am: 5.07.2018 | 14:03 »
Hallo liebe Schreiber und Autoren des :t:,

hoffentlich ist es in Ordnung, diesen Thread mal wieder zu beleben.

Habe nämlich ein Problem mit einer Blockade. Ich nenne sie mal die "Recherche-Blockade". Mein aktuelles Projekt ist gleichzeitig mein erster Ausflug in die Welt des Schreibens.
Ziel ist es, eine Kurzgeschichte (3.000-7.000 Wörter; da bin ich nicht festgelegt) zu schreiben, die in New York City spielt.
Irgendwas aus dem Milieu der Gangstergeschichten. Soweit die Idee.

Nun war ich selbst bereits in der Stadt und habe auch viel gelesen. Aber das ist genau das Problem. Möchte ich nun in der Geschichte meinen Protagonisten durch Harlem laufen lassen, habe ich das dringende Bedürfnis, Google Maps aufzumachen und den Weg dort darzustellen. Weil es mir wichtig ist, dass der Weg von der Ecke 145th Street / Amsterdam Avenue zur 138. West / Broadway knapp 650m lang ist und somit zu Fuß ca. 10 Minuten dauert, wenn man nicht zu schnell ist.
Dann muss ich aber auch schauen, ob man da überhaupt herlaufen kann (ja, das geht, Hamilton Place heißt die Querstraße).
Bin ich da angekommen, recherchiere ich, ob in der Nähe eine U-Bahn ist (gibt es, ca. 120m weiter; City College Station).
Dann die Linien rauskramen, wie ich von dort am schnellsten nach Downtown komme.... usw.usw.usw.

Am Ende des Tages hab' ich stundenlang recherchiert und geplant, damit es authentisch ist, und keine Zeile meiner Geschichte geschrieben.
Das geht nun schon einige Zeit so. Die Geschichte ist fast fertig, aber nur in Notizenform. Kein einziger Satz existiert. Weil ich immer dann, wenn ich schreiben möchte, den Drang habe, die Authentizität zu recherchieren.

Hat das jemand schonmal gehabt? Wie komm' ich da wohl raus?

Offline Alex

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Re: Blockadebrecher-Thread
« Antwort #30 am: 5.07.2018 | 14:36 »
Ich rede mal offen und ehrlich.  :)
Zuerst: Es gibt keine Schreib- oder andere Blockaden.
In deinem Fall klingt das sehr nach Vermeidung, weil du unsicher zu sein scheinst.

Folgender Tipp:
Schreibe die Geschichte ohne fixe Punkte, also es spielt in einer Gegend die sich für dich wie Harlem, New York anfühlt. Rechercherier genau Null.  Beschreibe alles ausführlich, aber nur, wie du es dir vorstellst.
Wenn die Geschichte fertig ist, kannst du es immer noch an das echte Harlem anpassen.

Offline Conan der Barbier

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Re: Blockadebrecher-Thread
« Antwort #31 am: 5.07.2018 | 15:44 »
Das entspricht im Groben auch dem Rat, den ich geben würde.

Erst mal kümmere dich um die Story: Protagonist(en), Atmosphäre, Spannungsbogen - das, was den Leser mitreißen soll. Und erst wenn dieser Teil deinem Gefühl nach rund ist, kümmere dich darum, zu recherchieren, ob dieser oder jener Punkt tatsächlich so sein kann (wenn die Wirklichkeitstreue denn so nahe an 100% kommen soll wie möglich. Frag dich vielleicht auch, ob das tatsächlich notwendig/gewollt ist).

Bei einer längeren Geschichte muss man natürlich auch vorher schon ein wenig Recherche betreiben. Für eine Kurzgeschichte ist diese Herangehensweise aber meiner Meinung nach absolut in Ordnung. Sachliche Korrekturen sind da relativ leicht nachträglich zu einzuarbeiten.
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Offline Shihan

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Re: Blockadebrecher-Thread
« Antwort #32 am: 6.07.2018 | 09:55 »
Danke euch! Wahrscheinlich ist es genau das. Irgendwie hab ich so ein Gefühl, wenn das nicht authentisch ist, kann das nix werden.
Aber wahrscheinlich sollte ich mir da etwas mehr Raum geben und einfach mal schreiben.

Melde mich, wenn ein Ergebnis feststeht  :)

Offline Alex

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Re: Blockadebrecher-Thread
« Antwort #33 am: 6.07.2018 | 11:03 »
Diese Art von Authentizität ist hierbei aus zwei Gründen nicht wichtig.
1. 99,999% deiner Leser kennen sich in Harlem nicht aus. Keiner bemerkt einen Fehler bei der Auswahl der Straßen.
2. Die Authentizität entsteht durch die Stimmung wie Harlem ist, sich anfühlt und wie die Leute dort drauf sind, nicht an welcher Ecke es spielt und welche Straße sich wo kreuzt.
Viel Erfolg …