Pen & Paper - Spielsysteme > Fate
Wie viel Beschreibung braucht ein (Fate-)Setting eurer Meinung nach?
Wisdom-of-Wombats:
--- Zitat von: AngusMacLeod am 17.04.2017 | 20:33 ---Das sind dann aber zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze, die meiner Meinung nach nicht in Konkurrenz zueinander stehen:
* Ich nutze Fate, um ein existierendes und unter Umständen bereits detailliert beschriebenes Setting zu bespielen und nutze den Spielereinfluss eher auf lokaler Ebene (Aspekte erschaffen u.ä.) als auf globaler.
* Ich nutze Fate, um gemeinsam eine Spielidee, deren groben Rahmenbedingungen vordefiniert sind, um den bespielten Raum komplett miteinander zu gestalten.Für den ersten Punkt sind umfangreiche Weltenbescheibungen prima, für Punkt zwei reicht eine World of Adventure oder die nackte Gruppenkreativität.
--- Ende Zitat ---
Das habe ich bisher gar nicht so betrachtet. Gebe Dir recht, dass sind eigentlich zwei der häufigsten Anwendungsfälle von Fate. Beide haben auch ihren Reiz. Und ja, bei Malmsturm stand immer die Entwicklung und Beschreibung der Welt im Vordergrund. Fate war scheins nur das System, das sich am besten zur Abbildung eignete. Unter der ersten Prämisse passt der Umfang von Malmsturm. Und auch unter der ersten Prämisse kann man wunderbar spielen. Und ja, das Lesen der Settingsinfos macht auch Spaß. Nicht nur bei Malmsturm, auch bei Our World oder War of Ashes.
nobody@home:
--- Zitat von: AngusMacLeod am 17.04.2017 | 22:35 ---Naja, Settings, die z.B. aus Literatur heraus entstehen sind extrem detailliert beschrieben, bevor überhaupt ein RPG-Settingband erscheint. Dresden Files, Mittelerde, Star Wars, ... und vieles wird eben auch mit Fate bespielt.
--- Ende Zitat ---
Wenn so ein obskurer Weltraumballerstreifen namens "Star Warriors" oder so ähnlich 1977 an den Kinokassen gefloppt und Jim Butcher mit "Semiautomagic" gründlich auf die Nase gefallen wäre -- glaubst du, diese Settings hätten ihren heutigen Detailgrad jemals erreicht? Wann ggf. das Rollenspiel dazu herausgekommen ist, ist dabei erst mal gründlich Nebensache.
Mittelerde lasse ich mal ein bißchen außen vor, weil ich mir bei Tolkien ernsthaft nicht so sicher bin, ob der sein Steckenpferd nicht auch ohne kommerziellen Erfolg weitergepflegt hätte. Wenn ja, hätten zwar wahrscheinlich nur vergleichsweise wenige Leute von seiner komplexen Weltschöpfung gehört, aber in irgendwelchen Notizen würde sie sicher noch existieren -- so ähnlich wie viele andere Fantasy Heartbreaker-Settings aus dem stillen Kämmerlein anderer Leute auch eben. ;)
Chruschtschow:
Star Wars ist auch ein Musterbeispiel dafür, dass es keine lange Exposition braucht, um ein Setting zum Leben zu erwecken. Gelber Text. Tantive IV. Sternenzerstörer. *pewpewpew* Enterangriff! Mehr *pewpewpew* Die Typen mit den Westen werden von den weiß gepanzerten Typen abgeballert. Schwarzer Weltraumritter kommandiert weiß gepanzerte Typen rum, während er durch Massen an Leichen stapft. Droiden fliehen. Weiß gekleidete Dame wird gefangen genommen. Schwarzer Weltraumritter erwürgt Raumschiffkapitän und bedroht die Lady. Kurz drauf: Wüstenplanet voller Schrott und Rost. Show, don't tell. Und dir ist zu dem Zeitpunkt sowas von klar, wer hier gut und böse ist!
Und mit einer vergleichbaren Szene kann ich in anderen Settings auch starten und ähnlich weiter machen. Ich brauche keine tiefschürfenden Essays über die sozio-ökonomischen Auswirkungen des modernen Bösewichtwesens auf die orkische Stammesgesellschaft, um darauf zu reagieren, dass mir die Drei-Zentner-Muskeln-Grünhaut einen Panzerhandschuh in die Fresse zimmern will. ;) Bei unserem viktorianischen Gaslight-Urban-Fantasy-Dings, das wir gerade starten, habe ich irgendwann bei der Welt- und SC-Erschaffung gesagt: "So, die Szene könnten wir jetzt mal spielen." Das ist einfach konkreter. Greifbarer. Und Fate macht das als System sehr einfach mit. Wir haben konkrete Spielwerte erspielt und eben auch erspielen können, weil es kein großes Punktegerechne o.ä. gibt.
Nach meiner bisherigen Erfahrung kann viel Hintergrund im laufenden Spiel entstehen. Ich muss das nur meinen Mitspielern gelegentlich mitteilen und dadurch Anspielmöglichkeiten erzeugen, dass mein Parahistoriker vom Alter her durchaus im zweiten Weltkrieg im wehrfähigen Alter war und über erstaunlich gefährliches Wissen verfügt. Und erstaunlich offenherzig das auch einsetzt mit der Begründung: "Wenn Sie gesehen hätten und getan hätten, was wir damals sahen und taten!" Man darf sich dann als Spieler halt nicht zieren, in die Ecke verkriechen und sich denken: "Uiuiui. Ich habe ein Geheimnis. Aber ich verrate es keinem. Gnihihihi." Aber da muss die SL auch die Bereitschaft haben, dass sie an den Part an den jeweiligen Spieler weiter gibt, wenn sein Kollege sich ans Telefon hängt, um heraus zu finden, was der Schollenrieder denn so gemacht hat rings um die Stunde Null.
Für diese Spielart ist Fate recht gut geeignet. Fakten erschaffen, Vorteil erschaffen, die leichte Modifizierbarkeit der SC durch kleine Meilensteine nach Einführung einer neuen Information. Das klappt alles sehr gut für mich, weil ich auch auf der spielmechanischen Seite einen Widerhall habe, wenn ich mit beiden Händen in meine Story reingreife und Dinge umbaue.
Das geht für mich aber vor allem dann gut, wenn ich die Ellenbogenfreiheit habe, um da in weiten Schwüngen zu modifizieren, zu verwerfen und zu erschaffen. Klar kann man auch stärker festgelegte Settings damit spielen, so wie man mit einem Hammer auch Schrauben in Wände bekommt. Ich halte offenere Settings mit weniger Vorgaben für die Regeln, die Fate biete, geeigneter.
Wisdom-of-Wombats:
--- Zitat von: nobody@home am 18.04.2017 | 09:21 ---Mittelerde lasse ich mal ein bißchen außen vor, weil ich mir bei Tolkien ernsthaft nicht so sicher bin, ob der sein Steckenpferd nicht auch ohne kommerziellen Erfolg weitergepflegt hätte. Wenn ja, hätten zwar wahrscheinlich nur vergleichsweise wenige Leute von seiner komplexen Weltschöpfung gehört, aber in irgendwelchen Notizen würde sie sicher noch existieren -- so ähnlich wie viele andere Fantasy Heartbreaker-Settings aus dem stillen Kämmerlein anderer Leute auch eben. ;)
--- Ende Zitat ---
Ähem... Du weißt, wie Tolkien gearbeitet hat? Das meiste Material zu Mittelerde gab es bereits in mehrfach überarbeiteter Form bevor Tolkien überhaupt den Hobbit oder Herren der Ringe begonnen hat zu schreiben? Der Hobbit und der Herr der Ringe sind die einzigen Bücher, die zu seinen Lebzeiten erschienen sind. Alles andere, angefangen mit dem Silmarillion ist erst posthum durch Christopher Tolkien veröffentlicht worden. Weil der kommerzielle Erfolg da war, wurden die bereits zahlreichst vorhandenen Notizen durchgesichtet, redaktionell bearbeitet und veröffentlicht. J.R.R. Tolkien war in erster Linie Professor in Oxford, in zweiter Linie Weltenerschaffer, der sein Fach auf eine phantastische Welt angewandt hat, und erst in dritter Linie Romanschreiber. Und er hat es genau bei zwei veröffentlichten Romanen belassen. Der Rest war Fachliteratur.
--- Zitat von: Chruschtschow am 18.04.2017 | 11:06 ---Ich halte offenere Settings mit weniger Vorgaben für die Regeln, die Fate biete, geeigneter.
--- Ende Zitat ---
Super Zusammenfassung! :d
nobody@home:
--- Zitat von: Wisdom-of-Wombats am 18.04.2017 | 13:47 ---Ähem... Du weißt, wie Tolkien gearbeitet hat?
--- Ende Zitat ---
Ich hatte so was noch im Hinterkopf, wollte mich aber nicht allein freihändig auf die Erinnerung verlassen. :) Aber, ja, das Detail war definitiv da...ob die Popularität des Settings ihrerseits speziell darauf beruht, wo doch, wie du selbst sagst, zu Lebzeiten des Verfassers nur die zwei Bücher herausgekommen sind (und es wahrscheinlich immer noch reichlich Mittelerde-Fans gibt, die sich beispielsweise mit dem Silmarilion nie groß befaßt haben), ist dann wieder eine andere Sache.
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