Stunts sind die Regelbrecher, eben so wie Fests. Das ist ja auch eine der Beschreibungen für das Bauen von Stunts im Regelwerk. Passt schon. Wo ich so gar nicht mitkomme, ist eine Ähnlichkeit zwischen BRP (das ist nur als Regelsystem von CoC kenne) und Fate bei der Anbindung an die Fiktion über den Charakter.
Einen Fate-Charakter mit seinen Aspekten verstehe ich sehr stark als Beschreibung der Figur in meinen Kopf für die anderen. Dazu benutze ich besonders prägnante Phrasen, Stichworte etc., um zu sagen: Das isser. Daraus ergibt sich unter anderem, was die weiterführenden Regeln ergeben. Beispielsweise wird ein Feuermagier unter der Fertigkeit Schießen was anderes verstehen als der Äxte werfende Barbar, bei dem beim Fernkampf wiederum ein leichter Unterschied zum Navy SEAL besteht. Schlimmmer wird es bei Methoden. Wenn der Feuermagier, der Barbar und die A.I. aus der Matrix kraftvoll eine Tür öffnen, dann hat das drei Mal wenig Ähnlichkeit. Stehen mir die Fertigkeitswerte in der Darstellung und der Anbindung im Weg habe ich in den Regeln durch Fatepunkte und Aspekte umfassende Mittel, um die Regelantwort des System an die Fiktion anzupassen, indem ich Fakten schaffe, mir einen Bonus kaufe, Fail Forward bei einem Misserfolg nehme. Das System unterliegt fest der Fiktion. Das ist das feste Mantra hinter Fate und nennt sich im Regelsystem "goldene Regel". Wenn ich die unterlaufe, spielt sich Fate holperiger.
Und bei CoC habe ich Geologie 20. Gut, CoC-Runden leben oft von der Nichtanwendung des Systems. Wie oft habe ich gehört: "Es steht dem Spiel nicht im Weg." Ich kann die Qualität eines Systems aber nun ein Mal nicht an seiner erfolgreichen Nicht-Anwendung messen. Also sitze ich da mit Geologie 20. Was hatte ich gebaut? Einen ehemaligen Artilleriemajor und Ingenieur. Sammelt Steine. Irgendwo im Niederadel verortet im Kaiserreich, aber so niedrig, dass er sein Geld tatsächlich im Militär erarbeitet hat. Und dann gibt mir das System einen Etat an Punkten und einen Eimer Fertigkeiten, die meine Figur in der Folge in einem ganz anderen Maße determiniern werden. Während die Figur in Fate beschrieben wird, also nach meinem Verständnis das Charakterblatt also eher die Figur kommuniziert, ist die Designentscheidung hier, die Figur auf dem Charakterblatt zu definieren. Und dann steht Major Ebersberg im Schwarzwald und kann nichts mit dem Gestein in dieser Abbruchkante anfangen, weil in dem Wust an Werten nur noch 20 Punkte für Geologie übrig waren. Das gleiche Gefühl, das ich von DSA, Shadowrun etc. kenne: diese grundsätzlich andere Form mit Fiktion umzugehen als Fate.
Andersherum habe ich bei Fate bislang nie ein Problem gehabt, meine Figur als das zu formulieren, was ich vor Augen hatte. Bei Fate hätte ich auf meinen Aspekt mit dem Ingenieur gezeigt, es vielleicht noch ein bisschen erläutert. Fatepunkt raus, wenn's ausreichend wichtig ist. Und schon sind sich Fiktion und Regeln einig. Bei CoC musste an der Stelle mit der Hand gewedelt werden.
Und so empfinde ich den ganzen Ansatz zwischen Fiktion und System. Mich halt Rumpels These mit einem wirklich dicken "WTF?!?!??" zurückgelassen. Auf der anderen Seite ist Fate für mich ganz nahe an meinem Empfinden von "ursprünglichem" Rollenspiel, wie ich es in den späten 80ern und frühen 90ern erlebt habe, an "Macht es, wie es euch in den Kram / die Story / was auch immer passt" (Plural, weil es für alle am Tisch gilt), nur dass ich dieses Mal Regeln bekomme, die dabei helfen.
Entsprechend stimme ich auch weiterhin Rumpel nur eingeschränkt zu, wenn er die freiere Charaktergestaltung bei BRP dadurch sieht, dass es keine Klassen und Stufen hat. Seine Herangehensweise (CoC / BRP, nicht Rumpel) folgt recht stark einem Vollständigkeitsanspruch und ist stark festlegend. BRP sagt: "Die Regeln sagen, wer du bist." D&D sagt: "Da sind reichlich freie Stellen. Fülle oder sie oder lass es bleiben. Wir kümmern uns nur um den Dungeonkram." Fate sagt: "Denk dir eine Figur und dann sage durch die Regeln den anderen, wer das ist." Da sind mir D&D durch die Freistellen und Fate durch die Möglichkeit, diese klassisch freien Stellen mit Regelmacht zu versehen, viel näher zusammen.
Von daher:
Fate = Lego
D&D = Playmobil
CoC = Zinnfiguren ohne jedes bewegliches Teil, für das ich noch nicht mal die richtigen Farben zum Bemalen hatte (außer man ignoriert die Regeln, aber da landet man bei jedem System bei Calvinball)
(Übrigens finde ich CoC als Regelsystem Kacke. Das mag meine Betrachtung ein wenig einfärben
)