Autor Thema: Die Spielschule "Storytelling"  (Gelesen 5161 mal)

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Offline D. Athair

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Die Spielschule "Storytelling"
« am: 6.09.2016 | 03:13 »
Was macht für euch die Spielschule "Storytelling" aus?

Ein paar kurze Vorüberlegungen:
Ich denke es ist falsch "Storytelling" auf die WoD oder White-Wolf-Spiele zu beschränken, da die Spiele durchaus in einer Tradition stehen1.
Unzweifelhaft scheint mir, dass mit Vampire was Neues aus der Taufe gehoben wurde. Dieses Neue ist in meinen Augen die Umkehrung der traditionellen Rollen (Monster spielen) + Storytelling + explizit benutzte R-Maps + eine große Dosis Powergaming. Insofern stellt WW's "Storytelling" eine Sonderform der übergreifenden Schule dar.

Für mich gehören zu der Schule: Pendragon, Ars Magica, Prince Valiant, WoD, L5R und andere (DragonLance?).
Kennzeichned sind: Fokus auf die SC mit ihren Stärken/Schwächen/Emotionen, die starke Einbindung der SC in das "Sozialsystem" der Spielwelt, eine gewisse (alternierende) Offenheit gegenüber Metaplot und Sandbox.

Es geht irgendwie um Charakterdrama als Teil von Abenteuern/Geschichten. Deswegen fungieren die Regeln grundsätzlich nicht als Erzeuger dramaturgischer Strukturen. Goldene Regel, Railroading, Würfeldrehen ... sind Dinge, die weder grundsätzlich erlaubt sind, noch verboten. Man kann einen Storyfokus dazunehmen - aber der ist alles andere als zwingend.


1. Ich hab das früher gern "erzählerisches Rollenspiel" genannt, weil eine gewisse Nähe zu Märchen oder Familiensagas nicht von der Hand zu weisen sind. Seit sich aber Spiele wie WFRP3 oder FFG Star Wars "narrativ" oder "erzählerisch" nennen tue ich das nicht mehr. Diese Spiele sind mMn eine gaaanz andere Baustelle.
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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #1 am: 6.09.2016 | 03:34 »
Das System ist für "Storytelling" schnurzpiepegal. Das Setting ist auch teilweise zweitrangig. Die Gruppe macht alles aus. Aber eigentlich ist das ja immer so.   ;)

Wenn die Gruppe die Geschichte der Chars in der Welt und der Welt um die Chars rum erleben möchte, dann ist alles bestens. Ansonsten braucht man halt nen anderen Spielstil.
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Offline 1of3

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #2 am: 6.09.2016 | 07:52 »
Idee 1. Die Regeln sind "nicht so wichtig".

Idee 2. Charaktere sollten "nicht plumpe Haudraufs" sein.

Idee 3. In der Runde sollte eine "passende Stimmung" herrschen.

Idee 4. Intime ist besser als outtime.

alexandro

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #3 am: 6.09.2016 | 08:00 »
So wie ich Storytelling (u.a. durch die genannten Spiele) erlebt habe, ist der Name eigentlich irreführend, da es da gar nicht so sehr um "Story" (im Sinne von Dramaturgie) ging. Das war einfach nur ein Platzhalter und ein buzz-word, weil es die Macher halt damals nicht besser wussten.

Was sich eigentlich hinter Storytelling verbirgt, könnte man unter den Oberbegriff "Optimierung des Spielflusses" stellen: dazu gehört z.B. solche Sachen wie IT-Einkauftouren zu vermeiden, nicht einen wesentlichen Teil des Spielabends mit dem Kampf gegen einen Gegner zu verschwenden, der im Rest des Abenteuers keine Rolle mehr spielt (Zufallsbegegnungen) und die Spielwelt als etwas zu betrachten, was nicht "naturalistisch" (im Gygaxschen Sinne) ist, sondern für einen ganz bestimmten Zweck erschaffen wird, um eine ganz bestimmte Stimmung zu transportieren, und die Spieler bei ihren Figurenhooks zu packen (trotzdem, oder gerade deswegen, betrachten viele Storyteller die Spielwelt als etwas, was vor dem Spiel erschaffen wird und dann als Motor für das Spiel dient, ohne dass man nachträglich was ändert).

Was den Metaplot angeht: prinzipiell hat der Recht harmlos angefangen, als Beispiel dafür, wie Abenteuer und Kampagnen aufgebaut sein können. Nur haben sich einige Spieler und die Entwickler dann halt in die Idee einer "gemeinsamen, wachsenden Spielwelt" verliebt und das nahm dann teilweise seltsame Auswüchse an. Man hatte dann halt wieder "naturalistische" Setzungen im Spiel, die mit der Kampagne auf die Spielleiter+Spieler Lust hatten nur begrenzt zu tun hatten, die aber unreflektiert übernommen wurden. Später wurde dann relativiert ("Das müsst ihr nicht so benutzen") und gerade die nWoD hat (leider erfolglos) versucht das ganze Setting wieder mehr auf die Kampagne von Spielern und SL zu fokussieren.

alexandro

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #4 am: 6.09.2016 | 08:12 »
P.S.: Neben den genannten Spielen gab es noch eine weitere Strömung, die "schwedische Schule" des Storytelling (vertreten v.a. durch KULT). Waren die o.g. Spiele relativ konservativ in ihren Ansprüchen, so wollten die Schweden etwas ganz anderes spielen.

Ich erinnere mich noch an das Spielbeispiel aus dem KULT-Grundregelwerk, welches mehr mit Improtheater zu tun hatte, als mit Rollenspiel, und wo der Spielleiter vor dem Spiel einen Spieler als "Komplizen" (Quasi-NSC) an Bord geholt hatte, der genau nach SL-Vorgabe agierte, um die anderen Spieler so richtig zu schocken. Ein paar dieser Techniken haben dann tatsächlich auch ihren Weg in V:tM 2nd Edition gefunden (Golconda als Abenteuer für einen Spieler, der nicht weiß dass seine Mitspieler Quasi-NSC sind; die Verhörszene im Beispielabenteuer des GRW), aber das war eher eine kurzlebige Phase. Schon in der Revised war von der "schwedischen Schule" nichts mehr zu sehen.
« Letzte Änderung: 6.09.2016 | 08:27 von alexandro »

Offline LushWoods

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #5 am: 6.09.2016 | 08:39 »
Diese Threads zu Rollenspieltheorie und der verwendeten Spielweise arten ja gerade komplett aus.
Gefühlt gibt's jeden Tag 2 neue Threads.
Mit den meisten kann ich nichts anfangen, der hier is interessant.

Zum Thema:
Ich glaube nicht das man "Storytelling" heute noch so als allgemeingültigen, feststehenden Begriff verwenden kann (außer man heißt RPGpundit, dann gehört das zum vokabularischen Grundarsenal in der Waffenkammer).
Vor 20 Jahren hat man unter "Storytelling-Rollenspielen" etwas ganz anderes verstanden als heute.
Damals war das, wie du ja schon richtig aufgeführt hast, hauptsächlich etwas das White Wolf etabliert hat. Und damals war das sicher auch etwas Neues.
Heute bezieht sich das erzählerische bei den World of Darkness Sachen vor allem darauf, das die Bücher vor BlaBla schier überquellen.
Heute denkt man bei "erzählerisch" vor allem an die neue Schule der ... ich nenn sie jetzt mal ... Meta-Games. Rollenspiele die vermetaregeln wie z.B. FATE, Cortex +, pbtA oder zu einem bestimmten Grad FFG Star Wars.
Möglicherweise hat jede Rollenspiel-Generation so eine Welle die Storytelling neu definiert und eine Reihe an Spielen herausbringt, die Storytelling in ein anderes Licht rückt.

Was ist am Storytelling System von ehemals White Wolf heute noch innovativ oder besonders erzählerisch? Nichts.
In einigen Jahren wird dieser Meta-Trend auch wieder ein alter Hut sein und es kommt etwas Neues (vermutlich wieder begleitet von einer Retro-Welle als Gegentrend).

Was habe ich selber davon? Mein/Unser Rollenspiel hat sich definitiv Systemweitig über die Jahre verbessert.
Wir haben früher auch unseren Spaß gehabt. aber halt mit Systemen, die neutral betrachtet, teilweise einfach nur kompletter Mist waren.
Hat uns nicht so sehr gestört weil "wir ja nichts anderes hatten"  ::)
Und weil wir genügsamer waren.
Aber ich kann schon sagen das wir jetzt bessere Systeme bespielen. Besser weil von all den Trends Dinge hängen geblieben sind. Offiziell oder nicht ... es sind gute Fitzel aller Spielstile und Richtungen hängen geblieben, die unser spiel bereichern.
Was meine ich damit? Gummipunkte zum Beispiel. Ein Systemteil der bei uns irgendwann mit Savage Worlds (Danke!) Einzug gefunden hat und der mittlerweile nicht mehr wegzudenken ist.
Wenn ein System so etwas nicht hat, hausregeln wir das hinein.

Und so weiter.

Bin ich vom Thema abgekommen? Möglich.   :)

Offline 1of3

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #6 am: 6.09.2016 | 08:48 »
Heute denkt man bei "erzählerisch" vor allem an die neue Schule der ... ich nenn sie jetzt mal ... Meta-Games. Rollenspiele die vermetaregeln wie z.B. FATE, Cortex +, pbtA oder zu einem bestimmten Grad FFG Star Wars.
Möglicherweise hat jede Rollenspiel-Generation so eine Welle die Storytelling neu definiert und eine Reihe an Spielen herausbringt, die Storytelling in ein anderes Licht rückt.

Die Welle, die du jetzt meinst, wird gern bezeichnet als Storygaming im Gegensatz zu Storytelling.

alexandro

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #7 am: 6.09.2016 | 08:51 »
Heute bezieht sich das erzählerische bei den World of Darkness Sachen vor allem darauf, das die Bücher vor BlaBla schier überquellen.

Nö, eigentlich nicht. Die Bücher die ich von der WoD im Regal stehen habe (zugegebenermaßen schwankt die Qualität da auch sehr stark und das Folgende muss nicht für alle Produkte aus dem Hause WW zutreffen - nicht umsonst habe ich einen Großteil meiner Sammlung aufgelöst) sind sogar sehr knapp und auf den Punkt formuliert. Gerade wenn man sich anschaut, was in der Zeit so der Standard war (AD&D Settingboxen, anyone). Es gibt z.B. im VtM 2nd GRW keine Passagen wo ich mir denke "OK, das hätte man auch weglassen können" - jeder Passage ist irgendwie wichtig.

Das Schwaflige kam bei WW dann später (mit der Sourcebookflut von Revised und besonders mit der nWoD), das ist richtig, aber wenn ich eine Überschrift für den frühen Storyteller-Kram finden müsste, dann wäre es wahrscheinlich "Cutting the bullshit, getting to the point!".

Wellentänzer

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #8 am: 6.09.2016 | 09:01 »
Die Welle, die du jetzt meinst, wird gern bezeichnet als Storygaming im Gegensatz zu Storytelling.

Ja genau. Im Prinzip ist das ja auch die Evolution des Rollenspiels. Der Kern verschiedener Spielstile ist in meinen Augen Komplexitätsreduktion aufgrund steigender Ansprüche. Daraus ergeben sich dann drei große Schulen plus Mischformen. Etwas ausformulierter:

1. OSR/Regelspiel/Taktisches Spiel: Das umfasst die Urpsprünge des Rollenspiels. Hier hält man sich an die Regeln. Ist ja logisch, man ist ja fest verwurzelt. Das Spiel ist jedoch recht technisch, bisweilen fühlt es sich leicht willkürlich an. Es fehlen Elemente des klassischen Dramas sowie intensive Schauspieleinlagen. Deshalb schwappte das über in...

2. Dramaturgieorientiertes Spiel: ...beginnend mit Dragonlance wurde versucht, klassische und weniger klassische Dramaturgien ins Rollenspiel zu bringen. Auch sollte die darstellerische Komponente gestärkt und das Spiel nicht auf Kämpfe beschränkt werden. Gesucht wurde mehr Epik, Plot, Story, Drama. All das hatte jedoch seinen Preis, denn der SL musste stark eingreifen und bekam noch mehr Macht als vorher inklusive des Brechens von Regeln. Daraus resultierten die bekannten Dysfunktionalitäten, aber auch...

3. Storygaming: ...der Drang der Demokratisierung des Spieltisches sowie der Wille zu Drama ohne Regelbruch. Daraus entstanden dann die ganzen Storygames und die funktionieren genau so, wie sie sollen. Allerdings kommen auch sie mit der Einschränkung daher, dass sie zwangsläufig sehr metalastig sind und/oder einen eingeschränkten Anwendungsbereich haben.


In der Zwischenzeit gibbet Mischformen aus den Stilen. So haben beispielsweise Gummipunkte aus dem Storygaming sehr breiten Einzug gehalten, wenn auch selbstredend nicht ohne Nebenwirkungen). Wichtigste Erkenntnis für mich aus Diskussionen um Spielstile ist daher dreierlei. Erstens sollte man sich darüber bewusst sein, was man selbst und als Gruppe am liebsten möchte. Zweitens kommt jede Spielform mit ganz spezifischen Vor- und Nachteilen daher. Drittens glaube ich niemandemn, der Vorteile ohne Nachteile vorgaukelt. Die perfekte Runde ohne Konzessionen in irgendeiner Richtung gibt es nicht.

Offline LushWoods

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #9 am: 6.09.2016 | 09:01 »
@ 1 of 3: Whatever, aber ich denke es is relativ klar was ich sagen wollte.

@ alexandro: Das wollte ich oben eigentlich schon dazuschreiben, weil ich wusste das gleich jemand mit einem Wortverdreher um die Ecke kommt :)
Ich habe nicht gesagt: "Ich finde das Storytelling-System der World of Darkness scheiße." Im Gegenteil, ich finde das nWoD System ist eines der schönsten Systeme die ich kenne.
Mir persönlich gefällt der Schreibstil der Bücher nicht mehr. Das ist reine Geschmackssache.
Worauf ich aber hinauswollte ist das von dem anfänglich innovativen "Storytelling" nicht mehr viel übrig ist. Einfach aus dem Grund weil die Art Rollenspiele zu machen nicht mehr neu ist und mittlerweile auch zigmal kopiert wurde.
Das macht sie nicht schlecht!
Aber: Das Storytelling System ist nach heutigen Maßstäben ein stinknormales (nochmal: nicht schlechtes) Rollenspielsystem.
Das Element des Storytelling hat sich mittlerweile so fest eingegraben das viele Rollenspiele das einfach voraussetzen (vielleicht eben mit Ausnahme der Games aus der Retro-Ecke).
Das ist normal und gehört dazu.
Wie eben, die oben erwähnten Gummipunkte z.B.

Meine beschriebenen Metagames haben was wirklich neues gebracht. Aber vermutlich wird das (zumindest etwas davon)  in einigen Jahren auch zum Standard gehören.
Einge Elemente werden sich etablieren, hängenbleiben und in die nächste Generation als Standard übernommen werden.

Offline Grandala

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #10 am: 6.09.2016 | 09:03 »
Also von den oben genannten kenne ich nur die WW Derivate und L5R wirklich gut und würde mich als eingelesen bezeichnen.

Ich würde als Klassifizierungsmerkmal noch hinzu fügen, dass diese Art von Rollenspiel in den meisten Fällen den Spielwerten eine Settingrelevante Bedeutung beimisst. Die Regelteile stehen nicht in ihrere Mechanik im Vordergrund sondern stehen gleichauf mit der Verortung des Charakters im Setting. Das Sein als Tremer bei VtM z.B. ist mehr als eine Kategorie, die mir erlaubt bestimmte Disziplinen zu wählen, sondern verankert den Charakter innerhalb seiner Umwelt, die das Spielerlebnis direkt beeinflussen.

Ebenso werden die einzelnen Fähigkeiten innerhalb des Settings durch bestimmte Traditionen, Rituale und evt. auch Etiketten belegt (Ventrue, die dem Ranghöheren immer in die Augen schauen, in der Hoffnung, dass dieser seiner Kräfte nicht benutzt oder Shugenja, die eine Priesterrolle im Setting erhalten und mit bestimmten Kami interagieren ect.)

Man sieht das bei WW schon in der Beschreibung der meisten Fertigkeiten, da diese meist eine Kompetenzbeschreibung innerhalb der Welt anbieten (eine Orientierung, die bei D&D z.B. nicht gegeben ist)
Power Gamer 38%, Butt-Kicker 21%, Tactician 63%, Specialist 33%, Method Actor 71%, Storyteller 63%, Casual Gamer 29%

Offline 1of3

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #11 am: 6.09.2016 | 09:15 »
1. OSR/Regelspiel/Taktisches Spiel: Das umfasst die Urpsprünge des Rollenspiels. Hier hält man sich an die Regeln. Ist ja logisch, man ist ja fest verwurzelt. Das Spiel ist jedoch recht technisch, bisweilen fühlt es sich leicht willkürlich an. Es fehlen Elemente des klassischen Dramas sowie intensive Schauspieleinlagen. Deshalb schwappte das über in...

Ich würde dringend davor warnen, die Old-School REVOLUTION in diesem Zusammenhang zu benutzen. OSR kam ihrerseits als Reaktion auf Storygames auf. Und inwiefern das etwas mit der "ursprünglichen Form" zu tun hat, ist zweifelhaft. Die OSR ist dann auch schon wieder in der Spätphase, wenn Spiele wie Godbound anfangen, mit den Maßgaben von OSR-Spielen zu spielen.

Ich bin gespannt, was als nächstes kommt.

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #12 am: 6.09.2016 | 09:21 »
Ich würde dringend davor warnen, die Old-School REVOLUTION in diesem Zusammenhang zu benutzen. OSR kam ihrerseits als Reaktion auf Storygames auf. Und inwiefern das etwas mit der "ursprünglichen Form" zu tun hat, ist zweifelhaft. Die OSR ist dann auch schon wieder in der Spätphase, wenn Spiele wie Godbound anfangen, mit den Maßgaben von OSR-Spielen zu spielen.

Ich bin gespannt, was als nächstes kommt.

Dass die OSR eine Revolution war sowie eine Reaktion auf Storygames, unterschreibe ich gerne. Ich bin auch gespannt, was als nächstes kommt. Wieso bist Du jedoch der Ansicht, dass man OSR und taktisches Spiel und Regelspiel nicht zusammenfassen kann zu einer Kategorie? Mir fehlt das Argument.

Offline LushWoods

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #13 am: 6.09.2016 | 09:24 »
Genau, was man natürlich noch beachten sollte sinddie Spiele die versuchen Oldschool und Newschool zu verschmelzen.
Mir fällt da jetzt auch spontan Godbound ein oder 13th Age.

Offline Infernal Teddy

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #14 am: 6.09.2016 | 09:46 »
Ich würde auch Spiele wie die WoDs oder L5R und so weiter nicht mehr als "New School" bezeichnen. Vielleicht Middle Grade?

(Mir fällt gerade auf, wie sehr die NDE eine Reaktion der deutschen Rollenspielszene auf die Spiele der Neunziger waren. Mir gefällt da immer noch SPF's Bezeichnung aus dem FRPG' s Bible für alles, was dem Weg folgt, den Shadowrun und Vampire vorgaben: "Attitude Games")
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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #15 am: 6.09.2016 | 09:47 »
Dass die OSR eine Revolution war sowie eine Reaktion auf Storygames, unterschreibe ich gerne. Ich bin auch gespannt, was als nächstes kommt. Wieso bist Du jedoch der Ansicht, dass man OSR und taktisches Spiel und Regelspiel nicht zusammenfassen kann zu einer Kategorie? Mir fehlt das Argument.

Weil du eine zeitliche Abfolge andeutest, aber Begriffe benutzt, die danach kommen. Die Old-School Revolution hat nicht zu Dragonlance und Vampire geführt. Die kam über 10 Jahre später.

Die OSR hat auch ein sehr spezielles Verhältnis zu Regeln, wenn da Stichworte wie "Rulings, not Rules" fallen. Spiele wie D&D3 mögen zwar sehr taktisch sein, sind aber unter diesem Gesichtspunkt höchstens erträglich.

Offline LushWoods

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #16 am: 6.09.2016 | 09:54 »
Attitude Games gefällt mir!  :d
Ich hab selbst damals. als die WoD aufkam nie wirklich verstanden was da jetzt genau so Storytelling dran sein soll. Also regeltechnisch gesehen.
Ich versteh's heute noch weniger.
Es war eigentlich eher die Art und Weise wie die Bücher geschrieben waren und wie der Fluff präsentiert wurde.

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #17 am: 6.09.2016 | 10:18 »
Weil du eine zeitliche Abfolge andeutest, aber Begriffe benutzt, die danach kommen. Die Old-School Revolution hat nicht zu Dragonlance und Vampire geführt. Die kam über 10 Jahre später.

Ah, okay, verstehe. Ne, diese Andeutung wollte ich nicht machen. Wäre Quatsch. Da hab ich mich vermutlich missverständlich ausgedrückt.

Offline D. Athair

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #18 am: 6.09.2016 | 11:32 »
@ die Regeln sind nicht so wichtig:
In meinen Augen stimmt das nicht grundsätzlich. Die Regeln sollen die Verortung der Spielfiguren in der Spielwelt darstellen und einen Rahmen für "Charakterstorys" legen. Sie sollen nicht den Spielprozess moderieren. Anders gesagt: Die Regeln sind in einem Bereich wichtig, über den Spielregeln meist keine Deutungshoheit anstreben ... und nicht so wichtig, wo sie üblicherweise Aufgaben übernehmen.

So wie ich Storytelling (u.a. durch die genannten Spiele) erlebt habe, ist der Name eigentlich irreführend, da es da gar nicht so sehr um "Story" (im Sinne von Dramaturgie) ging. Das war einfach nur ein Platzhalter und ein buzz-word, weil es die Macher halt damals nicht besser wussten.
Auch da würde ich sagen: Ja und Nein. Die Story geht von den Charakteren und ihren sozialen Bezugsgruppen1 aus (ähnlich wie in Heldensagen oder Familiengeschichten - wenn Opa von früher erzählt) und es geht nicht um den Plotverlauf. Es geht also nicht um die Story an sich, sondern das Erzählen/Erleben von Charaktertaten und deren Bedeutung. Insofern ist der Begriff "Storytelling" in einer irgendwo archaischen Weise in Gebrauch, der mit Plot und Dramaturgie erstmal nichts zu tun hat.
Kurz: Ich würde nicht sagen, dass Storytelling der falsche Begriff ist - er ist nur nicht kompatibel mit dem, was wir heute meist unter Storytelling verstehen.

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Finde ich jetzt nicht völlig daneben. Sehe ich aber - angesichts von Spielen wie Dogs in the Vineyard, Montsegur 1244, Thou art but a warrior ... problematisch. Da geht es eigentlich um Einstellungen und Haltungen, die auf die Probe gestellt werden.


1 Ich glaube auch, dass es kein Zufall ist, dass Clan-Strukturen in diesen Spielen häufig eine Rolle spielen. Egal ob das konkret in Regeln gegossen ist (L5R, V:tM, Ars Magica) oder eher nicht (Pendragon). Weiterhin glaube ich auch, dass eine wesentliche Wurzel bei Chaosium/Greg Stafford liegt. Interessant wäre zu schauen, welchen Einfluss RuneQuest auf die Storytelling Schule hatte und in welchem Verhältnis zu dieser Schule Heroquest steht.
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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #19 am: 6.09.2016 | 15:09 »
Ich glaube nicht das man "Storytelling" heute noch so als allgemeingültigen, feststehenden Begriff verwenden kann [...]
Vor 20 Jahren hat man unter "Storytelling-Rollenspielen" etwas ganz anderes verstanden als heute.
[...]
Möglicherweise hat jede Rollenspiel-Generation so eine Welle die Storytelling neu definiert und eine Reihe an Spielen herausbringt, die Storytelling in ein anderes Licht rückt.

Was ist am Storytelling System von ehemals White Wolf heute noch innovativ oder besonders erzählerisch?
Dazu noch ein paar Worte. Die Beobachtung, dass der Begriff "storytelling", "storyteller", "narrator" und "narrative" heute im Rollenspiel für ganz unterschiedliche Sachen stehen kann, teile ich. Trotzdem glaube ich, dass die Design-Schule "Storytelling" immer noch eine gewisse Relevanz hat.

Dazu ein paar Anmerkungen zu Design-Schulen:
Die sind grundsätzlich immer Kinder ihrer Zeit sind und werden durch neue Schulrichtungen abglöst.
Das kann man aktuell ganz gut beobachten. Moderne Storygames folgen nicht mehr (nur) den Forge-Paradigmen.
OSR-Spiele haben sich schnell vom Design der 70er gelöst. Swords & Wizardry ist schon was anderes als Labyrinth Lord oder Mentzer-D&D. Und gerade bei DCC RPG oder auch Spielen wie Crypts & Things Remasterd, Beyond the Wall und The Black Hack sieht man, dass da was in Bewegung ist.
Zu neueren Spiele, die von der Storytelling-Schule beeinflusst sind, gehört z.B. The One Ring (dessen Autor Pendragon als starken Einfluss nennt).

... wobei Design-Schulen, deren Entwicklung und Weiterentwicklung eigentlich schon wieder ein eigenes Thema sind.
[Ich sehe grundsätzlich zwei, bzw. drei "Gründungsbewegungen": Vor einem bestimmten Hintergrund etwas originär Neues machen. Verschiendene Elemente zu etwas Neuem zusammenfassen (Sythese verschiedener Elemente aus verschiedenen Schulen).  Eine alte Schulrichtung ausgraben und die weiterentwickeln (was gerade bei RQ/BRP passiert).]
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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #20 am: 6.09.2016 | 15:17 »
Wo seht ihr eigentlich den Beginn der "Kategorie" zu der die WoD-Spiele gehören? Seht ihr V:tM als den Anfang? Ich sehe nämlich den Anfang eher bei CP und SR, weswegen ich den Begriff Attitude Games bevorzuge.
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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #21 am: 6.09.2016 | 19:39 »
Beginn finde ich schwierig. Die Wurzeln liegen mMn bei Chaosium.
Ghostbusters RPG, 1986 (Würfelpool, spezielle Erzählmechanismen) - im Wikipedia-Eintrag finden sich ein paar Hinweise dazu, welche Spiele direkt davon beeinflusst wurden.
Die Verankerung der SC in der Spielwelt kam mMn von RuneQuest. Mit Pendragon kamen Traits & Passions.
Und im Zusammenhang mit Prince Valiant Storytelling reklamiert Greg Stafford für sich Roleplaying und Storytelling zusammengebracht zu haben.

Zu Shadowrun- und CP2020-Verbindungen kann ich nichts sagen.
Ich weiß auch nicht, ob ich die unter Storytelling fassen würde. Ich seh da auch weniger den Bezug zu Mythen und Volksagen/-vorstellungen als beispielsweise bei Fading Suns.
Gemeinsamkeiten mit der WoD sehe ich schon, aber ich sehe die Spiele näher bei WEG's Star Wars, James Bond RPG, TORG oder Deadland. Da ist die Ausrichtung doch eine andere. Ob "Action" im Sinne von Literatur und Kino da eine Grundtendenz beschreiben kann?

Als Folgeschulen von Storytelling würde ich die schwedische Linie (Mutant Chronicles, Kult) und die NDE (Degenesis) sehen.
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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #22 am: 7.09.2016 | 09:59 »
Ist die Neue Deutsche Endzeit wirklich eine SCHULE? Also hat die eine gewisse Ideal-Vorstellung, die sie vertritt, hat sie Best Practices zu diesem Zweck und hat sie Autoritäten, um sich auf sie zu berufen?

Mir schien das immer eher eine zufällige Häufung von PostApo-Spielen zu sein als eine Gruppe von Leuten, die sich aufeinander berufen.

Offline D. Athair

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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #23 am: 7.09.2016 | 13:13 »
Ich kenne die NDE nur am Rande - v.a. über die "Mephisto-Connection".
Mir scheint aber, dass gerade Engel und Degenesis (die für mich das Herzstück ausmachen) in der Tradition der Storytelling Games stehen:
Regeln sind nicht so wichtig (bei Engel: das Misstrauen dem eigenen Regelsystem gegenüber bei der engl. Ausgabe, bei Degenesis: die - auch den Autoren bekannten Probleme des Regelsystems), Fraktionen (und Splatbooks). Heredium und Frostzone sind da mMn nicht ganz unähnlich. Ob es deswegen als eigenständige Schule bezeichnet werden kann? Ich weiß es nicht.
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Re: Die Spielschule "Storytelling"
« Antwort #24 am: 7.09.2016 | 13:25 »
Ich kenne die NDE nur am Rande - v.a. über die "Mephisto-Connection".
Mir scheint aber, dass gerade Engel und Degenesis (die für mich das Herzstück ausmachen) in der Tradition der Storytelling Games stehen:
Regeln sind nicht so wichtig (bei Engel: das Misstrauen dem eigenen Regelsystem gegenüber bei der engl. Ausgabe, bei Degenesis: die - auch den Autoren bekannten Probleme des Regelsystems), Fraktionen (und Splatbooks). Heredium und Frostzone sind da mMn nicht ganz unähnlich. Ob es deswegen als eigenständige Schule bezeichnet werden kann? Ich weiß es nicht.

Ob das eine "eigene Schule" rechtfertigt, weiß ich auch nicht. Diese Zusammenhänge hatte ich aber bislang noch nie so gesehen und insofern bin ich dankbar für die Aufbereitung  :)