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Lesebegleitthread Midgard 5: Der Kodex
felixs:
Ja, das stimmt. Midgard ist, was die Spielfigurenklassen und deren Beschreibung angeht, sehr traditionell angelegt. Das ist teilweise irritierend und hätte vielleicht irgendwann mal überholt werden sollen. Der Grund dafür, dass das nicht passiert, ist zweifellos der sehr konservative innere Kreis der Spieler mit großem Einfluss auf die Frankes. Das ist aber, m. E. nach, auch ok so. Ist ja schließlich deren Spiel.
In der Praxis kann man das alles ganz gut ignorieren, bzw. die Teile streichen, die einem nicht passen. Aber es steht da erstmal so, ja.
Für alle, die eine Vorstellung davon haben, wie Rollenspiel funktioniert, eignet Midgard sich gut als Baukasten. Für Einsteiger ist der Kodex vielleicht nicht so toll.
Man sollte aber nicht aus dem Auge verlieren, dass es auch explizit an Midgard-Einsteiger gerichtete Publikationen gibt. Und die führen, finde ich, sehr schön ins Rollenspiel ein und sind auch alles andere als pedantisch oder regelrechthaberisch.
Was die Balance angeht, habe ich ehrlich gesagt keine Ahnung, weil es mich nicht interessiert. Da das Thema im Midgard-Forum recht häufig auftaucht und auch in den Büchern gelegentlich anklingt, nehme ich aber an, dass Midgard vom Autor aus wert auf die Balance zwischen den Spielfigurenklassen legt. Ob das erfolgreich ist, weiß ich nicht.
--- Zitat von: Rumpel am 7.01.2018 | 11:59 ---schließlich wird ja explizit erwähnt, dass Midgard für das Spiel in allen möglichen Welten geeignet sei.
--- Ende Zitat ---
Und das ist natürlich, wie immer bei solchen Sätzen, auch hier nur teilweise wahr.
Midgard eignet sich sicherlich, um Midgard-ähnliche Welten zu bespielen. Aventurien, Lorakis, die Alte Welt, die Vergessenen Reiche sollten kein Problem sein. Mittelerde würde ich damit aber ebenso wenig bespielen wollen wie Earthdawn, Numenera oder Wolsung.
Ich denke aber, dass Midgard dieses Problem mit (fast?) allen anderen entsprechenden Regelwerken teilt. Runequest nach BRP kennst Du doch gut - behauptet (behauptete?) ja auch immer, dass man damit alles mögliche spielen könne. Mir fällt aber nichts ein, was ich mit Runequest nach BRP spielen wollen würde, ohne das stark umzuarbeiten. Die Magie ist z.B. viel zu speziell.
Eleazar:
Ich finde die Ableitung von Boni über Formeln gut, gerade auch beim Schadensbonus usw. Dass sich alles in der Mitte trifft sehe ich nicht. Wenn schon bei 66%, da man die Basiseigenschaften ja zweimal würfelt. Also insgesamt zieht man die Werte der Figur eher etwas hoch. Vielleicht nicht immer überall, aber in der Mehrheit der Fälle. Richtig gut daran finde ich, dass man mit der gleichen Formel im Prinzip auch die Boni für übermenschliche Werte von Monstern oder Nichtmenschen ausrechnen kann. Da macht Midgard nur nicht genug draus. Hätte doch was, wenn Trolle eine Stärke bis 150 haben könnten.
Die Unterteilung von Gw und Ge ist ja erst verhältnismäßig spät gekommen. Der Sinn ist meiner Meinung nach, dass an einem einzigen Wert zu viel Wichtiges gehangen hat: Schadensbonus, Abwehrbonus und Angriffsbonus. Und jetzt käme auch noch der Bonus für Fertigkeiten der Leiteigenschaft dazu. Da wäre eine 10 oder 100 in Ge überhaupt nicht vergleichbar gewesen mit einem extremen Ergebnis in einer anderen Basiseigenschaft.
Dass Midgard extrem gut gerechnet und ausbalanciert ist, davon würde ich ausgehen. Das ist nämlich Jürgen Frankes Beruf: https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Franke_(Mathematiker)
Die Einschränkung bei der Abenteurertypwahl halte ich für reinen Fluff. Sobald man nicht auf Midgard spielt, kann es kulturell anders laufen.
Achamanian:
--- Zitat von: felixs am 7.01.2018 | 12:23 ---Midgard eignet sich sicherlich, um Midgard-ähnliche Welten zu bespielen. Aventurien, Lorakis, die Alte Welt, die Vergessenen Reiche sollten kein Problem sein. Mittelerde würde ich damit aber ebenso wenig bespielen wollen wie Earthdawn, Numenera oder Wolsung.
Ich denke aber, dass Midgard dieses Problem mit (fast?) allen anderen entsprechenden Regelwerken teilt. Runequest nach BRP kennst Du doch gut - behauptet (behauptete?) ja auch immer, dass man damit alles mögliche spielen könne. Mir fällt aber nichts ein, was ich mit Runequest nach BRP spielen wollen würde, ohne das stark umzuarbeiten. Die Magie ist z.B. viel zu speziell.
--- Ende Zitat ---
Ich meinte die Nicht-Universalität des Systems auch gar nicht so sehr als Kritik; mir ging es mehr darum, dass es komisch ist, einerseits in der Einleitung darauf hinzuweisen, dass Midgard auch für das Spiel auf anderen Fantasy-Welten geeignet ist, und dann andererseits bei Klasseneinschränkungen für Nichtmenschen nicht kurz darauf hinzuweisen, dass diese (so meine Vermutung) reiner Fluff sind und sich damit nur auf die Spielwelt Midgard, nicht aber auf das System beziehen. Ähnliches müsste natürlich strenggenommen auch für den Abschnitt zu Glaube und Religion gelten, aber da ist ja offensichtlich, dass es sich um für die Welt Midgard spezifische Vorgaben handelt.
--- Zitat von: Eleazar am 7.01.2018 | 14:35 ---Ich finde die Ableitung von Boni über Formeln gut, gerade auch beim Schadensbonus usw. Dass sich alles in der Mitte trifft sehe ich nicht. Wenn schon bei 66%, da man die Basiseigenschaften ja zweimal würfelt.
--- Ende Zitat ---
Ich meinte nicht, dass sich die Eigenschaften tendenziell in der Mitte treffen, sondern z.B. ein Bonus wie der Schadensbonus. Würde der sich nur von der Stärke herleiten, wäre die Wahrscheinlichkeit größer, auch mal an den Extremen Enden der Bonus-Skala zu landen, weil die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass ein SC einen besonders hohen oder niedrigen Stärkewert hat, als dass sowohl sein Stärke- als auch sein Geschicklichkeitswert besonders hoch sind.
Betrifft aber bei näherem Hinsehen eigentlich nur den Schadensbonus und ist auch dort m.E. nicht so tragisch - und wird andererseits durch den erwähnten Vorteil ausgeglichen, dass auch Kämpfer mit geringen Stärkewerten nicht zwangsläufig in die Röhre schauen, wenn es ums Schaden Austeilen geht.
Insgesamt kommt mir, was ich bisher gelesen habe, übrigens doch recht Einsteigerfreundlich rüber. Wenn man das ordentlich und geduldig der Reihe nach liest, wird man durch die Erschaffung schon mal sehr verständlich durch geführt. Die Formeln wären allerdings für mich früher abschreckend gewesen.
Was mir im Zuge der Einsteigerfreundlichkeit auch gefällt, ist, dass man (wie ich höre) relativ flexibel in der Ausgestaltung der Figur ist, aber offenbar trotzdem nur eine einzige wirklich relevante Wahl bei der Erschaffung treffen muss, nämlich die des Abenteurertyps. Die Spezies ist auf Regelebene offenbar doch von eher untergeordneter Bedeutung, und als Mensch muss man sich gar nicht mit ihr auseinandersetzen. Das ist schon sehr viel überschaubarer als Baukastensysteme, bei denen Spezies, Kultur, Beruf und Stand alle einzeln wählbare Elemente mit deutlichem Einfluss auf die Charakterwerte sind.
Achamanian:
Weiter zu den Spielmechaniken:
Der Probenmechanismus ist so vertraut wie gut und klar dargelegt. Prüfwürfe hätten vielleicht nicht sein müssen, wenn man die Eigenschaften auf die 20er-Skala gebracht hätte (bei den Regeln für Eigenschafts-Wettstreite wird's ja vorexerziert), aber was soll's, groß stören tun sie auch nicht.
Was ich gar nicht mag, sind Kraftakte und Geistesblitze. Bei ersteren würde ich eher einen stark erschwerten Prüfwurf (+50 oder +60) fordern, damit klar ist, dass jemand mit geringer bis durchschnittlicher Stärke erst gar keine Chance hat, ein echter Kraftprotz dafür aber durchaus eine reelle. Die Variante "Das Hemdchen hat 2% Chance, das Gatter zu heben, der muskelbepackte Barbar 9%", leuchtet mir irgendwie nicht ein. Und der Geistesblitz klingt nach Frust. "So es geht also absolut nicht weiter, jetzt kriegt ihr noch mal eine Mini-Chance, dass es doch weitergeht, sonst ... geht es absolut nicht weiter, höhö!" Als Gumshoe-Spieler kann ich das natürlich nicht gutheißen.
Ansonsten muss ich teilweise schon ganz schön schlucken, wie Old School die Ausführungen zum Thema verdeckt Würfeln sind. Der Grundton ist schon ein extremes Misstrauen gegen die Spieler bzw. mindestens die Annahme, dass diese nicht und niemals zwischen Spieler- und Charakterwissen trennen können (oder, wohlwollender ausgelegt, dass ihnen die Immersion so wichtig ist, dass sie nichts wissen wollen, was ihr SC nicht weiß). Dazu kommt, dass bei den Ausführungen zu bestimmten Wahrnehmungs- und sozialen Proben nicht nur vorgeschlagen wird, dass man sie auch verdeckt machen kann, sondern vorgeschrieben, dass man sie in jedem Fall verdeckt durchzuführen hat. Klar weiß jeder Rollenspieler, dass man so was nach eigener Facon handhabt, aber für Einsteiger dürfte das schon nach einer harten Regel aussehen, die am Spieltisch dann ziemlich unschöne Konsequenzen haben kann. Komisch, dass man hier so starr in der Denke geblieben ist, während beispielsweise beim Thema Stand pragmatische Lockerheit herrscht.
An der Brauchbarkeit der Regeln ändert das für mich nicht; allerdings lese ich ja auch immer mit Hinblick auf die Empfehlbarkeit für Einsteiger, da hat der Kodex gerade ein paar Punkte verloren ...
felixs:
Deinen Punkten würde ich voll zustimmen.
Wenn man all diese Dinge nach Buch spielen würde, käme ein Spiel heraus, dass ich nicht unbedingt so haben müsste.
Und Midgard schleppt halt erkennbar noch diesen Old-School-Ballast mit sich herum. Ich finde das nicht schlimm, da ich erkenn, was ich haben möchte und was nicht. Und meist bin ich dankbar dafür, wenn Regeln angeboten werden, auch wenn ich sie nicht brauche. Weglassen geht ja (fast) immer.
--- Zitat von: Rumpel am 8.01.2018 | 09:39 ---An der Brauchbarkeit der Regeln ändert das für mich nicht; allerdings lese ich ja auch immer mit Hinblick auf die Empfehlbarkeit für Einsteiger, da hat der Kodex gerade ein paar Punkte verloren ...
--- Ende Zitat ---
Warum eigentlich der Fokus auf Einsteiger? Interessiert mich.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Gibt doch eh gar keine Null-Einsteiger (mehr)...
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