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„Play to find out“ versus tiefgründige Story

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First Orko:

--- Zitat von: GornOfDagon am 30.09.2020 | 10:43 ---Zusammengefasst aus meiner Erfahrung: Tiefgehende emotionale Szenen entstehen zumeist durch die Charaktere und die Immersion der Spieler.

--- Ende Zitat ---

Das greift m.E. zu kurz. [für Spieler*in] emotionale Szenen entstehen wenn das, was dem SC passiert der Spieler*in nahegeht. Das kann nur dann funktionieren, wenn die SL die Werte des Spielers, welche dieser durch die SC widerspiegelt, angreift. Das kann man Immersion nennen, aber wie viele Andere hier finde ich den Begriff zu nebulös, um damit konrekt diskutieren zu können.

Worauf ich hinaus will: Das gezielte Hervorrufen von Emotionen beim Spieler ist eine Manipulation der Spieler*in (die seitens der SL SEHR verantwortungsvoll und in offenem, gegenseitigen Einvernehmen eingesetzt werden sollte!) - und als solches ein Softskill der SL, der neben dem steht, was im Spiel passiert.
Es ist sogar fast völlig egal, was im Spiel passiert: Wenn ich weiß, worauf die Leute am Tisch emotional abgehen, kann ich beinahe _alles_ im Spiel als Vehikel nutzen.

@Game of Thrones
Es spricht nichts dagegen, eine beliebige starke Szene aus der Serie an den Anfang einer Sitzung zu setzen (mitsamt den Hintergründen) - und dann weiterspielen, um herauszufinden, was passiert  ;)

Crimson King:
Es hilft meines Erachtens und es ist bei PbtA auch nicht verboten, solche Pläne in petto zu haben,. Es hilft nicht, solche Pläne durchzudrücken, wenn die Spieler nicht so agieren, dass der Handlungsverlauf wie geplant erfolgen kann. Improvisation findet üblicherweise über einem Grundaufbau statt, den die SL auch beherrscht.

Jiba:

--- Zitat von: Crimson King am 30.09.2020 | 11:03 ---Es hilft meines Erachtens und es ist bei PbtA auch nicht verboten, solche Pläne in petto zu haben,. Es hilft nicht, solche Pläne durchzudrücken, wenn die Spieler nicht so agieren, dass der Handlungsverlauf wie geplant erfolgen kann. Improvisation findet üblicherweise über einem Grundaufbau statt, den die SL auch beherrscht.

--- Ende Zitat ---

Besser kann man's gar nicht sagen.  :d

tartex:

--- Zitat von: GornOfDagon am 30.09.2020 | 10:43 ---Danke, exakt so war es von mir gemeint. Nehmen wir doch mal als Beispiel aus Game of Thrones die (Klicke zum Anzeigen/Verstecken)"Rote Hochzeit", eine für die meisten Leser überraschende Wendung, ein großer WTF-Moment und der Auslöser für viele weitere Handlungsfäden. Eine solche Szene muss im Vorfeld sehr sauber geplant werden. Hier müssen Hintergründe der einzelnen Protagonisten, politische Intrigen und der Meta-Plot beachtet werden. Der Spannungsbogen ist perfekt aufgebaut. Meinen höchsten Respekt vor demjenigen, der so eine Szene improvisieren kann, weil zufällig die Würfel dahin gerollt sind.

--- Ende Zitat ---

Lustigerweise sehe ich dieses Ereignis immer schon als die literarische Umsetzung eines Beinahe-TPKs. Das schöne daran ist ja das Zusammenhauen der bisherigen Handlungsfäden. Es ist eine krasse Disruption der Dramastruktur. Dass danach aus den Scherben was tolles gebaut wird, steht dann wieder auf einem anderen Blatt. Dass man sich danach ziemlich sicher ist, sich nicht auf die gewöhnten Strukturen verlassen zu können, allerdings schon noch auf demselben.

tanolov:

--- Zitat von: Isegrim am 29.09.2020 | 13:06 ---Play to find out (Wie ich es für diesen Beitrag verstehe): Entscheidende Aspekte der allgemeinen Spielwelt oder der konkreten Situation sind nicht fest gelegt, sondern werden erst während des Spiels von Spielern und SL gemeinsam entwickelt: Wer ist der Bösewicht oder Mörder? Wie stehen zwei wichtige NSCs zu einander? Spielt ein Auftraggeber fair, oder will er die SCs benutzen und verraten? Was soll eigentlich das "Abenteuer" sein? Das weiß anfangs nicht mal die SL.

--- Ende Zitat ---

hier will ich gleich gegensteuern: "play to find" out in Apocalypse World (wo es ja herkommt) heißt nicht das man alles ad hoc improvisiert oder jedes weltdetail inkl. beziehungsgeflechten auf würfelwürfen beruht. tatsächlich soll man in dem spiel ja sogar ex ante festlegen was passiert und wie sich die welt verändert. man soll das aber eben nur für den fall machen, das die spieler nicht in das geschehen eingreifen. auf dieser grundlange wird dann gespielt.
play to find out heißt lediglich, das es ex ante keinen plot gibt der die spielercharaktere beinhaltet. man spielt um herauszufinden was passiert. die art der vorbereitung und die erwartungshaltung des spielleiters ist unterschiedlich.

die unterschiede kurz im beispiel:

Grundlage:
Post-Apokylpase; Stadt mit Gewächshaus (Flavourtown); Gang in den Badlands (Hell-Rider); Hell-Rider wollen das Gewächshaus übernehmen

Erwartungshaltung / Vorbereitung

Standardansatz:
- Charaktere starten in Flavourtown
- Charaktere bekommen einen Incentive das Gewächshaus vor den Hell-Ridern zu beschützen
- Hell-Rider greifen das Gewächshaus an, Charaktere Verteidigen das Gewächshaus
- Charaktere bekommen einen Incentive den Anführer der Hell-Rider auszuschalten
- Charaktere töten den Anführer der Hell-Rider in seiner Festung


Play-To-Find-Out Ansatz:
- Hell-Rider geben eine Warnung ab, dass das Gewächshaus ab jetzt ihnen gehört
- Hell-Rider übernehmen das Gewächshaus
- Unruhen in Flavourtown aufgrund drohendem Nahrungsengpass


Bei Play to Find out lasse ich offen was die Charaktere machen werden. Genau das ist es was ich "herausfinde". Wenn die Charaktere Flavourtown verteidigen wollen ist das ok, wenn sie den Hell-Ridern beitreten wollen passt das auch und wenn sie nichts von beidem machen, dann gibts eben mehr Drama in Flavourtown. Erfolg/Misserfolg der jeweiligen Aktionen gibt dem ganzen dann noch mehr Variabilität.




Um dem TE noch zu antworten:
"tiefgründige Story" (wie genau man das auch definieren möchte) schließt sich damit nicht aus. Ich persönlich stehe sowieso immer auf Kriegsfuß mit der Idee das man bei einer 0815 Rollenspielsession eine objektiv hochwerte Story rausbekommen könnte. (objektiv hier als von Fachkundigen dritten bewertet). Ich benutze da immer gerne die Kochallegorie:

a) Wenn ich gutes essen will, dann komme ich nicht drum herum in ein gutes Restaurant zu gehen und das essen von Profis zubereiten zu lassen.
b) Wenn ich in einem familiären, informellen Kreis essen will, dann kann ich mich mit Freunden bei wem Zuhause treffen und einer Kocht.
c) Alternativ koche ich auch zusammen mit Freunden etwas gemeinsam.

bei a) habe ich mit weitem Abstand das beste Essen. Es ist aber auch am teuersten und hat ein fundamental anderes Flair als Option b) und c). Im Rollenspiel wäre das äquivalent ein Kaufabenteuer und man muss sich sogar fragen ob Rollenspiel überhaupt noch das richtige Medium ist und ein Film oder Buch nicht passender wäre.

bei b) wird das Essen objektiv gesehen nicht besonders sein (objektiv hier als von Fachkundigen dritten bewertet). Wahrscheinlich bin ich aber auch nicht wegen des Essens da, sondern wegen der Gesellschaft. Im Rollenspiel ist das Äquivalent der Spielleiter der mit einer Vorbereiteten Story an den Tisch kommt.

bei c) wird mein Essen objektiv gesehen das schlechteste sein, aber da wir es zusammen gemacht haben finden wir es subjektiv trotzdem toll. Dies deswegen da wir alles was wir selber machen nicht Objektiv bewerten. Im Rollenspiel ist das der gemeinschaftliche Ansatz bei dem die Story zusammen am Tisch erzählt wird. Da die einzigen Rezipienten der Story die Spieler sind, interessiert es auch niemanden das die Story objektiv ziemlich meh ist.
Daher ist das mein klarer Favorit.

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