Autor Thema: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games  (Gelesen 7055 mal)

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Offline Alexander Kalinowski

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #25 am: 25.07.2019 | 10:14 »
Es darf nicht vergessen werden, dass "traditionelle" Games in Wahrheit Hybriden aus Tabletop/CoSim und Erzählspiel sind.

Nein, es gibt bereits einen etablierten Begriff dafür - er nennt sich Rollenspiel.

Der modernere Ansatz von pbta versucht diese Überbleibsel loszuwerden und sich ganz auf das Erzählen zu konzentrieren. Das hat vor und Nachteile. Wie oben beschrieben, ist PVP bei pbta so wie wir es in klassischen Rollenspielen kennen, tatsächlich unmöglich (ja, ich kenne AW und ja, da gibt es pvp).

"Modern" (statt "jüngerer") ist ein irreführender Werbebegriff, der eine Wertung enthält, da er Fortschritt implizieren soll. Auch der Begriff "Überbleibsel" zeichnet ein falsches Bild. Stattdessen betont PbtA lediglich gewisse Aspekte des Rollenspiels - und lässt andere dafür unter den Tisch fallen. Spiele, die den Storyaspekt des Rollenspiels besonders betonen, zu Lasten anderer Aspekte, nennen wir Erzählspiele.

Aus dramaturgischer Sicht kommt dabei aber sehr oft ziemlicher Quark heraus. Traditionelles Rollenspiel ist damit eine recht spezielle Form der Unterhaltung. Muss man eben mögen... mein Ding isses nich...

Umgekehrt kommt bei PbtA aus simulationistischer Sicht ziemlicher Quark bei raus. Muss man halt mögen. ;)
Warum ist Simulation für mache Spieler wichtig? Damit man in der Situation richtig drinsteckt und nicht gegen irgendwelche Wahrscheinlichkeiten anwürfelt, die diese Situation nicht einmal annähernd abbilden.

"Traditionelle" Rollenspiele haben die Angewohnheit, einem in dramaturgischer Hinsicht häufig das ein oder andere Bein zu stellen. PbtA und andere moderne Ansätze (in Grenzen Fate) versuchen demgegenüber das Erzählen und den Erzählfluss mit ihren Regeln zu unterstützen. Das ist eigentlich der Hauptunterschied.

Das und die Dinge, die man im Vergleich zu Trad Games eben verliert.
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Offline JollyOrc

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #26 am: 25.07.2019 | 10:49 »
Umgekehrt kommt bei PbtA aus simulationistischer Sicht ziemlicher Quark bei raus. Muss man halt mögen. ;)
Warum ist Simulation für mache Spieler wichtig? Damit man in der Situation richtig drinsteckt und nicht gegen irgendwelche Wahrscheinlichkeiten anwürfelt, die diese Situation nicht einmal annähernd abbilden.

PbtA ist halt, als wenn die Stadtwache von Ankh-Morpork spielt. Da sind die Wahrscheinlichkeiten halt... anders. :)

"Million-to-one chances...crop up nine times out of ten."

Will sagen: Physikalisch-simulationistisch ergeben diese Wahrscheinlichkeiten meist tatsächlich wenig bis gar keinen Sinn. Als Genre-Emulation hingegen perfekt, und das ist es, was PbtA in der Regel möchte.
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Offline Alexander Kalinowski

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #27 am: 25.07.2019 | 11:06 »
Genre-Emulation

Das ist exakt das, worauf ich (u.a.) von Anfang an hinaus wollte. Ist für mich höchst relevant, da ich ja mein eigenes RPG als GenreSim klassifiziere. (Wobei ich etwas locker bei der Differenz zwischen Emulation und Simulation bin; wo fängt das eine an und wo hört das andere auf?)

Will sagen: Physikalisch-simulationistisch ergeben diese Wahrscheinlichkeiten meist tatsächlich wenig bis gar keinen Sinn. Als Genre-Emulation hingegen perfekt, und das ist es, was PbtA in der Regel möchte.

Wenn wir uns einig sind, dass PbtA die konkrete Spielsituation gar nicht erst versucht mit irgendeiner Präzision zu simulieren (s. fehlende situative Modifikatoren)... was bildet PbtA dann ab, das den Begriff der Genre-Emulation rechtfertigt?
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Offline Crimson King

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #28 am: 25.07.2019 | 11:09 »
Wenn wir uns einig sind, dass PbtA die konkrete Spielsituation gar nicht erst versucht mit irgendeiner Präzision zu simulieren (s. fehlende situative Modifikatoren)... was bildet PbtA dann ab, das den Begriff der Genre-Emulation rechtfertigt?

Genrekonforme Handlungsverläufe.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Offline Camouflage

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #29 am: 25.07.2019 | 11:17 »
Wenn wir uns einig sind, dass PbtA die konkrete Spielsituation gar nicht erst versucht mit irgendeiner Präzision zu simulieren (s. fehlende situative Modifikatoren)... was bildet PbtA dann ab, das den Begriff der Genre-Emulation rechtfertigt?
Was ist ein Genre?

Ist in diesem Fall eine wichtige Frage. Zum einen werden die über Elemente des Hintergrunds definiert (Cyberpunk vs. Steampunk z.B.), zum anderen aber auch über die . Art der Stories und der Interaktion der Charaktere untereinander und mit der Umwelt (z.B. wenn irgendwo ein "Noir" in der Bezeichnung vorkommt).

Ich denke die "klassischen" Rollenspiele konzentrieren sich eher auf die materialistischen (?) Aspekte von ersteren, während Systeme wie PbtA den Fokus eher auf die abstrakten Aspekte von Letzterem legen.
Zitat
12. To beat your enemy, you must know him. 13. Your enemy is the highest authority on the topic of himself. 14. So listen when your enemy speaks, but do not credit his words. 15. Listening is a real bargain. 16. Credit is way overpriced.
- Book of Del, Chapter 6, The Book of Retcon

Offline JollyOrc

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #30 am: 25.07.2019 | 11:38 »
Was ist ein Genre?

Hier mein Verständnis, Gegenvorschläge, Änderungen oder Ergänzungen sind natürlich willkommen:

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

 :btt:
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Online Suro

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #31 am: 25.07.2019 | 11:47 »
Wenn wir uns einig sind, dass PbtA die konkrete Spielsituation gar nicht erst versucht mit irgendeiner Präzision zu simulieren (s. fehlende situative Modifikatoren)... was bildet PbtA dann ab, das den Begriff der Genre-Emulation rechtfertigt?
Wie CK schon sagt: Typische Handlungen (Basic Moves) und Handlungsverläufe (Konsequenzen der Moves, SL-Moves, entsprechender Schneeball)

Typische Charaktere (Playbooks, insbesondere auch "Class"-Moves)

Festlegung von Atmosphäre und Spielinhalten (Agenda, Principles)

Je nach System einiges mehr, z.B. für DW: Angebot an genretypischer Ausrüstung, Antagonisten (Monster nach Biomen, Fronten), Siedlungen, Hinweise zur Dungeon-Erkundung.
Edit: Im Fall von z.B. the Sprawl sind diese weiteren Materialien andere; dort geht es dann z.B. um einen Fokus auf Cyberware, die Struktur von Missionen und um Corporations als Antagonisten.

Offensichtlich ist vieles davon kein Alleinstellungsmerkmal, gehört aber zur Abbildung eines Genres alles dazu (imho).

Edit 2: Während die Gelingenswahrscheinlichkeit bestimmter Aktionen bei manchen Genres eine Rolle spielen mag (wie wahrscheinlich ist es in einem heroischen Action-Film, dass der Protagonist von einer Kugel getroffen wird?) scheint mir das höchstens ein Randaspekt zu sein, und einiges kann auch andere abgebildet werden (Plotarmor kann man z.B. in das Schadenssystem und die Anwendungsfälle/Konsequenzen bon Moves stecken).
« Letzte Änderung: 25.07.2019 | 11:53 von Suro »
Suro janai, Katsuro da!

Offline Thaddeus

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #32 am: 25.07.2019 | 11:50 »
Das liegt daran, dass Story nicht das Maß aller Dinge im Rollenspiele ist und auch nicht sein sollte. Es ist stattdessen eine, wichtige Facette des Spiels.
Dein Post zeigt, wie unterschiedlich die Auffassungen darüber sind, was "Rollenspiel" überhaupt ist.

Individuelle Handlungen lassen sich nicht im Erzählspiel durch Würfel simulieren, auch nicht mit einer Gauss'schen Normalverteilung, die ich über einen W% ziehe. Das ist eine ganz grundsätzliche Fehlvorstellung davon, wie (Rollen-)Spiele funktionieren. Es gibt nämlich realweltlich keine Wahrscheinlickeit dafür, ob ich den Bösewicht mit meinem Schwert treffe oder nicht. Es gibt auch keine Wahrscheinlichkeit dafür, ob es mir gelingt, die Kiste zu öffnen oder nicht.

Beispielszenario:

Der Dieb betritt den Raum und findet eine einfache kleine Holzkiste (mit einfachem Bundbartschloss meinetwegen) und eine monströse Stahlkiste (mit ebenso monströsem Schloss) vor. Der Dieb entscheidet sich nur eine der beiden Kisten zu öffnen.

Szenario A)
Im traditionellen Rollenspielsystem wäre diese Szene sehr leicht aufzulösen: Die kleine Holzkiste hat sagen wir einen DC von 12, die stählerne Kiste einen DC von 35 (<- oder was auch immer!). Die Erfolgswahrscheinlichkeiten liegen weit auseinander.

Szenrario B)
Bei DW könnte der Zug "Handwerkszeug" ausgelöst werden.
Zitat
Handwerkszeug
Wenn du Schlösserknacks,  [...] Würfel+GE
*bei einer 10+ gelingt es dir ohne Probleme.
* [...]
Die Wahrscheinlichkeit, dass es gelingt, das Schloss zu öffnen (und zwar ohne Probleme), ist für beide Kisten jeweils gleich!

Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich auflösen, wenn man sich folgendes vor Augen führte:

In beiden Szenarien ist folgende Aussage wahr: der Dieb kann beide Kisten öffnen!

Die Annahme, der Dieb hätte in dem beschriebenen Beispiel eine "höhere" Chance die kleine Kiste zu öffnen, als die große, ist eine Illusion, die dem Spielsystem geschuldet ist. Tatsächlich gibt es überhaupt gar keinen Grund für diese Annahme. Denn: Entweder er kann sie öffnen oder er kann sie nicht öffnen. Es gibt kein Vielleicht, dass einer Simulation zugänglich wäre. Die Spielleitung hat aber beim Erstellen des Szenarios bereits verbindlich festgelegt, dass der Dieb die Kisten öffnen kann. Was der Würfelwurf also tatsächlich entscheidet, ist die Verteilung des Erzählrechts darüber, welche Auswirkungen die Handlungen des Spielers in der Erzählung haben sollen (Outcome authority nach Ron Edwards). Diese Verteilung kann selbst verständlich zufällig gestaltet werden. Mit einer Simulation hat dies aber nichts zu tun. Dennoch neigen wir dazu, Szenario A) sofort für plausibel zu halten. Erreicht der Dieb den DC von 35 freut er sich über die gelungene Probe. Die Beschreibung der Kisten hätte die Spielleitung aber auch komplett weglassen und auf die Aussage reduzieren können: Es gibt zwei Kisten, eine hat einen DC von 12 und eine einen DC von 35.

PbtA und DW haben einen völlig anderen Ansatz. Sie betrachten die Erzählwelt aus den Augen der Protagonisten/Spieler. Entscheidend ist weniger das Ob, sondern das Was passiert, wenn. Und hierfür ist mehr als eine bloße Beschreibung der Gegebenheiten notwendig. Konsequenzen und Folgen des Handelns leiten sich unmittelbar aus der Geschichte und den Geschehnissen und der Entscheidungen der Spieler ab. Was ist denn, wenn ich die Stahlkiste öffne? Oder was ist, wenn es mir nicht gelingt? Hieraus entsteht der beschriebene Schneeball-Effekt. Die Geschichte wird dynamisch, lebendig und damit - jedenfalls für mich - interessant.



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Offline takti der blonde?

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #33 am: 25.07.2019 | 11:51 »
Aus dramaturgischer Sicht kommt dabei aber sehr oft ziemlicher Quark heraus. Traditionelles Rollenspiel ist damit eine recht spezielle Form der Unterhaltung. Muss man eben mögen... mein Ding isses nich...

Mir gefällt an Rollenspielen unter anderem die Freiheit von "dramaturgischen Regeln", eben weil das als ästhetische Kategorie wenig greifbar ist. Die meisten Leute, die ich kenne, sind keine guten Dramaturgen oder ähnliches. Und irgendwelche erzählerischen Klischees abzufeiern möchte ich ebenfalls nicht.

Ich wundere mich auf jeden Fall darüber, andere Medien im Rollenspiel abbilden zu wollen. YMMV. :)

Grüße

Hasran

Offline Jiba

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #34 am: 25.07.2019 | 12:06 »
Kontermeinung. Menschen allgemein sind ganz hervorragende Dramaturgen. Das sieht man daran, welche Rolle Geschichten in so ziemlich jeder Kultur der Erde spielen und wir alle selbst in alltäglichen Dingen wie Bewerbungsschreiben, Witzen und der Anekdote aus dem Zug großes dramaturgisches Talent beweisen.

Tatsächlich beweist deine Lust an undramaturgischen Geschichten im RPG vor allem eins: Das du weißt, was dramaturgisch ist und wie sich etwas dramaturgisch abspielen würde.

Und mehr noch Ich behaupte: Wenn du am Ende einem Außenstehenden in deiner Crowd begeistert von dem Spielabend erzählst, dann dramatisierst du den ganz gewiss!
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline takti der blonde?

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #35 am: 25.07.2019 | 12:18 »
Kontermeinung. Menschen allgemein sind ganz hervorragende Dramaturgen. Das sieht man daran, welche Rolle Geschichten in so ziemlich jeder Kultur der Erde spielen und wir alle selbst in alltäglichen Dingen wie Bewerbungsschreiben, Witzen und der Anekdote aus dem Zug großes dramaturgisches Talent beweisen.

Menschen können Dramturgie zumindest wertschätzen, aber sowohl die Anzahl an schlechen Medien als auch schlecht-erzählten Witzen etc. im Alltag deutet für mich darauf hin, dass es weniger weit verbreitet ist als du annimmst. :P

Zitat
Tatsächlich beweist deine Lust an undramaturgischen Geschichten im RPG vor allem eins: Das du weißt, was dramaturgisch ist und wie sich etwas dramaturgisch abspielen würde.

Das klingt so als würde ich mich GEGEN Dramturgie entscheiden. Ich würde eher sagen, ich entscheide nicht entlang der Dramaturgie. Soll heißen, wenn es Entscheidungen als Spieler (egal mit welchen Sonderaufgaben versehen) für die Welt oder Charaktere zu treffen gilt, dann sind es nie welche, die ich auf dramaturgischer Ebene versuche zu treffen. Dass diese Entscheidungen bisweilen dramaturgisch sinnvoll sind, ist dann Zufall und auch völlig in Ordnung.

Zitat
Und mehr noch Ich behaupte: Wenn du am Ende einem Außenstehenden in deiner Crowd begeistert von dem Spielabend erzählst, dann dramatisierst du den ganz gewiss!

Klar, das ist dann ja auch eine Geschichte. Im Rollenspiel spiele ich aber lieber als dass ich erzähle. ;)

Grüße

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Offline Vash the stampede

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #36 am: 25.07.2019 | 12:22 »
Konterkontermeinung. Menschen haben Lust an Geschichten. Vielleicht sogar ein (zwingendes) Bedürfnis danach (siehe Religion, Volk, nationale Gründungsmythen, Boulevard oder Verschwörungen). Das macht sie nicht zu Erzählern oder Dramaturgen. Wie viele Menschen können und wollen Geschichten erzählen, im Sinne eines kreativen Prozess? Erlebnisse in Geschichten umdeuten ist dagegen etwas anderes. Und ob das dann dramaturgisch durchdacht ist, sei offen.

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #37 am: 25.07.2019 | 12:28 »
Individuelle Handlungen lassen sich nicht im Erzählspiel durch Würfel simulieren, auch nicht mit einer Gauss'schen Normalverteilung, die ich über einen W% ziehe. Das ist eine ganz grundsätzliche Fehlvorstellung davon, wie (Rollen-)Spiele funktionieren. Es gibt nämlich realweltlich keine Wahrscheinlickeit dafür, ob ich den Bösewicht mit meinem Schwert treffe oder nicht. Es gibt auch keine Wahrscheinlichkeit dafür, ob es mir gelingt, die Kiste zu öffnen oder nicht.

Jein. Es gibt vielleicht keine konkrete Wahrscheinlichkeit, aber zahlreiche kleine Einflussfaktoren, die in den Würfelwurf abstrahiert werden können. Zudem könnte man die Perspektive der Gesamtpopulation einnehmen und sich quasi fragen: gehöre ich zu den 80% der kompetenten Diebe, die Eisenkisten öffnen können. Letztlich würde ich aber behaupten, dass es schlichtweg Spaß macht (oder zumindest Spaß machen kann), die Wahrscheinlichkeiten zu den eigenen Gunsten zu verbiegen und am Ende zu sehen, ob einem das Würfelorakel wohlgesonnen ist.

Es handelt sich bei dieser Frage übrigens um einen der zentralen Punkte, die mich bei PbtA "stören" (unangenehm auffallen wäre vermutlich treffender). Wobei ich durchaus die Perspektive nachvollziehen kann, dass einem dieser Aspekt vollkommen egal ist und man mit den situationsunabhängigen Wahrscheinlichkeiten gut leben kann.
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Offline JollyOrc

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #38 am: 25.07.2019 | 12:30 »
These: PbtA Spiele bauen die Regeln so, dass man im Hassran'schen Sinne spielt, also primär auf Würfel und Regeln schauen kann, sich dabei aber eine dem durch das Spiel gesetzten Genre/Setting-Mix passende Dramaturgie entwickelt.

Mir kann die Dramaturgie völlig Wumpe sein, aber wenn mein Monsterhearts-Vampir seine mechanischen Vorteile haben will, sollte ich ihn als narzisstisches Monster spielen und dabei für Beziehungsdrama sorgen.
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Offline Thaddeus

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #39 am: 25.07.2019 | 12:32 »
Noch zwei Sachen kurz, bevor ich Katzennahrung kaufen gehe:

1.
Szenario zum Ärgern ;-) :

SL: Ihr betretet eine riesige Höhle und am hinteren Ende steht der Zyklop, hünenhaft, in eure Richtung gewandt. Er hat euch noch nicht bemerkt. Was macht ihr?

Waldläufer/Ranger: Ich schieße ihm einen Pfeil mitten ins Auge

Traditionelles Rollenspiel:
SL: o. k. das ist sehr große Reichweite, sehr kleines Ziel, aus der Bewegung heraus geschossen, Meisterhafter Bogen, Exzellente Sehne, Ebenholzpfeile, Du hast heute noch nicht gefrühstückt, Mittlere Sicherverhältnisse, überraschtes Ziel, Luftfeuchtigkeit 74%, das macht einen DC von 52.

Spieler: Oh... dann habe ich ja nur einer 0,73 % Chance zu treffen... meh

DW:
Zitat
gezielter Schuss
wenn du einen [...] überraschten Feind im Fernkampf angreifst [...] würfle+GE
Kopf 10+: [Du machst deinen Schaden], Dein Ziel ist betäubt und tut einige Augenblicke nichts

;-)


@Alexander Kalinowski: Ich unterstelle dir einfach mal ganz dreist, dass Du in deinem eigenen System (KotbL) ebenfalls versucht dieses klassische Rollenspiel Problem aufzubrechen. Ich bin jetzt kein Experte deiner Regeln, auch wenn ich sie tatsächlich vor einiger Zeit mal komplett gelesen habe (zumindest was da veröffentlicht ist), aber bei Kämpfen gibt es meiner Erinnerung auch sowas wie Momentum und Gegenschläge. Ich möchte weiter behaupten, dass du damit näher an PbtA bist, als Dir bewusst/lieb sein mag ;-)

@Luxferre: Harnmaster kenne ich flüchtig und habe grade tatsächlich noch mal die 3rd hervorgeholt, verstehe aber nicht, was Du meinst.
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Offline takti der blonde?

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #40 am: 25.07.2019 | 12:38 »
These: PbtA Spiele bauen die Regeln so, dass man im Hassran'schen Sinne spielt, also primär auf Würfel und Regeln schauen kann, sich dabei aber eine dem durch das Spiel gesetzten Genre/Setting-Mix passende Dramaturgie entwickelt.

Das beschreibt es soweit ganz gut und hilft mir weiter zu formulieren: Ich mag es, wenn die Geschehnisse meiner Spielrunden Genres überschreiten und mischen, Klischees auf den Kopf stellen usw. Das hat bislang mit nicht-PtbA besser geklappt.

Grüße

Hasran

Offline Wisdom-of-Wombats

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #41 am: 25.07.2019 | 12:41 »
Noch zwei Sachen kurz, bevor ich Katzennahrung kaufen gehe:

1.
Szenario zum Ärgern ;-) :

SL: Ihr betretet eine riesige Höhle und am hinteren Ende steht der Zyklop, hünenhaft, in eure Richtung gewandt. Er hat euch noch nicht bemerkt. Was macht ihr?

Waldläufer/Ranger: Ich schieße ihm einen Pfeil mitten ins Auge

Traditionelles Rollenspiel:
SL: o. k. das ist sehr große Reichweite, sehr kleines Ziel, aus der Bewegung heraus geschossen, Meisterhafter Bogen, Exzellente Sehne, Ebenholzpfeile, Du hast heute noch nicht gefrühstückt, Mittlere Sicherverhältnisse, überraschtes Ziel, Luftfeuchtigkeit 74%, das macht einen DC von 52.

Spieler: Oh... dann habe ich ja nur einer 0,73 % Chance zu treffen... meh

Hm... Ist D&D 5e noch traditionell? Denn da würde gelten Vorteil, weil der Gegner Dich nicht entdeckt hat, Entfernung und kleines Ziel etc sind Gründe für Nachteil. Also ein normaler Angriff gegen AC des Zyklopen. Erfolgschance: hoch. Ergebnis - Schaden plus Blinded Condition.
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Offline D. Athair

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #42 am: 25.07.2019 | 12:45 »
Kontermeinung. Menschen allgemein sind ganz hervorragende Dramaturgen. Das sieht man daran, welche Rolle Geschichten in so ziemlich jeder Kultur der Erde spielen und wir alle selbst in alltäglichen Dingen wie Bewerbungsschreiben, Witzen und der Anekdote aus dem Zug großes dramaturgisches Talent beweisen.

Tatsächlich beweist deine Lust an undramaturgischen Geschichten im RPG vor allem eins: Das du weißt, was dramaturgisch ist und wie sich etwas dramaturgisch abspielen würde.
Das ist ne Meinung, die ich teilen kann.
Wenn Rollenspiele (wie die Genesys-Spiele) da mit hart codifizierten Dramaturgieregeln kommen, dann sind das Werkzeuge, die nicht für alle passen.

Ich kann jedenfalls sagen, dass gerade deswegen - und weil ich dramaturgischen Variantenreichtum schätze - mit Spielen, die dramaturgische Konzepte in den Crunch verbauen NICHT klarkomme. Die Anti-Klimax ist ja letztlich auch ne Form von Dramaturgie ... nur mögen sie viele Leute nicht. Das TPK-Beispiel in LotFP: Deluxe ist da ein sehr schönes Anschauungsbeispiel, warum Erfolg und die allzuüblichen dramaturgischen Konzepte nicht alles sind.

Menschen können Dramturgie zumindest wertschätzen, aber sowohl die Anzahl an schlechen Medien als auch schlecht-erzählten Witzen etc. im Alltag deutet für mich darauf hin, dass es weniger weit verbreitet ist als du annimmst. :P
Das würde ich auch unterschreiben. Das ist aber eine Frage von Übung und Intuition. Je verkopfter die Herangehensweise und unsicherer jemand ist und je mitteilungsbedürftiger jemand ist, desto schlechter klappt das. Anders gesagt: Das liegt weniger am Nicht-Können, sondern vielmehr am "Durcheinander-Sein", dass Menschen schlechte Geschichten erzählen. Bei Witzen ist es ja oft so, dass jemand eigentlich gar nicht den Witz erzählen will, sondern die Pointe teilen will. Das muss natürlich schief gehen, weil der Prozess des Witz-Erzählens gedanklich übersprungen wird.
« Letzte Änderung: 25.07.2019 | 12:47 von D. Athair »
"Man kann Taten verurteilen, aber KEINE Menschen." - Vegard "Ihsahn" Sverre Tveitan

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #43 am: 25.07.2019 | 12:48 »
Konterkontermeinung. Menschen haben Lust an Geschichten. Vielleicht sogar ein (zwingendes) Bedürfnis danach (siehe Religion, Volk, nationale Gründungsmythen, Boulevard oder Verschwörungen). Das macht sie nicht zu Erzählern oder Dramaturgen. Wie viele Menschen können und wollen Geschichten erzählen, im Sinne eines kreativen Prozess? Erlebnisse in Geschichten umdeuten ist dagegen etwas anderes. Und ob das dann dramaturgisch durchdacht ist, sei offen.

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Umgekehrt wird daraus natürlich wieder: Wieviele Menschen verstehen auch nur eine bereits künstlich vereinfachte fiktive Welt (von der Realität außerhalb des eigenen Kopfes mal ganz zu schweigen) gut genug, um sie spontan angemessen "simulieren" zu können, und wieviele von denen wiederum sind hinreichend begabte Regelschreiber, daß sie dann auch fähig sind, dieses Simulationserlebnis über ein entsprechendes Machwerk anderen zugänglich zu machen?

...ganz abgesehen von so kleinen Details wie der Tatsache, daß Simulationen zwar für diverse andere Zwecke durchaus nützliche Werkzeuge sind, sich ihr Unterhaltungswert aber normalerweise in engen Grenzen hält (weil sie darauf für gewöhnlich halt gar nicht erst abzielen), während umgekehrt das Format "Rollenspielsitzung" beispielsweise schlecht dafür geeignet ist, dasselbe Grundszenario unter leicht veränderten Ausgangsbedingungen mehrfach durchzuexerzieren und damit die Hintergrundwelt mal so richtig mit allen Schikanen simulativ zu erfassen.

Offline Jiba

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Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #44 am: 25.07.2019 | 13:06 »
Das macht sie nicht zu Erzählern oder Dramaturgen. Wie viele Menschen können und wollen Geschichten erzählen, im Sinne eines kreativen Prozess? Erlebnisse in Geschichten umdeuten ist dagegen etwas anderes. Und ob das dann dramaturgisch durchdacht ist, sei offen.

Es geht mir nicht mal darum das sie es wollen. Sie tun es, einfach als kommunikativer Standard. Damit aus etwas eine Geschichte wird kann in vielen Fällen schon ein „Und dann“ oder besser noch ein „Aber“ reichen.

Es geht mir auch gar nicht darum, dass alle Geschichten am Rollenspieltisch Drehbuchoskars gewinnen. Das nicht.
Diese Geschichten können auch furchtbar schlecht sein (wobei das rein subjektiv ist).

Aber letztlich erzählen alle Rollenspiele Geschichten. Nach welchen Referenzen sie das jetzt tun, ist eine ganz andere Frage. Aber das Aufspannen einer Fiktion ist die große Gemeinsamkeit.

Also @hassran: Du erzählst im Rollenspiel immer. Kannste nicht vermeiden.
« Letzte Änderung: 25.07.2019 | 13:18 von Jiba »
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #45 am: 25.07.2019 | 13:25 »
Genrekonforme Handlungsverläufe.
Was ist ein Genre?

Ist in diesem Fall eine wichtige Frage. Zum einen werden die über Elemente des Hintergrunds definiert (Cyberpunk vs. Steampunk z.B.), zum anderen aber auch über die . Art der Stories und der Interaktion der Charaktere untereinander und mit der Umwelt (z.B. wenn irgendwo ein "Noir" in der Bezeichnung vorkommt).

Ich denke die "klassischen" Rollenspiele konzentrieren sich eher auf die materialistischen (?) Aspekte von ersteren, während Systeme wie PbtA den Fokus eher auf die abstrakten Aspekte von Letzterem legen.
Genre
Genre ist sehr verwandt mit dem Setting, erweitert den Begriff aber eben explizit um Erwartungen an Klischees, Ton und Handlungsverläufen. So ist ein Noir Genre eben voller Kriminelle, romantisch, enthält schöne Frauen und starke Männer - das kann aber eben sowohl in einer Fantasy-Stadt, als auch im Cyberpunk stattfinden.
Wie CK schon sagt: Typische Handlungen (Basic Moves) und Handlungsverläufe (Konsequenzen der Moves, SL-Moves, entsprechender Schneeball)

Kann ich alles unterschreiben. Ich würde bei der Definition aber noch daraufhinweisen, dass Genre die Schnittmenge mehrerer Settings enthält PLUS typische Plotelemente mehrerer Handlungsstränge, die in diesen Welten spielen. Die Kombination von Weltelementen und Handlungselementen weist auch schon den Weg worauf ich hinaus will.

Jedenfalls der Anlass für diesen Thread war (u.a., nicht ausschließlich) eine Systemvorstellung von Apocalypse World auf Teilzeithelden in der AW as Genreemulation bezeichnet wird. Was mich etwas verwirrt hat, da ich mein eigenes System als Fantasy-GenreSim - es sich aber doch gar so anders spielt als AW bzw. DW. Ist es vielleicht eine Fehlbezeichnung?

(Achtung, Schleichwerbung! Aber für den folgenden Gedankengang ist evtl ein Kurzübersicht meines Rollenspiels nötig:)
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Ich denke nicht. PbtA emuliert Genre, wie oben bereits gesagt, über typische Plotelemente. Die Moves sind Handlungsbausteine, die sich via Komplikationen ("Snowballing") aneinanderreihen. Gegebenheiten in der Spielwelt sind diesen Handlungselementen untergeordnet - sie ergeben sich daraus. So kann eine 7-9 beim Pfeileschießen in DW eben dazu führen, dass man mehrere Pfeile verschießt in der Fiktion und seinen Munitionswert verringern muss.

KotBL hingegen emuliert Gegebenheiten in der Spielwelt (ein bisschen so wie die Actionkinowelt in "Last Action Hero" - in der Autos gerne mal explodieren wenn sie beschossen werden) und die Dramaturgie ergibt sich aus der Simulation dieser Genrewelt. Mit den Fortune Points als begrenzte Steuerungsressource, damit man eine filmähnliche Dramaturgie hinbekommt. Wenn der Hauptschurke zB ein oder zwei FPs hat, dann kann man den auch mal vorzeitig sich mit den PCs treffen lassen (wichtig für die spätere Dramaturgie!) - etwas das in Trad Games ja häufig nicht möglich ist, wenn der Schurke zur Absicherung nicht eine ganze Armee mitbringt.

Lange Rede, kurzer Sinn: Weil Genre aus Setting- und Plotelementen besteht, gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten der Emulation - Genrestory-Emulation (a la PbtA) und Genrewelten-Emulation (a la KotBL; zur Erinnerung - eher ein Trad Game).

Also für mich ist das schon mal ein schöner Erkenntnisgewinn - insbesondere weil man anhand der Definition von Genre schon diese zwei Typen der Simulation (oder Emulation, da nehme ich es nicht so genau) sehr gut ablesen kann.
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Offline takti der blonde?

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #46 am: 25.07.2019 | 13:34 »
Also @hassran: Du erzählst im Rollenspiel immer. Kannste nicht vermeiden.

Ja, aber nur insofern als ich Wörter und Sätze benutze. In erster Linie spiele ich. Das liegt mehr Fokus auf (zugegebenermaßer erzählte/gesprochene) Handlungen. Z.B. ist in kaum einem meiner Spiele eine klassiche Drei-Akt-Struktur entstanden.
Es sind insofern KEINE Erzählungen als dass viele strukturelle Elemente (bewusst) fehlen.

Da müsste ich bestimmt länger drüber nachdenken, aber ist ungefähr klar, was ich meine? Auf jeden Fall spannende Anmerkungen, danke Jiba.

Grüße

Hasran

Offline Alexander Kalinowski

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #47 am: 25.07.2019 | 14:32 »
Die Annahme, der Dieb hätte in dem beschriebenen Beispiel eine "höhere" Chance die kleine Kiste zu öffnen, als die große, ist eine Illusion, die dem Spielsystem geschuldet ist. Tatsächlich gibt es überhaupt gar keinen Grund für diese Annahme. Denn: Entweder er kann sie öffnen oder er kann sie nicht öffnen. Es gibt kein Vielleicht, dass einer Simulation zugänglich wäre.

Das ist so nicht richtig. Auch Genre fußt auf etwas. Das Fantasygenre zB fußt auf der Sagenwelt des mittelalterlichen Europas. Wenn wir voraussetzen, dass es im Mittelalter (oder zumindest der Renaissance) verschiedene Schlosstypen gab -mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden- dann kann man selbstverständlich daraus ableiten, dass ein komplizierteres Schloss schwerer zu knacken ist als ein einfaches. Dafür hat der Besitzer ja gerade bezahlt! Es ist also eine fiktions-induzierte Variation des Schwierigkeitsgrades.
Im Roman oder im Film öffnet der Held nun ein Schloss oder auch nicht - festgelegt durch den Autor. Im Rollenspiel haben wir diese Vorfestlegung häufig nicht - die Ungewissheit, ob der Held es schafft, ist ein Spielelement. Die fiktions-induzierte Variation bei der Wahrscheinlichkeit das Schloss zu knacken mag aus Storyperspektive unwichtig sein - man kann ja der Geschichte nicht ablesen wie hoch die Prozentchance des Helden in dem einen oder anderen Fall ist. Aus Simulationssicht aber ist es unabdingbar um die Spielsituation nachzustellen. (Dass man als Spieledesigner oder Spielleiter dabei spekulativ lediglich einen Näherungswert produziert ist klar.) Und auch aus spielerischer Sicht (im Sinne des Gamismus) erlaubt so eine fiktions-induzierte Variation eben eine Variation des Herausforderungsgrades der Aufgabe.

Dennoch neigen wir dazu, Szenario A) sofort für plausibel zu halten. Erreicht der Dieb den DC von 35 freut er sich über die gelungene Probe. Die Beschreibung der Kisten hätte die Spielleitung aber auch komplett weglassen und auf die Aussage reduzieren können: Es gibt zwei Kisten, eine hat einen DC von 12 und eine einen DC von 35.

Nein, denn der Held muss den Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe nicht notwendigerweise kennen. Außerdem ist die Fiktion weiterhin wichtig. Insbesondere in simulationistischen Ansätzen wo es eine besonders enge Kopplung zwischen Fiktion und Crunch gibt.

Mir gefällt an Rollenspielen unter anderem die Freiheit von "dramaturgischen Regeln"

Man vergleiche das mal mit Sport: Da weiß man auch nie im, ob's heute mal wieder Rumpelfußball gibt (im Gegenteil: früher wusste man bei der Nationalelf das und hat trotzdem eingeschaltet). Durststrecken gehören zum Hobby dazu. Das geskriptete Wrestling hingegen ist nicht sehr populär.

Erlebnisse in Geschichten umdeuten ist dagegen etwas anderes. Und ob das dann dramaturgisch durchdacht ist, sei offen.

Das ist für mich das entscheidende Wort: Erlebnis. Danke. Der Fußball-Spielbericht am nächsten Morgen in der Zeitung ist ja auch eine Story - die Geschichte des Spiels. Aber es ist eben kein Erlebnis - und die Zuschauer zahlen uU beträchtliche Summen um an dem Erlebnis "Finale" teilhaben zu können.
Story ist nicht alles im Rollenspiel. Es ist nur ein Aspekt. Ein wichtiger Aspekt, ja, aber mehr auch nicht.

Traditionelles Rollenspiel:
SL: o. k. das ist sehr große Reichweite, sehr kleines Ziel, aus der Bewegung heraus geschossen, Meisterhafter Bogen, Exzellente Sehne, Ebenholzpfeile, Du hast heute noch nicht gefrühstückt, Mittlere Sicherverhältnisse, überraschtes Ziel, Luftfeuchtigkeit 74%, das macht einen DC von 52.

Spieler: Oh... dann habe ich ja nur einer 0,73 % Chance zu treffen... meh

DW:
;-)

Ja, das liegt daran, dass Trad Games bisher nicht sehr präzise in der Emulation waren. Insbesondere D&D. In einer guten Genrewelten-Emulation hat der Bogenschütze eben die Grundtrefferchance die der Trefferquote so eines Charakters im Film am Ehesten entspricht. Wenn das ein Bogenschütze a la Legolas ist, dann ist die ziemlich hoch. Und dann müssen eben die situativen Modifikatoren auch optimal kalibriert sein.

Trotzdem kann so etwas auch mal nicht passen. Ich habe darüber bereits nachgedacht und in KotBL wird es wohl auch so einen Trait geben:

Zitat von:  Mögliches KotBL-Trait
Reliable Mastery - If the character performs a Ranged Attack with a Base CL of 8+ [Man muss schon wirklich talentiert sein um diesen Trait nutzen zu können] and the Effective CL is 3+ [bei völlig übertrieben schwierigen Trickschüssen klappt's nicht], then he can spend 2 Power Points to automatically score a Success SL.

Das kann man dann ein, vielleicht zwei Mal, pro Abenteuer machen. Da man aber alle möglichen Spezialfähigkeiten über Power Points bezahlt, kann man dann andere Fähigkeiten vielleicht nicht mehr einsetzen.
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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #48 am: 25.07.2019 | 14:43 »
Story ist nicht alles im Rollenspiel.

Story allein ist nicht Rollenspiel Aber die Story ist doch das zentrale Element des Rollenspiels. Alle anderen Elemente (Würfel, Pläne, Figuren) sind doch dazu da, die Story zu unterstützen. Der Wesentliche Punkt liegt m.E. darin, dass zwar alle beim Rollenspiel eine (schöne, interessante, spannende - je nach Vorlieben) Story erleben wollen, sie bei der Unterstützung bzw. dem Verlauf aber unterschiedliche Vorlieben haben (und natürlich bei der Art der Story).

ptbA unterstützt mit den Regeln - zumindest in allen Varianten die ich bisher damit gespielt habe - das voranschreiten einer Genre-typischen Story (Sprich: Highschool-Drama mit Monstern bei Monsterhearts oder Fantasy-Abenteuer bei Dungeon Worlds) während andere Spiele die Story nicht zwangsweise Genre-Typisch vorantreiben, sondern der Augenmerk darauf bei Spieler liegt.
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Offline Crimson King

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Re: Vergleichende Analyse zwischen PbtA und Trad Games
« Antwort #49 am: 25.07.2019 | 14:49 »
Story allein ist nicht Rollenspiel Aber die Story ist doch das zentrale Element des Rollenspiels.

Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen, die auch ihre Berechtigungen haben.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe