Autor Thema: Factotum aus 3.5 - Grundsätzliche Überlegungen  (Gelesen 955 mal)

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Offline Skyrock

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Eine der Klassen aus 3.5, die ich in 5e wirklich vermisse, ist das Factotum aus Dungeonscape - der Allerweltsabenteurer, der von allem ein bißchen kann, Löcher stopft die im Gruppengefüge fehlen und zwischen den Rollen springt, wie es die Situation gerade erfordert.

Die beiden Factotums-Klassen auf der DMs Guild habe ich schon angeschaut, und sie sind die Download-, Lese- und Lebenszeit nicht wert. Die Macher haben einfach das 3.5-Factotum-Quadrat geschnappt, in das kreisrunde 5e-Loch geschoben und, als es nicht reingehen wollte, solange mit dem Zimmermannshammer reingeprügelt bis es sein Leben aushauchte.
Am besten fand ich noch diese Adaption auf Reddit, die sich wenigstens bemüht bestehende 5e-Mechaniken wie Pact Magic aufzugreifen, um das Factotum weniger zu einem Fremdkörper in 5e zu machen, aber IMHO immer noch zu stark an den mechanischen Details aus 3.5 klebt.

Da ich es besser machen will, mache ich mir erst einmal grundsätzliche Überlegungen darüber, welche Merkmale eigentlich definierend für das Factotum sind und welche bestehenden 5e-Mechanismen sie emulieren könnten, und vertiefe mich erst dann in das weitere Klein-Klein des Klassenbaus, der Stufentabelle und des Umgangs mit daraus entspringenden toten Stufen etc.

Ohne weiteres Adieu:

Kernmerkmale

Kampf
Halbkämpfer mit 3/4-BAB, leichter Rüstung, martialen Waffen und durchschnittlichem Trefferwürfel (W8). Watschelt wie ein Plänkler, quakt wie ein Plänkler, hat außer mit Zaubern oder dem leicht cheesigen Iaijutsu Focus aber keine Möglichkeit, massiven Plänklerschaden auszuteilen und ist dabei auch nicht besonders mobil. (Kurzfristige) Verbesserungen der Haltbarkeit, um zeitweilig den Tank ersetzen zu können, und/oder (kurzfristige) Schadens- und Mobilitätsboosts auf der Basis von Klassenfeatures anstatt von Zaubern wären hier wünschenswert, um das Factotum von sich heraus zeitweilig zu einem brauchbaren Vollkämpfer zu machen.

Inspiration Points
Der Treibstoff des Factotums sind die Inspiration Points, die sich nach jedem Encounter auffrischen und ausgegeben werden müssen, um die Features zu aktivieren.
Der Monk mit seinen Ki-Punkten und der Sorcerer mit seinen Sorcery-Points sehen hier nach dem Modell zum anlehnen aus.

Intelligenzabhängig
Viele rein numerische Vorteile des Factotums wie Cunning Defense hingen vom Int-Attribut ab, und das Factotum wird generell als cleveres Universalgenie dargestellt. Angesichts von Bounded Accuracy will ich es nicht damit übertreiben, den Int-Bonus auf Würfe und DCs zu klatschen (Bardic Inspiration könnte hier einen Blick wert sein um ein Gefühl dafür zu bekommen welche Bonusspannen 5e in welchem Stufenbereich verträgt), aber neben dem Wizard noch eine Klasse zu haben die von der sonst so gedumpten Intelligenz profitiert kann nicht schaden.

Trapfinding
Factotum war in 3.5 eine der wenigen Klassen mit diesem Feature, Profizienz in Diebeswerkzeug ist damit Pflicht.

Skillmonkey
Das Factotum hatte mit die meisten Fertigkeitspunkte und obendrein die beste Fertigkeitsliste, da alle Fertigkeiten enthalten (sogar so obskurer 3.0-Kram wie Control Shape oder Iaijutsu Focus, der sonst überall aus 3.5 getilgt wurde). Gute Umsetzungsmöglichkeiten wären die vielen Extraskillprofizienzen des Rogues, die Expertise des Rogues und das Jack-of-all-Trades-Feature des Barden. (Wenn er Schurken und/oder Barden zu sehr auf die Füße tritt, vielleicht auch mehr Fokus auf Tool-Profizienzen - sie sind schwächer als echte Skills, aber gerade dadurch unpopulärer und eine weit offene Nische, mit der das Factotum manchmal überraschende Lösungen wie mcgyverte Seile oder Fackeln anbieten kann.)

Cunning Insight / Cunning Knowledge
Hiermit kann das Factotum für 1IP einen festen Bonus auf einen Angriffs-, Skill-, Schadens- oder Rettungswurf bekommen.
Der klassische Vorteil in 5e ist Advantage, und würde ich daher erst mal so machen wollen. - Und die hartwurstige Buchhaltung bei Cunning Knowledge mit "nur gelernte Skills" und "jeder Skill nur einmal am Tag" vergessen wir besser gleich wieder, zumal es ja auch keinen massiven Bonus bis +20 wie in 3.5 gibt.

Arcane Dilettante
Einzigartiges Magiesystem mit wenigen aber hochstufigen Zaubern pro Tag.
In 5e am besten mit der Pact Magic zu emulieren (evtl. 1/2-Progression um Warlock nicht die Schau zu stehlen). Anstatt einfach faul die Wizardspruchliste zu übernehmen wie in 3.5 könnte sich auch eine maßgeschneiderte Spruchliste mit Fokus auf Utility und Notfallreaktionen (Slow Poison...) lohnen - für breitere magische Fähigkeiten gibt es ja Subklassen.

Opportunistic Piety
Ein paar Vertreibeversuche oder geringe Heilungen pro Tag.
Die Sprache bezüglich der Nutzbarkeit der Pseudo-Vertreibeversuche für Domain Feats etc. war unklar, und Turn Undead und die anderen Channel-Divinity-Nutzungen sind jetzt fest mit der Kleriker- und Paladin-Klasse verdrahtet und deren definierendes Pfrund, das ich nur ungern untergraben will. (Das wäre allenfalls was für eine Subklasse.)
Ich wäre daher er dazu geneigt, daraus einen Lay-on-hands-Pool wie beim Paladin zu machen. Extrem nützlich wenn es keinen Heiler in der Runde gibt, ganz praktisch in gemischterer Konstellation, aber nichts was einen dedizierten Charakter überschatten könnte.

Cunning Breach
IP ausgeben, um kurzfristig die Resistenzen (nicht Immunitäten!) des Zieles zu ignorieren. Ist eigentlich geradlinig genug.

Überarbeitungswürdige Punkte

Cunning Surge
Am berüchtigsten ist das Factotum für dieses Feature, das für einen Batzen IP eine Extra-Standardaktion gewährte und damit potentiell die Action Economy sprengte (und das viele Stufen bevor Time Stop & Co anschnur kamen).
Ich würde es komplett streichen, außer vielleicht als Capstone wenn ich keine bessere Idee habe, oder als spätes Zuckerle auf einer sonst eher schwachen Subklasse.
Alternativ könnte man das Feature auch über mehrere Stufen stückeln, um der Reihe nach zusätzliche Bewegungsaktionen, Reaktionen, Disengage etc. freizuschalten und die zusätzliche Aktion als Schlußstein obendrauf setzen.

Cunning Strike / Iaijutsu Focus
Cunning Strike (das Feature, das es erlaubt je 1IP gegen 1 Sneak-Attack-Würfel einzutauschen) war a.) unklar darin, ob es für alle Attacken in einer Full Attack oder nur für eine einzelne Attacke gilt und b.) lächerlich überteuert selbst bei der vorteilhafterern Intepretation.
Die CO-Freunde haben schnell einen Notbehelf mit dem obskuren 3.0-Skill Iaijutsu Focus-Skill aus Oriental Adventures gefunden, der wiederum Klimmzüge mit Grease-Zaubern, Murmeln, Quick Draw und auf den Endstufen Gnomish Quickrazors erfordert um Schritt zu halten.
Ich würde mir diesen Quatsch dieses Mal sparen wollen und Cunning Strike lieber gleich einen vernünftigen, stufenabhängigen Umrechnungskurs geben.

Cunning Briliance
Der Beinahe-Capstone des Factotums erlaubte es, jedes andere Klassenfeature jeder anderen Grundklasse zu emulieren.
a.) habe ich diese Fähigkeit nie im Einsatz gesehen (alleine schon wegen Multiclassing, ganz abgesehen von der Seltenheit von 3.5-Runden die bis Stufe 19+ bestehen), b.) ist das potentiell eine Menge Nachschlageaufwand und c.) steckt da eine Menge Potential für unkontrollierbaren Powercreep drin, je mehr Grund- und Subklassen veröffentlicht und/oder in der Kampagne zugelassen werden.
Da wäre ich fast schon eher bereit, Cunning Surge als Capstone zu benutzen als diesen Schmerz im Hinterschinken.

Ideen für Subklassen

Kriegerisches Factotum
- mittlere Rüstungen
- Bonus-HP
- langsame Manöverprogression à Battlemaster
- langsame Sneak-Attack-Progression
- Cunning Defense als subklassenexklusives Feature, um der Squishigkeit entgegenzuwirken?
- Befreiung/Reduzierung von IP-Kosten für Cunning Breach, Cunning Strike etc. ab einem bestimmten Punkt?

Arkanes Factotum
- 1/3-Standardspellcasting von der Wizardspruchliste
- Wizard-Subschulen-Gimmicks (verzögert freigeschalten, nachdem Wizards in ihrem Fachgebiet weitere Features gewonnen haben und den Zehentritt eher verkraften können)? (Hätte lieber was ganz neues und eigenes das den Charakter des Factotums als Tausendsassa stützt, bin aber ideenlos.)
- Gegenstück zu 3.5-Ruin Delver's Fortune als tägliche SLA als "Oh Shit"-Notfallknopf?
- Befreiung/Reduzierung von IP-Kosten für Subklassen-Zauber ab einem bestimmten Punkt?

Pantheistisches Factotum
- 1/3-Standardspellcasting von der Spruchliste von Kleriker, Druide oder Paladin (nicht sicher welches, oder ob Wahlfreiheit zwischen den dreien)
- ordentliches Channel Divinity (verzögert freigeschalten, nachdem Kleriker und Paladine in ihrem Fachgebiet weitere Features gewonnen haben und den Zehentritt eher verkraften können)
- Gegenstück zu 3.5-Stalwart Pact/Renewal Pact als "Oh Shit"-Notfallknopf für _anderen_ Charakter (nicht erneut wirkbar bis ausgelöst oder widerrufen, braucht Long Rest)?
- Befreiung/Reduzierung von IP-Kosten für Subklassen-Zauber ab einem bestimmten Punkt?

Chameleon und Master of Masks wären noch naheliegende Subklassen, habe aber auf beide keinen Bock.
Chameleon lebte vom Cherrypicking von sämtlichen Spruchlisten (was es so in 5e mit seinen einheitlichen Spruchstufen nicht mehr gibt), vom schwebenden Feat (die nur noch optional existieren) und vom MAD-dämpfenden Attributsbonus (cool, aber alleine für eine Subklasse etwas dürftig). Der fluffige Aspekt mit dem Identitätswechsel ist eigentlich schon mit dem Charlatan-Background vollends abgedeckt.
Master of Masks war meiner Erfahrung nach nur eine Stufe lang, nämlich solange wie man braucht um die Gladiatorenmaske zu erwerben, und das auch nur wenn man mehrere exotische Waffen braucht. - Der Rest am MoM war weder besonders effektiv noch besonders evokativ.
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Re: Factotum aus 3.5 - Grundsätzliche Überlegungen
« Antwort #1 am: 18.04.2016 | 03:13 »
Was spricht eigentlich gegen den Lore Bard? Der scheint mir der geistige Nachfolger des Factotums zu sein.
The belief that a cosmic Jewish Zombie who was his own father can make you live forever if you symbolically eat his flesh and telepathically tell him you accept him as your master, so he can remove an evil force from your soul that is present in humanity because a rib-woman was convinced by a talking snake to eat from a magical tree... yeah, makes perfect sense.

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Re: Factotum aus 3.5 - Grundsätzliche Überlegungen
« Antwort #2 am: 18.04.2016 | 07:49 »
Der Lore-Barde kommt dem Factotum recht nahe, unterscheidet sich aber alleine schon dadurch dass der Barde ein Vollcaster ist. Und dadurch dass der Barde sich mehr auf das Buffen anderer konzentriert als darauf sich wie das Factotum selbst zu pushen (ich kenne das Level-14-Feature, aber das kommt a bisserl spät und später als manche Kampagne dauert).
Ich sehe da mindestens so viel Unterschied wie zwischen Kleriker und Paladin.
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Luxferre

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Re: Factotum aus 3.5 - Grundsätzliche Überlegungen
« Antwort #3 am: 18.04.2016 | 08:08 »
Danke für diesen Thread. Ich habe gerade heute Nacht (lag mal wieder wach) über einen Faktotum in der Fünften nachgedacht  :d