Autor Thema: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40  (Gelesen 11206 mal)

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Offline Kriegsklinge

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[neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« am: 19.07.2016 | 09:37 »
Ich mache mal was, was wir "früher" immer gemacht haben, nämlich: einen neuen Spielstil entdecken! Späßchen. Aber rund um mich entwickelt sich wirklich was, was ich jetzt erst so genau zu fassen kriege. Und es ist vielleicht für andere nicht uninteressant. Also, es ist nämlich so, dass ich und mein ganzer Freundeskreis näher an der 40 sind als an der 30. Manche schauen sich die 40 sogar schon von der anderen Seite an! Mehrere von uns haben auch Kinder. Und Berufe. Und zwar fast ausschließlich so halbselbständige Kreativbrufe, wo man mal hier und mal da und nächste Woche dorthin. Und jetzt spielen wir halt anders Rollenspiel als früher, und eine zeitlang war es blöd und es gab auch Streit und jetzt läuft es sehr gut. Jeder Spielstil braucht einen klangvollen Namen, also nenne ich ihn: Rollenspiel ab 40 (fast), kurz: RA4f.

Was ist da so besonders? Not only system matters: Lebensumstände mattern! What we play is formed by who we are. Directly the Spielinhalte sind geprägt durch how little time we have. And the rules und alles andere auch!

Spielabende müssen entweder weit im Vorhinein abgestimmt werden (in der Gruppe und mit der Familie) oder ergeben sich ziemlich spontan. In einem Fall schaffen wir es relativ regelmäßig alle zwei Wochen, aber das ist eine große Gruppe, wo dann selten alle mitspielen.

Wenn wir uns treffen, halten wir nicht so lange durch. Vor acht geht es wegen Geldverdienen und Kind-aus-der-Kita-abholen kaum. Und ab 11 will man ja schon wieder schlafen! Ehrlich gesagt haben wir abzüglich Geplänkel zu Beginn und Absacken am Schluss nur so zwei Stunden, in denen wir konzentriert und mit Elan spielen können.

Unsere Spiele müssen also minimale Vorbereitungszeit haben, einheitliche, transparente Regeln, die nicht zum Nachschlagen zwingen, sie müssen dazu anleiten, schnell was geschehen zu lassen. Und ja, da sollen bitte die Regeln mithelfen, denn wenn man schon müde ist, ist es angenehm, wenn man nur würfeln muss, damit man Anregungen bekommt, was bitte als Nächstes passiert.

Unsere Spielwelten müssen unsere Nostalgie befriedigen, aber auch eine solche Bandbreite an Themen zulassen, dass wir ohne Sorge um "Stimmigkeit" und "Spielweltkohärenz" Ideen raushauen können. Wir wählen oft Old-School-Fantasy-Settings, weil man da einerseits alles kennt, aber auch Platz für viele Seltsamkeiten ist (altes Aventurien, D&D-Welten, die reale Welt) oder aber sehr klar umgrenzte, generische Genres, in denen die Motive auch superklar sind, und mit denen man deshalb super improvisieren kann.

Improvisieren können und wollen wir nämlich. Wir beherrschen alle Rollenspiel seit Jahren, zum Teil Jahrzehnten und haben vieles einfach drauf. Ich kann als SL zum Spieler sagen: Dein Charakter kann halt zaubern, was ein DSA-Waldelf so zaubern kann, und der erfüllt das dann punktgenau, auch ohne ausführliche Magieregeln. Über viele Ideal-Standard-Abenteuerelemente wird so in ironischer Form hinweggehandwedelt ("Er ist ein Auftraggeber und bietet euch X Dukaten und ein Dingsbums. Sagt ihr ja?" - "Ja!". Überhaupt begegnen wir vielen Spielinhalten mit liebevoller [!] Ironie. )

Die Abenteuerformen sind entweder "deutlich sichtbare Schienen, auf denen man im Zug saufen und Krawall machen darf" oder "hier ist ein Ort mit drei Parteien, die schon Zoff haben, und jetzt kommt ihr dazu" oder "hier sind X Personen, ihr seid mittendrin, und wenn wir würfeln, passiert irgendwas an den Beziehungen, bis alle tot, irre oder verheiratet sind".

Das Verhältnis zu den Charakteren ist oft "von oben drauf". Wir versenken uns nur punktuell, dann aber recht schön, mit Charaktersprech. Nach solchen kurzen Episoden heißt es aber meist wieder "Der geht dann mal ..." "Ich bin ja so´ne Hexe, die auch mal ...".

Zwischen den Sitzungen gibt es meinem Eindruck nach bei einigen Beteiligten recht viel Barbiespiel (Regeln lesen, aber eher mit Blick auf: was könnte ich mal Cooles machen, Abenteuer und Settingbände, aber auch eher so zur Anregung für die eigene Improvisation, Podcasts und Internet als Ersatzbefriedigung.) Eine Minderheit beschäftigt sich wirklich zwischen den Playdates gar nicht mit Rollenspiel.

Denn die Kehrseite der Medallie ist, dass alle in der wachen, mühsam erkämpften Zeit halt auch was machen wollen. Ich bin jetzt zwei Stunden wach und hier und in einer Fantasywelt, jetzt soll es bitte rummsen. Und ich mache auch selber was dafür. Und ich will das auch dürfen, da soll kein SL und keine Regeltext im Weg stehen.

Unsere Erwartungen an einen Spielabend sind oft betont niedrig (ungestört Zeit verbringen, würfeln, nicht langweilig sein, Nostalgie, gutes Essen ein Bonus), aber gerade darum erlebe zumindest ich oft einen "Flow" wie ich den früher kaum kannte. Wenn man möchte, kann man das auch ganz direkt psychologisch erklären: sichere Vorbereitung, begrenztes Material, Vertrautheit mit den Methoden bei gleichzeitiger Abwesenheit von starrer Regulierung und Ergebnisoffenheit+Aufforderung zur Improvisation=Flowerlebnis. Für die kurze Zeit, die wir heute haben, bin ich als Spieler und Spielleiter sehr oft "drin", engagiert, mit Ideen, mit Film im Kopf, mit Spontanität und Kreativität. Es gibt kaum Tavernenspiel oder Bauerngaming, und wenn doch, dann als stark ausgestaltete Szene, die eben wieder die Bedingungen unserer Spielabende erfüllt.

So schwere theoretische Geschütze braucht man aber vielleicht gar nicht. Es ist ja nach allem bisher gesagten irgendwie offensichtlich. 

Spiele, die bei uns beliebt waren: DSA (mit anderen Regeln, Aventurien "so wie früher"), Numenera, Dungeon Crawl Classics (mit viel Handwedelei, die Welt, wie sie die Aufmachung vermittelt, ist wichtiger), Der Eine Ring, Dragon Age, Ars Magica, Dungeon World, Fiasco, Dungeonslayers, diverse stark fokussierte "story now!"-Indies.
Eine Minderheit fand jeweils  13th Age, D&D4, Splittermond und Warhammer 3 gut. Diese Spiele konnten sich nicht durchsetzen (obwohl für überwiegend gut befunden).

Gefragt sind also regelleichte, regekohärente Spiele mit starken, vielfältigen, aber doch vertrauten Welten, die ironische Distanz, Improvisation und unterschiedliche Spielanteile ermöglichen (also story-noweskes Drama bis hin zu Stimmungsspiel), weil man sich ohen Regelballast und viel Weltanlesen bewegen kann. Eine starke Nische sind superfokussierte Indies. Ich vermute, dass die nicht stärker sind, weil da oft der Nostalgie- und Welterlebnisfaktor zu kurz kommt.

Spiele mit viel Material (Warhammer 3, tendenziell D&D4), viel kleinteiligen Regeln (neuere D&Ds, Splittermond) fallen eher durch, obwohl andere Bedingungen für ein "gutes " Spiel bei uns erfüllt sind.

Steile These Nr.1: Wir bilden damit ziemlich genau den Mainstream der "alten, informierten Rollenspieler" ab. Bei uns beliebte Systeme sind die Hype-Spiele der letzten Jahre. OSR ist ein bisschen unterrepräsentiert, aber das ist eher eine Prägungssache, glaube ich (wir waren früher eben DSA und nicht D&D).

Steile These Nr.2: Rollenspiele, die sich in Zukunft verkaufen sollen, müssten so sein, dass sie uns gefallen. Wir sind die Zahlungskräftigen und die Meinungsstarken. Hinzu kommt, dass Spiele, die uns gefallen, oft auch gute Einsteigerspiele sind.

Steile These Nr.3: Ziemlich viele Rollenspielentwicklungen der letzten ca. 10 Jahre lassen sich soziologisch besser erklären als durch irgendwelche spieltheoretischen Überlegungen.

Steile These Nr.4: GNS ist nur die Abkürzung für "Wir sind alte Säcke und haben nicht mehr so viel Zeit für den Scheiß." Ron Edwards ist glaube ich zehn Jahre+ älter als ich, der hat das alles bloß früher erlebt. Der sozialpsychologische Blick auf die Rahmenbedingungen des Spiels ist aber einfacher zu verstehen als das ganze Sondervokabular der Forge. Nicht, dass das noch irendjemanden interessieren würde. Aber ich gehe ja auch schon auf die 40 zu.
« Letzte Änderung: 19.07.2016 | 10:16 von Kriegsklinge »

Offline Blechpirat

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #1 am: 19.07.2016 | 09:50 »
Ja.

Online CK

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #2 am: 19.07.2016 | 09:57 »
Deswegen.

Offline wild dice

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #3 am: 19.07.2016 | 10:01 »
Absolut!
Keine Panik, das ist nur das normale Leben - jenes, welches zwischen den Träumen der Kindheit und der Ruhe des Todes einen immer wieder auf den Boden zurückholt.

Offline Jiyu

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #4 am: 19.07.2016 | 10:06 »
Erlebe ich (knapp jenseits der 40) ganz ähnlich, insbesondere seit ich auch mal wieder selber leite. Als SL ist mir der Unterschied ganz besonders extrem aufgefallen, vielleicht auch dem Umstand geschuldet, dass der letzte SL-Job 15 Jahre her ist... also Direktvergleich 25jähriges Ich vs. 40jähriges Ich  >;D

Luxferre

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #5 am: 19.07.2016 | 10:06 »
Ich seriously become erst 38 und have not Kinder. Ich kannix therefore sagen tun.
Aber: was Du sagst, es klingt sehr gut und so.

Offline Czechbot

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #6 am: 19.07.2016 | 10:08 »
Aber vollkommen

Achamanian

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #7 am: 19.07.2016 | 10:09 »
Das scheint mir alles ziemlich richtig zu sein, ich finde mich da jedenfalls wieder!

So ganz persönlich muss ich sagen, dass es mich neben der praktischen Freude am RA4f-Spiel außerhalb der Sessions auch immer noch zu den dicken Regelwälzern hinzieht - ich lese dann so was wie Splittermond oder RuneQuest6 und denke mir: "Das mit den Spezialmanövern und den Ticks und den 500 Zaubern da, das will ich auch!", obwohl ich schon weiß, dass es mir im Spiel selbst eigentlich wenig bringt und - wichtiger noch - ich die nötige Konzentration, um das alles zu verwalten, gar nicht aufbringen kann. Da steckt auch so eine Art Nostalgie hinter, die nichts mit dem Setting (altes DSA und so) zu tun hat und mehr mit der Erinnerung daran, sich ganz in so ein Regelkonstrukt zu vertiefen und da immer neue Möglichkeiten zu entdecken. Tatsächlich ist das für mich aber eher eine Lektüre- als eine Spielpraxis-Sache. Denn ich stelle bei Runden wie unserem gestrigen Lemuria-DSA-Treffen fest: So funktioniert es. Es ist einfach toll, wenn man um 22.45 noch einen Kampf anfangen kann mit der Prämisse, dass man dann sich dann so um 23 Uhr langsam auf den Weg nach Hause macht.

Offline Kriegsklinge

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #8 am: 19.07.2016 | 10:15 »
Freue mich über die altesbedingt knappe Zustimmung! Und jetzt zurück an die Arbeit bzw. den Herd!

Rumpel, das liebevolle Schmökern in dicken Wälzern kenne ich natürlich auch. Ich schließe auch gar nicht aus, dass solche schweren Geschütze noch mal zum Einsatz kommen. Spätestens nach der Verrentung, wenn die Kinder aus dem Haus sind! Nein, da müsste wohl ein Wochenende her. Wobei ich mir auch grad nicht sicher bin, ob ich dann nicht lieber ein Wochenende lang was Flottes spielen würde? Hm. Vielleicht bleiben die vielen prallen Tabellen auf absehbare Zeit so pornomäßige Ersatzbefriedigung ...
« Letzte Änderung: 19.07.2016 | 10:23 von Kriegsklinge »

Achamanian

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #9 am: 19.07.2016 | 10:16 »
Vielleicht bleiben die vielen prallen Tabellen auf absehbare Zeit so pornomäßige Ersatbefriedigung ...

Da kann ich auch gut mit leben. Solange mich keiner davon abhält, Geld dafür auszugeben!

Offline Kriegsklinge

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #10 am: 19.07.2016 | 10:19 »
Das ist ja sowieso das Wichtigste! Wo sollen wir sonst hin mit der durch Nicht-Rollenspielen erwirtschafteten Kohle?

Offline Viral

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #11 am: 19.07.2016 | 10:20 »
kann ich bestätigen. Ich leite Systeme die ich schon seit 15 Jahren leite, nur hab ich alle zusätzlichen und optionalen Regeln rausgenommen.

z. B. Ad&d 2 ohne optionale Regeln nur mit dem Satz an Grundregeln.

Ansonsten guck ich mir meinst nur Systeme deren Regelteil auf wenigen Seiten beschränkt ist. z. B. Symbaroum, Shadow of the Demon Lord

D&D 3.x und 4, Cypher System, Fate und Konsorten haben mich nicht überzeugt .... zu kompliziert, zuviel Crunch oder schlicht aufwendig sich einzulesen. Oder noch schlimmer zu aufwändig für die Spieler.

Offline Infernal Teddy

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #12 am: 19.07.2016 | 10:48 »
Pffffffffft
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Offline Kriegsklinge

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #13 am: 19.07.2016 | 10:51 »
Zu schnell die Treppe raufgegangen? Kenne ich!

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #14 am: 19.07.2016 | 10:58 »
Ich gehe ja voll auf die 50 zu und kann bestätigen das Schlaf an Bedeutung gewinnt. Auch spiele ich eher regelleichte Systeme wie z.b. Numenera, dogs etc.

Offline D. Athair

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #15 am: 19.07.2016 | 11:03 »
Spiele, die bei uns beliebt waren: DSA (mit anderen Regeln, Aventurien "so wie früher"), Numenera, Dungeon Crawl Classics (mit viel Handwedelei, die Welt, wie sie die Aufmachung vermittelt, ist wichtiger), Der Eine Ring, Dragon Age, Ars Magica, Dungeon World, Fiasco, Dungeonslayers, diverse stark fokussierte "story now!"-Indies.
Eine Minderheit fand jeweils  13th Age, D&D4, Splittermond und Warhammer 3 gut. Diese Spiele konnten sich nicht durchsetzen (obwohl für überwiegend gut befunden).

Gefragt sind also regelleichte, regekohärente Spiele mit starken, vielfältigen, aber doch vertrauten Welten, die ironische Distanz, Improvisation und unterschiedliche Spielanteile ermöglichen (also story-noweskes Drama bis hin zu Stimmungsspiel), weil man sich ohen Regelballast und viel Weltanlesen bewegen kann. Eine starke Nische sind superfokussierte Indies. Ich vermute, dass die nicht stärker sind, weil da oft der Nostalgie- und Welterlebnisfaktor zu kurz kommt.

Spiele mit viel Material (Warhammer 3, tendenziell D&D4), viel kleinteiligen Regeln (neuere D&Ds, Splittermond) fallen eher durch, obwohl andere Bedingungen für ein "gutes " Spiel bei uns erfüllt sind.

Steile These Nr.1: Wir bilden damit ziemlich genau den Mainstream der "alten, informierten Rollenspieler" ab. Bei uns beliebte Systeme sind die Hype-Spiele der letzten Jahre. OSR ist ein bisschen unterrepräsentiert, aber das ist eher eine Prägungssache, glaube ich (wir waren früher eben DSA und nicht D&D).

Steile These Nr.2: Rollenspiele, die sich in Zukunft verkaufen sollen, müssten so sein, dass sie uns gefallen. Wir sind die Zahlungskräftigen und die Meinungsstarken. Hinzu kommt, dass Spiele, die uns gefallen, oft auch gute Einsteigerspiele sind.

Ja, ich glaube, dass die Lebensumstände eine große Rolle spielen. Ich bezweifle, dass man dafür um die 40 sein muss.
Einiges was du beschreibst, sehe ich bei mir selbst und im Freundeskreis (um die 30). Und: Ich beobachte das zum Teil auch im weiteren Bekanntenkreis der Twens. Anders gesagt: Was du beschreibst, halte ich für eine Entwicklung, die tendenziell die ganze Gesellschaft betrifft. Nur halt unterschiedlich stark.

Was die Regelwerke angeht, würde ich behaupten, dass Regeln nicht unbedingt kohärent sein müssen, sondern dass die einzelnen Regelbereiche für sich abgeschlossen und gut überschaubar sein müssen - ohne viele Spezial- und Sonderregeln. Oder: Wenn Spezial- und Sonderregeln wichtig sind, dann müssen die in ihrer Systematik einigermaßen einheitlich sein und leicht referenziert werden können (Tabellen oder Karten). Das ist mein Eindruck, wenn ich schaue, was Indies, OSR und freiform-lastige Spiele verbindet.

Stichwort OSR-Spiele: Meine Vermutung ist, dass Entwicklungen da regelseitig noch nicht ausgereift genug sind. Beyond the Wall, LotFP, Crypts & Things oder auch Sachen wie DCC RPG und Blood & Treasure sind nicht so voraussetzungsfrei wie sie sein könnten. Die Einstiegshürden sind mMn höher als sie sein müssten. Auch designmäßig sind sie noch nicht so weit, wie sie sein könnten (sieht man u.a. an den vielen Fragen zu BtW im entsprechenden Forenbereich hier). Mit am weitesten ist da mMn The Cthulhu Hack. Ich denke da wird sich auch noch was tun.

Den Thesen kann ich insgesamt zustimmen.


Trotz allem stehen dagegen:
Pathfinder, Splittermond, vermutlich auch DSA 5, Shadowrun, u.U. Mythras und FFG Star Wars (wobei das auch ein Trugschluss sein kann).
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Offline Blechpirat

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #16 am: 19.07.2016 | 11:10 »
Ja, ich glaube, dass die Lebensumstände eine große Rolle spielen. Ich bezweifle, dass man dafür um die 40 sein muss.

Hm. Ich habe zu Zeiten meines zweiten Staatsexamens - definitiv eine der stressigsten Zeiten meines Lebens - durchaus noch Regelschwergewichte studiert. Als Splittermond raus kam, war ich arbeitslos und konnte trotzdem nicht die Konzentration dafür aufbringen. Ich halte das Alter deshalb doch für relevant - sei es, dass man nach der Uni auf Multitasking getaktet wird, oder weil man im Alter (vielleicht auch aufgrund der geänderten Umwelt) kürzere Aufwands-Belohnungs-Zyklen haben will.

Offline Antariuk

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #17 am: 19.07.2016 | 11:10 »
Aus einer Beobachterposition kann ich bestätigen, dass es RA4f in den oben genannten Ausprägungen im Grunde auch schon als RA3f gibt. Ich selber bin ja erst 2008 ins Hobby gekommen, aber der harte Kern rund um meinen ersten Spielleiter hat mich damals adoptiert und die waren alle so Veteranen die "früher" schon dabei waren (da wir alle so Mitte 30 sind, waren die damals natürlich noch recht jung). Irgendwie ging es dann Schlag auf Schlag los mit Umziehen, Familiengründung und komischen Berufszeiten und dann entstand sehr schnell die Dynamik, dass wir bei einem zustande gekommenen Treffen entweder Sachen von früher als "light" Variante gespielt haben (für mich halt alles neu) oder kurze, knackige Systeme und Oneshot-Portionen.

Fand ich eine sehr gute Art zu spielen :d

EDIT: Contains Diseases ist ein doofer Ninja.
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Achamanian

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #18 am: 19.07.2016 | 11:25 »
Steile These Nr.2: Rollenspiele, die sich in Zukunft verkaufen sollen, müssten so sein, dass sie uns gefallen. Wir sind die Zahlungskräftigen und die Meinungsstarken. Hinzu kommt, dass Spiele, die uns gefallen, oft auch gute Einsteigerspiele sind.

Dazu fällt mir gerade auf: Mit der Art zu spielen, die du beschreibst, sind wir eigentlich kein richtiger Markt. An Regelbüchern kann man uns maximal schlanke Grundregelwerke verkaufen - auf gar keinen Fall Erweiterungsbände. Settingsmaterial brauchen wir nicht so richtig, denn der Schrank ist ja schon voll mit allerlei altem Kram, von dem wir ein grobes gemeinsames Bild haben und den wir mit allen möglichen Systemen bespielen können, wie wir wollen. Da wird dann halt irgendein altes DSA-Götter-Buch, welche Edition ist doch egal, aus dem Regal gezogen, wenn man ein paar Inspirationen für die Ausgestaltung von Phex-Wundern braucht. Abenteuerbände sind eigentlich auch nicht nötig - wir kennen die Beats und schnappen uns bei Bedarf eine beliebige Dungeonkarte und ein paar Monsterwerte.

Wobei man uns schon mit ein paar Sachen am Markt abholen kann - DCC macht es da sicher richtig mit seinen kleinen, verrückten Modulen, die keine große Settingeinarbeitung erfordern. Und Numenera kriegt es erstaunlich gut hin, mir dicke Setting-Wälzer zu verkaufen, die ich dann auch tatsächlich beim RA4f-Spiel verwende, weil da eben alles so schön als wilde Inspirationsmix daherkommt, aus dem man sich bedienen kann, indem man das Ganze überfliegt und die Bilder anschaut. Und FantasyAge macht es sicher auch ganz gut mit seinen 3-Seiten-Mini-PDF-Modulen.

Aber eigentlich sind das schon alles Sachen, die "wir" zum Spielen gar nicht brauchen, und verkaufen kann man Leuten wie mir genauso gut (wenn nicht gar besser) Sachen wie Splittermond oder Myranor - große Setting- und Regelkomplexe, die meine Nostalgie für High-Maintenance-Rollenspiel ansprechen.

Kurz: Wenn RA4f-SpielerInnen für's Spiel kaufen, müssen sie eigentlich fast nichts kaufen, und was sie kaufen, ist wahrscheinlich bunt zusammengewürfelt - hier ein Monsterkompendium, da ein Abenteuer, dort ein Indie-Regelwerk. Markenbindung und stetige Verkäufe sind da übers Spiel nicht zu erzeugen.
« Letzte Änderung: 19.07.2016 | 11:40 von Rumpel »

Offline Lord Verminaard

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #19 am: 19.07.2016 | 11:27 »
Pah, alles Unsinn! ;D Kommt schon, einer musste es tun.

Zitat
Steile These Nr.1: Wir bilden damit ziemlich genau den Mainstream der "alten, informierten Rollenspieler" ab.

Hahaha ja so wie Berlin-Mitte ungefähr den Mainstrem der "kulturell interessierten Bundesbürger" abbildet, oder so. Die Hipster halten sich für den Mainstream, das ist süß. Der Mainstream spielt einstweilen weiter DSA oder Shadowrun oder Cthulhu und geht als "informiert" durch, wenn er schon mal was von Fiasko gehört hat.

Zitat
Steile These Nr.2: Rollenspiele, die sich in Zukunft verkaufen sollen, müssten so sein, dass sie uns gefallen. Wir sind die Zahlungskräftigen und die Meinungsstarken. Hinzu kommt, dass Spiele, die uns gefallen, oft auch gute Einsteigerspiele sind.

Und dann kauft ihr das GRW und sonst braucht ihr eigentlich nichts. Ihr seid leider kommerziell nicht so interessant wie die Sammler. Na okay, ihr seid schon eine interessante Zielgruppe, merkt man ja daran, dass so Spiele wie Dungeonworld oder DCC in bescheidenem Maße Konjunktur haben. Dungeonslayers in D läuft ja auch nicht schlecht, wobei "nicht schlecht" natürlich, in "Gewinn nach Steuern" gemessen, immer noch ein Taschengeld ist.


Zitat
Steile These Nr.3: Ziemlich viele Rollenspielentwicklungen der letzten ca. 10 Jahre lassen sich soziologisch besser erklären als durch irgendwelche spieltheoretischen Überlegungen.

Das wohl.


Zitat
Steile These Nr.4: GNS ist nur die Abkürzung für "Wir sind alte Säcke und haben nicht mehr so viel Zeit für den Scheiß." Ron Edwards ist glaube ich zehn Jahre+ älter als ich, der hat das alles bloß früher erlebt.

Nein. Ron hat erst Kinder bekommen, nachdem GNS und die ganzen Themen längst durch waren (seitdem ist er weit weniger umtriebig). Und er hatte geradezu aberwitzig viel Zeit für Rollenspiel, in der formativen Phase. GNS erklärt sich aus dem Horizont der damaligen Auffassungen über Rollenspiel, insbesondere in der amerikanischen Szene, die inzwischen im Wesentlichen überwunden scheinen, jedenfalls in "informierten" Kreisen, weshalb man das heute wohl nicht mehr so präsent hat. Die erste Generation der Forge-Spiele wie Sorcerer, Dust Devils, Burning Wheel passt auch nicht in dein Schema, das sind weit spätere Entwicklungen, die mit GNS nur noch am Rande zu tun haben (ja okay du meintest GNS eher als Platzhalter für das ganz Hippie-Gedöns, schon klar.)
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Achamanian

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #20 am: 19.07.2016 | 11:30 »

Und dann kauft ihr das GRW und sonst braucht ihr eigentlich nichts. Ihr seid leider kommerziell nicht so interessant wie die Sammler.

Ey, du sagst es vielleicht kürzer, aber ich war schneller!

Offline Kriegsklinge

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #21 am: 19.07.2016 | 11:40 »
Vermi denkt, es geht mir um die Wahrheit, dabei geht es mir nur um Hipster-Fame! Na ja, du hast vermutlich recht. Aber es klang so gut!

Offline Sir Markfest

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #22 am: 19.07.2016 | 11:42 »
Und dann kauft ihr das GRW und sonst braucht ihr eigentlich nichts. Ihr seid leider kommerziell nicht so interessant wie die Sammler. ....

Hm, ich weiss nicht .... in meinem Unfeld sind mittlerweile auch der Großteil so an der 40er Grenze und da sind ein paar ganz schöne Sammler dabei.

Offline Lord Verminaard

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #23 am: 19.07.2016 | 11:44 »
Ja, das mein ich ja, nicht die Berliner Hipster sind die Haupt-Zielgruppe, sondern die unironisch-nostalgischen Hamsterkäufer. ;)
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Achamanian

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Re: [neuer Spielstil !!!1!]Rollenspiel ab 40
« Antwort #24 am: 19.07.2016 | 11:45 »
Ja, das mein ich ja, nicht die Berliner Hipster sind die Haupt-Zielgruppe, sondern die unironisch-nostalgischen Hamsterkäufer. ;)

Und die ironisch-nostalgischen Hamsterkäufer!