Autor Thema: Railroading, goldene Regel & co. richtig genutzt - Tips für SL  (Gelesen 8999 mal)

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Offline Maarzan

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Also nach gefühlten 10 Threads zum selben Thema kann man finde ich nicht mehr davon reden, Wellentänzers Position sei diffus.  ::)
Die Verbindungen, die er hier aufwirft finde ich aber neu - und diffus.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline D. Athair

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Wobei ich glaube, dass wesentlich mehr Spielleiter "Railroading" machen, ohne den Begriff zu kennen [...]
Logo. Viele Regelbuch-Autoren machen es sich da zu leicht und lassen "Railroading & Co." als etwas Selbstverständliches erscheinen.
Besonders negativ ist mir das in der Pathfinder Einsteigerbox in Erinnerung (vielleicht weil es einer von wenigen Fehlern ist - dafür aber ein gravierender). Für die Autoren ist das ja auch sinnvoll - schließlich wollen die Abenteuer verkaufen.

Mein Problem mit vielen SL-Kapiteln ist, dass "Würfeldrehen, Goldene Regel, Railroading, ..." zusammen mit "Kohärenz, Spielprozess-Fairness, Unparteilichkeit, ..." erwähnt werden und dass die SL-Tipps dann im Ganzen keine runde Sache ist, sondern eine Eintopfpampe, die keinem so rechthilft. Da fehlen häufig die Anwendungsbeispiele und Bedingungen für bestimmte SL-Mittel.

Mir fällt nur ein positives Beispiel ein: Lamentations of the Flame Princess. Da bekommt man gut und mit Praxisbezug dargestellt, warum Railroading böse ist und nicht zu LotFP passt. Hier wurde an die Erklärungen gedacht.

Ja genau. Ich bin der Ansicht, dass sehr viele Leute das Thema unzureichend durchdrungen haben.
Sehe ich auch so. (Und das betrifft nicht nur dieses Thema, sondern generell welche SL-Mittel wofür gut sind. Wie oben ausgeführt versagen da nämlich die meisten Regelwerke kläglich. Das ist auch der Grund für die elenden "Echtes-RollenspielTM"-Debatten.


Nochmal danke für das Thema.  :d
Ist wahrscheinlich sehr hilfreich dafür, dass ich doch irgendwann meine Thesen und Haltungen dazu, was die eigentlich wichtigen Spielregeln im Rollenspiel sind, niederschreiben und auf mein Blog stellen kann.
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Offline Issi

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"Fairness, Unparteilichkeit, ..."
Wie schön, dass dir Fairness und Unparteilichkeit so wichtig sind.... Das merkt man richtig ;)

Offline Crimson King

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Wellentänzers Tips sind ja nicht wirklich Vogelperspektive, sondern eher Satellit-der-die-Erde-umkreist-Perspektive. Ich schreibe, sobald ich Zeit habe, mal ein paar konkrete Tipps zusammen, die drama-/storyorientierten Partizipationismus unterstützen.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
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J.W. von Goethe

Offline Issi

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Ich schreibe, sobald ich Zeit habe, mal ein paar konkrete Tipps zusammen, die drama-/storyorientierten Partizipationismus unterstützen.
:d Schön Danke!
Im Prinzip denkt niemand beim Spielen über irgendwelche Begrifflichkeiten nach. Man macht es intuitiv richtig. Mit dem Schlüssel der Empathie.  Nicht nur für die Spieler ihre Figuren und NSCs, auch für die jeweilige Situation.
« Letzte Änderung: 5.09.2016 | 19:02 von Issi »

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Wellentänzers Tips sind ja nicht wirklich Vogelperspektive, sondern eher Satellit-der-die-Erde-umkreist-Perspektive. Ich schreibe, sobald ich Zeit habe, mal ein paar konkrete Tipps zusammen, die drama-/storyorientierten Partizipationismus unterstützen.

Wtf? Okay. Ich bin gespannt, was Du da so aus dem Ärmel schüttelst 🤔

Offline Rhylthar

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So schön ich die Erklärungen zum "Wie" finde ... wichtiger wären mir Infos zum "Wozu".
Welches Spielerlebnis erzeugt diese Art zu Spielleiten?
Was will die SL - im Sinne der Gruppe - damit erreichen?
Bevor man das wohl erklären könnte, müsste man evtl. die Motivation/Erwartungshaltung von Gruppen (SL und Spielern) beleuchten.

Ich könnte dies wohl aus der "Ich/Meine Gruppen/Meine Erfahrungen"-Perspektive machen, aber dafür bräuchte ich grünes Licht von Wellentänzer, ob er das hier überhaupt haben will.

Und ich müsste mir ein paar Stichpunkte machen; könnte ein längerer Text werden.
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"Naja, ich halte eher alle FATE-Befürworter für verkappte Chemtrailer, die aufgrund der Kiesowschen Regierung in den 80er/90er Jahren eine Rollenspielverschwörung an allen Ecken wittern und deswegen versuchen, möglichst viele noch rechtzeitig auf den rechten Weg zu bringen."

Für alle, die Probleme mit meinem Nickname haben, hier eine Kopiervorlage: Rhylthar.

Wellentänzer

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Alles gut, hau rein. Ich bin ja selbst noch dabei, das Thema besser zu verstehen und für konstruktiven Input sowie Korrekturen jederzeit zu haben.

Offline Rhylthar

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Gut, die Frage ist also erstmal, warum Spieler (und auch SL) gerne Railroading spielen wollen.
Wie gesagt, alles aus meiner Perspektive, sowohl als Spieler als auch SL, der diese Form durchaus sehr mag.

Fangen wir mal mit der Spielerperspektive an:
Es gibt natürlich Spieler, die gerne Geschichte konsumieren. ErikErikson hat es ja ganz schön geschrieben, was er erwartet. Ein wenig mehr wollen andere Spieler, die auch gerne eine Geschichte erleben wollen, aber dieser Geschichte einen eigenen Stempel aufdrücken wollen, ohne sie komplett zu verlassen. Konkret: "Wir wollen "Shackled City" spielen, aber "unser" Shackled City, nicht das, was vielleicht irgendeine Gruppe woanders gespielt hat." Diese Spieler (zur Erinnerung: Ich bin auch so einer!) können mit ganz hartem Railroading wie den alten Dragonlance-Sachen auch nicht unbedingt etwas anfangen.

Und gerne bauen Spieler auch gerne einen Charakter für genau eine Abenteuerreihe, wenn ihnen das Thema bekannt ist.

Spielleiterperspektive:
Vorweg: Es sind aus meiner Erfahrung oft Spielleiter, die gerne Kaufabenteuer leiten. Aus welchen Beweggründen kann offen bleiben, bei mir sind es u. a. Zeitersparnis und mangelnde Kreativität.
Spielleiter lesen oft ein Abenteuer, eine Abenteuerreihe (AP) oder ein Mega-Adventure (bspw. RttToEE) und denken sich: "Das würde ich gerne mit meiner Gruppe bespielen!". Da stecken einige Beweggründe dahinter: Man glaubt natürlich, da man es selbst toll findet, dass es auch die Gruppe tollfinden wird, wobei natürlich abgesprochen werden muss, ob die Gruppe dies auch so sieht. Dann geht es ihm natürlich auch um das "wie", nämlich wie die Gruppe es wohl lösen wird.

Der Spielleiter ist da auch in einer nicht ganz einfachen Position. Er muss seine "Figuren" möglichst mit Spass ausspielen, ohne an ihnen zu hängen. Ich nenne es mal den "Sean Bean/Klaus Kinski/Sons of Anarchy"-Mechanismus, nämlich das "Beste" zu geben, ob wohl man genau weiss, dass die Figur das Ende nicht erleben wird.

Und, zumindest mir, ging es auch um den Austausch mit anderen Spielleitern und wie sie Sachen gelöst haben oder wie ihre Gruppen vorgegangen ist. Es ist, ob zeitgeistbedingt oder tanelornspezifisch, sehr wenig geworden, was diesen Austausch angeht. Aber ich erinnere mich noch an alte Zeiten, in denen SL sich zu RttToEE, CotSQ, Shackled City, etc. seitenweise ausgetauscht haben, Tipps gegeben wurden, Einfälle kommentiert und aufgenommen wurden, und, und, und. Man hatte als SL Gleichgesinnte und eine gemeinsame Basis, über die man sich austauschen konnte. Und zwar viel konkreter, als wenn ein SL fragen würde, was er an einem selbstgeschriebenen Abenteuer verbessern könnte.

Spieler haben auch eine gewisse Erwartungshaltung an das Spielgeschehen und die Macher solcher Adventure nehmen dies gerne auch. Der Narr sprach mal von einem "Pacing", was man als SL nutzen kann. Hier muss man es als SL durchaus auch beachten, denn Spieler wollen grandiose Höhepunkte!
Aber nicht aneinander gereiht, sondern quasi abschnittsweise. Man schaue sich nur die einzelnen Abenteuer eines AP an; man wird immer einen Highlight-Kampf (meist am Ende) finden. Gewünscht ist aber immer eine Phase des "Easy Play/Safe Play". Ich schwenke mal kurz zu "World of Warcraft" ab, um das obere ein wenig mehr zu erläutern:

Eine (Raid-)Instanz in WoW besteht im wesentlichen Dingen aus zwei (drei) Komponenten:
a) Trash-Mobs
b) Boss-Fights
c) (Loot)

Raidspieler mochten dies meistens. Nach einem gewissen "Easy Play/Safe Play" bei Trashmobs kam irgendwann der Höhepunkt des Bossfights. (Anmerkung: "Easy Play/Safe Play" heisst nicht, dass es ohne Gefahr ist. "Wer beim Trash scheisse spielt, wiped trotzdem!"; es ist nur eine Phase, in der die Anspannung/Spannung eben deutlich reduziert ist gegenüber einem Bossfight). Instanzen wie z. B. die Crusaders Arena, bei der Bossfight auf Bossfight folgte, waren nicht unbedingt beliebt, weil eben diese Zwischenphase fehlte und man z. B. auch keine Zeit hatte, sich über einen vorherigen Erfolg zu freuen.

Zurück zu Pen&Paper: Spieler wollen auch diese Zwischenphasen und eben die Höhepunkte. Abwechslung im Pacing. Deshalb haben auch viele Spieler nicht gerne "Grim&Gritty" gespielt, wo jeder Kampf ein Höhepunkt (oder das SC-Ende) ist.

Und jetzt kommt man zu dem "Wozu":
Weil man diese Highlights im richtigen Moment setzen will/muss. Wenn das erwartete Highlight eben gar keines ist und auch nicht die gewünschten emotionalen Effekte auslöst, dann macht sich Enttäuschung breit, sowohl bei Spielern als auch natürlich beim SL. Also greift man als SL zu den "Tricks" und Spieler nehmen dankend an.

Geht natürlich auch umgekehrt:
Ein negatives "Highlight", das nicht in das Pacing passt, abmildern.

So, erstmal Pause...muss eben mal unterrichten!  ~;D
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Offline Issi

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Hab noch eines verschoben:

Zitat
Das Railroading ist bei vielen Kaufabenteuern schon inklusive......
(Aber nicht immer nur schlecht und erfüllt auch seinen Zweck)

Aber nur weil es im Abenteuer drin steht, ist es trotzdem Railroading, nur nicht eines, das sich der SL ausgedacht hat,
sondern schon vorher der Autor. Ich sag jetzt mal ganz provokativ: "Als Arbeitserleichterung für den SL."

.......Alla......"wenn die Spieler das und das nicht machen, dann passiert als nächstes dies, damit jenes am Ende rauskommt....."


......." Ich sag nur Showdown, Endgegner."

Ich glaube jeder der ein klassisches Kauf- Abenteuer spielt, wird ein Stück weit vom SL gerailroaded, aber nicht aus der Phantasie des SL heraus sondern aus der des Abenteuer Autors. Dieser will  ja sicher  gehen, das sein Abenteuer einem gewissen Ablauf folgt und erfolgreich verläuft.
Ich habe den Eindruck alles, was im Abenteuer steht, gilt als legitim und wird nicht als  Railroading aufgefasst, wohingegen alles was der SL noch dazu einbringt als Railroading aufgefasst wird.

« Letzte Änderung: 6.09.2016 | 14:14 von Issi »

Offline KhornedBeef

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[...]
Ich habe den Eindruck alles, was im Abenteuer steht, gilt als legitim und wird nicht als  Railroading aufgefasst, wohingegen alles was der SL noch dazu einbringt als Railroading aufgefasst wird.
Im Ernst? Unsinnige Unterscheidung, die ich nicht mache. Woher sollte ich das als SPieler auch wissen, wenn die SL es nicht explizit sagt?
Woher kommt das? Sind die Motive des Autors per se heiliger als die der SL?
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Offline Issi

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Zitat
Im Ernst? Unsinnige Unterscheidung, die ich nicht mache.
Ich persönlich auch nicht.  ;)

Zitat
Sind die Motive des Autors per se heiliger als die der SL?
Nicht für mich. Aber wenn man davon ausgeht, dass einige
positve Motive eines SL grundsätzlich anzweifeln würden, dann gewinnt
man zeitweise diesen Eindruck.
« Letzte Änderung: 6.09.2016 | 14:14 von Issi »

Offline Crimson King

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Wie versprochen, versuche ich mal, ein paar konkretere Tipps zu geben. Die Tipps dürften durchgängig nicht nur für diese Spielweise geeignet sein. Man kann sich also, wenn man nicht eh schon selbst auf diese Dinge gekommen ist, auch für andere Spielweisen was abschauen.

Die Liste ist sicher nicht vollständig.


1. storyorientiertes Flag Framing

Flag Framing bezeichnet eine Technik, die darauf aufbaut, dass die Spieler Aussagen darüber liefern sollen, um was es im Spiel konkret gehen soll. Das geschieht auf zwei Ebenen: zum einen den Kompetenzen des Charakters (Charaktere sollten die Chance haben, ihre Kernkompetenzen ausspielen zu können), zum anderen auf der Ebene der Story. Charaktere brauchen dementsprechend eine Verankerung in der Spielwelt über eigene, tiefer gehende Motivationen, Personen, die ihnen wichtig sind etc., sprich, sie müssen emotional zu greifen sein. Emotional unangreifbare Teflon-Billies mit trivialer oder nicht vorhandener Eigenmotivation oder Charaktere mit stark psychopathischen Zügen, die zum Erreichen ihrer Ziele über jede Leiche gehen würden, sind für eine solche Spielrunde nicht zu gebrauchen.

Die Motivationen und Beziehungen der Charaktere sind nun die Story-Flaggen, d.h. die Story soll sich um genau diese Personen und Motivationen drehen. Wir spielen ja nicht Die Sieben Gezeichneten, wo die Spielercharaktere den Pet-NSCs dabei zusehen, wie sie die großen Probleme lösen oder eben nicht. Hier soll sich das Spiel ganz konkret um die Leben der Spielercharaktere drehen. Die Spielleitung sollte also ihre Abenteuer dementsprechend stets so vorbereiten, dass einige dieser Flaggen angespielt werden. Fertigabenteuer sollte man so abändern, dass sie mit den Storyflaggen der Spieler verknüpft sind.

Storyflags eignen sich wundervoll, um die Richtung der Story zu steuern. Warum solltest du deine Macht als SL ausspielen, um die Spieler in eine Richtung zu lenken, wenn sie es von alleine tun, weil die Charaktere entsprechende Motivationen haben?


2. Gute Vorbereitung des Settings ist die beste Grundlage guter Improvisation

Der Plan ist ja, wie Wellentänzer schreibt, nicht, die Gruppe durchgängig auf Schienen durch das Abenteuer zu führen, sondern, die Möglichkeit von Entscheidungsfreiheit mit einem gesteuerten Spiel zu verbinden. Das heißt, dass der Plot sehr wohl nicht nur von der Spielleitung, sondern auch von den Spielerentscheidungen getragen wird. Und gelegentlich werden die Spieler auch coole, aber unvorhergesehene Entscheidungen treffen, mit denen umzugehen ist. Dazu ist es unumgänglich, den Ausschnitt des Settings, der für das Spiel aktuell relevant ist, zu beherrschen, d.h. Personen, Gruppen, Orte etc. gut zu kennen. Auf Basis dieser Kenntnis kann man auch nicht vorbereitete Szenen problemlos plausibel improvisieren.

Setting meint in diesem Zusammenhang sowohl das bespielte Setting by the book bzw. mit abgestimmten Änderungen sowie die selbst während der Vorbereitung hinzugefügten Bausteine, die du hinter dem Schirm bereit hältst.


3. Flexible Positionierung vorbereiteter Szenen

Anstatt den Handlungsablauf minutiös vorzubereiten, und dann während der Spielsitzungen immer wieder mit der Entscheidung konfrontiert zu werden, die Gruppe notfalls mit Gewalt auf die Schienen zurückführen zu müssen oder mangels Vorbereitung in den Seilen zu hängen, kannst du Szenen vorbereiten, die Entscheidung darüber, wann und wo diese Szenen eingebracht werden, aber dem Spielverlauf überlassen und sie dann einbringen, wenn sie passen. Und wenn sie in der heutigen Sitzung nicht passen, dann ggf. in einer der folgenden. Die Vorbereitung ist also nicht für die Katz', wenn die Szene erst mal in der Schublade bleibt.


4. Jede Session mit einem Höhepunkt beenden

Betrachtet man die Kampagne als Serie von Spielsitzungen, bildet dieser Kernkonflikt den Höhepunkt jeder Folge. Diese Szene sollte sehr gut vorbereitet sein und für mindestens einen Charakter eine wichtige Entscheidung mit weit reichenden Konsequenzen beinhalten oder einen zentralen Konflikt weiter führen oder auflösen. Es muss aber nicht vor dem Spielabend feststehen, welche Szene als Höhepunkt her hält. Hier kann man auf die Technik 3. zurückgreifen.


5. Roads to Rome

Nach 3. sollst du Szenen vorbereiten und flexibel einsetzen. Nach 4. sollst du Knallerszenen als Höhepunkte an die Enden jeder Spielsitzung setzen. Letzten Endes läuft das darauf hinaus, dass gewisse Schlüsselszenen irgendwann angespielt werden. Die Spielercharaktere kommen dort irgendwann hin, egal welchen Weg sie vorher einschlagen. Der Weg und was ihnen dabei widerfährt, ist offen. Das kann die Grundvoraussetzungen für die klimaktische Szene natürlich ordentlich ändern und sollte es auch. Entscheidend ist, dass die gut vorbereiteten Schlüsselszenen für die Charaktere irgendwann zu einem passenden Zeitpunkt auf den Tisch kommen.


6. Succeed at a cost hinter dem Schirm

Um Flaschenhälse zu vermeiden, kannst du Misserfolge der Spielercharaktere gerade so als Erfolge werden, ihnen dafür aber passende Konsequenzen angedeihen lassen, die möglicherweise nicht sofort wirken. Auf die Weise läuft die Story weiter, aber Würfelwürfe erhalten trotzdem eine Bedeutung.


7. Succeed at a cost als dramaturgische Technik: ironische Enden

Aus einer höheren Perspektive heraus kannst du Succeed at a cost auch als dramaturgische Technik verwenden und Szenen, in denen die Charaktere auf eine Niederlage zusteuern, die du als Spielleiter eigentlich vermeiden willst, so gestalten, dass ein Sieg immer möglich ist, ggf. aber zu einem hohen Preis erkauft werden muss. Enden Stories oder Kapitel so, dass sie Elemente von happy und unhappy end beinhalten, spricht man von einem ironischen Ende. Meines Erachtens sind solche Enden hochdramatisch, weil die Charaktere zwar Erfolg, dabei aber Fallout verursachen, mit dem sie leben müssen und zukünftig wieder konfrontiert werden. Diese Technik ist hier besonders gut geeignet, weil deine Spieler Storynutten sind (sonst würden sie nicht mit dir als SL spielen), die ein Scheitern oder teilweises Scheitern, Verlust oder das Verursachen neuer Probleme zwar gerne hinnehmen, wenn es Resultat ihrer eigenen Entscheidungen ist, solche Dinge als Ergebnis verbockter Würfelproben aber potenziell eher doof finden werden.
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Offline KhornedBeef

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Schön erklärt, gute Tips. Mehr Rollenspiele sollten solche ins Grundregelwerk schreiben.
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Wellentänzer

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Gefallen mir ebenfalls ausgezeichnet, diese Tips. Ich hätte mich an eine solche Liste in generellerer Form nicht herangetraut, weil son Ding ausufert. Spitze! Eigentlich hätten diese Regeln übrigens einen eigenen Thread verdient - eher sogar noch irgendeine Form der Hervorhebung. Wenn man daran ein bisschen arbeitet, dann ergibt sich vermutlich ein toller Primer für dramaturgieorientiertes Leiten. Hut ab!

Offline D. Athair

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Jetzt brauchen wir nur noch ... ein paar Worte zu dem Universum, in dem sich das Ganze bewegt:
Rolle von Spielern und SL? Intension mit der Spielmechanismen benutzt werden?

Und welche Arten von Spielerlebnis als Spielziel von einer Gruppe gewünscht werden ... und fertig.  ;D  :gasmaskerly:
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Offline Greifenklause

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@ Crimson King:
Wunderbar!
So leite ich ..... idealerweise ..... klappt manchmal nicht ...
aber jetzt weiß ich auch warum und kann da rationaler und bewusster an diese Methodik dran gehen.

Danke dafür!
Besonders für den Hinweis mit den Story Flags
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Offline Issi

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Im Prinzip mache 1-5 intuitiv sowieso schon. 6 und 7 sind mir neu. Danke!

Offline Issi

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Was ich total gerne mag, sind Comeback NSC. Also solche die immer mal wieder auftauchen, und den Figuren ein Gefühl von Vertrautheit geben. Das können sowohl Freunde, Feinde als auch neutrale Charaktere sein.
Gerne auch unliebsame die auf die Nerven gehen. >;D


Und um innere Spannung bei einer Figur zu erzeugen, hilft es sie in einen "unlösbaren" Konflikt zu bringen:
Ehemann oder Liebhaber. Priester oder Lebemann. Ruhmreich oder geächtet. usw...
Eigentlich ist es eine doppelte Verführung: Erst bekommt die Figur etwas in Aussicht gestellt, was sie unbedingt haben möchte.
Und wenn sie es dann hat, kommt etwas dass das alles in Frage stellt und bedroht.
Dieser Zwiespalt kann sehr viel Spaß machen.
Was auch immer sehr viel Spannung bringt ist ein Wetteiferer. Jemand, der sich mit der Figur vergleicht und besser sein will.
Natürlich versucht er die Figur bei allem ständig zu übertrumpfen und gegebenenfalls abzuwerten.
Oder alternativ auch ein Doppelgänger oder Nachahmer.



Diese inneren Scripten von Figuren eignen sich auch sehr schön als Abenteueraufhänger.


« Letzte Änderung: 15.09.2016 | 16:40 von Issi »

Offline Greifenklause

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Aktuell sind meine Helden in einer Parallelwelt gelandet und treffen gerade auf ihre Kopien.... äh, die dortigen Originale.
Ich bin mal gespannt, wie sie sich verhalten werden.

Auch müssen sie jetzt "einen Weg zurück" suchen. Habe da einzwei Alternativen vorbereitet.
Spielt Gnomberserker und Dachgaubenzorros

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Und dann wird doch wieder gerantet. Dieser Beitrag hier nervt mich nicht, weil es ein Rant ist. Rants sind natürlich eigentlich vollkommen okay.

Ein Rant aber, der NACH einer theoretischen Beschreibung und Erklärung der Berechtigung eines dramaturgieorientierten Leitstils erfolgt. Der NACH diesem Thread hier mit meinen generellen und Crimson Kings spezifischeren Tips kommt. Der nach einer nach meinem Eindruck doch breit geteilten Zusammenfassung des Sachstands verfasst wird.

Ein Rant, der nichts davon aufnimmt und doch wieder total undifferenziert, pauschalisierend, tendentiös verzerrend und vor allem vollkommen von oben herab belehrend daherkommt. Nein, solch einen Rant braucht meines Erachtens wirklich niemand. So sehr ich Boba Fett für viele beeindruckende Qualitäten und Leistungen persönlich schätze. Da fehlt mir das Verständnis. Da gibt man sich echt Mühe und dann sowas. Leben und leben lassen.

ErikErikson

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Ja, aber im Internet gibts immer mindestens einen ,der querschiesst. Denk doch an die vielen schönen und gelassenen Antworten zu der Fragestellung.

Offline Issi

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Ein Rant, der nichts davon aufnimmt und doch wieder total undifferenziert, pauschalisierend, tendentiös verzerrend und vor allem vollkommen von oben herab belehrend daherkommt. Nein, solch einen Rant braucht meines Erachtens wirklich niemand.

Doch Einer anscheinend schon.......undzwar ganz, ganz dringend ;D

Ich finde nur schade, dass  die Beschäftigung mit Drama und Dramaturgie schon im Keim erstickt wird,  bei letzterem halt ich die Klappe, weil ich mich damit noch nicht näher beschäftigt habe. Ich schaue mir gerne Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln an, nicht nur aus einem. Und beleuchte die Dinge gerne genau, anstatt nur das zu fressen was man mir vorsetzt. Durchs immer wieder vorsetzen schmeckt es auch nicht besser.

Und wollen oder nicht. Und können oder nicht. Sind zwei verschiedene Dinge.
Wobei ich denke die meisten die Drama wollen, die können es auch, wenigstens ein Bißchen.
« Letzte Änderung: 22.09.2016 | 07:41 von Issi »

Offline Wandler

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Ich habe den Thread nur überflogen, aber da ich das Railroading Manifesto nicht verlinkt sah, möcht eich dies nachholen. Man muss nicht mit allen Punkten übereinstimmen, aber es ist in meinen Augen eine Pflichtlektüre wenn man über Railroading diskutieren möchte.

Weiters wurde das Thema auch ausgiebig im Pegasus Shadowrun 5 Forum: Railroading, Analyse und Diskussion (10 Seiten) diskutiert. Da das Thema schließlich systemunabhängig ist, möchte ich das mal querverlinken.


Offline D. Athair

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Puh ... ich such jetzt sicher nicht die ganzen älteren Themen zu Railroading und Sandbox raus. Das wurde z.B. letzten Monat ausführlich diskutiert. Inklusive dem hier.

... was noch zu sagen wäre:
1) Danke für die Links. (Nebenbei bemerkt: Der Alexandrian steht hier nicht sonderlich hoch im Kurs.)
2) Hier gehts nicht um die Bewertung von Railroading & Co. oder Gegenüberstellung sondern unter darum, unter welchen Umständen, wofür und wie man das sinnvoll einsetzen kann. Kurz gesagt: Railroading, Würfeldrehen, etc. als Technik.
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