Autor Thema: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?  (Gelesen 5464 mal)

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Offline Crimson King

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #25 am: 22.07.2019 | 13:33 »
Zumindest von mir kann ich das behaupten, ja. Wenn die Tickleiste oder eine taktische Battlemap (nicht nur, wie du weiter oben als Beispiel sagtest, zur Veranschaulichung) auf dem Tisch liegt, bin ich gedanklich in einem taktischeren, brettspielartigerem Modus.

Tatsächlich geht mir das mit der Gridmap so. Eine Battlemap zur Visualisierung des Geschehens finde ich oft hilfreich, und man hat auch einen deutlich besseren Abgleich zwischen den individuellen Vorstellungsräumen. Die Diskretisierung der Umgebung, die durch Gridmaps durchgeführt wird, übertrage ich aber immer auf andere Aspekte des Spiels.

Für das cinematische, deskriptive Spiel, das ich bevorzuge, brauche ich aber keine Karten.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #26 am: 22.07.2019 | 13:46 »
Dazu kommt mMn noch, daß das Medium Rollenspiel im Gegensatz zu diversen anderen normalerweise keine "Kameraführung" irgendeiner Art auch immer vorsieht, die gezielt die dramatisch interessanten Momente und Entwicklungen im Kampf hervorhebt (oder das zumindest versucht) und den Rest, mit dem das Publikum nicht unnötig gelangweilt werden soll, mehr oder weniger gekonnt ausblendet oder maximal kurz zusammenfaßt.

Jo, wollt ich auch grad noch nachtragen: so eine Ausschmückung macht mehr Spaß, wenn die zugehörige Aktion auch eine sicht- und spürbare Konsequenz im Spiel hat. Das läuft im Prinzip aufs Gleiche raus wie dein Highlight-Gedanke: wenn ich in meinem Zug einem Gegner 7% seiner Lebenspunkte abfeile oder routinemäßig einen von hundert Orks töte, und das immer und immer und immer wieder, dann ist das doch inhärent langweilig und wird durch blumige Beschreibungen nicht spannender, nur noch langatmiger.

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Offline JS

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #27 am: 22.07.2019 | 14:06 »
Es ging mir bei dem Thema auch, aber doch eher weniger um die altbekannten, vielerlebten Ausschmückungen im Kampf, die ich als eine billigere Form der Spielerphantasie erachte.
Mich interessiert stärker im Kleinen ("Straßenflirt") wie im Großen ("Universitätsgründung") die Charakterlebendigkeit außerhalb desselben, um das gängige Schaufensterpuppenverhalten zu analysieren und ggf. zu vermeiden.

Eine Erfahrung, die ich systemunabhängig gemacht habe, ist, daß ich Lebendigkeit als SL vor"leite" und das auch stellvertretend für die Chars mache, wenn von den Spielern wenig oder nichts dergleichen kommt. Und obwohl ich das aktiv fördere, selbst tue oder auch mal gezielt die Spieler danach frage und sie in diese Richtung ziehe, schlägt sich das bei ihnen i.d.R. nicht permanent nieder. Ich muß also davon ausgehen, daß entweder das Interesse für solche Details fehlt oder die Fähigkeit dazu - rundenübergreifend, weil ich es auf Cons auch ähnlich erlebte.

Interessanter wird es noch, wenn ich dann bei denselben Spielern je nach Setting mal mehr, mal weniger, mal gar keine Lebendigkeit feststelle. Spieler, die z.B. bei D&D bunter agieren, bleiben z.B. bei Shadowrun grau, obwohl ihnen angeblich beides Spaß mache. Daraus schließe ich dann selbstredend, daß das Immersionsvermögen und der Immersionswille bei einem Setting stark zur Bereitschaft und Fähigkeit beitragen, dem Charakter mehr Leben jenseits des Plots einzuhauchen.

Diesen Gegensatz hatten wir nie systemgebunden, sondern immer settinggebunden, wobei ich hinzufügen möchte, daß die Spieler ihren Grundtendenzen bei Kurzphrasigkeit und Schaufensterverhalten trotzdem weitgehend treu blieben.
« Letzte Änderung: 22.07.2019 | 14:11 von JS »
Wer gern sagt, was er denkt, sollte vorher etwas gedacht haben.

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #28 am: 22.07.2019 | 14:39 »
Es ging mir bei dem Thema auch, aber doch eher weniger um die altbekannten, vielerlebten Ausschmückungen im Kampf, die ich als eine billigere Form der Spielerphantasie erachte.
Mich interessiert stärker im Kleinen ("Straßenflirt") wie im Großen ("Universitätsgründung") die Charakterlebendigkeit außerhalb desselben, um das gängige Schaufensterpuppenverhalten zu analysieren und ggf. zu vermeiden.

Hm. Mir geht gerade so ein bißchen die Frage durch den Kopf, inwieweit da eventuell eine Vorprägung durch "Standardabenteuer" (sei's nun am Tisch oder als anderweitige "Rollenspielerfahrung" am Computer) mit hineinspielen mag. Will sagen: wenn ich weiß, daß mein Charakter hauptsächlich oder gar "nur" präsent ist, um als Teil der Gruppe ein oder mehrere vorgefertigte Module abzuarbeiten, dann bringe ich mich unter Umständen schon allein deswegen weniger ein, als wenn unsere Interessen die Kampagne tatsächlich mal aktiv mitformen und vorantreiben können -- mein genauer Charakter mit Persönlichkeit und allem ist im ersteren Fall ja wirklich entsprechend weniger wichtig als im zweiten. :think:

Offline 1of3

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #29 am: 22.07.2019 | 16:09 »
Ich denke wir müssen noch mal unterscheiden zwischen "poetischem Ausspielen" und Spielen Verfickt Noch Mal. Daran muss nichts ausladend noch poetisch sein. Der Knackpunkt ist, entweder andere anzuspielen oder das, was andere produziert haben, aufzunehmen. Zu beschreiben, wie du den Goblin haust, ist wahrscheinlich kack egal. Das interessiert niemanden. Es sei denn, ihr habt schon vorher darüber gesprochen, wie man Goblins am besten haut.

Beispiel aus einer D&D-Runde.
Man versucht Spuren zu finden. Spielerin passt nicht auf. Verkündet ein Ergebnis deutlich unter der angesagten Schwierigkeit: "Hab ich auch was gefunden?"
Ich trocken: "Nen Pilz vielleicht."
Sie deutet an den Pilz hochzuhalten: "Oh, ein Pilz."
Ich (nach kurzer Überraschung): "Ah, Pilze. Sind immer nützlich. Darf ich den haben?"
Sie gibt mir den Pilz.

Ein paar Szenen später: Kampf gegen einen Magier.
Ich: Ich werf ihm nen Pilz an' Kopf. *deutet einen Wurf an* Dispel Magic.
*allgemeine Erheiterung*

Es gilt halt wie überall der Chekov: Wenn du in Akt 2 die Kanone zeigst, musst du in Akt 4 damit schießen. Wenn du in Akt 4 schießen willst, musst du die Kanone vorher zeigen.

Insofern ja, System hat damit definitiv was zu tun. Ich spiel schon deshalb bei D&D ungern Kämpfer, weil sich so Pilz-Aktionen damit schwer machen lassen; weil offenbar spielweltgestaltende Aussagen seitens eines Kämpfers zu wenig Credibility haben. Da bleibt dann nur nichtssagendes Tavernenspiel.

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #30 am: 22.07.2019 | 16:13 »
Was den Kampf und ähnliche Vorgänge  angeht, kann man das mit der Spielerphantasy gar nicht direkt beurteilen, sondern maximal, was derjenige dann beschließt die anderen mit einer mehr oder weniger gelungenen Beschreibung der Szene zu beglücken, welche er  - wie wohl jeder andere auch - angesichts der Zahlen auf dem Tisch da im Kopf hat.
Und da iste s eben eien Abwägung zwischen anzunehmender Begeisterung der Mitspieler (insbesondere beim xten Fall) und der dafür aufgewendeten Extrazeit für die Beschreibung udn ggf. dadurch erst auftauchende Irritationen - sei es weil die Beschriebung die Vorstellung von jemanden anderen verletzt oder irgendjemand (der Erzähler eingeschlossen) da Extrarelevanz aus der Beschreibung zieht und angewendet wissen will.

Benötigt wird halt, was tatsächlich solche Relevanz wieder haben soll und damit den anderen auch explizit bewußt sein muss - der Rest ist dann eine Abwägung des Preises an Spielzeit und Mitspielernerven vs. der tatsächlichen künstlerischen Bereicherung.

Was die Proaktivität im "Freiraum" angeht hängt das denke ich an folgenden Elementen:

Unsicherheit, "was geht tatsächlich", wobei das meines Erachtens bei verregelten und beherrschten Systemen reduziert wird, bis zur Beherrschung ohne Unterstützung bzw. hartem Spielleiter noch darüber hinaus dann zusätzlich hemmt.
Ein regelbiegender oder akut fies auslegender Spielleiter schafft es diese Schockstarre auch dauerhaft zu halten, da sich nie eine feste Basis etabliert.

Wo es in den informellen Bereich des Handelns reingeht, ist es dann wiederum die Unwissenheit, was denn überhaupt Sache ist, welche viele Leute vom Agieren abhält, wieder verstärkt durch Spielleiter, welche dem Spieler daraus dann einen Strick drehen - statt ihn nur auf ein Risiko oder eine Fehlanahme hinzuweisen.

Und dann gibt es noch die anerzogenen Fälle, wo "böses passiert (TM)" halt die Reaktion der Welt ist, wenn man sich vom vorgesehenen Plot und der Ideallösung entfernt.
 
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Offline Vasant

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #31 am: 22.07.2019 | 20:11 »
Wenn die Tickleiste oder eine taktische Battlemap (nicht nur, wie du weiter oben als Beispiel sagtest, zur Veranschaulichung) auf dem Tisch liegt, bin ich gedanklich in einem taktischeren, brettspielartigerem Modus.
So geht‘s mir auch. Das ist aber auch verständlich, denke ich: Je mehr taktische Optionen dazukommen – und das ist ja bei ner Battlemap mit Kontrollzonen, Bewegungsweiten etc. so – desto mehr muss man in Zahlen und Werten statt in Farben denken. Da bleibt wenig Raum, das alles ausführlich zu beschreiben und das alles im Kopf zu behalten, wenn man den Kampf nicht noch weiter in die Länge ziehen will.
Deshalb gibt‘s bei mir auch aus Prinzip keine Battlemap.  ;D

SL und Gruppenumfeld können das Funktionsspiel mit Sicherheit fordern und fördern und damit phantasievolle Spieler ausbremsen, also "auf Gruppenlinie bringen".
Auf der anderen Seite ist es aber doch seltsam, daß in Runden, in denen SL und einige Mitspieler genau das Gegenteil vorleben, mEn nicht alle Spieler auf diesen Zug aufspringen, sondern bei ihrer Kurzphrasigkeit bleiben.
Die Kurzphrasigkeit wird ja auch nicht geahndet, oder? Damit macht man schon mal nichts falsch. Warum jemand in die „bloß nichts falsch machen“-Haltung kommt, wurd ja schon besprochen.
Ich versuche jedenfalls, Beschreibungen zu belohnen und wertzuschätzen und andersrum nörgle ich, wenn Leute in Werten reden. Trotzdem sind üblicherweise 1-2 Spieler dabei, die sich mit Beschreibungen eher zurückhalten.

Spielt mit Spielleitern, dann habt ihr das Problem nicht.....  ~;D
Du setzt dir da ne Narrenkappe auf, aber ich kann das nur unterschreiben. Ist aber das nächste Henne-Ei-Problem  :D

Offline YY

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #32 am: 23.07.2019 | 00:37 »
Statt "Der Kampf war hart, meine Wunden sind tief. Ich spucke Blut, gehe auf die Knie und schäle mir den Brustpanzer vom Leib, bevor ich die Klerikerin schwer atmend um Heilung bitte." ist (leider) eher "Ich habe nur noch 10 von 20 LP. Wunden heilen bitte." die Regel.

Das hat für mich mit erzählerischem Tiefgang o.Ä. nichts zu tun. Wer Bock drauf hat, möge das so machen, aber ich will mir nicht wegen jedem Furz und Feuerstein blumiges Geschwafel aus den Fingern ziehen (müssen).


Dann doch eher:
Dabei ging es nicht permanent um theatralisches Kampfblabla und den üblichen Wirtshausschnack am Rande, sondern darum, den Charakteren Farbe zu geben; und es ging um das Spiel abseits des Wegesrandes bis hin zu Hochzeiten, Universitätsgründungen, um "großes politisches oder emotionales Kino" usw. usf.

Da sehe ich für mich deutlich mehr den Knackpunkt. Nicht nur "große" Aktionen, die das Spielgeschehen prägen, sondern umgekehrt auch die ganz kleinen Sachen - ein einzelner Spruch, eine Handlung, eine Geste zum richtigen Zeitpunkt prägen das Bild eines Charakters für mich viel mehr. Das passiert manchmal ganz trocken in der dritten Person und funktioniert "trotzdem". 
Leider und glücklicherweise zugleich lässt sich das nicht gut planen und nur bedingt gezielt lernen/trainieren.


Gilt in ähnlicher Form für das Thema Kampf - wenn alles kreativ und außergewöhnlich sein muss, ist nichts mehr kreativ und außergewöhnlich. 
Das sticht nur raus, wenn es tatsächlich ungewöhnlich ist und dafür müssen für mich sowohl die Umstände passen als auch eine spielmechanische (!) Außergewöhnlichkeit bestehen.
Kann man bis zu einem gewissen Punkt vorbereiten/anbieten, aber das wars dann auch schon. Wirklich forcieren lässt sich das nicht.

Als ich es wagte einen Angriff zu spielen, also ich erzählte halt die Handlung die mein Charakter nun machen würde, schaute mich der SL böse an. "Würfel erst mal ob du triffst ehe du hier irgendwas ansagst!" Habe dies getan und wollte dann nochmals ansetzen jedoch wurde mir der Mund verboten und ich solle bitte einfach nur den Schaden auswürfeln.

Gehört so ein bisschen zum nächsten Punkt: Dass man darauf achtet, was man wann wie erzählt, finde ich ziemlich wichtig.
Die Erzählung in den richtigen Kontext zu einer Probe zu bringen, ist mMn unumgänglich.
Dass man das Erzählen dann aber komplett vermeiden will oder aktiv abstellt, bedarf schon einer Erklärung.

Dazu habe ich nur Folgendes anzubieten:
  • Kampfrunden: Je mehr Kampfrunden ein Kampf hat, desto genervter werden alle vom Ausschmücken. Wir haben es probiert, wirklich - aber bei DSA oder auch Splittermond kommt man da einfach schnell an den Punkt, wo das nach dem dritten Kampf keiner mehr will.

Wenn in einer Kampfrunde oder in einer Kampfaktion schlicht nichts wirklich Relevantes passiert, dann entsteht da schon eine Art ludonarrative Dissonanz.
Selbst wirklich gut beschriebene Manöver und Verletzungen werden blass und langweilig, wenn sie keine spielmechanische Entsprechung finden.
Ist die tatsächliche, sprich regelseitige Folge der Verlust der ersten 4 Lebenspunkte von insgesamt 80 und es tut sich auch sonst nichts, was sich irgendwie greifbar auswirkt, dann habe ich natürlich nach wenigen Wiederholungen keinen Bock mehr, mir tolle Sachen auszudenken oder auch nur anzuhören, wenn die direkt nach dem Aussprechen sowieso in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.

Wenn ich was Tolles erzähle, muss sich auch spielmechanisch was Tolles tun bzw. umgekehrt ist die regeltechnisch greifbare Auswirkung die Grundvoraussetzung für so eine Erzählung.
Anders wird das doch ein absurdes Zerrbild.

  • Komplexität des Regelwerks: Je mehr taktische Optionen das Regelwerk selbst bietet, desto eher werden diese auch mit ihren regeltechnischen Bezeichnungen angesprochen.
Das ist dann nicht nur unproblematisch, sondern sogar gut und nützlich, wenn diese ganzen crunchy bits in einem sinnvollen Kontext zueinander stehen und damit aus sich heraus eine Narrative erzeugen (können).
Allerdings ist das nicht so einfach umzusetzen, daher ziehe ich vor den wenigen Systemen den Hut, die das wirklich stimmig hinbekommen.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Offline Weltengeist

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #33 am: 23.07.2019 | 06:38 »
Das ist dann nicht nur unproblematisch, sondern sogar gut und nützlich, wenn diese ganzen crunchy bits in einem sinnvollen Kontext zueinander stehen und damit aus sich heraus eine Narrative erzeugen (können).
Allerdings ist das nicht so einfach umzusetzen, daher ziehe ich vor den wenigen Systemen den Hut, die das wirklich stimmig hinbekommen.

In der Theorie stimme ich dir zu - in einer idealen Welt würde der crunchige Kampfverlauf tatsächlich selbst die Geschichte erzählen. Und für mich wäre das auch die beste Lösung. In der Praxis habe ich aber bewusst nie erlebt, dass das am Spieltisch wirklich geklappt hat. Und in einer Zeit, in der Gummipunkte (und damit das nachträgliche Außer-Kraft-Setzen der Crunch-Ergebnisse) die Norm bei fast allen Spielsystemen geworden sind, rechne ich auch nicht damit, dass sich das in absehbarer Zukunft ändert.
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Spielt derzeit: The Wild Beyond the Witchlight (Savage Worlds - Prismeer), Troubleshooter (Savage Worlds - Starfinder)
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Offline 1of3

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #34 am: 23.07.2019 | 07:15 »


Wenn ich was Tolles erzähle, muss sich auch spielmechanisch was Tolles tun bzw. umgekehrt ist die regeltechnisch greifbare Auswirkung die Grundvoraussetzung für so eine Erzählung.
Anders wird das doch ein absurdes Zerrbild.

Ich stimme deinem Eindruck zu, aber nicht ganz der Analyse. Ich hatte oben schon mal ein Beispiel gemacht, dass so gar nichts mit Mechanismen zu tun hatte, sondern neben diesen herlief. Und das wahr genau richtig.

Wir können es auch von oben betrachten. Beim Rollenspiel entwickeln wir durch unsere Eingaben die gemeinsame Fiktion fort. Diese Eingaben können Erzählung, Schauspiel, das Schieben einer Figur auf der Baddelmadde und noch eine Menge anderer Dinge sein.

Wenn du nun deinen Pöppel acht Felder an einen Gegner ranbewegst, ist eigentlich alles gesagt. Als Service kannst du ich erklären, dass es ein Sturmangriff war, falls jemandem nicht aufgefallen ist, dass es 8 statt 6 Felder waren. Der Pöppel ist also gerade dafür da, dass wir gewisse Dinge nicht mehr sagen müssen. Und wenn wir es doch tun, wirkt es eben doppeltgemoppelt.

Das heißt aber nicht, dass nichts mehr zu sagen ist. Du musst nur etwas finden, was der Pöppel nicht sagt. Wenn du also der große Krieger bist, kannst du vor der Aktion der Person, die du für das Küken der Runde hältst, ernst ins Gesicht schauen: "So, Kleiner, nun pass mal auf, wie man's richtig macht." Dann setzt du deinen Pöppel vor und brüllst CHARGE!. Und hoffentlich würfelst du dann entsprechend. Du hast dann also verschiedene Dinge gesagt, einerseits deine Aktion, andererseits etwas über deine Beziehung zum Küken.

Offline YY

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #35 am: 23.07.2019 | 15:49 »
In der Theorie stimme ich dir zu - in einer idealen Welt würde der crunchige Kampfverlauf tatsächlich selbst die Geschichte erzählen. Und für mich wäre das auch die beste Lösung.

Zumindest für komplexe Regelwerke ist das für mich ziemlich Pflichtveranstaltung - da wird die Wahl aber entsprechend schnell ziemlich dünn.
Wenn es abstrakter und einfacher wird, ist es ja insofern unproblematisch, weil man dann genug erzählerischen Freiraum hat, um die Lücken zu füllen.

Viel Crunch mit konkreten Benennungen/Beschreibungen, die aber kein Stück zueinander bzw. in eine stimmige Vorstellung passen wollen, ist dagegen ein Ausschlusskriterium. Da sind z.B. die D&Ds mit ihren Feats ganz schnell raus.

Ich hatte oben schon mal ein Beispiel gemacht, dass so gar nichts mit Mechanismen zu tun hatte, sondern neben diesen herlief.

Ja, wenn das Ganze völlig getrennt von der Mechanik stattfindet, muss man erst mal nur den richtigen Ton treffen.
Und oft ignorieren, dass man Dinge sagt oder tut, die am Rollenspiel-Gegenstück der Vierten Wand kratzen, weil sie zwar auch auf Figurenebene, aber nicht in der Spielmechanik stattfinden. Das knirscht für mich ziemlich schnell.
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Offline mattenwilly

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #36 am: 23.07.2019 | 16:34 »
In vielen Runden, die ich so sehe, ist Rollenspiel vom erzählerischen Tiefgang her nicht viel mehr als Kniffel + Battlemap.

In den letzten Monaten bin ich in den Genuss gekommen Spieler sein zu können. Leider war dann aber auch nur das was ich erleben durfte.

Kleiner Auszug

Da ich Battlemaps hasse wie die Pest habe ich versucht es mir erträglicher durch RP im Kampf zu machen.

Als ich es wagte einen Angriff zu spielen, also ich erzählte halt die Handlung die mein Charakter nun machen würde, schaute mich der SL böse an. "Würfel erst mal ob du triffst ehe du hier irgendwas ansagst!" Habe dies getan und wollte dann nochmals ansetzen jedoch wurde mir der Mund verboten und ich solle bitte einfach nur den Schaden auswürfeln.

Spiel mit Battlemap deutet auf ein ordentliches System mit klaren und verwendbaren Regeln hin. Klar das der SL da sagt "verwende die Regeln" und nicht "erfinde dir was zusammen was dir Spass macht". Dafür sind die Regeln ja zum Glück da, der Charakter ist eben was auf dem Bogen steht und nicht was der Spieler gern hätte.
Manchmal kommt bei Foren der Punkt wo man einem "Diskussionsteilnehmer" mental mit einem freundliches "Ja, Ja" den Kopf tätscheln und ihn dann ganz leise auf die Ignore-Liste setzen sollte. Die gewonnene Zeit kann man dan mit interessanten Sachen verschwenden. Etwa Staubmäusen beim wachsen zu sehen

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #37 am: 23.07.2019 | 16:46 »
Spiel mit Battlemap deutet auf ein ordentliches System mit klaren und verwendbaren Regeln hin. Klar das der SL da sagt "verwende die Regeln" und nicht "erfinde dir was zusammen was dir Spass macht". Dafür sind die Regeln ja zum Glück da, der Charakter ist eben was auf dem Bogen steht und nicht was der Spieler gern hätte.

Klingt so beschrieben schon stark nach einem Solosystem nur für SL -- Spieler überflüssig. :P

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #38 am: 23.07.2019 | 16:58 »
Klingt so beschrieben schon stark nach einem Solosystem nur für SL -- Spieler überflüssig. :P

Wieso das?
Es erlaubt eher allen Beteiligten die einfache und eben geregelte Beteiligung, weil die Grundlagen und Schnittstellen halt schon vorher weitestgehend und nachbvollziehbar festgelegt sind.
Sie erlaubt gerade die proaktive Beteiligung aller (die Regeln gelernt habenden), weil eben nicht jeder Schritt extra angefragt und neu geklärt werden muss.

Je nach Art der Regeln könnten die im Detail in manchen Fällen für die eine oder andere Anwendung besser verregelt sein, aber selbst für solche Verbesserungen hat man dann da eine konstruktive Basis.
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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #39 am: 23.07.2019 | 17:00 »
In der Theorie stimme ich dir zu - in einer idealen Welt würde der crunchige Kampfverlauf tatsächlich selbst die Geschichte erzählen. Und für mich wäre das auch die beste Lösung. In der Praxis habe ich aber bewusst nie erlebt, dass das am Spieltisch wirklich geklappt hat.

Abseits des Rollenspiels klappt das tatsächlich sehr gut. Ich kenne das z.B. von Advanced Squad Leader. Da braucht's keine langen Beschreibung, weil durch Karte, Papp-Plättchen und vollständige Regeln knappe Ansagen schon reichen, um das Kopfkino anzuwerfen. Und eine Geschichte entsteht da automatisch durch die Interaktion zwischen Spielern, Regeln und Würfeln - fast ohne Worte.

Klingt so beschrieben schon stark nach einem Solosystem nur für SL -- Spieler überflüssig. :P
Dass ASL ein Spiel für zwei Spielleiter ist, wurde an anderer Stelle schon behauptet. Da ist auf jeden Fall etwas dran.

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #40 am: 23.07.2019 | 17:05 »
Das geht auch mit anderen Brettspielen. Ich habe sowas z.B. schon bei Battlestar Galactica Boardgame mehrmals erlebt. Und da war keiner der Spieler SL. ;)
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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #41 am: 23.07.2019 | 17:15 »
Vollständige Regeln im Sinne von alle Handlungen abschließend abdeckend müssen es ja gar nicht sein. Ein halbwegs stabiles Gerüst, welches in den kritischen Momenten die typischen relevanten Handlungen abdeckt und den Rest immer noch halbwegs vverlässlcih extrapolieren lässt, reich in der Praxis völlig.
Was halt in dieser Richtung nicht als "abdeckend" zählt ist, wenn nominell alles über grobe Abstraktion "abgedeckt ist" und ganz regulär und geplant dann im Anwendungsfall zur Laufzeit die Interpretation und Abstimmung der Beteiligten erst diese Lücke füllen soll.
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Offline Jens

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #42 am: 23.07.2019 | 23:41 »
Für mich geht es hier nicht (nur) um blumige Beschreibungen oder coole Szenen o.ä. sondern darum, das es an "besonderen Momenten" fehlt. So wie am Anfang des Rollenspiels, zu dem sich viele hinsehnen und wo die Emulation nie so richtig zu klappen scheint - einfach, weil damals alles neu und spannend und besonders war. Da wurden Momente geschaffen, an die man sich lange noch erinnert, weil man zuvor nie so etwas erlebt hat.

Wie zum Beispiel die Szene, die 1of3 mit dem Pilz beschrieb: Das kann er nicht oft machen, bis es “langweilig" wird. Jedenfalls so direkt. Oder es wird ein Running Gag. Hat auch was.

Das Problem ist, dass es mWn keine Technik gibt, um diese besonderen Momente zuverlässig zu erzeugen und es vielen Runden, an denen ich teilnahm, da auch nicht auf so ein System ankam, sondern darauf, in der Mischung aus Spielern, Charakteren und SL Story etwas zusammen zu bauen, was man einfach gerne in Erinnerung behält.

Offline Sphinx

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #43 am: 25.07.2019 | 10:06 »
Es ist IMO allgemein stark Gruppen abhängig.
Ich versuche immer mehr zu liefern und die Welt etwas mitzugestalten. In manchen Gruppen merkt man das es einzelne am Tisch überfordert wenn man sie anspielt. Das Hinterlässt dann bei mir auf dauer ein etwas hemmendes Gefühl und ich betreibe das anspielen weniger. Oder eine Beschreibung wie man einen Angriff durchführt der den Spielleiter überfordert obwohl es nur "Beschreibungs-Fluff" ist.
Und es gibt das Gegenteil, wo solche Sachen aufgenommen werden und man es deshalb gerne mehr macht. Das Miteinander wird dann unterhaltsamer als das was der Plot so vorgibt.

Als DM versuche ich immer mit möglichst viel gutem Beispiel vorran zu gehen. Und auch da gibt es leider Spieler die auf dem Niveau von Mensch ärger dich nicht Brettspielen stehen bleiben. Ich beschreibe ganz gerne den Kampf etwas ausführlicher. Und dabei hilft es massiv wenn von den Spielern etwas mitarbeit kommt. Spieler: "Ich versuche eine ungeschützte Stelle in der Rüstung mit dem Pfeil zu treffen" -> Würfel -> DM "Der Pfeil findet zielicher einen Spalt in der Plattenrüstung / Der Pfeil hat das Ziel knapp verfehlt und ist von der Rüstung abgelenkt worden.

Ich konnte zumindest bei meinen Runden keinen Zusammenhang zwischen Grid/Theater of the Mind Kampf feststellen. Es waren ehr die Spieler die etwas ausmachen. Und wenn ich leite verwendet ich 3 Kampfvarianten. Theater of the Mind, Grid und grobe Representation der Postionen ohne Entfernungen (Wie auch immer man das nennt).


- Edit was ich noch vergessen hatte zu schreiben:
Ich hab mir mittlerweile auch abgewöhnt Spieler die Welt mit gestalten zu lassen, einfach weil ich noch niemand Gefunden hab der das Freudig aufgenommen hat. Selbst bei den Gruppen die ehr Rollenspiel als Brettspiel betreiben.
Also z.B. Spieler X - Beschreib doch mal die Schenke in die ihr gerade einkehrt. Spielerin Y, was fällt dir denn Besonderes an dem Gegner auf dem du gerade gegenüber stehst.
Es ist bestimmt etwas das man üben kann und wenn alle locker genug drauf sind könnte es funktionieren. Leider ist meine erfahrung eben leider etwas anders.


Auch wenn ich den Kampf immer gerne ausführlicher beschreibe. Man sollte auch nicht unterschätzen was das an Zeit frist. Ein Kampf in allen Systemen die ich kenne dauert einfach an sich schon sehr lange. Eine ausführliche Beschreibung bläst die Zeit noch mal auf. Da ist es evtl. sinniger nur wichtige oder ausergewöhnliche Kampfhandlungen zu beschreiben. Anstatt jedem Pfeil der daneben geht noch einen Satz zu witmen wieso er daneben geht.
« Letzte Änderung: 25.07.2019 | 10:12 von Sphinx »

Online Zed

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Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #44 am: 25.07.2019 | 15:05 »
Bei uns (DnD 3.5; SCs 18. Stufe; gespielte Jahre der Kampagne: 25) gibt es sehr unterschiedliche Arten, die Dinge auszuspielen: Charakter-Rede, Ich-Rede und Tech-Talk.

Als Spielleiter strebe ich ein abwechslungsreiches Verhältnis von Kampf zu diplomatischen Missionen zu Rätseln (= oft Entschlüsselung der Mythologie) an, vielleicht 40 zu 40 zu 20. Wir spielen mittlerweile selten, höchstens vier Mal im Jahr.

  • In diplomatischen Missionen sprechen die Spieler als Charaktere, teils sogar mit Dialekt.
  • Wenn die Spieler rätseln, was was bedeutet, sprechen sie fast immer privat. Sie wollen über das sprechen, "was wirklich ist", da soll ihnen nicht die Eigenheit des Charakters reingrätschen.
  • In Kampfsituationen gibt es viel Tech-Talk, der ist schnell und präzise.

Ich halte die unterschiedlichen Arten zu sprechen für angemessen, und die Unterschiedlichkeit tut in meinen Augen der Atmosphäre keinen Abbruch.
« Letzte Änderung: 25.07.2019 | 17:30 von Zed »

Luxferre

  • Gast
Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
« Antwort #45 am: 26.07.2019 | 07:02 »
Gerade das erzählerische Ausschmücken von taktischen Szenen ist zwar immer ein Problem, aber es gibt nach meiner Erfahrung Systeme, die es erheblich schwieriger machen als andere. Einige Punkte:
  • Sprache: Wenn das Regelwerk auf Englisch ist, wird häufiger "Tech-Speak" am Spieltisch gesprochen.
  • Kampfrunden: Je mehr Kampfrunden ein Kampf hat, desto genervter werden alle vom Ausschmücken. Wir haben es probiert, wirklich - aber bei DSA oder auch Splittermond kommt man da einfach schnell an den Punkt, wo das nach dem dritten Kampf keiner mehr will.
  • Komplexität des Regelwerks: Je mehr taktische Optionen das Regelwerk selbst bietet, desto eher werden diese auch mit ihren regeltechnischen Bezeichnungen angesprochen. Hier sind Old-School-Spiele dankbarer: Wenn "Rulings statt Rules" am Spieltisch gilt, dann muss man umgangssprachlich beschreiben, was man machen will, und der Spielleiter hängt am Ende ein Preisschild einen Schwierigkeitsgrad dran.
Aber klar, natürlich liegt es auch an den Spielern. Manche (ich würde sogar sagen: die Mehrzahl der) Spieler wollen im Kampf kein Erzählspiel betreiben, sondern ein spannendes Brettspiel spielen. Das liegt noch nicht mal unbedingt am "nicht anders können", sondern am "nicht anders wollen". Und viele Rollenspiele bilden das eben auch so ab und liefern daher ein eigenes, häufig ziemlich umfangreiches Subsystem gerade für Kämpfe, das sich ganz anders anfühlt als das restliche Spiel. Für viele ist das kein Bug, sondern ein Feature.

Das zum Einen  :d
[ Für mich nachhaltig eindrucksvoll bei Splittermond passiert  >;D ]


Außerdem kommt für mich noch der Aspekt der Zero-to-Hero Systeme zum Tragen.
Wenn ich Systeme spiele, die stufenlos sind und man bereits zum Start einen kompetenteren Charakter spielen kann, dann ist dieser natürlich auch mit mehr Hintergrund versehen. Liegt ja in der Natur der Sache, dass ein Stufe 1 Startcharakter nicht die Möglichkeiten hatte, wie ein stufenlos erstellter 250 Jahre alter Halbelb-Waldläufer-Heiler. Zweiterer hat aber die Möglichkeit, seine Werte in einen Hintergrund zu kleiden (oder andersherum). Das führt dann natürlich dazu, dass dieser ausgearbeitete Hintergrund einen deutlich stärkeren Einfluss auf das aktive Spiel hat.
Wir hatten die coolsten und memorabelsten Stunden mit den stufenlosen, recht kompetenten Charakteren, die eine lange (nicht lang ausformulierte!) Geschichte mit an den Tisch gebracht haben. Was außerdem zu mehr Erzählstunden auf Spielerseite geführt hat. Mit einem schönen Hintergrund, kann auch ein Spieler zum Erzählonkel werden.
Habe da gerade gestern Abend mit meinem besten Freund drüber philosophiert  :d ...und ich will das zurück haben!