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The Falcon and the Winter Soldier

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Zed:
Hey Scurlock,

es geht mir anders als Dir aus folgenden Gründen:

Einig sind wir uns beim "Winter Soldier". Was ich bei dem Film am spannensten finde, ist sein Setup mit von Algorithmen befeuerten "preemtive strikes". Seine reale Entsprechung finde ich wieder in Social-Score-System Chinas und in der Verhaftungswelle gegen hunderttausende türkische Bürgerinnen und Bürger, die als Juristen, Lehrkräfte und sonstige Beamte keine Erdogan-Fans waren - und das nur wenige Tage nach dem Putschversuch 2016 (worüber leider niemand gesprochen hat). Ich nehme an, dass für die Erstellung dieser umfangreichen Verhaftungs- und Entlassungslisten facebook und andere Medien ausgewertet wurden.

Neben dem politischen Background

- erweitert "Winter Soldier" die "Lore" (Hydra hat S.H.I.E.L.D. unterwanderdert)
- darin entwicklen sich Charaktere weiter (Cap hat sich schon einigermaßen eingelebt; Bucky findet etwas von seinem alten Ich wieder) und
- ein wichtiges Thema dieses und der kommenden Filme wird behandelt: Vertraust Du der Befehlskette oder wendest Du Dich gegen sie, wenn Dein Gefühl Dir sagt, dass Du einen Freund retten musst.
- Und es ist ein guter Actionfilm.

In den Filmen erleben wir nur wenig Alltag der Helden, am ehesten von Ant-Man, ein wenig von Iron Man und immerhin sehen wir das Zuhause von Hawkeye. TFatWS greift den Aspekt der (Un-)Vereinbarkeit von Superheld und Alltagsmensch in der ersten Folge anhand von Sam auf. Die von Dir angesprochene, konstruierte Szene mit dem Polizeiwagen ist für mich das Beispiel einer Szene, die alles erfüllt, was Marvel im besten Sinne sein kann, und wo die Serie mit ihrer Mehrzeit gegenüber den Filmen das beste herausholt:

Sie beginnt ja eigentlich bei dem Besuch des missbrauchten Supersoldiers. Das erweitert die Lore (und führt potentiell zukünftige Protagonisten ein) und triggert Sam, dem damit ein Stück Vertrauen in den Staat abhanden kommt. Natürlich schwingt schon hier ein politischer Background, Rassismus, mit.

Dieser politische Background wird offenbar, als die beiden auf der Straße von der Polizei angehalten werden, und es wird automatisch dem Schwarzen unterstellt, er würde Bucky belästigen.

Der Umschwung der Polizisten, als sie die Avengers erkennen, spielt mit einem Thema, das sich durch diese Serie (und jede Figur) zieht: der Unterschied der Erwartungen der anderen an dich und der Erwartungen, die Du an dich selbst hast - wie andere dich sehen, und wie du dich selbst siehst. (Sam hat in dieser Serie die unterschiedlichsten Außenperspektiven auszuhalten: Er wird gehalten für einen Helden, für einen nicht kreditwürdigen Mitbürger, für einen der Kriminalität nahestehenden Schwarzen, für den eigentliche Erben des Titels "Captain America".)

Diese Szene vereint also, was Marvel im besten Falle erzählen kann (gut, in dieser Szene fehlt mal die Action, dafür haben wir aber ein Stück Alltag für Schwarze, die sich im "falschen" Vierten aufhalten :))

Scurlock:

--- Zitat von: Zed am 11.04.2021 | 15:05 ---Hey Scurlock,

es geht mir anders als Dir aus folgenden Gründen:

Einig sind wir uns beim "Winter Soldier". Was ich bei dem Film am spannensten finde, ist sein Setup mit von Algorithmen befeuerten "preemtive strikes". Seine reale Entsprechung finde ich wieder in Social-Score-System Chinas und in der Verhaftungswelle gegen hunderttausende türkische Bürgerinnen und Bürger, die als Juristen, Lehrkräfte und sonstige Beamte keine Erdogan-Fans waren - und das nur wenige Tage nach dem Putschversuch 2016 (worüber leider niemand gesprochen hat). Ich nehme an, dass für die Erstellung dieser umfangreichen Verhaftungs- und Entlassungslisten facebook und andere Medien ausgewertet wurden.

Neben dem politischen Background

- erweitert "Winter Soldier" die "Lore" (Hydra hat S.H.I.E.L.D. unterwanderdert)
- darin entwicklen sich Charaktere weiter (Cap hat sich schon einigermaßen eingelebt; Bucky findet etwas von seinem alten Ich wieder) und
- ein wichtiges Thema dieses und der kommenden Filme wird behandelt: Vertraust Du der Befehlskette oder wendest Du Dich gegen sie, wenn Dein Gefühl Dir sagt, dass Du einen Freund retten musst.
- Und es ist ein guter Actionfilm.

In den Filmen erleben wir nur wenig Alltag der Helden, am ehesten von Ant-Man, ein wenig von Iron Man und immerhin sehen wir das Zuhause von Hawkeye. TFatWS greift den Aspekt der (Un-)Vereinbarkeit von Superheld und Alltagsmensch in der ersten Folge anhand von Sam auf. Die von Dir angesprochene, konstruierte Szene mit dem Polizeiwagen ist für mich das Beispiel einer Szene, die alles erfüllt, was Marvel im besten Sinne sein kann, und wo die Serie mit ihrer Mehrzeit gegenüber den Filmen das beste herausholt:

Sie beginnt ja eigentlich bei dem Besuch des missbrauchten Supersoldiers. Das erweitert die Lore (und führt potentiell zukünftige Protagonisten ein) und triggert Sam, dem damit ein Stück Vertrauen in den Staat abhanden kommt. Natürlich schwingt schon hier ein politischer Background, Rassismus, mit.

Dieser politische Background wird offenbar, als die beiden auf der Straße von der Polizei angehalten werden, und es wird automatisch dem Schwarzen unterstellt, er würde Bucky belästigen.

Der Umschwung der Polizisten, als sie die Avengers erkennen, spielt mit einem Thema, das sich durch diese Serie (und jede Figur) zieht: der Unterschied der Erwartungen der anderen an dich und der Erwartungen, die Du an dich selbst hast - wie andere dich sehen, und wie du dich selbst siehst. (Sam hat in dieser Serie die unterschiedlichsten Außenperspektiven auszuhalten: Er wird gehalten für einen Helden, für einen nicht kreditwürdigen Mitbürger, für einen der Kriminalität nahestehenden Schwarzen, für den eigentliche Erben des Titels "Captain America".)

Diese Szene vereint also, was Marvel im besten Falle erzählen kann (gut, in dieser Szene fehlt mal die Action, dafür haben wir aber ein Stück Alltag für Schwarze, die sich im "falschen" Vierten aufhalten :))

--- Ende Zitat ---
Es geht mir nicht darum, dass die Szenen und Sequenzen da sind, um beispielsweise den Alltag oder die Probleme nach dem Blip aufzuzeigen. Vielmehr ist es die Art der Inszenierung bzw. Nicht-Inszenierung, die mir bei "The Falcon and the Winter Soldier" aufstößt. Die Copszene wirkte einfach nur aufgesetzt, fehl platziert und reichlich plump. Für mich wurde das Universum dadurch nicht glaubwürdiger. Viel eher hatte ich den Eindruck man möchte bei Marvel/Disney auch irgendwie was zu "Black Lives Matter" sagen und das mit dem Holzhammer. Relevanz hatte diese Szene dann später auch keine mehr.
Dann die vermeintlich so sozialpolitische Relevanz der Blip-Problematik. Das ganze ist so verschwurbelt in Szene gesetzt, dass zumindest mir noch nicht wirklich klar ist, was die "Face Smasher" eigentlich so wollen, wofür sie stehen oder ob sie einfach nur ein künstlich aufgeblähtes Plotvehikel sind, um die Metamorphose zum Evil-Cap zu erklären. Darüberhinaus wird immer wieder lang und breit erläutert, wie beschissen die Situation für viele nach dem "Blip" ist. Nur sehen tut man nahezu nix von dem Elend.
"Show don't tell" fällt mir nur dazu ein.
Darüberhinaus verhalten sich die Figuren alle entweder passiv oder  ausgesprochen dämlich.
Spec-Ops "Falcon" lässt sein Handy bei einer geheimen Mission an. Der Bucky, der in "Captain America - The Winter Soldier" die halben Avengers aufgemischt hat, lässt sich in der Serie von einem Haufen Amateure weich prügeln. Dann befreien sie ohne Not in einer Hau-Ruck-Aktion einen Superschurken, der ihnen am Ende auch noch irgendwie entkommt. Intelligent ist anders.
Mit den "Face Smashers" versucht man dann ein wenig Grau in das Schwarz-Weiß von Superhelden und -schurken zu bringen. Aber um keine zu großen Sympathien beim Zuschauer aufkommen zu lassen, lässt Karli Morgenthau einfach so eine Bombe hochgehen und killt dabei ein paar Polizisten/Soldaten, auch hier wieder ohne Not.
Das Skript der Serie springt hin- und her, lässt keinen Raum für Charakterentwicklung. Vielmehr werden immer weitere Figuren in die Serie geschmissen, die auftauchen, um sogleich wieder zu verschwinden. Beim Zuschauer, zumindest bei mir, hinterlässt das den Eindruck der Beliebigkeit.
Ich sehe durchaus, was die Serie versucht. Aber hier wird Unübersichtlichkeit geschaffen, um Tiefe zu suggerieren. Das klappt nur nicht.   

Sashael:
Ich frage mich ja, ob du nicht einfach einen viel zu hohen Maßstab anlegst.

Denn schlussendlich sind es Comicverfilmungen von Marvelcomics.
Handy, Polizeiszene, Motivation von Pro- und Antagonisten etc etc ... da erwarte ich gar nichts anderes. Es sind Comics, keine Romanverfilmungen von Eco, Joyce oder Mann. Vielleicht machst du es dir einfach nur selbst schwer, dieses belanglose Popcornkino zu genießen, weil du von Grund auf einfach zuviel erwartest.

Deine Postings machen auf mich so ein bißchen den Eindruck, als würde jemand nach einem Besuch bei McDonalds einen geharnischten Beschwerdebrief an die Redaktion vom Gault Millau schicken.
Deine Kritikpunkte sind alle berechtigt, aber am Ende des Tages handelt es sich auch bei diesen Serien doch nur um nett inszenierten TV-Trash.

Scurlock:

--- Zitat von: Sashael am 11.04.2021 | 21:32 ---Denn schlussendlich sind es Comicverfilmungen von Marvelcomics.
Handy, Polizeiszene, Motivation von Pro- und Antagonisten etc etc ... da erwarte ich gar nichts anderes. Es sind Comics, keine Romanverfilmungen von Eco, Joyce oder Mann. Vielleicht machst du es dir einfach nur selbst schwer, dieses belanglose Popcornkino zu genießen, weil du von Grund auf einfach zuviel erwartest.
--- Ende Zitat ---
Naja, die Comicverfilmungen der letzten Jahre haben doch auch gezeigt, dass es durchaus möglich ist, Comics auch jenseits von Trash zu inszenieren. Und mit "Watchmen" beispielsweise ist es gelungen, Anspruch auch in Comic-Serienformat zu bringen.
Aber das ist nicht der Punkt, denn ich erwarte bei einer Comicserie nicht zwangsweise Anspruch. Wenn aber eine Serie so tut, als wolle sie Anspruch verkaufen, es aber nicht kann, muss sie automatisch enttäuschen. Und wenn "The Falcon and the Winter Soldier" sich an "Captain America: The Winter Soldier" orientieren will, aber am Ende das inhaltliche Niveau von "Ein Trio mit vier Fäusten" aufweist, sollte Kritik angebracht sein.

Wir sind halt nicht mehr in den 90ern, wo Serien nahezu grundsätzlich Fastfood für die Massen waren. Und Marvel tritt schließlich auch mit dem Anspruch an, ähnlich hochwertig fürs Fernsehen zu produzieren wie zuvor für die große Kinoleinwand. Mit "WandaVision" haben sie diesbezüglich dann auch geliefert, mit "The Falcon and the Winter Soldier" bisher nicht, zumindest was das Skript angeht.

carthoz:
Aber die Erwartung, die Serie sei irgendwie wie "The Winter Soldier" ist doch allein DEINE – das wird durch NICHTS aus dem Trailer- und Ankündigungsmaterial so gefüttert, wie du es hier darlegst.

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