@Archoangel:
Frage...warum sollte ich nach diesem System als Vampir noch auf Abenteuer ausziehen, wenn ich doch deutlich mehr Punkte in der "downtime" bekommen (selbst mit deiner Kostenvariante klafft da die Schere zwischen den erhaltenen Freebies und den mickrigen XP sehr deutlich auseinander).
Abenteuer werden bestenfalls mit steigendem Alter (und weniger Freebies) wieder interessant, wenn sich die Vampire (vom Fluff her) eigentlich gerade nicht in Gefahr begeben, sondern sich auf ihr Netzwerk verlassen.
Also meine "Helden" gehen mittlerweile schon seit zwei Jahrzehnten nicht mehr auf Abenteuer (außer in meinen Retro-Erinnerungs-Spielen, also quasi Oneshots): den Charakteren meiner Spielwelten begegnet das Leben. Darauf reagieren sie, oder eben nicht. Wenn sie nicht reagieren passieren i.d.R. Dinge bei denen sie sich wünschten sie hätten reagiert - die Welt dreht sich eben auch ohne sie weiter. Gefahren entstehen aus Situationen heraus, nicht weil sie in einem "Abenteuer" stehen.
Das ist einfach eine Frage des Rollenspiels. Aber gerade Vampire habe ich nie als "klassisches" Spiel erlebt oder bespielt.
Einfach mal als Beispiel einer vergangenen Runde (Venedig):
Die Kampagne begann als Menschen im (König)Reich der Litauer u das Jahr 800 herum. Ein Char - ein Nordmann, der bei der Erstürmung von Lindisfarm zu einem Namen kam - wurde von seinem Fürsten, dem König von Kiew, ausgesand um seinem Freund, dem Fürsten von Vilna zu dienen. Ein weiterer, Sölmann genannt, war ein Arab der in etwa den Hintergrund vom 13. Krieger hatte. Zur gleichen Zeit wurde im Westen ein kleines Rittergut durch Verrat von den teutonischen Rittern übernommen und die einzige Überlebende, die Tochter des Gutsherren floh und schwor bittere Rache. Auf ihrem Weg zu Freunden ins ferne Vilna musste sie mitansehen, wie abergläubische Bauern ein junges Mädchen verbrennen wollten, angeführt von einem fetten christlichen Mönch: sie ritt mit gezogenem Schwert dazwischen, befreite das Mädchen und nahm es mit. Das waren meine vier SCs - alles Menschen mit einem Grund ausgestattet nach Vilna zu kommen.
Am ersten Spielabend bekamen sie ihren (zum teil selbst gewählten) Hintergrund und wir spielten einfach nur die Reise, wobei sich zwei Zweiergruppen bildeten. Kurz vor Vilna, in den Dörfern der Umgebung trafen sich die beiden Gruppen und freundeten sich zwangsweise an, da sie von wolfsartigen untoten Monstern angegriffen wurden. Sie konnten sich in einem Wehrhof retten und erfuhren, dass seltsame Dinge im Land vorgehen. Und das die Stadt wegen einer Seuche unter Quarantäne stand. Nach einer Beratschlagung ging es dennoch in die Stadt in der ein Krieg zwischen zwei Lagern Vampiren herrschte, in den auch noch Haus Tremere vom Orden des Hermes verstrickt war.
Meiner Planung nach sollten sie sich mit den Herren der Stadt (und deren verbündeten Tremere) arangieren und ich wollte eine Großkampagne starten, die sich mit dem Entstehen des reiches von Litauen beschäftigt, geplant waren die Jahre 800-1100. Die Gruppe entschied sich dann jedoch für die Unterstützung des Angreifers (und Hauptantagonisten der kommenden 300 Jahre) und mit dieser Unterstützung konnte er sowohl die ansässigen Ventrue mit ihren Verbündeten besiegen und vernichten, sowie die Tremere vertreiben. Zur Belohnung wurden sie zu Vampiren gemacht - in diesem Falle Tzimisce der 6. Generation, den ihr Sire (eigentlich der Antagonist) war ein Kind des Dracon.
Dann kam ein kurzer Zeitsprung und ein Problem tauchte auf: die Vampire der Stadt hatten einen Pakt mit Feen geschlossen, die ihre Stadtmauern verzauberten und so unüberwindbar machten. Der Pakt musste alle 13 Jahre erneuert werden, aber es gab ja den bekannten Machtwechsel. Also hatten die Charaktere die Wahl auf ihre Mauern zu verzichten, oder sich darum zu kümmern, dass der Pakt erneuert wird ...
Nach dem Mißerfolg mit den Feen, aber neuen Möglichkeiten und Verbündeten beschlossen die Charaktere mit ihrem menschlichen Blutkult einen Umzug zu wagen: ihr Sire hatte angedeutet, dass sie Blutsverwandte in Konstantinopel hätten, also planten sie einen Umzug ... über mehrere tausend Kilometer. DAS war ein Abenteuer, aber letztlich ist es nach vielen Spielabenden gelungen mit einer deutlich geschrumpften Anhängerzahl dort anzukommen. Das Triumvirat hat sie natürlich nicht ganz mit offenen Armen begrüßt, sondern ihnen eine Bedingung zur Aufnahme gestellt, die ins nächste "Abenteuer" mündete. Sie hätten auch ablehnen (und heimatlos fortziehen) können.
Nach mehreren Abenteuern in und um Konstantinople (bzw. Alexandria, Ägypten) wurde die Anzahl der Vampire durch den Senat begrenzt, da es zu "Maskeradebrüchen" kam. Man machte ihnen das Angebot als Klientil-Familie nach venedig zu emigrieren, was nach einigem Abwägen angenommen wurde. Mit dem Segen des Triumvirates ging es also ab in die Lagune, aber leider gab es dort schon ein paar Vampire, die nicht so begeistert über ihre Ankunft waren. Sie konnten sogar noch einen Verbündeten, einen gewissen Marcus Augustus Giovanni vom Clan der Kappadozianer (was haben wir gelacht), überreden mit ihnen nach Venedig zu gehen ...
Nach einigen Erlebnissen in Venedig (bzw. Alexandria) gab es einen Machtwechsel in Konstantinopel und auch die Hagen-Ventrue wurden auf sie aufmerksam. Die einen wollten die Gruppe tot sehen, die anderen Venedig dem dt.Reich eingliedern, also mussten die Char aktiv werden, um ihr Leben zu schützen und gleichzeitig die Unabhängigkeit von Venedig sichern.
Später kam noch mehr, auch wenn es mit 40 Spielterminen à ca. 8h eine eher kurze Vampire-Kampagne war.
Wie du siehst: das sind keine klassischen Abenteuer, sondern das Leben, das eben passiert. Die Spieler konnten und hatten zu jeder zeit die freie Entscheidungsgewalt. Der Metaplot ist somit auch von "Litauen" zu "Ahnenlinie" gewechselt, also zu einer Eigenmotivation und -dynamik der Spieler, die eigenständig immer wieder "Abenteuer" angestoßen und aufgeworfen haben. Geschafft haben wir es bis zur de facto Unabhängigkeit um 1020, also gute 220 Jahre lang. Die Charaktere konnten jeder Zeit "Abenteuer" ablehen bzw. nicht angehen - und mussten dann halt mit den Konsequenzen leben, den die Welt dreht sich auch ohne Spieleraktionen weiter.
Und ja: natürlich ist es bequemer einfach nichts zu machen und seine Macht wachsen zu sehen. Aber selbst als Einsiedler in einer Höhle im Wald muss man gelegntlich mit Naturkatastophen, umherziehenden wa-auch-immer, abergläubischen Monsterjägern oder sonstwas rechnen - da kann man eigentlich auch sein eigenes Ding in einer Stadt machen und sich in die Politik werfen ... Ärger und Katastrophen gibt es immer im "Leben" eines Vampirs und Abhauen führt letztlich nur dazu, dass dein Kind einen würdigeren Träger für deine Vitae findet ... sich selbst zum Beispiel!