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Kampfsysteme - Glücksspiel oder Taktik?
Berta Broken:
--- Zitat von: YY am 6.10.2018 | 08:04 ---Wieso sollte es nicht?
Solange die genannten Rahmenbedingungen und Einflüsse ihre Wirkung zeigen, ist doch egal, wie komplex der "eigentliche" Kampf ist.
Taktisches Klein-Klein im Sinne von relativ stumpfer Fleißarbeit liegt mir auch nicht. Fein verregelt keine groben Fehler zu machen, ohne echte Entscheidungen zu treffen, finde ich meist langweilig.
Damit darf man mich gerne in Ruhe lassen und das alles an geeigneter Stelle grob gehäckselt in die Spielmechanik pressen.
[...]
Echte Entscheidungen müssen Eingang finden, den Rest können wir gerne flott runterwürfeln.
Deswegen störe ich mich auch daran, wenn komplexe Systeme mit dieser Art Fleißarbeit als besonders "taktisch" bezeichnet werden. Unterm Strich haben die nur mehr überflüssige Möglichkeiten, Fehler zu machen bzw. als Spieler an Stellen suboptimal zu handeln, die eigentlich Sache des Charakters bzw. der Charakterwerte sind. Es geht dann auch kein bisschen taktische Relevanz verloren, wenn ich diesen Krempel auf niedrigerem Detailgrad irgendwo in den Ritzen der Spielmechanik verschwinden lasse.
[...]
--- Ende Zitat ---
Ich denke jetzt schon eine ganze Weile drüber nach, ob ich dich entweder falsch verstanden habe, oder woran es liegt, dass mir kein triviales Beispiel für ein Nicht-Komplexes Kampfsystem einfällt, welches strategische Rahmenentscheidungen so stark gewichtet, wie mir das lieb wäre.
Vielleicht liegt es auch daran (und das halte ich aktuell für am wahrscheinlichsten), dass so ein System garnicht allzu trivial ist, also von der Idee her. Hast du vielleicht ein System, das sowas beispielsweise hinkriegt? Oder "Pseudo-Spielmechanik", die deine Herangehensweise an so ein System skizzieren kann? Ich wäre sehr neugierig!
YY:
--- Zitat von: Berta Broken am 8.10.2018 | 16:08 ---woran es liegt, dass mir kein triviales Beispiel für ein Nicht-Komplexes Kampfsystem einfällt, welches strategische Rahmenentscheidungen so stark gewichtet, wie mir das lieb wäre.
--- Ende Zitat ---
Das hängt auch davon ab, welche strategischen Entscheidungen das genau sind.
In deiner Aufzählung sind da am Ehesten Charakterkonstellation und verfügbare "taktische" Manöver problematisch, weil man da ganz schnell bei starken Kampfrollen/-nischen sowie Talenten, Sonderfertigkeiten u.Ä. landet, was dann natürlich auch im eigentlichen Kampfverlauf spielmechanisch detailliert zur Geltung kommen muss.
Zum Rest:
--- Zitat von: Berta Broken am 8.10.2018 | 16:08 ---Vielleicht liegt es auch daran (und das halte ich aktuell für am wahrscheinlichsten), dass so ein System garnicht allzu trivial ist, also von der Idee her. Hast du vielleicht ein System, das sowas beispielsweise hinkriegt? Oder "Pseudo-Spielmechanik", die deine Herangehensweise an so ein System skizzieren kann?
--- Ende Zitat ---
Millennium's End und MongoTraveller 2nd können das ganz gut, aahaaaber hauptsächlich, indem sie viel von der strategischen Arbeitslast (sprich die Beurteilung hinsichtlich der Effektivität und Auswirkungen) und auch einiges in Sachen Taktik kurzerhand beim SL abladen*.
Millennium's End macht sich da aber sehr viel Mühe, einem wenig bewanderten SL sauber zu erklären, was warum wichtig ist - deswegen erwähne ich den ollen Schinken in diesem Kontext sehr gerne, obwohl das Prinzip sich mit jedem relativ einfachen System umsetzen lässt.
Die Idee/das Prinzip ist tatsächlich trivial, aber für den einzelnen SL, der das so machen will, ist es trotzdem Lern- und Einarbeitungsaufwand. Und da reicht einem eben höchstens der Fluff eine helfende Hand, aber von Spielmechanik unterstützt wird man da so gut wie nicht - also jenseits von guten Beispielen und Hinweisen, wie man passende Modifikatoren gestalten kann.
In verwandter Weise gilt das auch für die Spielerseite. Da muss man schon mit dem SL weitgehend auf einer Linie sein.
*Beide haben z.B. keine Spielmechanik für Deckungsfeuer und ME erklärt auch ganz explizit, warum das völlig in SL-Hand gelegt wird (Traveller folgt den gleichen Gedanken, spricht die aber nicht so klar aus).
Obendrauf hat ME gar keine durchgehende Initiative, sondern funktioniert relativ freiformig (!) und Ini gewürfelt wird nur an den Stellen, wo es wirklich um Sekundenbruchteile geht - dafür ist der Ini-Wurf dann aber wieder ziemlich durchdacht und kein stumpfer Vergleichswurf von Reaktion o.Ä.
Das alles braucht eben wie gesagt ein bisschen Sachkunde, ähnliche Vorstellungen von taktischen Sachverhalten auf beiden Seiten des SL-Schirms und das daraus resultierende Vertrauensverhältnis - ist also bei Licht betrachtet keine Leistung des Systems über (im Falle von ME) das Ansprechen und die Lernhilfe hinaus.
Ein bisschen exotisch bzw. eine gewisse Hybridform wäre Corporation. Das hat zwar strategisch diverse Sonderfertigkeiten u.Ä., die aber a) weder inhaltlich noch in ihrer Anzahl so ausufern wie in anderen Systemen und b) entweder direkt eingerechnet werden oder so stark nach Einsatzgebiet getrennt sind, dass man den Überblick nicht verliert.
Taktisch gibt es eine sehr übersichtliche Anzahl an "Manövern" oder vielmehr eine kleine Handvoll an Grundmechanismen, die quasi wie teils verbundene Schieberegler funktionieren und so mit einer einzigen Regel eine große Bandbreite an taktischem Verhalten abdecken.
Z.B. kann man frei wählbar bis zur Attributshöhe des Reaktionsattributes sich und dem Gegner einen Angriffsmalus verpassen und bei Verzicht auf den eigenen Angriff bis zur Attributshöhe +2.
Ähnlich funktioniert es bei gezielten Angriffen, die einen Angriffsmalus bis zur Höhe der eigenen Fertigkeit 1:1 in zusätzlichen Schaden verwandeln - schnell erklärt, leicht verständlich und immer wieder eine relevante Entscheidung, die meist keine offensichtlich beste Lösung hat.
Immer noch zu abstrakt?
Dann brauche ich ein paar lenkende Fragen... :)
ChristmasFrog:
--- Zitat von: ArneBab am 6.10.2018 | 13:03 ---Guter Punkt. Und gib Möglichkeiten, den Kampf ohne (weiteren) Schaden zu beenden: Aufgeben, Fliehen, Um Gnade Flehen, Verhandeln, … am Besten deutlich früher als tödliches.
--- Ende Zitat ---
Damit ist meine Erfahrung: Sobald man ein System mit HP ohne Todesspirale bzw. ohne langfristige Konsequenzen durch Schaden hat wird gekämpft bis knapp vor 0 HP, und selbst einige Verbündete die temporär außer Gefecht sind, gelten noch als akzeptabel um weiterzumachen.
Das betrifft die Spieler, die meistens irgendeine Heilungs-Option haben, genauso wie den Spielleiter, dessen Gegner/Monster sich meistens (freiwillig oder unfreiwillig) in einer "da dringt jemand in unser Habitat ein und wir kämpfen bis zum Tod"-Situation befinden, insbesondere weil die Spieler meistens keinen guten Grund haben sie am Leben zu lassen.
Kämpfe, die z.B. bei 50% HP für eine Partei in Flucht oder Gefangennahme enden, hatte ich eher selten. Auch bei der oben erwähnten Todesspirale + Konsequenzen wird aus Erfahrung eher weitergemacht solange es geht, als sich zurückzuziehen, falls die Spieler eine annähernd ausgeglichene Chance wittern noch zu gewinnen. Falls die Opposition deutlich mächtiger ist, kommt Flucht, etc. eher vor.
nobody@home:
--- Zitat von: ChristmasFrog am 8.10.2018 | 19:22 ---Damit ist meine Erfahrung: Sobald man ein System mit HP ohne Todesspirale bzw. ohne langfristige Konsequenzen durch Schaden hat wird gekämpft bis knapp vor 0 HP, und selbst einige Verbündete die temporär außer Gefecht sind, gelten noch als akzeptabel um weiterzumachen.
Das betrifft die Spieler, die meistens irgendeine Heilungs-Option haben, genauso wie den Spielleiter, dessen Gegner/Monster sich meistens (freiwillig oder unfreiwillig) in einer "da dringt jemand in unser Habitat ein und wir kämpfen bis zum Tod"-Situation befinden, insbesondere weil die Spieler meistens keinen guten Grund haben sie am Leben zu lassen.
Kämpfe, die z.B. bei 50% HP für eine Partei in Flucht oder Gefangennahme enden, hatte ich eher selten. Auch bei der oben erwähnten Todesspirale + Konsequenzen wird aus Erfahrung eher weitergemacht solange es geht, als sich zurückzuziehen, falls die Spieler eine annähernd ausgeglichene Chance wittern noch zu gewinnen. Falls die Opposition deutlich mächtiger ist, kommt Flucht, etc. eher vor.
--- Ende Zitat ---
Das mag mit daran liegen, daß sich der Preis für Aufgeben/Flucht/Gefangennahme/wasauchimmer in der Wahrnehmung der meisten Spieler erst mal gar nicht wirklich so sehr von dem für Tod-durch-auf-Sieg-setzen unterscheidet. Verloren hat man dann schließlich so oder so, und ob die Spieler im Eifer des Gefechts so sehr speziell am nackten Überleben ihrer Spielweltavatare hängen, daß sie für eine möglicherweise ohnehin trügerische Aussicht darauf eine auch noch so theoretische letzte Chance sausen lassen, statt dessen doch noch irgendwie zu gewinnen, ist alles andere als sicher -- irgendwo mögen da im Hinterkopf ja durchaus noch Vorstellungen wie "ist ja eh nur ein Spiel" oder am Ende gar "die SL traut sich ja doch nicht" herumspuken, die die Charaktere selber aus Mangel an Kenntnis darüber, daß sie eigentlich "nur" Spielfiguren sind, zwangsläufig so gar nicht erst hätten.
Anders sieht's gegebenenfalls bei Systemen aus, die einen rechtzeitigen Rückzug aktiv zusätzlich belohnen, weil sich dadurch Kosten und Nutzen der jeweiligen Entscheidung tatsächlich fühlbar verändern können. Davon gibt's nur meines Wissens nicht so besonders viele; das einzige, das mir spontan einfällt und diesen Ansatz ausdrücklich aktiv verfolgt, ist Fate, aber vielleicht übersehe ich da ein noch paar Zwischentöne...
ChristmasFrog:
--- Zitat von: nobody@home am 8.10.2018 | 20:08 ---Anders sieht's gegebenenfalls bei Systemen aus, die einen rechtzeitigen Rückzug aktiv zusätzlich belohnen, ...
--- Ende Zitat ---
Stimmt, da gibt es auch noch so ein paar. (New?) World of Darkness macht das auch relativ interessant, da wird (grob aus der Erinnerung) es so gehandhabt:
1) Du hast Skrupel, andere Leute zu töten und musst Ressourcen (Willenskraft) bezahlen, um kampfunfähige zu Verletzen, wenn das nicht dein eigentliches Ziel ist
2) Du bekommst Zustände (Angst, Wut, was auch immer), für das Ausspielen derselben und Auflösen bekommst du Erfahrungspunkte. Hier wäre es also auch möglich, dass man ab einem gewissen Grad an Verletzung solche Zustände bekommt und z.B. wieder Ressourcen aufwenden muss, um weiterzukämpfen anstatt sein eigenes Leben zu retten.
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