Pen & Paper - Spielsysteme > Fate
Wie viel Beschreibung braucht ein (Fate-)Setting eurer Meinung nach?
Isegrim:
Von welchen Beschreibungen reden wir eigentlich? Auch da gibt es ja verschiedene Ebenen oder Skalierungsstufen. Für mich ist eine Beschreibung des großen Hintergrundes, der Geschichte, der Dinge, die die Welt prägen oder prägten (und sei sie nur grob) durchaus wichtig. Gar nicht, weil es für das konkrete Spiel oder Abenteuer eine Rolle spielt, sondern weil es mir hilft, mich in der Welt zurecht zu finden, oder mich in meinen Charakter rein zu finden. Nennen wir das mal Makro-Ebene.
Was anderes ist eine Beschreibung des direkten Spielumfeldes. Da reicht mir viel eher eine von Genre oder Klischee vorgegebene, aber sonst nicht weiter ausgearbeitete Vorstellung. Diese Mikro-Ebene kann dann von Spielern on the fly mitkreiert werden, Lücken können gefüllt werden, wenn sie auftauchen oder bedeutend werden.
Das klappt vielleicht nicht, wenn man wirklich das "Schicksal der Welt" mitbestimmen, die großen, weltbewegenden Helden (oder Bösewichter) spielen will, aber da das nicht mein Ding ist, kann ich beide Ebenen recht gut getrennt halten.
Bsp: Die Shadowrun-Geschichtsbeschreibung hat mir sehr geholfen, mich in dieser Welt zurecht zu finden; Erwachen, Computer-Crash, Night of Rage, aber auch die großen Konzerne oder andere Big Player bzw deren Beschreibung fand ich teilweise hilfreich, teilweise notwendig (Makro-Ebene). Eine grobe Beschreibung Seattles (oder anderer Spielstädte) ist auch nett, aber bis zur kleinsten Gang, bis zum letzten Häuserblock will ich eher nicht haben, zumindest nicht als "Vorschrift" oder letztes Wort (Mikro-Ebene).
Anderes Bsp, (für mich) nicht Rollenspiel: Die Story aus Firefly mit der Browncoat-Rebellion (Makro-Ebene) spielte für die Serie keine große Rolle. Sie wurden öfters erwähnt, aber mit dem Plot hatte sie, wie ich es mitbekommen habe, nicht viel zu tun. Für zwei Charaktere war sie aber ein zentrales Hintergrundelement, dass ihre Motivation und Lebenseinstellung prägte. Was in den gedrehten Folgen eine Rolle spielte, wie die verschiedenen Welten und "NSCs" (Mikro-Ebene), hätte ich als fest ausgearbeiteten Hintergrund nicht gebraucht, dass kann von der SL für einzelne Sessions festgelegt oder von den Spielern während des Spiel spontan mitgeprägt werden. (Im Film Serenity sieh es dann ein bissel anders aus, aber wenn ich das richtig auf dem Schirm habe, waren das auch größtenteils Elemente, die am Anfang den Zuschauern/Serienhelden nicht bekannt waren, und sich so während einer gespielten Kampagne hätte entwickeln können.)
Chruschtschow:
Das Firefly-Beispiel passt enorm gut zu Fate, weil das genau das macht, was bei Fate läuft. Und so ähnlich laufen meine Aether-Sea-Szenarios, schließlich ist das einfach Firefly mit Elfen, Trollen und Orks im Äther zwischen den Welten. Erst ein Mal in ganz groben Strichen die Welt skizzieren. Da ist die Hegemonie, die alles mit ihrer Bürokratie erdrückt. Die Zaubererunion als eine Art Großkonzern für magischen Zeug inklusive Ätherantrieb. Und die SC, die sich in den Lücken und Rissen bewegen, die solche Riesenorganisationen immer haben.Nach wenigen Sätzen ist den Leuten klar, was läuft.
Nur wenn ich am Anfang danach frage, wer Serenity bzw. Firefly kennt, dann schaue ich meistens in fragende Gesichter. Das ganze Setting läuft rund und dabei keineswegs flach, obwohl die Leute eine ganz große Inspirationsquelle gar nicht kennen. Und gleichzeitig können die sich durch die Aspekte und das spezielle Setting echt gut in der Welt verorten. Und die Welt ist jedes Mal ein bisschen anders, obwohl ich da eigentlich immer das gleiche Abenteuer nehme. Und gerade weil ich da auch mit Neulingen die Charaktererschaffung in einem 4-Stunden-Block durchführe, wissen die, wo sie stehen. Sie haben sich da zu einem guten Teil selbst hin gestellt.
Ich glaube nicht, dass ich das mit dem gleichen Freiheitsgrad hin bekomme, wenn mir das Setting mehr Vorgaben gibt. Wenn ich einen bestimmten Menschenschlag nun ein Mal in der Gegend oder auf jenem Planeten finde, wenn es einen weitläufigen Götterhimmel, detaillierte Zauberlisten und dergleichen gibt, dann ist das schlicht viel zeitaufwändiger. Viele Entscheidungen werden mit dem Hintergrund abgeglichen. "Gibt es das hier?" "Kann ich das machen?" "Kann man so etwas kaufen?" Da kann ich dezidierte Antworten haben, die in einem Hintergrundband stehen. Dann bin ich aber gerade bei Runden mit Neulingen der Informationsmonopolist und das dauert ewig.
Da schnappe ich mir lieber Fate, antworte auf (fast) jede Frage: "Klar, mach einen Aspekt / Stunt draus!" Das hat auch Auswirkungen auf das Spiel hinterher. Habe ich den Leuten erst ein Mal klar gemacht, dass die Welt ihnen gehört, spielen sie dann auch so. Und genau das will ich ja erreichen. Wenn ich weiß, dass mein Vorstellungsraum erst ein Mal das formt, was da kommt, ich also nicht den Vorstellungsraum des Spielleiters erkunden muss - und genau das formalisieren letztlich Aspekte, das Schaffen und Fakten und die Aktion zum Vorteilerschaffen - kann ich selbst als Spieler viel freier dran gehen. Jedenfalls ist das mein Eindruck aus einem Haufen Schnupperrunden. Und genau da hakt es nach meiner Erfahrung oft mit Altrollenspielern. Die sind oft noch viel stärker im Erkunden des SL-Vorstellungsraums gefangen. Außer bei ewigen Spielleitern. Die kommen auch wieder ziemlich gut als Spieler in Fate an. ;)
Und genau hier greift der detaillierte Hintergrund ja auch ein. Der stellt oft eine Informationsasymmetrie dar, die je nach Kommunikation in der Runde oft eine Menge Probleme bereiten kann. Bei den meisten Fate-Settings 1) weiß ich halt, dass wir uns da gelegentlich drauf einigen müssen, wie die Welt ausschaut, und 2) habe ich formale Werkzeuge, gestaltend in die Welt einzugreifen, was schlicht auch die Schwelle senkt. Ich stehe halt nicht als Bittsteller vor der SL, sondern haue dem einen Fatepunkt auf den Tisch. Klar, SL oder Mitspieler können sagen: "Nee, mag ich nicht. Lass das." Aber das dreht die Richtung des Vorgangs um. Nicht der Bittsteller tritt an die Gruppe für die Änderung heran. Die Änderung wird ins Spiel gebracht und die anderen können was dagegen sagen. Und damit habe ich als Standard nicht die Welt, wie sie gegeben ist, sondern die Welt, wie sie im Spiel geformt wird. Und das wiederum beißt sich nach meinem Empfinden, wenn ich dieses System mit diesen Mechanismen mit einer detailliert vorgegebenen Welt kombiniere.
Wisdom-of-Wombats:
--- Zitat von: KhornedBeef am 19.04.2017 | 13:51 ---Und mit Äpfeln und Birnen meinte ich z.B.Hat der erste Designer jetzt ungezielt geschrieben? Sind die restlichen Sätze nur Füllworte und Gestammel? Wenn ja, hast du dann nicht zwei verschieden kompetente Designer (Äpfel und Birnen) verglichen? Wenn nicht, warum ist die Information darin zwangsläufig nutzlos oder hinderlich?
--- Ende Zitat ---
Der erste Designer hat unter Umständen: ungezielt geschrieben oder hält sich an "show, don't tell" oder hat einen anderen Stil oder will lieber Autor als Designer sein oder wird nach Worten bzw. Zeichen bezahlt. Das sind eben nicht Äpfel und Birnen. Das ist letztlich eine Frage des Könnens, des Stils und des Wollens.
Infos sind dann nutzlos, wenn die Spieler coolere Ideen haben, die besser zu ihren Charakteren passen als die schöne Beschreibung, die der Autor geschrieben hat. Denn dann werfe ich die Beschreibung im Buch weg zu Gunsten der Ideen der Spieler. Infos sind dann hinderlich, wenn sie viel zu detailliert sind und ich ständig Veto einlegen muss, weil die Spieler was in der Story wollen, was dem widerspricht. Dann sind die Infos übrigens ganz schnell nutzlos. Aber zur Vorbereitung habe ich sie gelesen und somit vollkommen überspitzt gesagt: Zeit verschwendet, die ich besser für an anderer Stelle hätte verwenden können.
Wisdom-of-Wombats:
--- Zitat von: Isegrim am 19.04.2017 | 14:44 ---Von welchen Beschreibungen reden wir eigentlich? Auch da gibt es ja verschiedene Ebenen oder Skalierungsstufen. Für mich ist eine Beschreibung des großen Hintergrundes, der Geschichte, der Dinge, die die Welt prägen oder prägten (und sei sie nur grob) durchaus wichtig. Gar nicht, weil es für das konkrete Spiel oder Abenteuer eine Rolle spielt, sondern weil es mir hilft, mich in der Welt zurecht zu finden, oder mich in meinen Charakter rein zu finden. Nennen wir das mal Makro-Ebene.
Was anderes ist eine Beschreibung des direkten Spielumfeldes. Da reicht mir viel eher eine von Genre oder Klischee vorgegebene, aber sonst nicht weiter ausgearbeitete Vorstellung. Diese Mikro-Ebene kann dann von Spielern on the fly mitkreiert werden, Lücken können gefüllt werden, wenn sie auftauchen oder bedeutend werden.
--- Ende Zitat ---
Sowohl die Makro- als auch die Mikro-Ebene kann man kurz und knapp beschreiben. Klar, ich kann die Geschichte von Shadowrun jahreszahlengenau seitenlang auswalzen. Ich kann aber auch die Key-Events wie in Deinem Post genannt mit wenigen Sätzen beschreiben, um zu vermitteln was da geschehen ist.
Ich denke letztlich geht es um zwei ganz anderen Gegensätze: Rollenspiel-Designer vs Autor. Der Designer liefert kurz und knackige aufs wesentlich reduzierte Skizzen, die als Werkzeug am Spieltisch dienen können. Der Autor präsentiert ein Lesebuch, mit dem in die Welt schmökern kann, sich gefangen nehmen lassen und in den Bann der Welt ziehen. Um das Werk des Autors am Spieltisch zu erschließen, muss der SL noch den Zwischenschritt machen, das Gelesene in spieltischtaugliche Form zu destillieren. Das Werk des Designers ist am Spieltisch unmittelbar nützlich, taugt aber nicht, um in die Welt groß und tief einzutauchen, dazu ist es zu dürftig.
Parallel zu diesen beiden Beschreibungsansätzen gibt es zwei Spielansätze: Spiel passiert am Spieltisch mit den Spielern zusammen vs. Spiel passiert auch, wenn man nicht am Tisch sitzt: die Spieler lesen sich tiefer in die Welt ein, lernen Regeln, überlegen sich, wie sie ihre Charaktere weiter gestalten wollen; die Spielleitung liest sich tiefer in die Welt ein, plottet ihre Abenteuer und liest neue Monsterbücher. Shadowrun, DSA, Pathfinder bedienen diesen Stil; Fate und PbtA bedienen den anderen Stil. Klar kann man mit Fate und PbtA auch den Autorenstil bedienen. Muss man aber nicht, denn dann gibt man die Vorteile von Fate und PbtA für emergentes Spielen auf.
KhornedBeef:
--- Zitat von: Wisdom-of-Wombats am 19.04.2017 | 15:33 ---Der erste Designer hat unter Umständen: ungezielt geschrieben oder hält sich an "show, don't tell" oder hat einen anderen Stil oder will lieber Autor als Designer sein oder wird nach Worten bzw. Zeichen bezahlt. Das sind eben nicht Äpfel und Birnen. Das ist letztlich eine Frage des Könnens, des Stils und des Wollens.
--- Ende Zitat ---
Das war ja meine Frage. Wenn du 2-3 knackige Sätze eines evokativen Genies mit einer Seite Gelaber eines untalentierten Stümpers vergleichst, der beschreibt das SC nur Postbeamte sein dürfen, die nichts außer stempeln tun, dann hast du eben Äpfel und Birnen verglichen. Das bedeuet diese Redensart nunmal. Darum habe ich ja gerade danach gefragt, was dachtest du denn?
--- Zitat ---
Infos sind dann nutzlos, wenn die Spieler coolere Ideen haben, die besser zu ihren Charakteren passen als die schöne Beschreibung, die der Autor geschrieben hat. Denn dann werfe ich die Beschreibung im Buch weg zu Gunsten der Ideen der Spieler. Infos sind dann hinderlich, wenn sie viel zu detailliert sind und ich ständig Veto einlegen muss, weil die Spieler was in der Story wollen, was dem widerspricht. Dann sind die Infos übrigens ganz schnell nutzlos. Aber zur Vorbereitung habe ich sie gelesen und somit vollkommen überspitzt gesagt: Zeit verschwendet, die ich besser für an anderer Stelle hätte verwenden können.
--- Ende Zitat ---
Kurz: Infos sind hinderlich, wenn sie hinderlich sind. Wenn die Spieler völlige Freiheit wollen, alles zu verändern, ist alles hinderlich. Aber das spielt ja nicht jeder.
Und sie sind nutzlos, wenn der Autor nicht gut schreiben kann. Siehe oben. Siehe meine Ausgangsbefürchtung.
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